Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts
Karlsruhe vom 27. Mai 2005 - 1 C 262/04 - im Kostenpunkt aufgehoben
und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.985,65 nebst
9% Zinsen seit dem 11. November 2003 sowie EUR 7,67 vorgerichtliche
Mahnauslagen zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf
Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
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Die Berufung ist begründet.
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Der Beklagte ist passivlegitimiert (dazu nachfolgend A.); er hat der Klägerin die tariflichen Entgelte für die Gasversorgung entsprechend den Rechnungen der Klägerin (dazu B.) zu bezahlen, ohne dass diese zuvor die Billigkeit ihrer Preisbestimmung darlegen müsste (dazu C.). Der Einwand eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 GWB) hat der Beklagte nicht erhoben (dazu D.). Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verjährt (dazu E.).
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Der Beklagte ist passivlegitimiert. Die Verträge über die Gasbelieferung für die Wohnungen in seinem Hause sind zwar nicht durch den Austausch ausdrücklicher Willenserklärungen, aber durch schlüssiges Verhalten durch Gasentnahme abgeschlossen worden (§ 2 Abs. 2 AVBGasV).
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Im Einzelnen gilt für die einzelnen Verträge und Belieferungszeiträume folgendes:
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1. Für die Gasbelieferung im Rahmen des Vertrages 0011/74943 in der Zeit vom 31. August 2001 bis 2. September 2002 kann die Klägerin ein Entgelt in Höhe von EUR 1.621,75 verlangen. Die Klägerin hat dem Beklagten durch schlüssiges Verhalten die Lieferung von Gas in diesem Zeitraum angeboten; der Beklagte hat dieses Angebot ebenfalls durch schlüssiges Verhalten - nämlich durch eigene Gasentnahme oder deren Duldung - angenommen.
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a) Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 30. April 2003 (VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131) entschieden, dass sich das Angebot auf Erbringung von Versorgungsleistungen durch den Wasserversorger typischerweise an den Grundstückseigentümer richtet, weil nur diesem ein Anspruch auf Anschluss an die Versorgung zustehe und Wasserversorgungsunternehmen ihre Versorgungsaufgabe durch Abschluss des Wasserversorgungsvertrages mit diesem Personenkreis erfüllen. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auch auf die Gasversorgung anwendbar, für deren Allgemeine Geschäftsbedingungen in § 2 AVBGasV eine identische Regelung in Bezug auf den Vertragsabschluss getroffen worden ist. Dem Argument des Beklagten, eine Anwendung im Bereich der Gasversorgung scheitere daran, dass in diesem Bereich kein Anschluss- und Benutzungszwang bestehe, folgt die Kammer nicht. Es ist zwar richtig, dass - anders als grundsätzlich im Bereich der Wasserversorgung - keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Kunden besteht, sich an ein Gasversorgungsnetz anschließen zu lassen. Entscheidend ist aber, dass die Klägerin nach § 18 Abs. 1 Satz 1 EnWG grundsätzlich ein Anschlusszwang trifft, der Grundstückseigentümer also umgekehrt wie im Bereich der Wasserversorgung im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Bedingungen Anspruch auf Teilnahme an der Gasversorgung hat.
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b) Dass der Beklagte für seine Wohnungen Gasetagenheizungen hat einbauen lassen, ändert nichts daran, dass sich das Angebot des Gasversorgers im Zweifel an ihn wendet und der Gasversorger die Gasentnahme auch als seine Vertragsannahme verstehen darf. Die Klägerin kann nicht ohne weiteres feststellen, wer Mieter der Wohnungen im Hause des Beklagten ist; sie ist auf dessen Angaben hierzu angewiesen. Daher ist der Beklagte als Grundstückseigentümer als Vertragspartner anzusehen, solange er der Klägerin keinen (neuen) Mieter mitgeteilt hat.
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c) Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2004 (VIII ZR 95/03, NJW-RR 2004, 928) lässt sich ein günstigeres Ergebnis für den Beklagten nicht herleiten. Aus dieser ist lediglich zu entnehmen, dass ein Vertragsschluss durch schlüssiges Verhalten ausscheidet, wenn die Energielieferungen bereits aufgrund eines Vertrages mit einem Dritten erbracht werden. Diese Voraussetzung ist für den streitigen Zeitraum nicht erfüllt. Ein Vertrag zwischen der Klägerin und einem Mieter des Beklagten bestand in dem fraglichen Zeitraum nicht, nachdem der frühere Nutzer den Gaslieferungsvertrag zum 10. April 2001 gekündigt und den Beklagten als Nachfolger benannt hatte, der wiederum erst für die Zeit ab 1. November 2002 Frau als neue Mieterin benannt hatte.
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d) Ob der Beklagte nach Erhalt der ihm nach Auszug des Herrn übersandten Vertragsbestätigung, wie er behauptet, einen Mitarbeiter der Klägerin zum Ausbau des Gaszählers in der fraglichen Wohnung aufgefordert hat, kann offen bleiben. Es stellte ein widersprüchliches Verhalten dar, würde der Beklagte zunächst zu einem Abbau des Gaszählers aufgefordert, dann aber Gas bezogen oder den Gasbezug geduldet haben.
