Urteil vom Landgericht Köln - 26 O 64/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Klägerin verlangt verzinsliche Rückzahlung der Beiträge, die sie auf eine Versicherung gezahlt hat.
3Während die Klägerin in der Klageschrift einerseits vorträgt, es sei zum 1.4.1996 ein Versicherungsvertrag über ein private Lebensversicherung abgeschlossen worden, andererseits es sich um eine im Jahr 2004 abtgeschlossene Versicherung handele, trägt die Beklagte vor, es sei entsprechend dem Antrag vom 26.101998 (Bl. 55 ff d.A.) zum Abschluss einer zum 1.11.1998 abgeschlossene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Versicherungsschein Nr. #####, Bl. 61 d.A.) gekommen.
4Das insoweit zur Versicherungsnummer ##### ebenfalls von der Beklagten vorgelegte Übersendungsschreiben vom 13.11.1998 (Bl. 59 f d.A.) enthält folgende fettgedruckte Widerspruchsbelehrung:
5„Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheines, insbesondere der Versicherungsbedingungen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
6Beginnend mit dem 1.11.1999 wurden der Klägerin regelmäßig Dynamiknachträge (Bl. 72 ff d.A.) übersandt.
7Insgesamt wurden von der Klägerin Beiträge in Höhe von 9.808,11 € entrichtet.
8Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.1.2012 wurde zu der Versicherungsnr. ##### der Widerspruch erklärt und Auszahlung der Differenz zu dem erstatteten Rückkaufswert verlangt (Bl. 25 f d.A.), nachdem die Beklagte zuvor bereits ein vergleichbares Schreiben vom 23.11.2011 erhalten hatte. Unter dem 9.1.2012 (Bl. 168 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin den Rückkaufswert zum 1.2.2012 mit 8.172,27 € mit, der sich ggfls. noch um eine Beteiligung an den Bewertungsreserven erhöhen könne; am 13.2.2012 (Bl. 169 d.A.) und am 29.2.2012 (Bl. 170 d.A.) wurde der Rückkaufswert sodann mit 8.257,50 € mitgeteilt und an die Klägerin ausgezahlt.
9Die Klägerin ist unter näherer Darlegung im wesentlichen der Ansicht, der Versicherungsvertrag sei wegen Verstoßes der Vorschrift des § 5a VVG gegen europarechtliche Vorgaben nicht wirksam zustande gekommen bzw. widerrufen worden. Das Widerspruchsrecht sei nicht verfristet. Der Zugang der Versicherungsunterlagen werde mit Nichtwissen bestritten. Die Beklagte habe ihre vorvertraglichen Beratungs- und Informationspflichten verletzt, weil nicht über die Folgen der Anwendung des Zillmerverfahrens für die Berechnung der Abschlusskosten aufgeklärt worden sei, ebenso nicht über die Berechnung der Überschussanteile und der so genannten Stornokosten bei vorzeitiger Vertragskündigung oder über das Bestehen des Widerrufsrechts. Die übersandten Vertragsklauseln seien intransparent. Sie sei auch hinsichtlich der Wahl der Anlage falsch beraten worden, weil sie eine konservative Anlage gewünscht habe, woraufhin ihr zu einer Lebensversicherung geraten worden sei, wobei aber verschwiegen worden sei, dass aufgrund abgezogener Abschlusskosten nicht sichergestellt sei, dass die eingezahlten Prämienbeiträge auch erhalten blieben.
10Ferner bestehe ein Widerrufsrecht gemäß §§ 495, 355 BGB im Hinblick auf das Vorliegen eines Ratenzahlungsgeschäftes. Weiterhin sei der Vertrag unter dem Gesichtspunkt der nicht vom Agenten offengelegten Prämien von der Anlagegesellschaft zur Beklagten nicht zustande gekommen (Kick-Backs-Rechtsprechung).
