1. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger EUR 65.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.01.2012 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/3, das beklagte Land 2/3.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger ist befugt, die Vollstreckung des beklagten Landes gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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| Der Kläger begehrt im Wege der Teilklage vom beklagten Land Haftentschädigung wegen vollzogener Sicherungsverwahrung. |
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| Der Kläger war vom Landgericht Mannheim durch Urteil vom 26.05.1985 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden, gleichzeitig war anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet worden. Die Sicherungsverwahrung des Klägers wurde ab dem 05.12.1989 in der Justizvollzugsanstalt Freiburg vollzogen. |
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| Nach der im Zeitpunkt der Verurteilung des Klägers geltenden Fassung von § 67d Abs. 1 StGB durfte die Dauer der ersten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung 10 Jahre nicht übersteigen, nach Ablauf der Höchstfrist war der Untergebrachte zu entlassen (§ 67d Abs. 3 StGB a. F.). Da diese Zehnjahresfrist jedoch aufgrund der Änderung von § 67d StGB ab dem 31.01.1998 entfiel, kam es nicht zur Entlassung des Klägers am 04.12.1999. Er verblieb weiterhin in Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Freiburg. |
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| Das Landgericht Freiburg entschied regelmäßig in Zweijahres-Abständen aufgrund von Gutachten, zuletzt am 16.08.2010, dass die Sicherungsverwahrung fortzudauern habe, da von dem Kläger weiterhin ein Risiko ausgehe. Gegen den Beschluss vom 16.08.2010 legte der Kläger Beschwerde ein. Durch Beschluss vom 12.10.2010 (2 Ws 354/10) stellte das Oberlandesgericht Karlsruhe die Erledigung der Sicherungsverwahrung fest und ordnete stattdessen Führungsaufsicht für fünf Jahre und Bewährungshilfe an, da unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17.12.2009 (19359/04) davon auszugehen sei, dass die Änderung des § 67d StGB im Jahr 1998 gegen das Rückwirkungsverbot verstoße und daher die bei Tatbegehung gültige Fassung des § 67d StGB mit der - beim Kläger zwischenzeitlich abgelaufenen - Höchstfrist von 10 Jahren anzuwenden sei. Aus der von Gesetzes wegen eingetretenen Erledigung ergebe sich ein Vollstreckungshindernis. |
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| Der Kläger wurde am selben Tag aus der Sicherungsverwahrung entlassen und zunächst für ca. 6 Monate polizeilich observiert, derzeit unterliegt er noch bestimmten Auflagen im Rahmen der Führungsaufsicht (Meldepflicht, Bewährungshelfer, eingeschränkter Bewegungsradius, Verbot des Besitzes eines Messers und des Genusses von Alkohol). |
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| Der Kläger behauptet, nach Ende der Strafhaft einschließlich der zunächst zehnjährigen Sicherungsverwahrung am 04.12.1999 hätten sich die Haftumstände im Ergebnis nicht geändert, ihm seien nur marginale Vergünstigungen eingeräumt worden. Eine deutliche Trennung von den Strafgefangenen habe nicht bestanden. Dadurch sei gegen das Abstandsgebots der Sicherungsverwahrung zur Strafhaft verstoßen worden. Die Inhaftierung nach Ablauf der Zehnjahres-Frist sei daher rechtswidrig gewesen. |
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| Er sei auch nicht ausreichend auf seine Entlassung vorbereitet worden. Von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg angeregte begleitete Ausführungen oder Behandlungen durch eine antiandrogene Medikation seien von der Justizvollzugsanstalt Freiburg abgelehnt worden, obwohl die Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten. Der Zugang zu einem externen Therapeuten sei ihm nicht ermöglicht worden. Auch andere Maßnahme zu seiner Resozialisierung seien nicht ergriffen worden. Dadurch sei gegen das Gebot des § 129 Satz 2 StVollzG, Sicherungsverwahrten bei der Eingliederung in das Leben in Freiheit zu helfen, verstoßen worden. Die konkrete Ausgestaltung der Verwahrung habe sich nicht in einer bloßen Verwahrung erschöpfen dürfen. Entsprechende Forderungen des Oberlandesgerichts hinsichtlich des Mitverwahrten ... seien der Justizvollzugsanstalt Freiburg bekannt gewesen. Er selbst habe 2008 resigniert und sich nicht mehr um weitere Maßnahmen bemüht, nachdem seine Anträge zuvor stets abgelehnt worden seien. |
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| Der Kläger ist der Auffassung, er habe nach Ablauf der Strafhaft einschließlich der anschließenden zehnjährigen Sicherungsverwahrung am 04.12.1999 entlassen werden müssen. Die nachträgliche Aufhebung der Zehnjahresfrist durch den Gesetzgeber sei - wie durch den EGMR festgestellt - rechtswidrig gewesen. |
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| Er habe einen Schmerzensgeldanspruch aus § 839 Abs. 2 BGB i. V. m. § 239 StGB. Der Anspruch richte sich gegen das beklagte Land, da diesem bzw. den von ihm unterhaltenen Justizvollzugsanstalten die Umsetzung der Gesetze obliege. Ihm stehe für die Dauer seiner unrechtmäßigen Inhaftierung vom 04.12.1999 bis 12.10.2010 (3.956 Hafttage) ein Schmerzensgeld zu, das mit EUR 25,00 pro Tag - entsprechend der Haftentschädigung für unberechtigte Haft - zu bemessen sei. |
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| Die Beklagte wird verurteilt, einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schmerzensgeldbetrag festzusetzen und diesen ab dem 08.10.2010 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, mindestens jedoch EUR 98.800,00 an den Kläger zu bezahlen. |
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| Das beklagte Land beantragt |
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| Das beklagte Land behauptet, bei der Sicherungsverwahrung sei dem Abstandsgebot Rechnung getragen worden. Die Sicherungsverwahrung unterscheide sich in zahlreichen Vergünstigungen von der Strafhaft. |
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| Zur Begründung seiner Behauptung, er sei nicht hinreichend auf seine Entlassung vorbereitet worden, trage der Kläger bereits nicht vor, welche Maßnahmen vom Landgericht Freiburg hinsichtlich des Klägers gefordert und durch das beklagte Land oder den Leiter der Justizvollzugsanstalt Freiburg abgelehnt worden seien. Tatsächlich habe der Kläger an Resozialisierungsmaßnahmen kein Interesse gezeigt, mehrfache Therapieangebote in der Sozialtherapeutischen Anstalt Baden-Württemberg habe er ebenso wenig wie die Möglichkeit begleiteter Ausführungen wahrgenommen. Ermessensfehlerhafte, schuldhaft amtspflichtwidrige Entscheidungen der Justizvollzugsanstalt Freiburg lägen nicht vor, zumal dieser auch die Verantwortung für den Opferschutz obliege. Der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts des Klägers sei nicht tangiert worden. |