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e) Dass das Haus des Beklagten in der Zeit vom 18. Oktober 2001 bis 4. Juli 2002 nach dessen Vortrag unter Zwangsverwaltung stand, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten ist spätestens zu dem Zeitpunkt zustande gekommen, zu dem der Beklagte die bis zum 30. August 2001 laufende Jahresabrechnung bezahlt hat; zum Ablauf dieser Abrechnungsperiode bestand die Zwangsverwaltung noch nicht. Die Anordnung der Zwangsverwaltung bewirkt keinen Eintritt des Zwangsverwalters in die vom Eigentümer geschlossenen Energielieferungsverträge (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 152, Rn. 8). Der Beklagte hätte seiner Zahlungsverpflichtung deshalb nur dadurch entgehen können, dass er den Gasbelieferungsvertrag mit Eintritt der Zwangsverwaltung kündigt und seine etwaigen Mieter auf den Zwangsverwalter verweist. Auch dann wäre er aber nach Aufhebung der Zwangsverwaltung wieder Schuldner geworden, soweit die Ansprüche der Klägerin noch nicht aus den Erträgen ausgeglichen worden waren. Er hätte dann allenfalls Schadensersatzansprüche gegen den Zwangsverwalter, sofern dieser es versäumt haben sollte, der Klägerin Mitteilung von dem Einzug neuer Nutzer zu machen.
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2. Für die Belieferung unter der Vertragsnummer 0011/74943 in der Zeit vom 3. September 2002 bis 31. Oktober 2002 hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung weiterer EUR 255,63. Zwar liegt der Beginn des Abrechnungszeitraums in der Zeitspanne, während derer die Zwangsverwaltung angeordnet war. Allein durch den Beginn eines neuen Abrechnungszeitraums ist aber kein neuer Vertrag begründet worden; es galt vielmehr der mit dem Beklagten geschlossene Vertrag fort. Ein Vertragseintritt des Zwangsverwalters fand aus den vorstehend ausgeführten Gründen nicht statt.
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3. Schließlich besteht für den Vertrag 0011/78574 für die Zeit vom 1. Januar bis 2. September 2002 ein Anspruch auf Zahlung von EUR 108,27.
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a) Vertragspartner der Klägerin zu dieser Abnahmestelle war zunächst ein Herr ; dieser kündigte zum 31. Dezember 2001. Ein Nachmieter wurde nicht benannt; dem Beklagten wurde am 11. Januar 2002 eine Vertragsbestätigung übersandt. In der Folgezeit wurde Gas entnommen. Der Beklagte sandte am 29. Oktober 2002 eine Rechnung mit dem Vermerk zurück, dass seit dem 1. Juni 2002 eine Frau Mieterin der betreffenden Wohnung sei. Die Klägerin wertete dies als Kündigung zum 3. September 2002.
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b) Aus diesem Ablauf ergibt sich, dass der Beklagte nicht unmittelbar Vertragspartner der Klägerin geworden ist, weil das Haus am 31. Dezember 2001 unter Zwangsverwaltung stand und sich das konkludente Angebot zum Vertragsschluss daher an den Zwangsverwalter richtete, dem nach § 148 Abs. 2 ZVG nach der Beschlagnahme die Verwaltung des Grundstücks oblag. Allerdings hat der Zwangsverwalter den Vertrag zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung des Beklagten als Schuldner abgeschlossen. Die durch solche Verträge begründeten Verbindlichkeiten waren daher als Ausgaben der Verwaltung aus den Nutzungen des beschlagnahmten Grundstücks zu bestreiten (§ 155 Abs. 1 ZVG). Das hat zur Folge, dass aus solchen Verträgen nach Aufhebung der Zwangsverwaltung der Schuldner verpflichtet bleibt (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 161 Rn. 5.9).
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Der Beklagte hat die Grundlagen der Abrechnungen der Beklagten - wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erörtert - nicht hinreichend bestritten. Soweit er die betreffenden Wohnungen in den fraglichen Zeiträumen nicht selbst genutzt hat, wäre er verpflichtet gewesen, sich die für ein substantiiertes Bestreiten notwendigen Kenntnisse durch Rückfrage bei den Nutzern oder dem Zwangsverwalter zu verschaffen.
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Die Kammer folgt der Ansicht des Amtsgerichts, die Forderung der Klägerin scheitere an einer fehlenden Darlegung der Billigkeit des von ihr berechneten Entgelts (§ 315 Abs. 3 BGB), nicht.
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1. Eine unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB kommt in Ermangelung eines der Klägerin vertraglich eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts nicht in Betracht. Ist die Leistung im Vertrag bereits stillschweigend bestimmt, was auch beim Bestehen von Tarifen der Fall ist, ist der Anwendungsbereich des § 315 Abs. 3 BGB nicht eröffnet (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 17. Februar 2005 - 2 U 84/04, RdE 2005, 237 m.w.N.). Die Erwägungen in der Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2005 (KZR 36/04) tragen insoweit eine andere Beurteilung nicht. Der Entscheidung lag eine Vereinbarung zwischen einem Netzbetreiber und einem Unternehmen zugrunde, in der auf ein Preisblatt Bezug genommen war, in dem Entgelte ausgewiesen waren, die nach einer bestimmten Verbändevereinbarung ermittelt worden waren. Damit war der Netzbetreiberin ein einseitiges Preisbestimmungsrecht unter Zugrundelegung bestimmter Kriterien eingeräumt worden. Das rechtfertigte eine unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB. Eine entsprechende Situation lag hier nicht vor.