11Die Klägerin beantragt die Beklagte zu verurteilen,
121. an sie 7.285,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
132. an sie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 955,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14hilfsweise eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vereinbarkeit der Regelungen des § 5a VVG a.F. mit europäischem Recht.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie hält den Widerruf/Widerspruch aus näher dargelegten Gründen für unwirksam und beruft sich auf Verwirkung des Widerspruchs nach 11 Jahren, in denen Versicherungsschutz in Anspruch genommen worden sei. Der Vertrag sei unter ausreichender Belehrung wirksam nach dem Policenmodell zustande gekommen. Die Belehrung habe der Klägerin auch vorgelegen, da sie mit Schreiben vom 13.1.2012 den Originalversicherungsschein übersandt habe, der ihr mit diesem Begleitschreiben übermittelt worden sei. Das Policenmodell an sich sei ebenso wie die Frist des § 5a Abs. 1 europarechtskonform. Auch die Frist nach § 5a Abs. 2 Satz 4 sei verstrichen. Eine unmittelbare Wirkung europarechtlicher Wirkung bestehe überdies nicht. Eine Falschberatung sei von der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Da die unterjährige Zahlung von Versicherungsprämien keine Kreditgewährung in Form eines unentgeltlichen Zahlungsaufschubs darstelle, bestehe auch insoweit kein Widerspruchsrecht. Schließlich sei die Kick-Back-Rechtsprechung auf Versicherungsverträge nicht anwendbar.
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
20Die Klage ist nicht begründet.
21Obwohl die Klägerin entgegen der bereits mit Beschluss vom 17.10.2013 erteilten Auflage die Widersprüchlichkeit ihres Vortrages zum überhaupt zugrundeliegenden Vertrag bis zur mündlichen Verhandlung nicht aufgeklärt hat, geht die Kammer auch mit Blick auf den nicht nachgelassenen, erst nach der mündlichen Verhandlung eingegangen Schriftsatz von der Richtigkeit des Beklagtenvortrages in Bezug auf den abgeschlossenen Vertrag aus, dessen Versicherungsnummer ##### in der vorgerichtlichen Korrespondenz auch von der Klägerin angegeben worden ist.
22I.
23Bereicherungsansprüche gemäß § 812 BGB bestehen indes nicht. Die Beklagte hätte die von der Klägerin entrichteten Versicherungsbeiträge nur dann ohne rechtlichen Grund erlangt, wenn zwischen den Parteien kein Versicherungsvertrag zustande gekommen wäre. Dies wäre wiederum dann zu bejahen, wenn der mit anwaltlichem Schreiben vom 13.1.2012 erklärte Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. wirksam wäre.
241.
25Vorliegend ist der erklärte Widerspruch nämlich zu spät erfolgt und mithin unwirksam:
26a) Nach § 5a VVG a.F. gilt für den Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG unterlassen hat, der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen bestimmter Frist widerspricht (sog. Policenmodell).
27Gemäß § 5a Absatz 1 und 2 VVG in der hier maßgeblichen Fassung vom 21.7.1994 (gültig vom 29.7.1994 bis 31.7.2001) betrug die Widerspruchsfrist 14 Tage.
28Der Lauf dieser Frist beginnt gem. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. dann, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1, nämlich die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
29Von einer solchen ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchsrecht ist auszugehen. Die Widerspruchsbelehrung ist formal und inhaltlich nicht durchgreifend zu beanstanden:
30- Sie ist durch Fettdruck in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt, die sich in einer nicht zu übersehenden Weise aus dem übrigen Text hervorhebt (vgl. OLG Köln, 20 U 202/11, Urteil vom 2.3.2012; zur Hervorhebung durch Einrücken und Kursivdruck; OLG Köln, 20 U 141/12, Urteil vom 12.10.2012 zur Hervorhebung durch Fettdruck).
31- Die Belehrung über Beginn und Dauer der Frist ist ordnungsgemäß erfolgt. Dazu gehört (neben dem unverzichtbaren Hinweis darauf, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt) die Benennung des Ereignisses, das die Frist in Gang setzt ("nach Erhalt der Versicherungsurkunde"). Das konkrete Datum des Fristbeginns muss dabei ebenso wenig mitgeteilt werden wie die Grundsätze der Fristberechnung ( vgl. BGH NJW 2010, 3503; OLG Köln aaO.).