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| Das beklagte Land ist der Auffassung, ein Amtshaftungsanspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung für Verletzung des Persönlichkeitsrechts stehe dem Kläger nicht zu, da bereits keine schuldhafte Amtspflichtverletzung des beklagten Landes vorliege. Während der Unterbringung des Klägers habe keine gesetzliche oder vergleichbare Regelung zum Abstandsgebot oder zur Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung bestanden. Vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 (2 BvR 2333/08 u. a.) hätten gerade keine Bedenken gegen die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung bestanden. Auch richteten sich die in dieser Entscheidung enthaltenen Feststellungen und Forderungen zum Abstandsgebot primär an den Bundesgesetzgeber. Das beklagte Land sei insofern bereits nicht passiv legitimiert. |
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| Die Entscheidungen des Landgerichts Freiburg über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Klägers nach 1999 seien auf der Grundlage der damals geltenden Rechtslage getroffen worden. Eine nachträgliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit der zugrunde gelegten Vorschriften durch das Bundesverfassungsgericht führe nicht dazu, dass diese Entscheidungen nachträglich als amtspflichtwidrig bewertet werden könnten. Ein Anspruch aus § 839 BGB aufgrund dieser Gerichtsentscheidungen scheide im Übrigen auch deshalb aus, weil weder ein strafbares noch ein unvertretbares Handeln der tätigen Richter vorliege. |
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| Eine immaterielle Entschädigung sei dem Kläger auch deshalb nicht zu gewähren, weil er durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12.10.2010, durch die die Konventionswidrigkeit der über zehn Jahre hinausgehenden Sicherungsverwahrung festgestellt und der Kläger umgehend entlassen wurde, bereits ausreichende Genugtuung erfahren habe. |
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| Schließlich stehe dem Kläger auch ein Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht zu. Voraussetzung für diesen Anspruch sei, dass ein innerstaatliches oder ein Konventionsorgan dessen Verletzung im konkreten Einzelfall feststelle. Dies sei hier frühestens durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12.10.2010 erfolgt, nur der darüber hinausgehende Vollzug der Sicherungsverwahrung wäre konventionswidrig gewesen. Der Kläger habe ohnehin erst ab dem 10.05.2010, dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009, verlangen können, entlassen zu werden, und habe deshalb zuvor keinen Entschädigungsanspruch. Auch dann sei, zumal die Entscheidung des EGMR nur zwischen den Parteien der Individualbeschwerde unmittelbare Bindungswirkung habe, noch eine angemessene Frist von vier Monaten zuzubilligen gewesen, um zu überprüfen, ob ein Ausnahmetatbestand nach Art. 5 Abs. 1. e EMRK eingreife und gleichwohl weiter vollstreckt werden könne. Ein Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK richte sich schließlich auch nicht gegen das beklagte Land, sondern allenfalls gegen die Bundesrepublik Deutschland, da die Entscheidungen aufgrund § 67d Abs. 3 StGB und damit aufgrund eines Bundesgesetzes ergangen seien. |
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| Die Höhe der geltend gemachten Haftentschädigung sei übersetzt. |
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| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. |
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| Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. |
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| Auch der vorliegend unter anderem geltend gemachte Entschädigungsanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK kann unmittelbar bei den nationalen Gerichten eingeklagt werden (vgl. BGHZ 122, 268 - zitiert nach juris (Rn. 45)) und ist dort vor den ordentlichen Gerichten im Wege der Zivilklage geltend zu machen (vgl. Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., Art. 5 MRK Rn. 138 m. w. N.). |
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| 1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von EUR 65.000,00 gegen das beklagte Land aus Art. 5 Abs. 5 EMRK zu. |
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| a. Gemäß Art. 5 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den in Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a - f EMRK aufgeführten Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden. Jede Person, die unter Verletzung von Art. 5 EMRK von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, hat gemäß Art. 5 Abs. 5 EMRK Anspruch auf Schadensersatz. |
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| Die EMRK gilt innerstaatlich mit Gesetzeskraft und gewährt in Art. 5 Abs. 5 dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch, wenn seine Freiheit dem Art. 5 Abs. 1 EMRK zuwider beschränkt wurde (vgl. BGHZ 45, 58 - zitiert nach juris (Rn. 31); BGHZ 122, 268 - zitiert nach juris (Rn. 15)). |
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| Einen solchen Verstoß kann die Kammer daher selbst feststellen. Einer vorausgehenden Feststellung durch ein anderes Organ bedarf es nicht. |
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| b. In der Vollziehung der Sicherungsverwahrung des Klägers vom 05.12.1999 bis zum 12.10.2010 liegt ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK. |
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| (1) Die Sicherungsverwahrung stellt eine Freiheitsentziehung i. S. v. Art. 5 Abs. 1 EMRK dar. |
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| (2) Eine Rechtfertigung dieser Freiheitsentziehung des Klägers im genannten Zeitraum liegt nicht vor. Die Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe der Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a - f EMRK sind vorliegend nicht erfüllt. In Betracht kommt hier ohnehin nur eine Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a, c und e EMRK. |
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| (2.1) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a EMRK ist eine rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht möglich. |
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| Die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung durch die Vollstreckungsgerichte erfüllt in Fällen wie dem Vorliegenden diese Voraussetzungen jedoch nicht: |
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| Durch das am 31.01.1998 in Kraft getretene Gesetz vom 26.01.1998 zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten (BGBl. I 160) wurde § 67d StGB geändert. Zuvor sah dieser vor, dass die erste Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zehn Jahre nicht übersteigen darf (§ 67d Abs. 1 StGB a. F.) und der Untergebrachte zu entlassen ist, wenn die Höchstfrist abgelaufen ist (§ 67d Abs. 3 Satz 1 StGB a. F.). Nach der Änderung war keine Höchstfrist für die Sicherungsverwahrung mehr vorgesehen. § 67d Abs. 3 StGB n. F. sah vielmehr vor, dass das Gericht, wenn zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden sind, die Maßregel für erledigt erklärt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Gemäß Art. 1. a Abs. 3 EGStGB sollte § 67d StGB n. F. uneingeschränkt Anwendung finden, gemäß § 2 Abs. 6 StGB ist über Maßregeln der Besserung und Sicherung, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt. |