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a) Das Amtsgericht stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Tarife von Unternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, grundsätzlich der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1991 - III ZR 100/90, NJW 1992, 171). Diesen Grundsatz hat der Bundesgerichtshof auch im Recht der Elektrizitätsversorgung angewandt (BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90, NJW-RR 1992, 183). Eine entsprechende Entscheidung für den Bereich der Gasversorgung ist - soweit ersichtlich - mit Ausnahme einer nicht unmittelbar übertragbaren Entscheidung zu den Hausanschlusskosten bisher nicht ergangen. Grundsätzlich bestehen aber zwischen den Leistungen der Daseinsvorsorge im Bereich von Wasser und Elektrizität einerseits und Gas andererseits keine so wesentlichen Unterschiede, dass eine Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze von vornherein ausschiede. Zwar kann eine Gasversorgung - etwa durch Einrichtung einer Öl- oder Holzheizung - leichter ersetzt werden als eine Elektrizitäts- oder Wasserversorgung. Das ändert jedoch nichts daran, dass derjenige, der sich einmal für eine Gasversorgung entschieden hat, in der Regel für längere Zeit daran gebunden ist, will er den Nutzen aus den einmal getätigten Investitionen nicht verlieren.
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b) Über die Frage, ob die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch noch für die Zeit nach Inkrafttreten des § 19 GWB gelten, hat der Bundesgerichtshof - soweit ersichtlich - bisher nicht entschieden. Ihm lagen bisher lediglich Fälle vor, die aus früherer Zeit stammten oder in denen es auf die entsprechende Frage nicht ankam. Der Bundesgerichtshof hat allerdings in der Entscheidung vom 5. Februar 2003 (VIII ZR 111/02, NJW 2003, 1449), die sich auf einen Belieferungszeitraum bis zum 31. Oktober 1999 erstreckte, für den Bereich der Elektrizitätsversorgung die von der Vorinstanz in Betracht gezogene Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB auch nicht für den nach dem 1. Januar 1999 liegenden Zeitraum in Frage gestellt. Hierauf kam es aber nach den Entscheidungsgründen dieses Urteils auch nicht entscheidend an, so dass aus dem Schweigen zu dieser Frage nicht der Schluss gezogen werden kann, der BGH habe seine Rechtsprechung zur Preiskontrolle von Energielieferungsverträgen nach § 315 Abs. 3 BGB auch auf die Zeit nach Inkrafttreten der GWB-Novelle erstrecken wollen.
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c) Die Klägerin geht nach Auffassung der Kammer zu Recht davon aus, dass sich die Ausgangslage für die Argumentation insoweit geändert hat, als mit der Umgestaltung des § 19 GWB der Verbraucher jetzt im Rahmen des § 134 BGB den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens bei der Entgeltbestimmung einwenden kann (§ 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB). Dem Verbraucher wird durch diese Vorschrift der Einwand eröffnet, der Energieversorger verlange höhere Preise als diejenigen, die sich bei einem wirksamen Wettbewerb bilden würden. Eine Regelungslücke bestünde deshalb nur dann, wenn die Klägerin bei ihrer Preisgestaltung materiell-rechtlich weitergehenden Schranken unterworfen wäre als denjenigen des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB. Daran scheitert nach Auffassung der Kammer eine entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB:
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aa) Die Preisbildungskriterien, die der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs seiner Entscheidung vom 18. Oktober 2005 (KZR 36/04, a.a.O.) im Streit zwischen Elektrizitätsversorgern um die Höhe eines Netznutzungsentgelts zugrunde gelegt hat, lassen sich auf das Verhältnis zwischen dem Gasversorger und dem Endkunden nicht übertragen. § 6 Abs. 1 EnWG soll einen wirksamen Wettbewerb zwischen verschiedenen Energieversorgern ermöglichen und den Netzbetreiber daher bei seiner Preisgestaltung an eine Diskriminierungsfreiheit und die Regeln "guter fachlicher Praxis" binden. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass der Netzbetreiber ein in der Regel aus technischen Gründen bestehendes Monopol hat und daher Regelungen gefunden werden mussten, die es zulassen, dass mehrere Wettbewerber unter Verwendung desselben Netzes um den Endverbraucher konkurrieren. Eine entsprechende Ausgangssituation gibt es im Verhältnis zwischen Gasversorger und Endverbraucher nicht; hier soll sich der Preis im Wettbewerb bilden; Preisbildungsschranken sind insoweit nur gerechtfertigt, als sich ein Wettbewerb tatsächlich (noch) nicht gebildet hat.