32- Die Belehrung macht dem Versicherungsnehmer im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben auch noch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Zwar erwähnt die Belehrung nicht ausdrücklich, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF beginnt. Dies ist jedoch unschädlich, da in dem Begleitschreiben „die Unterlagen zu der abgeschlossenen Gerling Aktiv-Rente“ in Bezug genommen sind, ohne dass die Klägerin den Erhalt einzelner Unterlagen konkret in Abrede gestellt hat.
33- Dass ein Adressat des Widerspruchs nicht in der Belehrung genannt wird ist gleichfalls unschädlich (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12.10.2012, 20 U 141/12; OLG Hamburg, Beschluss vom 5.10.2011, 9 U 143/11). Ein solcher lässt sich aus dem Schreiben der Beklagten, in dem ihre Anschrift unübersehbar enthalten ist, unschwer entnehmen.
34- Schließlich muss sich die Belehrung auch nicht darauf erstrecken, dass der Widerspruch ohne Angabe von Gründen erfolgen kann. Im Gegensatz etwa zu § 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB wird die von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht verlangt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12.10.2012, 20 U 79/12; OLG München, Urteil vom 25.9.2012, 25 U 1828/12, bei juris). Auf § 8 VVG n.F. und die hierzu existierende Musterbelehrung kann zur Auslegung des § 5a Abs. 2 VVG a.F. nicht abgestellt werden. § 8 Abs. 2 Nr. 2 VVG verlangt in der Belehrung einen Hinweis auf die Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 2 VVG n.F., wonach – u.a. – der Widerruf keiner Begründung bedarf. Eine solche Bestimmung enthält § 5a Abs. 2 VVG a.F. indes nicht. Eine entsprechende Anwendung der neuen Regel des § 8 Abs. 2 Nr. 2 mit Abs. 1 Satz 2 VVG auf früheres Recht kommt nicht in Betracht (OLG Köln, Beschluss vom 8.4.2013, 20 U 11/13).
35- Die Belehrung muss letztlich auch nicht auf die Rechtsfolgen eines Widerspruchs hinweisen; auch dies wird in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht gefordert (OLG Köln vom 3.2.2012 – 20 U 133/11).
36- Im Rahmen der Belehrung sind auch keine Ausführungen zu § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erforderlich, da § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. lediglich die Rechtsfolgen für den Fall, dass eine ordnungsgemäße Belehrung gerade nicht erfolgt ist, regelt (OLG Naumburg vom 1.8.2013 – 4 U 74/12).
37Damit begann die Frist ab Erhalt des Versicherungsscheins im November 1998 zu laufen; der Widerspruch vom 13.1.2012 konnte die Frist deshalb nicht mehr wahren und die ordnungsgemäß in Lauf gesetzte Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF ist verstrichen.
38Soweit die Klägerin pauschal den Erhalt der Versicherungsunterlagen mit Nichtwissen bestreitet, ist dies unzulässig (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23.9.2011, 20 U 90/11, Urteil vom 8.3.2013, 20 U 178/12; OLG Hamm, Beschluss vom 31.8.2011, 20 U 81/11), insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sie den Originalversicherungsschein, der gemeinsam mit der anderen Unterlagen an sie verschickt worden ist, erhalten und der Beklagten zurückgesandt hat.
39b) Europarechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 5a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. und das sog. Policenmodell insgesamt bestehen nach der einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht (vgl. etwa OLG Köln, VersR 2011, 245 ff und 248 ff.; OLG Hamm, VersR 2012, 745; zuletzt OLG Stuttgart, VersR 2012, 1373; OLG München, VersR 2012, 1545; OLG München vom 20.6.2013 – 14 U 103/13), und zwar auch nicht unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Generalanwältin Eleanor Sharpston in ihren Schlussanträgen vom 11.7.2013 in der Rechtsache C 209/12, die sich inhaltlich über die eigentliche Vorlagefrage hinausgehend auch mit dem Policenmodell an sich beschäftigt (s. hierzu OLG Köln, Urteil vom 6.12.2013 – 20 U 50/13 – mit ausführlicher Begründung). Eine Vorlage dieser Frage an den EuGH ist nicht geboten, da offenkundig ist, dass das Policenmodell mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (OLG Stuttgart, VersR 2012, 1373; OLG Köln, BeckRS 2013, 01056). Auf die dortigen Argumentationen wird verwiesen.