|
| Bei dem Kläger liegen sowohl der Zeitpunkt der Tatbegehung als auch der Verurteilung, in der die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, im Zeitraum der Geltung von § 67d StGB a. F., so dass bei dessen unveränderter Fortgeltung der Kläger zum 04.12.1999 ohne weitere Prüfung hätte entlassen werden müssen. Wegen der vor Ablauf der Zehnjahresfrist geänderten Neufassung des § 67d StGB und dessen Anwendbarkeit auch auf Altfälle nahmen die Vollstreckungsgerichte nach Ablauf der Zehnjahresfrist ab 31.01.1998 jedoch eine individuelle Prüfung der Voraussetzungen des § 67d Abs. 3 StGB vor. Diese Prüfung führte bei dem Kläger dazu, dass das Vollstreckungsgericht jeweils die Fortdauer der Unterbringung anordnete. |
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| In dieser Konstellation liegt keine rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht i. S. v. Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a EMRK vor: |
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| Die Entscheidungen der Vollstreckungsgerichte stellen selbst keine Verurteilung i. S. v. Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a EGMR dar, da sie keine - hierfür als erforderlich angesehene - Schuldfeststellung mehr beinhalten (vgl. EGMR, Urt. vom 17.12.2009, 19359/04 - zitiert nach juris (Rn. 96)). |
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| Zwischen der ursprünglichen Verurteilung und der Fortdauer der Freiheitsentziehung nach Ablauf von zehn Jahren in der Sicherungsverwahrung besteht hingegen kein hinreichender Kausalzusammenhang mehr. Denn nach der im Zeitpunkt der Verurteilung geltenden Rechtslage wäre der Kläger nach zehn Jahren ohne weitere Prüfung entlassen worden. Die anderslautenden Entscheidungen der Vollstreckungsgerichte wurden hingegen allein durch die nachträgliche Gesetzesänderung im Jahr 1998 möglich (vgl. EGMR, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 100)). |
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| Angesichts dieser Rechtsprechung des EGMR ist in diesen sog. Altfällen, in denen die Betroffenen wegen ihrer Anlasstaten bereits vor Inkrafttreten der jeweils einschlägigen Neuregelungen verurteilt waren, eine Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a EMRK als generell ausgeschlossen anzusehen (vgl. BVerfG, Urt. vom 04.05.2011, 2 BvR 2333/08 u. a. - zitiert nach juris (Rn. 145, 148)). |
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| (2.2) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2. c EMRK ist eine Freiheitsentziehung unter anderem zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde möglich, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, die betreffende Person an der Begehung einer Straftat zu hindern. |
|
| Dieser Rechtfertigungsgrund ist jedoch nur bei hinreichend konkreten und spezifischen potentiellen Taten gegeben, aufgrund derer der Betroffene dem Richter vorzuführen ist. Personen, die in der Sicherungsverwahrung untergebracht sind, werden jedoch nicht wegen potentieller künftiger Straftaten unverzüglich einem Richter vorgeführt oder vor Gericht gestellt. Deren potentielle künftige Taten sind nicht hinreichend konkret und spezifisch, insbesondere hinsichtlich des Orts und der Zeit ihrer Begehung und ihrer Opfer, und fallen daher nicht unter Art. 5 Abs. 1 Satz 2. c EMRK (vgl. EGMR, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 102)). |
|
| Eine solche Gefahr, die eine präventive Freiheitsentziehung zulässt, dürfte in Fällen wie dem Vorliegenden nur ganz ausnahmsweise festzustellen sein, so dass eine Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2. c EMRK regelmäßig nicht in Betracht kommt (vgl. BVerfG, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 144, 150)). |
|
| (2.3) Schließlich kann hier auch nicht vom Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2. e EMRK ausgegangen werden. Dieser ermöglicht eine rechtmäßige Freiheitsentziehung bei psychisch Kranken, eine konventionsrechtliche Rechtfertigung der Freiheitsentziehung in Fällen wie dem Vorliegenden kommt praktisch nur unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift in Betracht (vgl. BVerfG a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 151)). |
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| Allerdings setzt dies voraus, dass es sich um eine zuverlässig nachgewiesene Störung handelt, die eine zwangsweise Unterbringung erfordert und die fortdauert, wobei die Mitgliedsstaaten hinsichtlich des Vorliegens dieser Voraussetzungen einen Beurteilungsspielraum besitzen (vgl. BVerfG a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 152 m. w. N.)). Zudem verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 2. e EMRK, dass die gesetzlichen Regelungen des betreffenden Anordnungs- oder Überprüfungsverfahrens die Feststellung einer psychischen Störung im Sinne einer ausdrücklichen Tatbestandsvoraussetzung vorsehen, und zudem die sonstige Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung (vgl. BVerfG a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 153f.)). Letzteres beinhaltet auch die Frage, ob die Freiheitsentziehung "auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise" erfolgt ist. Dabei verweist die EMRK im Wesentlichen auf das innerstaatliche Recht und erlegt die Verpflichtung auf, dessen materiell- und verfahrensrechtliche Bestimmungen einzuhalten (vgl. EGMR, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 90); Urt. vom 24.11.2011, Az. 48038/06 - zitiert nach juris (Rn. 81)). |
|
| Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch durch Urteil vom 04.05.2011 (2 BvR 2333/08 u. a.) festgestellt, dass § 67d Abs. 3 Satz 1 n. F. i. V. m. § 2 Abs. 6 StGB - auf denen auch im vorliegenden Fall die Anordnung der weiteren Sicherungsverwahrung beruhte - mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar sind, da der mit diesen Vorschriften verbundene Eingriff in das Vertrauen des betroffenen Personenkreises auf ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren angesichts des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheitsrechts verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchster Verfassungsgüter zulässig ist und das Gewicht dieser Vertrauensschutzbelange durch die Wertungen der EMRK noch verstärkt wird (vgl BVerfG a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 131f.)). Daher kann eine rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung nur noch als verhältnismäßig angesehen werden, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt wird, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2. e EMRK in der zugrunde gelegten Auslegung erfüllt sind (vgl. BVerfG, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 156)). Nur nach Maßgabe, dass eine solche hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten abzuleiten ist und der Sicherungsverwahrte an einer psychischen Störung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG leidet, ist § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB während einer Übergangsfrist noch weiter anwendbar (vgl. BVerfG, Urt. vom 04.05.2011, III. des Urteilstenors; BGHSt 56, 248 - zitiert nach juris (Ls.)). Aufgrund dieser vom Bundesverfassungsgericht geforderten strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung ist gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung bei beiden Elementen der Gefährlichkeit - mithin der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung - ein strengerer Maßstab anzulegen (vgl. BGH NStZ 2011, 692 - zitiert nach juris (Rn. 18ff.), BGH NStZ-RR 2012, 9 - zitiert nach juris (Rn. 7)). |