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bb) Eine über den § 19 GWB hinausgehende Schranke für die Preisbildung im Verhältnis zum Endverbraucher könnte sich für die Energieversorger allenfalls aus dem energiewirtschaftlichen Gebot preisgünstiger Versorgung ergeben. Der zum Streitzeitpunkt noch anwendbare § 10 Abs. 3 Satz 2 EnWG a.F. formulierte das Ziel einer möglichst "sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen" Energieversorgung. Daraus lässt sich eine gesetzgeberische Entscheidung für eine weitergehende Preiskontrolle aber noch nicht ableiten. Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat in die Vertragsfreiheit durch einen Versorgungszwang und die Vorgabe bestimmter Vertragsbedingungen eingegriffen. Hätte er die privatrechtlich organisierten Gasversorger auch bezüglich der Entgelte an bestimmte Vorgaben binden wollen, um eine preisgünstige Versorgung mit Leistungen der Daseinsvorsorge sicher zu stellen, hätte das einer Regelung bedurft, die bestimmte Kriterien der Preisbildung nennt.
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cc) In der Literatur wird von
Fricke
argumentiert, § 19 GWB schließe die Regelungslücke deshalb nicht, weil ein Monopolmissbrauch eine "erhebliche" Überschreitung der im Wettbewerb gebildeten Preise voraussetze (WM 2005, 547, 548). Das ist im Ansatz richtig und ergibt sich gerade für den Bereich der Energieversorgung aus der Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2005 (KVR 17/04, WM 2005, 1819). Die Argumentation von
Fricke
setzt aber voraus, dass die Energieversorgungsunternehmen nach der Marktliberalisierung ihre Leistungen nicht nur zu kartellrechtskonformen, sondern auch zu marktüblichen (letztlich also: Durchschnitts-) Preisen anzubieten haben. Dafür gibt es aber keinen Anhaltspunkt. Die Entscheidung des Kartellsenats, die Fricke zitiert, geht vielmehr ausdrücklich davon aus, dass der Gesetzgeber die Energieversorger dem Wettbewerb aussetzen und ihr Verhalten wie bei jedem anderen Unternehmen an § 19 GWB messen lassen wollte. Diese gesetzgeberische Absicht würde konterkariert, würden die Energieversorgungsunternehmen über den Umweg des § 315 Abs. 3 BGB zu einer weitergehenden Beschränkung ihrer Preisbildung gezwungen.
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dd) Zu dem früheren GWB hatte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2003 (VIII ZR 111/02, NJW 2003, 1449) darauf hingewiesen, dass die Grenzen des allgemeinen kartellrechtlichen Missbrauchs- und Diskriminierungsverbots nicht mit den Grenzen der Billigkeitsentscheidung nach § 315 BGB zusammenfielen. Entscheidungserheblich ist das aber nur, wenn im Rahmen des § 315 BGB tatsächlich andere Kriterien heranzuziehen wären als nach dem Kartellrecht. Daran fehlt es aber nach Auffassung der Kammer aus den oben näher ausgeführten Gründen.
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Dass die Preisgestaltung der Klägerin gegen § 19 GWB verstößt, hat der Kläger - auch nachdem dieser Gesichtspunkt in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erörtert worden ist - weder vorgetragen noch um einen Schriftsatznachlass zu entsprechendem Vortrag nachgesucht.
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Der Anspruch der Klägerin ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht verjährt.
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Die Verjährung der klägerischen Ansprüche, die frühestens mit Ablauf der jeweiligen Abrechnungsperiode entstanden sind, richtet sich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung. Vertragliche Erfüllungsansprüche, wie sie die Klägerin geltend macht, verjähren danach in drei Jahren (§ 195 BGB), wobei die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Ansprüche der Klägerin verjährten daher frühestens mit Ablauf des Jahres 2005. Die Verjährung ist rechtzeitig, nämlich durch Zustellung des Mahnbescheides am 4. März 2004, gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB); die Hemmungswirkung ist auch nicht durch einen Verfahrensstillstand weggefallen (§ 204 Abs. 2 BGB).
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Der Beklagte befindet sich spätestens seit Ablauf der im Mahnschreiben vom 29. Oktober 2003 bis zum 10. November 2003 gesetzten Zahlungsfrist in Verzug und ist daher nach § 286 Abs. 1 BGB zum Ersatz des der Klägerin angefallenen Zinsschadens verpflichtet. Diese hat in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen, dass sie mindestens in Höhe der Klageforderung Kredite in Anspruch nehme, für die sie jährlich 9% Zinsen zu zahlen habe. Der Beklagte schuldet daher als Schadensersatz Zinsen in entsprechender Höhe (§ 286 Abs. 1 BGB). Soweit der Beklagte erstmals in zweiter Instanz den geltend gemachten Zinsanspruch pauschal bestritten hat, war dies als streitiges neues Verteidigungsvorbringen nicht zuzulassen (§ 531 Abs. 2 ZPO).
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Die Auslagen für nach Verzugseintritt gefertigte vorgerichtliche Mahnschreiben schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO entsprechend dem klägerischen Ansatz auf die geltend gemachten EUR 7,67. Dass er von der Klägerin vorgerichtlich mindestens dreimal gemahnt worden ist, hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt; das pauschale Bestreiten der vorgerichtlichen Mahnauslagen ist insoweit unbeachtlich.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision war nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO veranlasst. Über die Frage der entsprechenden Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB auf Gaslieferungsverträge nach der Änderung des § 19 GWB ist höchstrichterlich noch nicht entschieden; in der Rechtsprechung der Instanzgerichte werden hierzu - wie die von den Parteien vorgelegten Entscheidungen zeigen - unterschiedliche Auffassungen vertreten.
