Versäumnisurteil vom Landgericht Kiel (3. Kammer für Handelssachen) - 16 O 151/05

Tenor

Die Klagen der Kläger xxx und xxx werden abgewiesen.

Den Klägern werden die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin der Beklagten auferlegt, dem Kläger XXX allerdings nur insoweit, als Kosten nicht im Teilvergleich vom 16.01.2007 (Bl. 1119 – 1135 d.A.) von der Beklagten übernommen wurden.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Nachdem sich der Rechtsstreit durch fünf Teilprozessvergleiche (im Vergleich vom 18.08.2006, Bl. 1137 – 1161 d. A. im Entscheidungsband, unter Einbeziehung auch der Streithelfer auf Klägerseite) im Wesentlichen erledigt hat, hat die Kammer noch über die Anfechtungsklage des Klägers xxx gegen den Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 23./24.08.2005 zu TOP 3 sowie die nachträglich durch Verfahrensbeitritt durch den Kläger xxx am 19.09.2006 (Bl. 1049 in Band 1.6) erhobene Klage gegen die Beschlüsse zu TOP 1 bis 3 zu befinden.

2

In der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 22.04.2005 war der Rechtsanwalt xxx zum besonderen Vertreter bestellt worden um zu prüfen, ob der Beklagten gegen ihre Aktionärin xxx (im Folgenden: XX) oder sonstige Verpflichtete Schadensersatzansprüche aufgrund der von dieser am 11.06.2002 ausgesprochenen Kündigung des im März 2000 abgeschlossenen sog. xxx und des späteren Abschlusses des xxx zwischen der Beklagten und xxx zustehen könnten.

3

Mit Beschluss zu TOP 3 der außerordentlichen Hauptversammlung (im Folgenden: a.o. HV) vom 23./24.08.2005 wurde der Bestellungsbeschluss mit großer Mehrheit widerrufen, weil die Beklagte im xxx unter anderem auf die Geltendmachung von Schadensersatz-ansprüchen verzichtet hatte.

4

Zuvor, nämlich am 08.07.2005, hatte die Beklagte zwei Verschmelzungsverträge geschlossen:

5

Durch den Vertrag mit der xxx, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten, wurde deren Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten auf die Beklagte übertragen. Die xxx hielt sämtliche Aktien der xxx, die zum Zwecke der Verschmelzung der Beklagten mit der xxx, an der die Beklagte mit ca. 50,4% beteiligt war, gegründet worden war.

6

Durch den Vertrag zwischen der Beklagten, der xxx und der xxx übertrugen die beiden erstgenannten Gesellschaften ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten auf die xxx als aufnehmende Gesellschaft.

7

Nachdem die Hauptversammlungen der Beklagten und der xxx dem Verschmelzungsvertrag zugestimmt hatten, erfolgten die Eintragungen im Handelsregister, also u.a. die Löschungen der Beklagten und der xxx am 02.03.2007.

8

Die xxx firmiert inzwischen als xxx.

9

Der Kläger xxx hat zunächst die Ansicht vertreten, die Beschlüsse der a.o. HV von 2005 zu TOP 1 und 2 seien nichtig, so dass eine tragende Grundlage für den Beschluss zu TOP 3 entfallen sei. Zudem lägen der Beklagten Gutachten vor, die übereinstimmend die von xxx erklärte Kündigung des xxx für nicht wirksam hielten. Daher müsse der besondere Vertreter seine bis zur a.o. HV noch nicht abgeschlossenen Prüfungen fortsetzen. Immerhin könnten der Beklagten gegen xxx hohe Schadensersatzforderungen zustehen, was außerdem wegen der aus Rechtsgründen als gescheitert anzusehenden Sachkapitalerhöhung der Beklagten durch Beteiligung der xxx im Jahre 2000 der Fall sei, ein Argument, das zwar noch nicht in der Klage vorgebracht, jedoch in zahlreichen umfangreichen weiteren Schriftsätzen ausführlich dargelegt wurde.

