Urteil vom Landgericht Itzehoe (3. Zivilkammer) - 3 O 394/10

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert beträgt € 6.670,00.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Rückabwicklung des Kaufvertrages über ein gebrauchtes Motorrad.

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Mit Vertrag vom 21.05.2010 (Anlage K 1, Bl. 6 d.A.) kaufte der Kläger von der Beklagten das gebrauchte Motorrad vom Typ xxx, xxx, Baujahr 2004, Kilometerstand 11.800 km, zu einem Kaufpreis von EUR 6.670,00. Zuvor hatte der Kläger das Motorrad besichtigt und eine Probefahrt unternommen. Die Beklagte hatte das Motorrad in einer Anzeige, auf die der Kläger im Vorfeld des Vertragsschlusses aufmerksam wurde, beworben. In dieser Anzeige wurde das Erstzulassungsdatum mit 03/2006 angegeben. Hinsichtlich des Baujahres des Motorrades enthielt die Anzeige keine Angaben.

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Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 14.07.2010 (Anlage K 4, Bl. 17 d.A.) forderte der Kläger die Beklagte auf, bis zum 30.07.2010 ein vertragsgerechtes Motorrad zu liefern und begründete dies mit der zeitlichen Differenz zwischen Herstellungszeitpunkt und Zeitpunkt der Erstzulassung. Unter dem 09.08.2010 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und hilfsweise seine Anfechtung.

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Der Kläger meint, das verkaufte Motorrad sei sachmangelhaft, weil die Modelle des Baujahrs 2006 gegenüber denen des Baujahrs 2004 technisch ausgereifter und verbessert gewesen seien. Zudem sei eine zweijährige Zeitspanne zwischen Baujahr und Erstzulassung auch bei Gebrauchtfahrzeugen ein offenbarungspflichtiger Umstand. Er meint, er habe mangels Hinweises der Beklagten auf die zeitliche Differenz zwischen Baujahr und Erstzulassung darauf vertrauen dürfen, dass das Motorrad im Jahr seiner Erstzulassung 2006 gebaut worden sei.

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Der Kläger beantragt,

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1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 6.670,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB Zug um Zug gegen Rückgabe des Motorrades xxx, xxx zu zahlen;
2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von EUR 603,97 zu zahlen;
3. es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Motorrades xxx in Verzug befindet.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte meint, die Abweichung von Herstellungszeitpunkt und Erstzulassungsdatum begründe für sich genommen noch keinen Sachmangel. Ein solcher läge erst vor, wenn aufgrund der langen Standzeit vor der Erstzulassung Schäden an dem Fahrzeug entstanden seien.

Entscheidungsgründe

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Mangels Begründetheit bleibt die zulässige Klage ohne Erfolg.

I.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm verlangte Rückabwicklung des Kaufvertrages. Die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen liegen nicht vor.

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1. Dem Kläger steht kein Anspruch aus § 346 Abs. 1, 2. Alternative zu. Es fehlt ein Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB vor, so dass der Kläger nicht gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 2. Alternative BGB vom Vertrag zurücktreten konnte.

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a) Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob eine xxx des Baujahrs 2004 negativ abweicht von einer xxx des Baujahres 2006. Das klägerische Vorbringen, dass ein Modell xxx des Baujahres 2004 weniger ausgereift als eines des Baujahres 2006 sei und noch unter „Kinderkrankheiten“ leide, ist ebenso pauschal und unsubstantiiert wie der Vortrag, die 2006er Modelle hätten über verschiedene Motorspezifikationen aus höherklassigen Modellreihen verfügt. Erforderlich wäre schon die Darlegung einzelner Eigenschaften gewesen, aus denen sich ergibt, dass eine xxx des Baujahres 2006 negativ von einer des Baujahres 2004 abweicht. Ob der insoweit einzig konkrete Vortrag, dass die 2006er Modelle über eine höherwertige Gussschwinge verfügten, für die Darlegung einer negativen Abweichung genügt, kann offen bleiben.