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Die Berufung ist begründet.
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Der Beklagte ist passivlegitimiert (dazu nachfolgend A.); er hat der Klägerin die tariflichen Entgelte für die Gasversorgung entsprechend den Rechnungen der Klägerin (dazu B.) zu bezahlen, ohne dass diese zuvor die Billigkeit ihrer Preisbestimmung darlegen müsste (dazu C.). Der Einwand eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 GWB) hat der Beklagte nicht erhoben (dazu D.). Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verjährt (dazu E.).
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Der Beklagte ist passivlegitimiert. Die Verträge über die Gasbelieferung für die Wohnungen in seinem Hause sind zwar nicht durch den Austausch ausdrücklicher Willenserklärungen, aber durch schlüssiges Verhalten durch Gasentnahme abgeschlossen worden (§ 2 Abs. 2 AVBGasV).
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Im Einzelnen gilt für die einzelnen Verträge und Belieferungszeiträume folgendes:
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1. Für die Gasbelieferung im Rahmen des Vertrages 0011/74943 in der Zeit vom 31. August 2001 bis 2. September 2002 kann die Klägerin ein Entgelt in Höhe von EUR 1.621,75 verlangen. Die Klägerin hat dem Beklagten durch schlüssiges Verhalten die Lieferung von Gas in diesem Zeitraum angeboten; der Beklagte hat dieses Angebot ebenfalls durch schlüssiges Verhalten - nämlich durch eigene Gasentnahme oder deren Duldung - angenommen.
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a) Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 30. April 2003 (VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131) entschieden, dass sich das Angebot auf Erbringung von Versorgungsleistungen durch den Wasserversorger typischerweise an den Grundstückseigentümer richtet, weil nur diesem ein Anspruch auf Anschluss an die Versorgung zustehe und Wasserversorgungsunternehmen ihre Versorgungsaufgabe durch Abschluss des Wasserversorgungsvertrages mit diesem Personenkreis erfüllen. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auch auf die Gasversorgung anwendbar, für deren Allgemeine Geschäftsbedingungen in § 2 AVBGasV eine identische Regelung in Bezug auf den Vertragsabschluss getroffen worden ist. Dem Argument des Beklagten, eine Anwendung im Bereich der Gasversorgung scheitere daran, dass in diesem Bereich kein Anschluss- und Benutzungszwang bestehe, folgt die Kammer nicht. Es ist zwar richtig, dass - anders als grundsätzlich im Bereich der Wasserversorgung - keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Kunden besteht, sich an ein Gasversorgungsnetz anschließen zu lassen. Entscheidend ist aber, dass die Klägerin nach § 18 Abs. 1 Satz 1 EnWG grundsätzlich ein Anschlusszwang trifft, der Grundstückseigentümer also umgekehrt wie im Bereich der Wasserversorgung im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Bedingungen Anspruch auf Teilnahme an der Gasversorgung hat.
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b) Dass der Beklagte für seine Wohnungen Gasetagenheizungen hat einbauen lassen, ändert nichts daran, dass sich das Angebot des Gasversorgers im Zweifel an ihn wendet und der Gasversorger die Gasentnahme auch als seine Vertragsannahme verstehen darf. Die Klägerin kann nicht ohne weiteres feststellen, wer Mieter der Wohnungen im Hause des Beklagten ist; sie ist auf dessen Angaben hierzu angewiesen. Daher ist der Beklagte als Grundstückseigentümer als Vertragspartner anzusehen, solange er der Klägerin keinen (neuen) Mieter mitgeteilt hat.
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c) Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2004 (VIII ZR 95/03, NJW-RR 2004, 928) lässt sich ein günstigeres Ergebnis für den Beklagten nicht herleiten. Aus dieser ist lediglich zu entnehmen, dass ein Vertragsschluss durch schlüssiges Verhalten ausscheidet, wenn die Energielieferungen bereits aufgrund eines Vertrages mit einem Dritten erbracht werden. Diese Voraussetzung ist für den streitigen Zeitraum nicht erfüllt. Ein Vertrag zwischen der Klägerin und einem Mieter des Beklagten bestand in dem fraglichen Zeitraum nicht, nachdem der frühere Nutzer den Gaslieferungsvertrag zum 10. April 2001 gekündigt und den Beklagten als Nachfolger benannt hatte, der wiederum erst für die Zeit ab 1. November 2002 Frau als neue Mieterin benannt hatte.
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d) Ob der Beklagte nach Erhalt der ihm nach Auszug des Herrn übersandten Vertragsbestätigung, wie er behauptet, einen Mitarbeiter der Klägerin zum Ausbau des Gaszählers in der fraglichen Wohnung aufgefordert hat, kann offen bleiben. Es stellte ein widersprüchliches Verhalten dar, würde der Beklagte zunächst zu einem Abbau des Gaszählers aufgefordert, dann aber Gas bezogen oder den Gasbezug geduldet haben.
