Urteil vom Landgericht Köln - 88 O 12/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 250.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.2.2014 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Forderung abzuwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin geht im Wege des Urkundsprozesses gegen die Beklagte vor. Die Klägerin beruft sich zur urkundlichen Belegung auf die Vertragsstrafenregelung in 6.2 des Vertrages der Parteien vom 1./11.9.2006 (Anl. K1). Dort heißt es:
3„Die Arzneimittel, die MTI von L erhält, sind ausschließlich zur Verwendung von Hilfslieferungen bestimmt. Insbesondere ist MTI die Belieferung von Apotheken, Krankenhäusern bzw. des pharmazeutischen Großhandels und jeglicher Art von Zwischenhändlern sowie Ex- und Importeuren untersagt. Jeder Weiterverkauf an vorbezeichnete Dritte, der nachweislich durch MTI getätigt wurde, berechtigt L von MTI die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von Euro 50.000 je Auftrag unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs einzufordern.“
4Wegen des Vertragsstrafeverstoßes verweist die Klägerin auf den Vortrag der Beklagten in dem Parallelverfahren LG Köln 88 O 85/12, in dem die Beklagte unter Bezugnahme auf ein Anlagenkonvolut, dem die Rechnungen K4-K8 entsprechen, bewusste Verstöße eingeräumt hat. Da es sich um fünf Lieferungen handelt, beziffert die Klägerin für fünf Vertragsstrafeverstöße einen Gesamtbetrag von 250.000 EUR.
5Die Klägerin ist der Auffassung, bei der vertraglichen Regelung habe es sich nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gehandelt.
6Soweit die Beklagte geltend mache, die Klägerin sei über das Geschäftsmodell der Rückführung der Arzneimittel in den inländischen Markt informiert gewesen, stimme dies nicht.
7Die Klägerin beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an sie 250.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Zinspunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte hält das Vorgehen der Klägerin für rechtsmissbräuchlich und verweist darauf, dass die Klägerin über das Geschäftsmodell vollständig informiert gewesen sei. Dies lasse sich den anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entnehmen. Überdies sei die Vertragsstrafeklausel unwirksam. Es handele sich um eine von der Klägerin gestellte Klausel, die für eine Vielzahl von Verträgen bestimmt gewesen sei. Sie verstoße gegen § 307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Beklagten. Berücksichtige man, dass eine Vielzahl der Aufträge unter 1.000 EUR gelegen habe, sei eine Vertragsstrafe i.H.v. 50.000 EUR eindeutig übersetzt. Es habe sich zudem um eine Scheinvereinbarung gemäß § 117 BGB gehandelt.
12Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Die Klage ist im Urkundsverfahren begründet.
151.
16Die Klageforderung ist im Urkundsverfahren belegt.
17Im Urkundsverfahren muss die Klägerin ihre Ansprüche urkundlich belegen, die Beklagte muss ihre Einwendungen ebenfalls urkundlich belegen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Urkundeninformation gemäß § 593 Abs. 2 ZPO und dem Urkundenbeweis gemäß § 595 ZPO. Die Urkundeninformation kann dadurch erfolgen, dass die Urkunde abschriftlich bzw. in Kopie mitgeteilt wird. Die Beweisführung ist sodann durch die Originalurkunde anzutreten.
18Zwar befindet sich die Klägerin nicht im Besitz des Originalvertrages, da dieser im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beschlagnahmt worden ist. Das betrifft indes nicht das Verfahren, da die Urkundeninformation durch Beifügung der Urkundenkopie stattgefunden hat.
19Von Bedeutung wäre die Originalurkunde für die Beweisführung, die hier aber entbehrlich ist, weil die Beklagte die Urkunde inhaltlich nicht bestreitet. Für die Entscheidung kommt es daher nicht auf die Vorlage der Originalurkunde an.
202.
21Die Vertragsstrafenregelung ist für die Beurteilung daher so wie vertraglich geregelt zugrundezulegen.
22a.
23Für das Urkundsverfahren ist die Vertragsstrafenregelung als wirksam anzusehen.
24Die Vertragsstraferegelung wäre allerdings unbeachtlich, wenn es sich um eine unwirksame AGB handeln würde. Die entsprechende Vorschrift zur Vertragsstrafenregelung in § 309 Nr. 6 BGB gilt zwar nicht unter Kaufleuten. Insoweit ist allerdings auf § 307 BGB zurückzugreifen (Palandt/Grüneberg, BGB, § 309, Rn. 38). Danach ist auch unter Kaufleuten ein übermäßiges Strafversprechen unwirksam, das etwa dann vorliegen kann, wenn die Vertragsstrafe deutlich höher als die Gewinnerwartung ist. Hier muss eine pauschale Betrachtungsweise Platz greifen, da die Vertragsstrafenregelung abstrakt für alle Anwendungsfälle auszulegen ist. Eine Vertragsstrafenregelung, die für jeden Fall der Zuwiderhandlung bezogen auf einzelne Weiterverkäufe eine Vertragsstrafe von 50.000 EUR bestimmt, ist in diesem Sinne unangemessen. Unwidersprochen hat die Beklagte vorgetragen, es seien auch Verkäufe im Bereich von unter 1.000 EUR erfolgt, wobei es auf der Hand liegt, dass hier ein Missverhältnis zwischen Gewinnerwartung und Vertragsstrafe gegeben ist. Selbst wenn das nicht der Fall wäre, würde es bei der abstrakten Auslegung genügen, dass die Vertragsstrafenregelung auch für solche Fälle gelten würde. Damit wäre die Regelung als AGB unwirksam, ohne dass es darauf ankäme, wie hoch eine angemessene Vertragsstrafe ist (Verbot der geltungserhaltenden Reduktion).