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Entscheidend ist, dass schon nach dem klägerischen Vorbringen nicht ersichtlich ist, dass die Parteien als Sollbeschaffenheit vereinbart hätten, die streitgegenständliche xxx sei im Jahr 2006 gebaut worden. Der schriftliche Kaufvertrag enthielt dazu keine Angaben ebenso wie die Werbeanzeige der Beklagten, die lediglich das Datum der Erstzulassung mitteilte. Auch mündlich gab es schon nach dem Klägervortrag keine Vereinbarung der Parteien zu dem Baujahr des Motorrades.

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Der Kläger durfte auch nicht gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB aufgrund der beworbenen Erstzulassung erwarten, dass das Motorrad im Jahr 2006 gebaut wurde. Herstellungsdatum und Datum der Erstzulassung können und müssen unterschieden werden. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Kraftfahrzeuge immer alsbald nach der Herstellung zum Straßenverkehr zugelassen würden. Der Kläger kann für seinen Rechtsstandpunkt auch nicht Entscheidungen in Anspruch nehmen, in denen es um Fahrzeuge ging, die aufgrund sehr geringer Fahrleistungen als nahezu neuwertig verkauft wurden. Denn in diesen Fällen ging es für die Beurteilung der Sollbeschaffenheit nicht allein um das zeitliche Auseinanderfallen von Herstellungs- und Erstzulassungsdatum, sondern zudem um die Frage, ob der Käufer das von ihm erwartete praktisch neue Fahrzeug erhält oder nicht. Diese Rechtsprechung kann nicht analog angewendet werden auf einen Fall wie den vorliegenden, in denen der Käufer ohnehin ein gebrauchtes Kraftfahrzeug erwerben will, weil hier zur Erwartung des Käufers die Eigenschaft „praktisch neu“ eben nicht gehört. Für den Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs sind zweifellos relevant die Fragen, wie lange und in welchem Umfang das Fahrzeug benutzt wurde - d.h. die Fragen nach Erstzulassung und Laufleistung - sowie der technische und optische Zustand des Fahrzeugs. Dazu hat der Kläger Auskunft bekommen über die Annonce bzw. durch die von ihm selbst gemachte Probefahrt. Wäre es dem Kläger darauf angekommen, ein Motorrad mit der Gussschwinge der Modelle des 2006er Baujahres zu bekommen, hätte es nahegelegen, das streitgegenständliche Motorrad daraufhin zu prüfen, zumal die Unterschiede der Gussschwinge nach dem unbestrittenen Beklagtenvorbringen - selbstverständlich nur für den insoweit interessierten Käufer - mit einem Blick erkennbar waren. Dass der Kläger das Motorrad nicht auf die Gussschwinge geprüft hat, zeigt, dass deren Konstruktion für ihn nicht kaufentscheidend war.

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b) Ein Sachmangel des streitgegenständlichen Motorrades ergibt sich auch nicht daraus, dass es in der Standzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung Standschäden erlitten hätte. Entsprechendes hat der Kläger nämlich schon nicht behauptet.

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2. Das Klagebegehren ist auch nicht aus § 812 Abs. 1, 1. Alternative BGB gerechtfertigt. Die Beklagte hat den von dem Kläger zurückverlangten Kaufpreis mit rechtlichem Grund erhalten, weil die erklärte Anfechtung nicht durchgreift. Dabei kann dahinstehen, ob die - nicht vorgelegte - Anfechtungserklärung überhaupt hinreichend deutlich erkennen lässt, dass der Kläger den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung nicht gelten lassen wolle.

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Die erklärte Anfechtung scheitert jedenfalls am Fehlen eines Anfechtungsgrundes. Insbesondere ist der Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB nicht dargelegt. Die Beklagte hat zwar dem Kläger das Herstellungsdatum des streitgegenständlichen Motorrades weder vor noch bei Vertragsschluss mitgeteilt. Eine Täuschung könnte darin aber nur gesehen werden, wenn die Beklagte insoweit - auch ohne ausdrückliche Nachfrage des Klägers, die es unstreitig nicht gab - eine Aufklärungspflicht traf. Eine solche Aufklärungspflicht des Verkäufers gemäß § 123 Abs. 1 BGB besteht aber im Hinblick auf Eigenschaften der Kaufsache nur insoweit, als sie nicht der Sollbeschaffenheit der Sache gemäß § 434 Abs. 1 BGB entsprechen. Dass das verkaufte Motorrad indes der Sollbeschaffenheit entsprach, wurde bereits ausgeführt.

II.

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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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