|
| Dass diese engen Ausnahmevoraussetzungen bei dem Kläger jedoch in dem maßgeblichen Zeitraum seiner Sicherungsverwahrung von 1999 bis 2010 vorgelegen hätten, ist nicht ersichtlich und wird auch von dem beklagten Land nicht behauptet. Unstreitig wurde gegen den Kläger nach seiner Entlassung auch kein Verfahren nach dem am 01.01.2011 in Kraft getretenen Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) eingeleitet, die anfänglich angeordnete Observation wurde zwischenzeitlich aufgehoben. |
|
| Da die Entscheidungen, durch die die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet wurden, auf verfassungswidrigen Vorschriften beruhen und auch das Vorliegen des genannten Ausnahmefalls hier nicht behauptet wird, führen die Gründe der Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Gesetze auch zur Verfassungswidrigkeit dieser Entscheidungen, auch wenn die Fachgerichte die Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 noch nicht berücksichtigen konnten und die Grundrechtsverletzung daher nicht vorwerfbar ist (vgl. BVerfG, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 175)). Waren jedoch die Entscheidungen verfassungswidrig, so können sie auch keine Freiheitsentziehung wegen einer psychischen Krankheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2. e EMRK rechtfertigen. |
|
| c. Der Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK richtet sich gegen das beklagte Land, da die Sicherungsverwahrung aufgrund der Entscheidungen der Vollstreckungsgerichte des Landes in einer Justizvollzugsanstalt des Landes vollzogen wurde. Die konventionswidrige Freiheitsentziehung ist daher durch das beklagte Land erfolgt. Ob dem Kläger daneben auch ein Anspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland zustehen würde, da die Anordnung der Sicherungsverwahrung auf der Grundlage von Bundesrecht erfolgten, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da der Kläger die Bundesrepublik Deutschland nicht in Anspruch nimmt. |
|
| d. Ein Verschulden der handelnde Staatsorgane ist nicht Anspruchsvoraussetzung (vgl. BGHZ 45, 58 - zitiert nach juris (Rn. 35ff.)), bei Art. 5 Abs. 5 EMRK handelt es sich um einen Anspruch aus Gefährdungshaftung für rechtswidriges Verhalten von Staatsorganen (vgl. BGHZ 45, 58 - zitiert nach juris (Rn. 49)). |
|
| e. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen rechtmäßiger Inhaftierung nach Art. 5 EMRK umfasst auch den hier begehrten Ersatz immateriellen Schadens, da es sich bei Art. 5 Abs. 5 EMRK um ein Gesetz i. S. v. § 253 BGB handelt und Art. 5 Abs. 1 EMRK die Freiheit als ein immaterielles Rechtsgut schützt. (vgl. BGHZ 122, 268 - zitiert nach juris (Ls. 1 und Rn. 44f.)). |
|
| Die Kammer hält im vorliegenden Fall eine Entschädigung von EUR 65.000,00 für die Dauer der Sicherungsverwahrung vom 05.12.1999 bis 12.10.2010 für angemessen. Dies entspricht einem Betrag von ca. EUR 500,00 je Monat, wobei, da es sich bei der Entschädigung um einen unter Würdigung aller Umstände zu bestimmenden Gesamtbetrag handelt, eine taggenaue Abrechnung nicht veranlasst ist. Die Höhe bemisst sich im Wesentlichen an denjenigen Beträgen, die der EGMR in vergleichbaren Fällen selbst zuspricht, wobei auch berücksichtigt wurde, dass es sich bei Art. 5 Abs. 5 EMRK um einen verschuldensunabhängigen Anspruch handelt und ein Verschulden der hier handelnden Organe auch nicht festgestellt werden kann. |
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| Eine Orientierung an den Tagessätzen des § 7 Abs. 3 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG), die bis 04.08.2009 EUR 11,00, ab 05.08.2009 EUR 25,00 betrugen, war hingegen nach Auffassung der Kammer nicht geboten, da vorliegend gerade kein Anspruch nach StrEG gegeben ist (s. u., 3.). Mit diesem Tagessatz nach StrEG werden die üblichen Unzuträglichkeiten, die die Haft mit sich bringt, ausgeglichen (vgl. BGHZ 122, 268 - zitiert nach juris (Rn. 48)), während es sich vorliegend um eine immaterielle Entschädigung für die Verletzung des Freiheitsrechts geht. |
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| 2. Dagegen ergibt sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus § 839 BGB, Art. 34 GG. |
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| a. Sofern objektive Amtspflichtverletzungen des beklagten Landes unter Berücksichtigung der Entscheidungen des EGMR vom 17.12.2009 und des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 in der Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Klägers ab dem 05.12.1999 und in einem Verstoß gegen das Abstandsgebot zwischen Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen liegen, waren diese jedenfalls nicht schuldhaft (s. u., b). Dies gilt auch für den Zeitraum zwischen dem Wirksamwerden der Entscheidung des EGMR und der Entlassung des Klägers, wobei hier offen bleiben kann, ob in diesem Zeitraum überhaupt eine Amtspflichtverletzung vorliegt. |
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| Sofern der Kläger ferner geltend macht, er sei weder durch geeignete Maßnahmen noch durch eine ärztliche Behandlung auf seine Entlassung vorbereitet worden, erklärt er im Weiteren selbst ausdrücklich, hierauf werde die Klage nicht gestützt. Auch der Klageantrag, der den gesamten Zeitraum der Sicherungsverwahrung ab 1999 abdeckt, lässt erkennen, dass es dem Kläger um eine Entschädigung für die Sicherungsverwahrung insgesamt, nicht für einzelne unterbliebene Behandlungsmaßnahmen geht. Daher war auch ein Hinweis an den Kläger entbehrlich, dass der Vortrag des Klägers zu unterbliebenen Maßnahmen nicht hinreichend konkret war. |
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| b. Bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung und der Verletzung des Abstandsgebots trifft das beklagte Land hingegen kein Verschulden. |
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| Die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung nach Ablauf der früheren Höchstfrist beruhte auf der pflichtgemäßen Anwendung geltenden Bundesrechts durch die Vollstreckungsgerichte. |