25Für die Entscheidung ist indes nicht davon auszugehen, dass es sich bei der Vertragsstrafenregelung um AGB handelt.
26Streitig ist zwar zwischen den Parteien, ob eine AGB vorliegt. Gemäß § 305 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Stellen der Vertragsbedingungen heißt in der Regel, dass eine Partei die vorformulierte Bedingung in die Verhandlung einbringt und deren Einbeziehung in den Vertrag verlangt. Das Gegenteil ist eine Individualvereinbarung, die neben Verhandlungsbereitschaft ein wirkliches Aushandeln erfordert.
27Ein Stellen entfällt unter anderem dann, wenn der Kunde in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und Gelegenheit hat, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlung einzubringen, so dass die Einbeziehung auf einer freien Entscheidung beruht (BGH NJW 2010, 1131 f.; MüKomm/Basedow, BGB, § 305, Rdnr. 21; Palandt/Grüneberg, § 305, Rn. 10 mit weiteren Nachweisen).
28Bezogen auf den vorliegenden Fall hat die Klägerin unwidersprochen darauf hingewiesen, dass der Vertrag der Beklagten durch ein Schreiben vom 23.8.2006 der G GmbH (Bl. 182 Anlagenheft) übersandt worden sei. Darin heißt es:
29„Anbei erhalten Sie den Vertrag L – MTI in zweifacher Ausfertigung. Wenn Sie mit dem Inhalt einverstanden sind bitten wir Sie, beide Exemplare zu unterschreiben und an uns zurückzusenden. Wir kümmern uns dann um die Gegenzeichnung durch L. Falls Sie Anmerkungen oder Änderungswünsche haben lassen Sie uns dies bitte wissen.“
30Soweit hier die Vertragsübersendung durch einen Dritten erfolgt ist, hindert dies nicht die Annahme, es könne sich um AGB handeln. Vorliegend ist der Dritte als Gehilfe der Klägerin aufgetreten, so dass nicht davon auszugehen ist, dass die vertraglichen Formulierungen auf den Dritten zurückzuführen und der Klägerin nicht zuzurechnen sind.
31Das betrifft aber nur das schriftliche Erscheinungsbild. Soweit die Beklagte behauptet, dass die G GmbH gerade die Organisatorin der Verschleierung sei, kann das nicht im Urkundsverfahren überprüft werden.
32Inhaltlich ist das Schreiben so zu verstehen, dass die Klägerin bereit war, über Vertragsinhalte, und zwar sämtliche, zu verhandeln und auf entsprechende Gegenvorschläge einzugehen. Es ist nicht erkennbar, dass das nicht auch für die Vertragsstraferegelung gelten sollte.
33Auch wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild von AGB auszugehen ist, ist dies im Hinblick auf ein fehlendes Stellen der Vertragsbedingungen im Ergebnis – jedenfalls für das Urkundsverfahren – nicht anzunehmen.
34b.
35Der weitere Einwand der Beklagten, es liege ein Scheingeschäft vor, kann im Wege des Urkundsbeweises nicht geführt worden werden. Soweit die eigene Innenrevision der Klägerin gewisse Bedenken angemeldet hat, ist der Kollusionsvorwurf hierdurch noch nicht hinreichend urkundlich belegt. Dies lässt sich erst in einem Nachverfahren klären.
363.
37Die Vertragsverstöße als solche hat die Beklagte in dem Parallelverfahren eingeräumt. Das stützt zwar ihren Vortrag. Im Urkundsverfahren ist ihr dieses schriftliche Eingeständnis indes zum einen als Urkunde entgegenzuhalten und zum anderen sind die Vertragsverstöße bezogen auf die schriftliche Vertragslage als unstreitig anzusehen.
384.
39Die Nebenforderung folgt aus §§ 291, 288 BGB.
405.
41Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 4, 711, 599 ZPO.
42Streitwert: 250.000 €
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Referenzen
- BGB § 307 Inhaltskontrolle 2x
- ZPO § 595 Keine Widerklage; Beweismittel 1x
- 88 O 85/12 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 593 Klageinhalt; Urkunden 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag 1x
- BGB § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- BGB § 291 Prozesszinsen 1x
- ZPO § 599 Vorbehaltsurteil 1x
- BGB § 117 Scheingeschäft 1x