40c) Auch die maximale Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist 1 Jahr nach Zahlung der ersten Prämie verstrichen.
41Darüber hinaus würde selbst die Annahme einer Europarechtswidrigkeit von § 5a VVG a.F. oder des Policenmodells an sich nichts daran ändern, dass die Normen im Streitfall anzuwenden wären; eine Nichtanwendung auf der Grundlage einer teleologischen Reduktion würde als Contra-legem-Judizieren die Grenzen einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung überschreiten (OLG München, VersR 2013, 1025 mit ausführlicher Begründung; ausdrücklich auch vor dem Hintergrund der Schlussanträge der Generalanwältin vom 11.7.2013 aufrecht erhalten durch Urteil vom 10.10.2013 – 14 U 1804/13, bei juris).
422.
43Letztlich steht einem Anspruch der Klägerin unter den konkreten Umständen des Falles die Verwirkung eines Widerspruchsrechts (§ 242 BGB) entgegen:
44Der Vertrag ist beanstandungslos von November 1998 bis zum Widerspruch im Jahr 2012 geführt worden.
45Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, 71. Aufl. § 242 Rn. 87). Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. war es, dem Versicherungsnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen und es ihm zu ermöglichen, sich von einem ggfls. übereilt getroffenen Entschluss, sich vertraglich gegenüber einem Versicherer zu binden, ohne Angabe von Gründen wieder lösen zu können. Indem die Klägerin hier aber nach Vertragsbeginn über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg die vereinbarten Prämien gezahlt und die jährlichen dynamischen Erhöhungen entgegengenommen hat, hat sie zu erkennen gegeben, dass sie an dem Vertrag festhalten will. Darauf konnte und durfte sich die Beklagte einrichten.
46Daher sind bei einem mehr als 10 Jahre durchgeführten Lebensversicherungsvertrag Ansprüche auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge regelmäßig verwirkt (OLG Köln, Urteile vom 21.10.2011, 20 U 91/11 und 96/11; Urteil vom 13.1.2012, 20 U 108/11). Dies gilt zur Überzeugung der Kammer damit erst recht für die vorliegende Zeitdauer.
47Auch unter weiteren Billigkeitserwägungen ist von einem treuwidrigen Verhalten der Klägerin auszugehen. Wollte man nämlich dem Versicherungsnehmer bei einer unterbliebenen oder unrichtigen Widerspruchsbelehrung eine zeitlich unbegrenzte Widerspruchsmöglichkeit zugestehen, könnte der Versicherungsnehmer quasi kostenlosen Versicherungsschutz (wie hier in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung) in Anspruch nehmen. Wenn der Versicherungsfall während der Vertragslaufzeit eintritt, kann er die Leistungen des Versicherers in Anspruch nehmen. Könnte er aber, wenn der Versicherungsfall demgegenüber nicht eintritt, nach der Vertragsbeendigung noch widersprechen und den Vertrag rückabwickeln, würde dies zu einer unvertretbaren Schlechterstellung des Versicherers und zu einem massiven Ungleichgewicht der beiderseitigen Leistungspflichten führen (so auch OLG Celle, aaO). Überdies widerspricht dies eklatant dem Gedanken einer Risikoversicherung und dem Funktionieren der Versichertengemeinschaft (vgl. OLG Celle, Urteil vom 9.2.2012, 8 U 191/11, zit. nach Juris).
48II.