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| Den Wegfall der Höchstfrist hatte das Bundesverfassungsgericht noch in seiner ausführlich begründeten Entscheidung vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133 - 2 BvR 2029/01- ) und die Anwendung der geänderten Vorschrift auch auf Straftäter, deren Taten vor der Gesetzesänderung begangen wurden und gegen die Sicherungsverwahrung vor der Gesetzesänderung angeordnet worden war, für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. |
|
| Auch von einer Verletzung des Abstandsgebots musste vor der Entscheidung des EGMR durch das beklagte Land nicht ausgegangen werden. Nach Kenntnis der Entscheidung kann hingegen nicht umgehend eine schuldhafte Verletzung angenommen werden, da dem beklagten Land insofern erst recht eine angemessene Frist zur Umsetzung zuzubilligen ist, die bis zur Entlassung des Klägers keinesfalls abgelaufen war. |
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| Schließlich liegt auch keine schuldhafte Amtspflichtverletzung des beklagten Landes darin, dass der Kläger nicht unmittelbar nach der Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 bzw. nach deren Wirksamwerden am 10.05.2010 entlassen wurde. Diese Entscheidung entfaltete keine unmittelbare Bindungswirkung, sondern betraf andere Beteiligte. Nachdem das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Freiburg mit Beschluss vom 16.08.2010 noch die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet hatte, sprach das Oberlandesgericht Karlsruhe durch Beschluss vom 12.10.2010 deren Erledigung aus, so dass der Kläger noch am selben Tag entlassen wurde. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ging im Ergebnis davon aus, es sei nunmehr wiederum die bisherige Fassung des § 67d Abs. 3 StGB mit der Höchstfrist von 10 Jahren anzuwenden, nach der ohne weitere Prüfung zu entlassen wäre. Erst durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 bestand dann Sicherheit über die künftige innerstaatliche Rechtslage und Beurteilung der Situation. Nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hätte den Vollstreckungsgerichten noch eine Prüfungsfrist bis zum 31.12.2011 zugestanden, um festzustellen, ob in jedem Einzelfall die weitere Sicherungsverwahrung nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstäben gerechtfertigt ist. Selbst wenn das Oberlandesgericht Karlsruhe zum Zeitpunkt seiner Entscheidung diesen - erst später vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten - Prüfungsmaßstab vorweggenommen und zugrunde gelegt hätte, wäre der Kläger gegenüber der tatsächlich am 12.10.2010 getroffenen Entscheidung nicht besser gestellt worden. Dann kann das Verfahren nach der Wirksamkeit der Entscheidung des EGMR, sollte es nach den Maßstäben des EGMR konventionswidrig gewesen sein, jedenfalls nicht schuldhaft amtspflichtwidrig gewesen sein. |
|
| c. Auf Eingreifen und Reichweite des Richterprivilegs gemäß § 839 Abs. 2 BGB kommt es daher vorliegend nicht mehr an. |
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| 3. Auch aus dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) ergeben sich für den Kläger im vorliegenden Verfahren keine Ansprüche. |
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| Im Zivilrechtsweg könnte ohnehin nur - nach Durchführung des Verfahrens nach §§ 10ff. StrEG vor der zuständigen Justizverwaltungsbehörde - das Betragsverfahren gemäß § 13 StrEG durchgeführt werden. Diesem Betragsverfahren muss jedoch stets die Entscheidung über den Grund des Anspruchs nach §§ 8, 9 StrEG durch das Strafgericht vorausgehen (vgl. BGH NJW-RR 1993, 1021 - zitiert nach juris (Rn. 7)). An einer solchen Grundentscheidung fehlt es hier bereits. Da der Kläger einen einheitlichen Anspruch (Entschädigung für die Fortdauer der Sicherungsverwahrung) und damit einen Streitgegenstand geltend macht, diesen jedoch selbst nicht ausdrücklich auf Ansprüche aus StrEG stützt, führt dies allerdings nicht bereits zur Unzulässigkeit des geltend gemachten Anspruchs, bietet dem Kläger jedoch auch keine weitergehende Anspruchsgrundlage. |
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| 4. Schließlich ergibt sich ein Anspruch des Klägers auch nicht aus einem allgemeinen Aufopferungsanspruch. Durch den Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK sollen Nachteile entschädigt werden, die durch rechtswidrige Eingriffe der öffentlichen Gewalt entstanden sind. Damit wird für ein solches Sonderopfer bereits Entschädigung gewährt, so dass es an einer ausgleichspflichtigen Opferlage fehlt. Ein Aufopferungsanspruch kann deshalb wegen des bereits vorhandenen Ausgleichs nicht mehr zur Entstehung gelangen (vgl. BGHZ 45, 58 - zitiert nach juris (Rn. 77)). |
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| 5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, dieser steht dem Kläger erst ab Rechtshängigkeit zu. Zwar trägt er vor, die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe sei vorgerichtlich aufgefordert worden, eine Haftentschädigung anzuerkennen. Er hat auch das ablehnende Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 18.07.2011 vorgelegt. Daraus ergibt sich gleichwohl nicht, ob die klägerische Aufforderung bereits auf Zahlung oder lediglich auf Anerkennung der Haftung dem Grunde nach gerichtet war. Letzteres wäre nicht verzugsbegründend. |
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| Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. |
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| Auch der vorliegend unter anderem geltend gemachte Entschädigungsanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK kann unmittelbar bei den nationalen Gerichten eingeklagt werden (vgl. BGHZ 122, 268 - zitiert nach juris (Rn. 45)) und ist dort vor den ordentlichen Gerichten im Wege der Zivilklage geltend zu machen (vgl. Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., Art. 5 MRK Rn. 138 m. w. N.). |
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| 1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von EUR 65.000,00 gegen das beklagte Land aus Art. 5 Abs. 5 EMRK zu. |
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| a. Gemäß Art. 5 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den in Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a - f EMRK aufgeführten Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden. Jede Person, die unter Verletzung von Art. 5 EMRK von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, hat gemäß Art. 5 Abs. 5 EMRK Anspruch auf Schadensersatz. |
|
| Die EMRK gilt innerstaatlich mit Gesetzeskraft und gewährt in Art. 5 Abs. 5 dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch, wenn seine Freiheit dem Art. 5 Abs. 1 EMRK zuwider beschränkt wurde (vgl. BGHZ 45, 58 - zitiert nach juris (Rn. 31); BGHZ 122, 268 - zitiert nach juris (Rn. 15)). |
