Urteil vom Landgericht Köln - 30 O 330/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger je zu ein Halb.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Kläger sind Kunden der Beklagten und unterhalten seit mehreren Jahren bei ihr ein Girokonto mit der Nummer XXXXXXX2, wobei sie sich auch der Möglichkeit des Online-Bankings bedienen und hierbei das smsTAN-Verfahren nutzen. Die Kläger unterzeichneten eine von der Beklagten gestellte „Rahmenvereinbarung für die Teilnahme am Online-Banking“, die in Ziffer 5 eine Regelung über die Beachtung und Einhaltung der Sicherheitshinweise für die Nutzung des Internetangebots auf den Internetseiten der Beklagten durch die Kunden der Beklagten enthielten und ausweislich derer die Bedingungen der Beklagten für die Nutzung des Online-Banking-Angebots Vertragsbestandteil wurden (Anlage B 8). Die Bedingungen der Beklagten für das Online-Banking enthielten unter Ziffer 7 eine Auflistung von Sorgfaltspflichten des Teilnehmers, wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 1 Bezug genommen.
3Im Rahmen des Online-Bankings mittels smsTAN-Verfahren erfolgende Überweisungsaufträge werden in der Weise durchgeführt, dass nach Absendung eines vom Kunden ausgefüllten Überweisungsauftrages der Kunde eine SMS an eine von ihm vorher festgelegte Mobilfunknummer hält. In dieser SMS werden die konkreten Daten des Überweisungsauftrags, d.h. das Empfängerkonto, der zu überweisende Betrag und eine speziell für diese Transaktion generierte TAN mitgeteilt, zudem wird der Kunde aufgefordert, vor der Eingabe der TAN die Auftragsdaten zu kontrollieren und sich bei Abweichungen an den Kundenberater zu wenden, zudem wird auf die Geltung der Bedingungen für den Überweisungsverkehr hingewiesen.
4Am Abend des 27.05.2014 wurde vom Konto der Kläger eine Überweisung in Höhe von 9.659,40 € auf ein Konto der C Bank mit der IBAN XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX2 vorgenommen, als Kontoinhaber wurde ein T4 genannt. Der unter einer Sehschwäche leidende Kläger zu 2) hatte die ihm zuvor per SMS mitgeteilte TAN eingegeben, ohne die weiteren Hinweise der Nachricht gelesen zu haben.
5Nachdem der Kläger zu 2) unmittelbar nach der Überweisung die Abbuchung in Höhe von 9.659,40 € festgestellt hatte, rief er die Hotline der Beklagten an und erklärte einer Mitarbeiterin der Beklagten, dass die vorangegangene Überweisung nicht willentlich von ihm veranlasst worden sei, er forderte die Mitarbeiterin auf, alles erforderliche zu unternehmen, um die Überweisung zu stoppen. Ein von der Beklagten am 29.05.2014 um 9:19 Uhr vorgenommener SEPA-Rückruf wurde von der Empfängerbank nicht ausgeführt.
6Die Kläger erhielten von der Empfängerbank eine Überweisung in Höhe von 118,26 €. Mit Schreiben vom 04.08.2014 und 03.09.2014 forderten die Kläger die Beklagte zur Erstattung der 9.541,14 € auf, die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 13.08.2014 ab.
7Der Zugang eines Unbekannten zu der Transaktionsplattform des Online-Bankings der Beklagten war zu keinem Zeitpunkt gegeben, auf dem Rechner der Kläger war ein sogenannter Trojaner installiert.
8Die Kläger behaupten, der Kläger zu 2) habe am 27.05.2014 lediglich eine Probeüberweisung veranlassen wollen. Der Kläger zu 2) habe an dem besagten Tag zunächst die Absicht gehabt, eine Abfrage seines Kontostands vorzunehmen. Dabei sei aufgrund einer angeblichen Sicherheitsüberprüfung eine Probeüberweisung von ihm verlangt worden. Den ersten Versuch einer solchen Probeüberweisung habe der Kläger zu 2) abgebrochen. Danach habe er von der Beklagten eine SMS erhalten und sich ein zweites Mal beim Online-Banking angemeldet. Er sei erneut auf eine Sicherheitsprüfung hingewiesen worden und es sei eine neue TAN-SMS von der Beklagten eingegangen. Diese zweite TAN habe er dann zum Zwecke der Probeüberweisung eingegeben.
9Die Kläger sind der Ansicht, ihnen falle jedenfalls kein grob fahrlässiges Fehlverhalten zur Last, die Beklagte sei verpflichtet und in der Lage gewesen, den Überweisungsvorgang anzuhalten, alle diesbezüglichen Bemühungen seien verspätet gewesen.
10Die Kläger beantragen,
11die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.541,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.08.2014 zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte bestreitet die Behauptungen der Kläger zu den Vorgängen im Rahmen der Veranlassung der Überweisung mit Nichtwissen und behauptet, ein Anhalten des Überweisungsvorganges sei ihr nicht möglich gewesen. Die Beklagte ist der Ansicht, es liege ein autorisierter Überweisungsvorgang vor, das Verhalten des Klägers zu 2) sei jedenfalls grob fahrlässig gewesen und sie – die Beklagte – sei zu einem Eingriff in den Überweisungsvorgang weder befugt noch verpflichtet gewesen.