10

Der Kläger xxx hält die Beschlüsse zu TOP 1 bis 3 für nichtig, so dass seine Klage nicht verfristet sei. Wegen der Begründung wird auf Bl. 1049 – 1054 (Bd. 1.6) Bezug genommen. Er war im Termin vom 02.11.2010 säumig.

11

Der Kläger xxx hat im Termin vom 30.10.2007 beantragt,

12

den in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 23./24.08.2005 gefassten Beschluss zu TOP 3 (Widerruf der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 S. 1 AktG vom 22.04.2005) für nichtig zu erklären, hilfsweise die Nichtigkeit und höchst hilfsweise die Unwirksamkeit festzustellen.

13

Die Beklagte und ihre Streithelferin haben im Termin vom 30.10.2007 beantragt,

14

die Klagen abzuweisen
und beantragen nunmehr,
 die Klage des Klägers xxx durch Versäumnisurteil und
 die des Klägers xxx durch Entscheidung nach Lage der Akten abzuweisen.Die Beklagte tritt der Klage des Klägers xxx entgegen und hält sie für unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, wie sich dies unter anderem aus ihren Schriftsätzen vom
- 21.12.2005 (Bl. 81 – 177 d. A. in Bd. 1.1 sowie Anlagenband und Bl. 178 – 442 d. A. in Bd. 1.2 sowie Anlagenband),
 - 10.07.2007 (Bl. 1599 – 1630 d.A. Bd. 1.9) und
- 24.01.2008 (Bl. 1895 – 1905 d. A. Bd. 1.10) ergibt.

15

Auch die Nebenintervenientin der Beklagten hält die Klage für unzulässig, weil sich der Rechtsstreit in der Hauptsache wegen Erlöschens der Organstellung des besonderen Vertreters erledigt habe (Schriftsatz vom 06.02.2008; Bl. 1917 – 1920a d. A. Bd. 1.11).

16

Im übrigen wird wegen des weiteren Vorbringens der Parteien auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

17

Die Kammer hat dem Kläger xxx verschiedene rechtliche Hinweise erteilt, wie sich dies aus dem Protokoll vom 30.10.2007 (Bl. 1817 ff in Bd. 1.10) sowie den Verfügungen vom 21.01.2008 (Bl. 1891 f. in Bd. 1.10) und 06.03.2008 (Bl. 1948 f. in Bd. 1.11) ergibt.

Entscheidungsgründe

18

Die Klagen sind unbegründet.

19

1. Die Klage des Klägers xxx ist abzuweisen, ohne dass es näherer Darlegungen in Tatbestand und Entscheidungsgründen bedarf, weil er im Termin vom 02.11.2010 trotz ordnungsgemäßer Ladung säumig war (§ 313b ZPO).

20

Nur vorsorglich sei angemerkt, dass seine Klage unbegründet ist, weil er sie nicht innerhalb der Anfechtungsfrist, sondern um über ein Jahr verspätet erhoben hat und die von ihm erblickten Nichtigkeitsgründe nicht vorliegen, wie dies in der gerichtlichen Verfügung vom 26.01.2007 (Bl. 1211 f.), auf die er nicht weiter reagiert hat, näher dargelegt wurde.

21

2. Über die Klage des Klägers xxx konnte im Hinblick auf die streitige Verhandlung im Termin am 30.10.2007 und seine Säumnis im Termin vom 02.11.2010 nach Lage der Akten entschieden werden (§§ 331a, 251a Abs. 2 ZPO).

22

Sie ist unbegründet, weil sie nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 AktG erhoben wurde.

23

a) Z. e. waren der per Fax am Montag, 26.09.2005 um 22:51 bzw. 22:54 Uhr und damit noch in der um 24:00 Uhr ablaufenden Monatsfrist eingegangenen Fassung der Klage nicht die zur näheren Darstellung seiner Anfechtungsgründe in Bezug genommenen Anlagen beigefügt. Damit genügte sie nicht den aus § 253 ZPO zu entnehmenden formalen Anforderungen, wonach sie aus sich heraus verständlich sein muss (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 253 Rn. 12a).