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| Einen solchen Verstoß kann die Kammer daher selbst feststellen. Einer vorausgehenden Feststellung durch ein anderes Organ bedarf es nicht. |
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| b. In der Vollziehung der Sicherungsverwahrung des Klägers vom 05.12.1999 bis zum 12.10.2010 liegt ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK. |
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| (1) Die Sicherungsverwahrung stellt eine Freiheitsentziehung i. S. v. Art. 5 Abs. 1 EMRK dar. |
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| (2) Eine Rechtfertigung dieser Freiheitsentziehung des Klägers im genannten Zeitraum liegt nicht vor. Die Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe der Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a - f EMRK sind vorliegend nicht erfüllt. In Betracht kommt hier ohnehin nur eine Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a, c und e EMRK. |
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| (2.1) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a EMRK ist eine rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht möglich. |
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| Die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung durch die Vollstreckungsgerichte erfüllt in Fällen wie dem Vorliegenden diese Voraussetzungen jedoch nicht: |
|
| Durch das am 31.01.1998 in Kraft getretene Gesetz vom 26.01.1998 zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten (BGBl. I 160) wurde § 67d StGB geändert. Zuvor sah dieser vor, dass die erste Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zehn Jahre nicht übersteigen darf (§ 67d Abs. 1 StGB a. F.) und der Untergebrachte zu entlassen ist, wenn die Höchstfrist abgelaufen ist (§ 67d Abs. 3 Satz 1 StGB a. F.). Nach der Änderung war keine Höchstfrist für die Sicherungsverwahrung mehr vorgesehen. § 67d Abs. 3 StGB n. F. sah vielmehr vor, dass das Gericht, wenn zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden sind, die Maßregel für erledigt erklärt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Gemäß Art. 1. a Abs. 3 EGStGB sollte § 67d StGB n. F. uneingeschränkt Anwendung finden, gemäß § 2 Abs. 6 StGB ist über Maßregeln der Besserung und Sicherung, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt. |
|
| Bei dem Kläger liegen sowohl der Zeitpunkt der Tatbegehung als auch der Verurteilung, in der die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, im Zeitraum der Geltung von § 67d StGB a. F., so dass bei dessen unveränderter Fortgeltung der Kläger zum 04.12.1999 ohne weitere Prüfung hätte entlassen werden müssen. Wegen der vor Ablauf der Zehnjahresfrist geänderten Neufassung des § 67d StGB und dessen Anwendbarkeit auch auf Altfälle nahmen die Vollstreckungsgerichte nach Ablauf der Zehnjahresfrist ab 31.01.1998 jedoch eine individuelle Prüfung der Voraussetzungen des § 67d Abs. 3 StGB vor. Diese Prüfung führte bei dem Kläger dazu, dass das Vollstreckungsgericht jeweils die Fortdauer der Unterbringung anordnete. |
|
| In dieser Konstellation liegt keine rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht i. S. v. Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a EMRK vor: |
|
| Die Entscheidungen der Vollstreckungsgerichte stellen selbst keine Verurteilung i. S. v. Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a EGMR dar, da sie keine - hierfür als erforderlich angesehene - Schuldfeststellung mehr beinhalten (vgl. EGMR, Urt. vom 17.12.2009, 19359/04 - zitiert nach juris (Rn. 96)). |
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| Zwischen der ursprünglichen Verurteilung und der Fortdauer der Freiheitsentziehung nach Ablauf von zehn Jahren in der Sicherungsverwahrung besteht hingegen kein hinreichender Kausalzusammenhang mehr. Denn nach der im Zeitpunkt der Verurteilung geltenden Rechtslage wäre der Kläger nach zehn Jahren ohne weitere Prüfung entlassen worden. Die anderslautenden Entscheidungen der Vollstreckungsgerichte wurden hingegen allein durch die nachträgliche Gesetzesänderung im Jahr 1998 möglich (vgl. EGMR, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 100)). |
|
| Angesichts dieser Rechtsprechung des EGMR ist in diesen sog. Altfällen, in denen die Betroffenen wegen ihrer Anlasstaten bereits vor Inkrafttreten der jeweils einschlägigen Neuregelungen verurteilt waren, eine Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2. a EMRK als generell ausgeschlossen anzusehen (vgl. BVerfG, Urt. vom 04.05.2011, 2 BvR 2333/08 u. a. - zitiert nach juris (Rn. 145, 148)). |
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| (2.2) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2. c EMRK ist eine Freiheitsentziehung unter anderem zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde möglich, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, die betreffende Person an der Begehung einer Straftat zu hindern. |
|
| Dieser Rechtfertigungsgrund ist jedoch nur bei hinreichend konkreten und spezifischen potentiellen Taten gegeben, aufgrund derer der Betroffene dem Richter vorzuführen ist. Personen, die in der Sicherungsverwahrung untergebracht sind, werden jedoch nicht wegen potentieller künftiger Straftaten unverzüglich einem Richter vorgeführt oder vor Gericht gestellt. Deren potentielle künftige Taten sind nicht hinreichend konkret und spezifisch, insbesondere hinsichtlich des Orts und der Zeit ihrer Begehung und ihrer Opfer, und fallen daher nicht unter Art. 5 Abs. 1 Satz 2. c EMRK (vgl. EGMR, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 102)). |
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| Eine solche Gefahr, die eine präventive Freiheitsentziehung zulässt, dürfte in Fällen wie dem Vorliegenden nur ganz ausnahmsweise festzustellen sein, so dass eine Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2. c EMRK regelmäßig nicht in Betracht kommt (vgl. BVerfG, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 144, 150)). |
|
| (2.3) Schließlich kann hier auch nicht vom Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2. e EMRK ausgegangen werden. Dieser ermöglicht eine rechtmäßige Freiheitsentziehung bei psychisch Kranken, eine konventionsrechtliche Rechtfertigung der Freiheitsentziehung in Fällen wie dem Vorliegenden kommt praktisch nur unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift in Betracht (vgl. BVerfG a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 151)). |
|