15Die Beklagte behauptet weiter, der Kläger zu 2) habe eine Vielzahl von Sicherheitshinweisen unbeachtet gelassen, sie ist der Ansicht, ihr stünde daher ein Schadensersatzanspruch gegen die Kläger zu, mit welchem sie aufrechne.
16Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze mit allen Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage ist unbegründet.
19Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 675 u Satz 2 BGB zu, denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich vorliegend um einen nicht autorisierten Zahlungsvorgang gehandelt hat. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger zu 2), wie die Kläger behaupten, irrtümlich davon ausging, lediglich eine Probeüberweisung durchzuführen, mit der Folge, dass ihm dann möglicherweise das Erklärungsbewusstsein gefehlt hätte, denn durch sein Verhalten hat der Kläger zu 2) in zurechenbarer Weise gegenüber der Beklagten jedenfalls den Rechtsschein einer wirksamen Willenserklärung gesetzt. Für die Beklagte war nämlich in keiner Weise erkennbar, dass der ihr zugegangene Überweisungsauftrag seitens des Klägers zu 2) ohne Erklärungsbewusstsein abgegeben worden sein könnte, vielmehr durfte und musste sie davon ausgehen, dass einem mit korrekter TAN versehenem Überweisungsauftrag auch eine wirksame mit Erklärungsbewusstsein abgegebene Willenserklärung des Absenders zugrunde lag.
20Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Anfechtung dieser Willenserklärung des Klägers zu 2) in entsprechender Anwendung von § 119 Abs. 1 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob die telefonische Erklärung des Klägers zu 2) gegenüber einer Mitarbeiterin der Beklagten als Anfechtung angesehen werden kann – worauf die Kläger sich bislang nicht berufen haben -, denn selbst wenn man dies so sähe und die Willenserklärung des Klägers zu 2) gem. § 142 BGB als nichtig anzusehen wäre, stünde einem hierauf gestützten Anspruch der Kläger aus § 657 u Satz 2 BGB jedenfalls die dolo-petit-Einrede der Beklagten entgegen, weil der Beklagten dann entsprechend § 122 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe zustünde, den sie dem Erstattungsverlangen des Klägers entgegenhalten könnte. Dieser Schadensersatzanspruch der Beklagten wäre nicht gem. § 122 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, denn dem Kläger zu 2) fällt auch unter Zugrundelegung seines eigenen Vorbringens hinsichtlich der Umstände, die zur Absendung des Überweisungsauftrags geführt hat, jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last. Dem Anspruch der Beklagten könnten die Kläger auch nicht den Einwand des Mitverschuldens gem. § 254 Abs. 1 BGB wegen einer unzureichenden oder verspäteten Beachtung der Mitteilung des Klägers zu 2) über seinen Irrtum entgegenhalten, denn der Beklagten ist insoweit ein relevantes Mitverschulden nicht anzulasten. Der Zahlungsauftrag war gem. § 675 p BGB nicht mehr widerrufbar, die Beklagte war aufgrund der vom Gesetzgeber verlangten beschleunigten Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs weder berechtigt noch verpflichtet, in dem vom Kläger zu 2) ausgelösten automatisierten Zahlungsvorgang einzugreifen. Traf die Beklagte aber diesbezüglich keine Obliegenheit, so kann eine verbliebene verzögerte Reaktion auf Bitte des Klägers zu 2) über die irrtümliche Vornahme des Überweisungsauftrags auch kein Mitverschulden i.S.v. § 254 Abs. 1 BGB begründen.
21Sonstige Anspruchsgrundlagen, die das Begehren der Kläger stützen könnten, sind nicht ersichtlich. Es ergeben sich weder aus § 675 x Abs. 1 BGB noch aus § 675 y Abs. 1 BGB, da die in diesen beiden Vorschriften aufgeführten Voraussetzungen evidenterweise nicht vorliegen. Schließlich steht den Klägern aus den vorstehend aufgeführten Gründen auch kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte wegen einer unzureichenden oder verspäteten Reaktion auf die Mitteilung des Klägers zu 2) über seinen dem Überweisungsauftrag zugrunde liegenden Irrtum zu, da der Beklagten, wie vorstehend ausgeführt, insoweit keine Pflichtverletzung zur Last fällt.
22Die Klage unterliegt daher in vollem Umfang der Abweisung.
23Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
24Streitwert: 9.541,14 Euro.
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Referenzen
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- BGB § 675u Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge 1x
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- BGB § 675y Haftung der Zahlungsdienstleister bei nicht erfolgter oder fehlerhafter Ausführung eines Zahlungsauftrags; Nachforschungspflicht 1x
- BGB § 675x Erstattungsanspruch bei einem vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelösten autorisierten Zahlungsvorgang 1x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- BGB § 122 Schadensersatzpflicht des Anfechtenden 2x
- § 657 u Satz 2 BGB 1x (nicht zugeordnet)