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e) Dass das Haus des Beklagten in der Zeit vom 18. Oktober 2001 bis 4. Juli 2002 nach dessen Vortrag unter Zwangsverwaltung stand, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten ist spätestens zu dem Zeitpunkt zustande gekommen, zu dem der Beklagte die bis zum 30. August 2001 laufende Jahresabrechnung bezahlt hat; zum Ablauf dieser Abrechnungsperiode bestand die Zwangsverwaltung noch nicht. Die Anordnung der Zwangsverwaltung bewirkt keinen Eintritt des Zwangsverwalters in die vom Eigentümer geschlossenen Energielieferungsverträge (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 152, Rn. 8). Der Beklagte hätte seiner Zahlungsverpflichtung deshalb nur dadurch entgehen können, dass er den Gasbelieferungsvertrag mit Eintritt der Zwangsverwaltung kündigt und seine etwaigen Mieter auf den Zwangsverwalter verweist. Auch dann wäre er aber nach Aufhebung der Zwangsverwaltung wieder Schuldner geworden, soweit die Ansprüche der Klägerin noch nicht aus den Erträgen ausgeglichen worden waren. Er hätte dann allenfalls Schadensersatzansprüche gegen den Zwangsverwalter, sofern dieser es versäumt haben sollte, der Klägerin Mitteilung von dem Einzug neuer Nutzer zu machen.
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2. Für die Belieferung unter der Vertragsnummer 0011/74943 in der Zeit vom 3. September 2002 bis 31. Oktober 2002 hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung weiterer EUR 255,63. Zwar liegt der Beginn des Abrechnungszeitraums in der Zeitspanne, während derer die Zwangsverwaltung angeordnet war. Allein durch den Beginn eines neuen Abrechnungszeitraums ist aber kein neuer Vertrag begründet worden; es galt vielmehr der mit dem Beklagten geschlossene Vertrag fort. Ein Vertragseintritt des Zwangsverwalters fand aus den vorstehend ausgeführten Gründen nicht statt.
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3. Schließlich besteht für den Vertrag 0011/78574 für die Zeit vom 1. Januar bis 2. September 2002 ein Anspruch auf Zahlung von EUR 108,27.
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a) Vertragspartner der Klägerin zu dieser Abnahmestelle war zunächst ein Herr ; dieser kündigte zum 31. Dezember 2001. Ein Nachmieter wurde nicht benannt; dem Beklagten wurde am 11. Januar 2002 eine Vertragsbestätigung übersandt. In der Folgezeit wurde Gas entnommen. Der Beklagte sandte am 29. Oktober 2002 eine Rechnung mit dem Vermerk zurück, dass seit dem 1. Juni 2002 eine Frau Mieterin der betreffenden Wohnung sei. Die Klägerin wertete dies als Kündigung zum 3. September 2002.
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b) Aus diesem Ablauf ergibt sich, dass der Beklagte nicht unmittelbar Vertragspartner der Klägerin geworden ist, weil das Haus am 31. Dezember 2001 unter Zwangsverwaltung stand und sich das konkludente Angebot zum Vertragsschluss daher an den Zwangsverwalter richtete, dem nach § 148 Abs. 2 ZVG nach der Beschlagnahme die Verwaltung des Grundstücks oblag. Allerdings hat der Zwangsverwalter den Vertrag zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung des Beklagten als Schuldner abgeschlossen. Die durch solche Verträge begründeten Verbindlichkeiten waren daher als Ausgaben der Verwaltung aus den Nutzungen des beschlagnahmten Grundstücks zu bestreiten (§ 155 Abs. 1 ZVG). Das hat zur Folge, dass aus solchen Verträgen nach Aufhebung der Zwangsverwaltung der Schuldner verpflichtet bleibt (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 161 Rn. 5.9).
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Der Beklagte hat die Grundlagen der Abrechnungen der Beklagten - wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erörtert - nicht hinreichend bestritten. Soweit er die betreffenden Wohnungen in den fraglichen Zeiträumen nicht selbst genutzt hat, wäre er verpflichtet gewesen, sich die für ein substantiiertes Bestreiten notwendigen Kenntnisse durch Rückfrage bei den Nutzern oder dem Zwangsverwalter zu verschaffen.
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Die Kammer folgt der Ansicht des Amtsgerichts, die Forderung der Klägerin scheitere an einer fehlenden Darlegung der Billigkeit des von ihr berechneten Entgelts (§ 315 Abs. 3 BGB), nicht.
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1. Eine unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB kommt in Ermangelung eines der Klägerin vertraglich eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts nicht in Betracht. Ist die Leistung im Vertrag bereits stillschweigend bestimmt, was auch beim Bestehen von Tarifen der Fall ist, ist der Anwendungsbereich des § 315 Abs. 3 BGB nicht eröffnet (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 17. Februar 2005 - 2 U 84/04, RdE 2005, 237 m.w.N.). Die Erwägungen in der Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2005 (KZR 36/04) tragen insoweit eine andere Beurteilung nicht. Der Entscheidung lag eine Vereinbarung zwischen einem Netzbetreiber und einem Unternehmen zugrunde, in der auf ein Preisblatt Bezug genommen war, in dem Entgelte ausgewiesen waren, die nach einer bestimmten Verbändevereinbarung ermittelt worden waren. Damit war der Netzbetreiberin ein einseitiges Preisbestimmungsrecht unter Zugrundelegung bestimmter Kriterien eingeräumt worden. Das rechtfertigte eine unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB. Eine entsprechende Situation lag hier nicht vor.