| Allerdings setzt dies voraus, dass es sich um eine zuverlässig nachgewiesene Störung handelt, die eine zwangsweise Unterbringung erfordert und die fortdauert, wobei die Mitgliedsstaaten hinsichtlich des Vorliegens dieser Voraussetzungen einen Beurteilungsspielraum besitzen (vgl. BVerfG a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 152 m. w. N.)). Zudem verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 2. e EMRK, dass die gesetzlichen Regelungen des betreffenden Anordnungs- oder Überprüfungsverfahrens die Feststellung einer psychischen Störung im Sinne einer ausdrücklichen Tatbestandsvoraussetzung vorsehen, und zudem die sonstige Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung (vgl. BVerfG a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 153f.)). Letzteres beinhaltet auch die Frage, ob die Freiheitsentziehung "auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise" erfolgt ist. Dabei verweist die EMRK im Wesentlichen auf das innerstaatliche Recht und erlegt die Verpflichtung auf, dessen materiell- und verfahrensrechtliche Bestimmungen einzuhalten (vgl. EGMR, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 90); Urt. vom 24.11.2011, Az. 48038/06 - zitiert nach juris (Rn. 81)). |
|
| Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch durch Urteil vom 04.05.2011 (2 BvR 2333/08 u. a.) festgestellt, dass § 67d Abs. 3 Satz 1 n. F. i. V. m. § 2 Abs. 6 StGB - auf denen auch im vorliegenden Fall die Anordnung der weiteren Sicherungsverwahrung beruhte - mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar sind, da der mit diesen Vorschriften verbundene Eingriff in das Vertrauen des betroffenen Personenkreises auf ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren angesichts des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheitsrechts verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchster Verfassungsgüter zulässig ist und das Gewicht dieser Vertrauensschutzbelange durch die Wertungen der EMRK noch verstärkt wird (vgl BVerfG a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 131f.)). Daher kann eine rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung nur noch als verhältnismäßig angesehen werden, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt wird, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2. e EMRK in der zugrunde gelegten Auslegung erfüllt sind (vgl. BVerfG, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 156)). Nur nach Maßgabe, dass eine solche hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten abzuleiten ist und der Sicherungsverwahrte an einer psychischen Störung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG leidet, ist § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB während einer Übergangsfrist noch weiter anwendbar (vgl. BVerfG, Urt. vom 04.05.2011, III. des Urteilstenors; BGHSt 56, 248 - zitiert nach juris (Ls.)). Aufgrund dieser vom Bundesverfassungsgericht geforderten strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung ist gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung bei beiden Elementen der Gefährlichkeit - mithin der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung - ein strengerer Maßstab anzulegen (vgl. BGH NStZ 2011, 692 - zitiert nach juris (Rn. 18ff.), BGH NStZ-RR 2012, 9 - zitiert nach juris (Rn. 7)). |
|
| Dass diese engen Ausnahmevoraussetzungen bei dem Kläger jedoch in dem maßgeblichen Zeitraum seiner Sicherungsverwahrung von 1999 bis 2010 vorgelegen hätten, ist nicht ersichtlich und wird auch von dem beklagten Land nicht behauptet. Unstreitig wurde gegen den Kläger nach seiner Entlassung auch kein Verfahren nach dem am 01.01.2011 in Kraft getretenen Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) eingeleitet, die anfänglich angeordnete Observation wurde zwischenzeitlich aufgehoben. |
|
| Da die Entscheidungen, durch die die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet wurden, auf verfassungswidrigen Vorschriften beruhen und auch das Vorliegen des genannten Ausnahmefalls hier nicht behauptet wird, führen die Gründe der Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Gesetze auch zur Verfassungswidrigkeit dieser Entscheidungen, auch wenn die Fachgerichte die Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 noch nicht berücksichtigen konnten und die Grundrechtsverletzung daher nicht vorwerfbar ist (vgl. BVerfG, a. a. O. - zitiert nach juris (Rn. 175)). Waren jedoch die Entscheidungen verfassungswidrig, so können sie auch keine Freiheitsentziehung wegen einer psychischen Krankheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2. e EMRK rechtfertigen. |
|
| c. Der Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK richtet sich gegen das beklagte Land, da die Sicherungsverwahrung aufgrund der Entscheidungen der Vollstreckungsgerichte des Landes in einer Justizvollzugsanstalt des Landes vollzogen wurde. Die konventionswidrige Freiheitsentziehung ist daher durch das beklagte Land erfolgt. Ob dem Kläger daneben auch ein Anspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland zustehen würde, da die Anordnung der Sicherungsverwahrung auf der Grundlage von Bundesrecht erfolgten, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da der Kläger die Bundesrepublik Deutschland nicht in Anspruch nimmt. |
|
| d. Ein Verschulden der handelnde Staatsorgane ist nicht Anspruchsvoraussetzung (vgl. BGHZ 45, 58 - zitiert nach juris (Rn. 35ff.)), bei Art. 5 Abs. 5 EMRK handelt es sich um einen Anspruch aus Gefährdungshaftung für rechtswidriges Verhalten von Staatsorganen (vgl. BGHZ 45, 58 - zitiert nach juris (Rn. 49)). |
|
| e. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen rechtmäßiger Inhaftierung nach Art. 5 EMRK umfasst auch den hier begehrten Ersatz immateriellen Schadens, da es sich bei Art. 5 Abs. 5 EMRK um ein Gesetz i. S. v. § 253 BGB handelt und Art. 5 Abs. 1 EMRK die Freiheit als ein immaterielles Rechtsgut schützt. (vgl. BGHZ 122, 268 - zitiert nach juris (Ls. 1 und Rn. 44f.)). |
|
| Die Kammer hält im vorliegenden Fall eine Entschädigung von EUR 65.000,00 für die Dauer der Sicherungsverwahrung vom 05.12.1999 bis 12.10.2010 für angemessen. Dies entspricht einem Betrag von ca. EUR 500,00 je Monat, wobei, da es sich bei der Entschädigung um einen unter Würdigung aller Umstände zu bestimmenden Gesamtbetrag handelt, eine taggenaue Abrechnung nicht veranlasst ist. Die Höhe bemisst sich im Wesentlichen an denjenigen Beträgen, die der EGMR in vergleichbaren Fällen selbst zuspricht, wobei auch berücksichtigt wurde, dass es sich bei Art. 5 Abs. 5 EMRK um einen verschuldensunabhängigen Anspruch handelt und ein Verschulden der hier handelnden Organe auch nicht festgestellt werden kann. |
|
| Eine Orientierung an den Tagessätzen des § 7 Abs. 3 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG), die bis 04.08.2009 EUR 11,00, ab 05.08.2009 EUR 25,00 betrugen, war hingegen nach Auffassung der Kammer nicht geboten, da vorliegend gerade kein Anspruch nach StrEG gegeben ist (s. u., 3.). Mit diesem Tagessatz nach StrEG werden die üblichen Unzuträglichkeiten, die die Haft mit sich bringt, ausgeglichen (vgl. BGHZ 122, 268 - zitiert nach juris (Rn. 48)), während es sich vorliegend um eine immaterielle Entschädigung für die Verletzung des Freiheitsrechts geht. |
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| 2. Dagegen ergibt sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus § 839 BGB, Art. 34 GG. |