24

Die Anlagen waren erst dem in der Faxklage auf Seite 2 ausdrücklich als zuzustellendes Original bezeichneten Schriftsatz beigefügt, der freilich erst nach Ablauf der Klagefrist, nämlich am 30.09.2005 (vgl. Bl. 11a in Band 10) bei Gericht eingegangen war.

25

b) Z. a. sind inhaltliche Abweichungen zwischen der Faxfassung der Klage und der als Original bezeichneten Fassung festzustellen. Die Kammer nimmt wegen der näheren Darstellung der Unterschiede Bezug auf die Seiten 5 – 7 des Schriftsatzes der Beklagten vom 24.01.2008 (Bl. 1899 – 1901 d. A. in Bd. 1.10).

26

Weil ersichtlich das vom Kläger noch überarbeitete Original des Schriftsatzes vom 23.09.2005 maßgeblich sein sollte, kommt es für die Frage der Fristwahrung nur auf diese Fassung an.

27

3. Selbst wenn man dies rechtlich anders beurteilen wollte, so wäre die Klage des Klägers xxx, soweit sie nicht durch Teilvergleich vom 16.01.2007 erledigt wurde, jedenfalls unzulässig geworden, weil sich der Rechtsstreit in Ansehung des angegriffenen Beschlusses zu TOP 3 in der Hauptsache erledigt hat, ohne dass der allein dispositionsbefugte Kläger trotz dreier gerichtlicher Hinweise, die die Beklagte und ihre Streithelferin zudem aufgegriffen haben, deswegen eine Erledigungs-erklärung abgegeben hätte.

28

Die Erledigung der Hauptsache beruht auf dem Rechtsgrundsatz der Diskontinuität der Organstellung.

29

Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG hat die Verschmelzung zur Folge, dass die übertragenden Rechtsträger erlöschen. Damit gehen auch die Organe der Gesellschaften unter (Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 13, 16 und 28; (Hefermehl/Spindler in MüKo-AktG, § 84 Rn.168).

30

Der von der Hauptversammlung am 22.04.2005 bestellte besondere Vertreter xxx war Organ der Beklagten (Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 147 Rn. 7; Spindler in Schmidt/Lutter, AktG, § 147 Rn. 21, Schröer in MüKo, AktG, 2. Aufl., § 147 Rn. 43, BGH NJW 1981, 1097 f.). Demzufolge endete seine Stellung wie die der übrigen Organe der Beklagten mit deren Löschung im Handelsregister am 02.03.2007 und zwar unabhängig davon, ob der Widerrufsbeschluss anfechtbar oder nichtig war oder nicht, was hier - ungeachtet der fehlenden Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 241 AktG - zugunsten des Klägers unterstellt werden kann.

31

Zwar werden Prozesse, an denen ein übertragender, durch die Verschmelzung erlöschender Rechtsträger beteiligt ist, gemäß § 246 Abs. 1 ZPO ohne Unterbrechung des Verfahrens mit dem übernehmenden Rechtsträger wegen der Gesamtrechtsnachfolge durch ihn fortgeführt (Marsch-Barner, a.a.O., Rn. 25).

32

Ob für die Fortsetzung allerdings ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, hängt vom Einzelfall ab (Marsch-Barner, a.a.O., § 28 Rn. 4).

33

4. Für die vom Kläger xxx ferner höchst hilfsweise beantragte Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses zu TOP 3 gelten die allgemeinen Zulässigkeits-voraussetzungen des § 256 ZPO. Es muss also auch insoweit sein Rechtsschutzbedürfnis festzustellen sein, das aus dem oben zu 3. genannten Gründen fehlt.

34

5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 101 und 709 ZPO.


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