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a) Das Amtsgericht stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Tarife von Unternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, grundsätzlich der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1991 - III ZR 100/90, NJW 1992, 171). Diesen Grundsatz hat der Bundesgerichtshof auch im Recht der Elektrizitätsversorgung angewandt (BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90, NJW-RR 1992, 183). Eine entsprechende Entscheidung für den Bereich der Gasversorgung ist - soweit ersichtlich - mit Ausnahme einer nicht unmittelbar übertragbaren Entscheidung zu den Hausanschlusskosten bisher nicht ergangen. Grundsätzlich bestehen aber zwischen den Leistungen der Daseinsvorsorge im Bereich von Wasser und Elektrizität einerseits und Gas andererseits keine so wesentlichen Unterschiede, dass eine Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze von vornherein ausschiede. Zwar kann eine Gasversorgung - etwa durch Einrichtung einer Öl- oder Holzheizung - leichter ersetzt werden als eine Elektrizitäts- oder Wasserversorgung. Das ändert jedoch nichts daran, dass derjenige, der sich einmal für eine Gasversorgung entschieden hat, in der Regel für längere Zeit daran gebunden ist, will er den Nutzen aus den einmal getätigten Investitionen nicht verlieren.
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b) Über die Frage, ob die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch noch für die Zeit nach Inkrafttreten des § 19 GWB gelten, hat der Bundesgerichtshof - soweit ersichtlich - bisher nicht entschieden. Ihm lagen bisher lediglich Fälle vor, die aus früherer Zeit stammten oder in denen es auf die entsprechende Frage nicht ankam. Der Bundesgerichtshof hat allerdings in der Entscheidung vom 5. Februar 2003 (VIII ZR 111/02, NJW 2003, 1449), die sich auf einen Belieferungszeitraum bis zum 31. Oktober 1999 erstreckte, für den Bereich der Elektrizitätsversorgung die von der Vorinstanz in Betracht gezogene Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB auch nicht für den nach dem 1. Januar 1999 liegenden Zeitraum in Frage gestellt. Hierauf kam es aber nach den Entscheidungsgründen dieses Urteils auch nicht entscheidend an, so dass aus dem Schweigen zu dieser Frage nicht der Schluss gezogen werden kann, der BGH habe seine Rechtsprechung zur Preiskontrolle von Energielieferungsverträgen nach § 315 Abs. 3 BGB auch auf die Zeit nach Inkrafttreten der GWB-Novelle erstrecken wollen.
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c) Die Klägerin geht nach Auffassung der Kammer zu Recht davon aus, dass sich die Ausgangslage für die Argumentation insoweit geändert hat, als mit der Umgestaltung des § 19 GWB der Verbraucher jetzt im Rahmen des § 134 BGB den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens bei der Entgeltbestimmung einwenden kann (§ 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB). Dem Verbraucher wird durch diese Vorschrift der Einwand eröffnet, der Energieversorger verlange höhere Preise als diejenigen, die sich bei einem wirksamen Wettbewerb bilden würden. Eine Regelungslücke bestünde deshalb nur dann, wenn die Klägerin bei ihrer Preisgestaltung materiell-rechtlich weitergehenden Schranken unterworfen wäre als denjenigen des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB. Daran scheitert nach Auffassung der Kammer eine entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB:
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aa) Die Preisbildungskriterien, die der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs seiner Entscheidung vom 18. Oktober 2005 (KZR 36/04, a.a.O.) im Streit zwischen Elektrizitätsversorgern um die Höhe eines Netznutzungsentgelts zugrunde gelegt hat, lassen sich auf das Verhältnis zwischen dem Gasversorger und dem Endkunden nicht übertragen. § 6 Abs. 1 EnWG soll einen wirksamen Wettbewerb zwischen verschiedenen Energieversorgern ermöglichen und den Netzbetreiber daher bei seiner Preisgestaltung an eine Diskriminierungsfreiheit und die Regeln "guter fachlicher Praxis" binden. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass der Netzbetreiber ein in der Regel aus technischen Gründen bestehendes Monopol hat und daher Regelungen gefunden werden mussten, die es zulassen, dass mehrere Wettbewerber unter Verwendung desselben Netzes um den Endverbraucher konkurrieren. Eine entsprechende Ausgangssituation gibt es im Verhältnis zwischen Gasversorger und Endverbraucher nicht; hier soll sich der Preis im Wettbewerb bilden; Preisbildungsschranken sind insoweit nur gerechtfertigt, als sich ein Wettbewerb tatsächlich (noch) nicht gebildet hat.