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| a. Sofern objektive Amtspflichtverletzungen des beklagten Landes unter Berücksichtigung der Entscheidungen des EGMR vom 17.12.2009 und des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 in der Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Klägers ab dem 05.12.1999 und in einem Verstoß gegen das Abstandsgebot zwischen Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen liegen, waren diese jedenfalls nicht schuldhaft (s. u., b). Dies gilt auch für den Zeitraum zwischen dem Wirksamwerden der Entscheidung des EGMR und der Entlassung des Klägers, wobei hier offen bleiben kann, ob in diesem Zeitraum überhaupt eine Amtspflichtverletzung vorliegt. |
|
| Sofern der Kläger ferner geltend macht, er sei weder durch geeignete Maßnahmen noch durch eine ärztliche Behandlung auf seine Entlassung vorbereitet worden, erklärt er im Weiteren selbst ausdrücklich, hierauf werde die Klage nicht gestützt. Auch der Klageantrag, der den gesamten Zeitraum der Sicherungsverwahrung ab 1999 abdeckt, lässt erkennen, dass es dem Kläger um eine Entschädigung für die Sicherungsverwahrung insgesamt, nicht für einzelne unterbliebene Behandlungsmaßnahmen geht. Daher war auch ein Hinweis an den Kläger entbehrlich, dass der Vortrag des Klägers zu unterbliebenen Maßnahmen nicht hinreichend konkret war. |
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| b. Bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung und der Verletzung des Abstandsgebots trifft das beklagte Land hingegen kein Verschulden. |
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| Die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung nach Ablauf der früheren Höchstfrist beruhte auf der pflichtgemäßen Anwendung geltenden Bundesrechts durch die Vollstreckungsgerichte. |
|
| Den Wegfall der Höchstfrist hatte das Bundesverfassungsgericht noch in seiner ausführlich begründeten Entscheidung vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133 - 2 BvR 2029/01- ) und die Anwendung der geänderten Vorschrift auch auf Straftäter, deren Taten vor der Gesetzesänderung begangen wurden und gegen die Sicherungsverwahrung vor der Gesetzesänderung angeordnet worden war, für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. |
|
| Auch von einer Verletzung des Abstandsgebots musste vor der Entscheidung des EGMR durch das beklagte Land nicht ausgegangen werden. Nach Kenntnis der Entscheidung kann hingegen nicht umgehend eine schuldhafte Verletzung angenommen werden, da dem beklagten Land insofern erst recht eine angemessene Frist zur Umsetzung zuzubilligen ist, die bis zur Entlassung des Klägers keinesfalls abgelaufen war. |
|
| Schließlich liegt auch keine schuldhafte Amtspflichtverletzung des beklagten Landes darin, dass der Kläger nicht unmittelbar nach der Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 bzw. nach deren Wirksamwerden am 10.05.2010 entlassen wurde. Diese Entscheidung entfaltete keine unmittelbare Bindungswirkung, sondern betraf andere Beteiligte. Nachdem das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Freiburg mit Beschluss vom 16.08.2010 noch die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet hatte, sprach das Oberlandesgericht Karlsruhe durch Beschluss vom 12.10.2010 deren Erledigung aus, so dass der Kläger noch am selben Tag entlassen wurde. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ging im Ergebnis davon aus, es sei nunmehr wiederum die bisherige Fassung des § 67d Abs. 3 StGB mit der Höchstfrist von 10 Jahren anzuwenden, nach der ohne weitere Prüfung zu entlassen wäre. Erst durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 bestand dann Sicherheit über die künftige innerstaatliche Rechtslage und Beurteilung der Situation. Nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hätte den Vollstreckungsgerichten noch eine Prüfungsfrist bis zum 31.12.2011 zugestanden, um festzustellen, ob in jedem Einzelfall die weitere Sicherungsverwahrung nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstäben gerechtfertigt ist. Selbst wenn das Oberlandesgericht Karlsruhe zum Zeitpunkt seiner Entscheidung diesen - erst später vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten - Prüfungsmaßstab vorweggenommen und zugrunde gelegt hätte, wäre der Kläger gegenüber der tatsächlich am 12.10.2010 getroffenen Entscheidung nicht besser gestellt worden. Dann kann das Verfahren nach der Wirksamkeit der Entscheidung des EGMR, sollte es nach den Maßstäben des EGMR konventionswidrig gewesen sein, jedenfalls nicht schuldhaft amtspflichtwidrig gewesen sein. |
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| c. Auf Eingreifen und Reichweite des Richterprivilegs gemäß § 839 Abs. 2 BGB kommt es daher vorliegend nicht mehr an. |
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| 3. Auch aus dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) ergeben sich für den Kläger im vorliegenden Verfahren keine Ansprüche. |
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| Im Zivilrechtsweg könnte ohnehin nur - nach Durchführung des Verfahrens nach §§ 10ff. StrEG vor der zuständigen Justizverwaltungsbehörde - das Betragsverfahren gemäß § 13 StrEG durchgeführt werden. Diesem Betragsverfahren muss jedoch stets die Entscheidung über den Grund des Anspruchs nach §§ 8, 9 StrEG durch das Strafgericht vorausgehen (vgl. BGH NJW-RR 1993, 1021 - zitiert nach juris (Rn. 7)). An einer solchen Grundentscheidung fehlt es hier bereits. Da der Kläger einen einheitlichen Anspruch (Entschädigung für die Fortdauer der Sicherungsverwahrung) und damit einen Streitgegenstand geltend macht, diesen jedoch selbst nicht ausdrücklich auf Ansprüche aus StrEG stützt, führt dies allerdings nicht bereits zur Unzulässigkeit des geltend gemachten Anspruchs, bietet dem Kläger jedoch auch keine weitergehende Anspruchsgrundlage. |
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| 4. Schließlich ergibt sich ein Anspruch des Klägers auch nicht aus einem allgemeinen Aufopferungsanspruch. Durch den Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK sollen Nachteile entschädigt werden, die durch rechtswidrige Eingriffe der öffentlichen Gewalt entstanden sind. Damit wird für ein solches Sonderopfer bereits Entschädigung gewährt, so dass es an einer ausgleichspflichtigen Opferlage fehlt. Ein Aufopferungsanspruch kann deshalb wegen des bereits vorhandenen Ausgleichs nicht mehr zur Entstehung gelangen (vgl. BGHZ 45, 58 - zitiert nach juris (Rn. 77)). |
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| 5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, dieser steht dem Kläger erst ab Rechtshängigkeit zu. Zwar trägt er vor, die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe sei vorgerichtlich aufgefordert worden, eine Haftentschädigung anzuerkennen. Er hat auch das ablehnende Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 18.07.2011 vorgelegt. Daraus ergibt sich gleichwohl nicht, ob die klägerische Aufforderung bereits auf Zahlung oder lediglich auf Anerkennung der Haftung dem Grunde nach gerichtet war. Letzteres wäre nicht verzugsbegründend. |
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