49Die gezahlten Beiträge kann die Klägerin auch nicht aufgrund des Widerrufs der Willenserklärung (§§ 495, 499 a.F:, 355, 346 BGB) zurückverlangen. Insoweit fehlt es bereits an dem Vorliegen eines Teilzahlungsgeschäftes i.S.d. § 499 BGB a.F., wie von der Kammer und dem Oberlandesgericht Köln in ständiger Rechtsprechung vertreten wird; auf die Argumentation des Oberlandesgerichts Köln (zuletzt VersR 2011, 248 ff; so auch OLG Celle, Urteil vom 9.2.2012, 8 U 191/11, zit. nach juris; OLG Bamberg, VersR 2007, 529; OLG Stuttgart, VersR 2011, 786; OLG Hamburg, VersR 2012, 41; OLG Hamm r+s 2012, 61; OLG Oldenburg, VersR 2012, 1245) ) wird zur Vermeidung von unnötigen Wiederholung verwiesen. Dementsprechend hat nunmehr auch der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine vertraglich vereinbarte unterjährige Zahlung von Versicherungsprämien mit Ratenzahlungszuschlägen keine Kreditgewährung darstellt (BGH WM 2013, 358).
50III.
51Die Beiträge können auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§ 280 I BGB) hergeleitet werden.
52Soweit beanstandet wird, es sei nicht ordnungsgemäß über den Rückkaufswert und die Verwendung der Abschluss- und Verwaltungskosten und die hiermit verbundenen finanziellen Nachteile aufgeklärt worden, scheidet eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung von vornherein aus. Die gebotene Aufklärung über die Folgen einer vorzeitigen Vertragsauflösung, die Verwendung der Prämien zur Deckung von Abschluss- und Verwaltungskosten in den ersten Jahren mit entsprechenden finanziellen Nachteilen im Falle frühzeitiger Vertragsbeendigung erfolgt über die schriftliche Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F., die Folgen ihres Fehlens ergeben sich abschließend aus § 5a VVG a.F.. Insoweit kommt eine Beratungspflicht nur im Einzelfall in Betracht, wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles zusätzlicher Beratungsbedarf besteht. Hieran fehlt es vorliegend.
53IV.
54Eine Beratungspflichtverletzung ergibt sich nicht aus dem behaupteten Versäumnis, nicht auf sogenannte „Kick-Backs“ hingewiesen worden zu sein. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 170, 226; BGH NJW 2009, 2298), die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen zwischen Banken und Anlageinteressenten entwickelt wurde, ist auf die vorliegende Problematik des Abschlusses einer fondsgebundenen Rentenversicherung nicht anwendbar. Auf die der ständigen Rechtsprechung der Kammer und der Oberlandesgerichte entsprechenden Entscheidungen (OLG Köln, VersR 2011, 248 ff; Urteil vom 25.11.2011, 20 U 126/11 bei juris; Urteil vom 3.2.2012, 20 U 140/11 bei juris; OLG Stuttgart, r+s 2011, 218, OLG Hamm, Beschluss vom 31.8.2011, 20 U 81/11 bei Juris) wird zur Meidung von Wiederholungen verwiesen; mit Urteil vom 29.11.2011 hat der BGH selbst klargestellt, dass diese Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten über Innenprovisionen und vereinnahmte Rückvergütungen nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank gilt (BGH ZIP 2012, 67, Rz 39).
55V.
56Ein Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Widerspruchsbelehrung scheidet gleichfalls aus. Die Widerspruchsbelehrung ist wirksam. Neben der abschließenden Regelung in § 5a VVG a.F. ist für eine Schadensersatzhaftung aus c.i.c. kein Raum. Überdies ist von der Klägerin in keiner Weise dargetan worden, aus welchen Gründen sie bei einer von ihr geforderten Widerspruchsbelehrung denn überhaupt fristgerecht einen Widerspruch des statt dessen von ihr jahrelang beanstandungslos geführten Versicherungsvertrages erklärt hätte.
57VI.
58Soweit eine Falschberatung behauptet wird, fehlt es einem hinreichend konkretisierten und substantiierten Vortrag.
59VII.
60Da ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge nicht besteht, scheidet auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten aus.
61VIII.
62Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 709 ZPO.
63Streitwert: 7.285,18 €
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