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bb) Eine über den § 19 GWB hinausgehende Schranke für die Preisbildung im Verhältnis zum Endverbraucher könnte sich für die Energieversorger allenfalls aus dem energiewirtschaftlichen Gebot preisgünstiger Versorgung ergeben. Der zum Streitzeitpunkt noch anwendbare § 10 Abs. 3 Satz 2 EnWG a.F. formulierte das Ziel einer möglichst "sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen" Energieversorgung. Daraus lässt sich eine gesetzgeberische Entscheidung für eine weitergehende Preiskontrolle aber noch nicht ableiten. Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat in die Vertragsfreiheit durch einen Versorgungszwang und die Vorgabe bestimmter Vertragsbedingungen eingegriffen. Hätte er die privatrechtlich organisierten Gasversorger auch bezüglich der Entgelte an bestimmte Vorgaben binden wollen, um eine preisgünstige Versorgung mit Leistungen der Daseinsvorsorge sicher zu stellen, hätte das einer Regelung bedurft, die bestimmte Kriterien der Preisbildung nennt.
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cc) In der Literatur wird von
Fricke
argumentiert, § 19 GWB schließe die Regelungslücke deshalb nicht, weil ein Monopolmissbrauch eine "erhebliche" Überschreitung der im Wettbewerb gebildeten Preise voraussetze (WM 2005, 547, 548). Das ist im Ansatz richtig und ergibt sich gerade für den Bereich der Energieversorgung aus der Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2005 (KVR 17/04, WM 2005, 1819). Die Argumentation von
Fricke
setzt aber voraus, dass die Energieversorgungsunternehmen nach der Marktliberalisierung ihre Leistungen nicht nur zu kartellrechtskonformen, sondern auch zu marktüblichen (letztlich also: Durchschnitts-) Preisen anzubieten haben. Dafür gibt es aber keinen Anhaltspunkt. Die Entscheidung des Kartellsenats, die Fricke zitiert, geht vielmehr ausdrücklich davon aus, dass der Gesetzgeber die Energieversorger dem Wettbewerb aussetzen und ihr Verhalten wie bei jedem anderen Unternehmen an § 19 GWB messen lassen wollte. Diese gesetzgeberische Absicht würde konterkariert, würden die Energieversorgungsunternehmen über den Umweg des § 315 Abs. 3 BGB zu einer weitergehenden Beschränkung ihrer Preisbildung gezwungen.
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dd) Zu dem früheren GWB hatte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2003 (VIII ZR 111/02, NJW 2003, 1449) darauf hingewiesen, dass die Grenzen des allgemeinen kartellrechtlichen Missbrauchs- und Diskriminierungsverbots nicht mit den Grenzen der Billigkeitsentscheidung nach § 315 BGB zusammenfielen. Entscheidungserheblich ist das aber nur, wenn im Rahmen des § 315 BGB tatsächlich andere Kriterien heranzuziehen wären als nach dem Kartellrecht. Daran fehlt es aber nach Auffassung der Kammer aus den oben näher ausgeführten Gründen.
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Dass die Preisgestaltung der Klägerin gegen § 19 GWB verstößt, hat der Kläger - auch nachdem dieser Gesichtspunkt in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erörtert worden ist - weder vorgetragen noch um einen Schriftsatznachlass zu entsprechendem Vortrag nachgesucht.
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Der Anspruch der Klägerin ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht verjährt.
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Die Verjährung der klägerischen Ansprüche, die frühestens mit Ablauf der jeweiligen Abrechnungsperiode entstanden sind, richtet sich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung. Vertragliche Erfüllungsansprüche, wie sie die Klägerin geltend macht, verjähren danach in drei Jahren (§ 195 BGB), wobei die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Ansprüche der Klägerin verjährten daher frühestens mit Ablauf des Jahres 2005. Die Verjährung ist rechtzeitig, nämlich durch Zustellung des Mahnbescheides am 4. März 2004, gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB); die Hemmungswirkung ist auch nicht durch einen Verfahrensstillstand weggefallen (§ 204 Abs. 2 BGB).
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Der Beklagte befindet sich spätestens seit Ablauf der im Mahnschreiben vom 29. Oktober 2003 bis zum 10. November 2003 gesetzten Zahlungsfrist in Verzug und ist daher nach § 286 Abs. 1 BGB zum Ersatz des der Klägerin angefallenen Zinsschadens verpflichtet. Diese hat in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen, dass sie mindestens in Höhe der Klageforderung Kredite in Anspruch nehme, für die sie jährlich 9% Zinsen zu zahlen habe. Der Beklagte schuldet daher als Schadensersatz Zinsen in entsprechender Höhe (§ 286 Abs. 1 BGB). Soweit der Beklagte erstmals in zweiter Instanz den geltend gemachten Zinsanspruch pauschal bestritten hat, war dies als streitiges neues Verteidigungsvorbringen nicht zuzulassen (§ 531 Abs. 2 ZPO).
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Die Auslagen für nach Verzugseintritt gefertigte vorgerichtliche Mahnschreiben schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO entsprechend dem klägerischen Ansatz auf die geltend gemachten EUR 7,67. Dass er von der Klägerin vorgerichtlich mindestens dreimal gemahnt worden ist, hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt; das pauschale Bestreiten der vorgerichtlichen Mahnauslagen ist insoweit unbeachtlich.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision war nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO veranlasst. Über die Frage der entsprechenden Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB auf Gaslieferungsverträge nach der Änderung des § 19 GWB ist höchstrichterlich noch nicht entschieden; in der Rechtsprechung der Instanzgerichte werden hierzu - wie die von den Parteien vorgelegten Entscheidungen zeigen - unterschiedliche Auffassungen vertreten.
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