Urteil vom Landgericht Köln - 26 O 168/16
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgende oder inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Dienstverträgen über die Beauftragung von Nachsendeaufträgen zu verwenden der sich auf diese Klausel zu berufen:
Die Frist für Ihre Vorabinformation über das Datum der Kontobelastung (Pre-Notification-Frist) wird auf 1 Tag(e) verkürzt.
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger macht Ansprüche aus dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) geltend.
3Der Kläger ist in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Die Beklagte kann online mit der Einrichtung eines Nachsendeauftrages bei verschiedenen Postdienstleistern beauftragt werden. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehen eine Bezahlung per Kreditkarte, SEPA Lastschrift, Paypal oder SOFORT-Überweisung vor. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen regeln unter § 5 Folgendes:
4SEPA Lastschrift
5Sofern der Kunde dem Anbieter ein SEPA-Mandat erteilt, erfolgt die Zahlung per Einzug vom Bankkonto des Kunden. Die Kontobelastung erfolgt max. 8 Werktage, nachdem der Anbieter die Auftragsnummer als vertragserfüllenden Gegenstand an den Kunden verschickt hat. Sollte der Auftragsstart weiter als 2 Wochen in der Zukunft liegen, so findet die Belastung erst 14 Tage vor Auftragsbeginn statt. Über das Datum der Kontobelastung wird der Kunde durch den Anbieter gesondert in einer Vorabankündigung informiert. Die Frist für Ihre Vorabinformation über das Datum der Kontobelastung (Pre-Notification-Frist) wird auf 1 Tag(e) verkürzt. Bei Auswahl der Zahlungsart SEPA-Lastschrift fallen zzgl. 0 Prozent des Kaufpreises als Kosten an.
6Vor Vertragsschluss wird den Kunden der Beklagten im Rahmen der Bestellung der konkrete Rechnungsbetrag genannt und sie erhalten nach Vertragsschluss per E-Mail eine Rechnung. In dieser wird der Rechnungsbetrag aufgeführt und die Kunden werden im Rahmen der SEPA-Lastschrift darauf hingewiesen, dass der Rechnungsbetrag automatisch eingezogen wird. Per E-Mail erhalten die Kunden die Pre-Notification, in der sie auf die bevorstehende Abbuchung hingewiesen werden. Der tatsächliche Einzug erfolgt dann mehrere Tage nach der Pre-Notification.
7Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 14.03.2016 (Anlage K 4, Bl. 16 d.A.) ab. Nach Fristverlängerung reagierte die Beklagte mit Fax vom 30.03.2016 und lehnte die Erklärung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung im Hinblick auf die streitgegenständliche Klausel ab (Anlage K 5, Bl. 21 d.A).
8Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klausel nach §§ 309 Nr. 12 a, b, 307 Abs. 1, 2, Nr. 1 BGB unwirksam sei, da nach den geltenden Reglungen die Lastschrift dem Zahlungspflichtigen ohne Vereinbarung mit einer Frist von 14 Tagen vorangekündigt werden müsse. Unter Zugrundelegung der kundenfeindlichsten Auslegung beinhalte die Klausel eine unzulässige Bestätigung rechtlich relevanter Umstände sowie eine unzulässige Beweislastumkehr. Die Behauptung, dass die Frist auf 1 Tag verkürzt sei, stelle zudem eine Tatsachenbestätigung dar, die gegen § 309 Nr. 12b BGB verstoße. Da die Klausel keine Form der Information vorsehe, sei unerheblich, ob diese per E-Mail oder Post erfolge. Zugleich werde der Verbraucher unangemessen benachteiligt, da ihm keine oder nur eine unangemessen kurze Frist zur Verfügung stehe, eine Deckung seines Kontos zu gewährleisten.
9Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 23.08.2016 die Klage geändert und beantragt nunmehr,
101. der Beklagten zu untersagen, gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Dienstverträgen über die Beauftragung von Nachsendeaufträgen zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen:
11Die Frist für Ihre Vorabinformation über das Datum der Kontobelastung (Pre-Notification-Frist) wird auf 1 Tag(e) verkürzt.
122. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie ist der Ansicht, dass die Klausel nicht zu beanstanden sei. Für das SEPA-Lastschriftverfahren gelte das SEPA Core Direct Debit Scheme Rulebook (SDD Rulebook) auf Basis der SEPA-Verordnung EU Nr. 260/2012. Das SDD Rulebook habe keinen Gesetzescharakter und betreffe nur das Verhältnis zwischen Banken, weshalb es keinen gesetzlichen Kontrollmaßstab gebe und die Klausel nicht kontrollfähig sei.
16Bei der streitgegenständlichen Klausel selbst handele es sich nicht um die Bestätigung einer Vereinbarung sondern vielmehr selbst um eine Vereinbarung. § 309 Nr. 12 b BGB betreffe entgegen der klägerischen Auffassung nur Tatsachen.
17Die von Klägerseite angeführte BGH-Entscheidung (BGH, Urteil vom 23.01.2003 - III ZR, 54/02, NJW 2003, 1237) sei aus im Einzelnen näher dargelegten Erwägungen nicht übertragbar, insbesondere sei ihren Kunden der einmalig abzubuchende Betrag vorher bekannt und die geschuldeten Beträge würden deutlich unter 100 € liegen. Der BGH habe dagegen über Dauerschuldverhältnisse entschieden, bei denen es sich um „beträchtliche Summen“ handeln könne.
18Durch die Pre-Notification werde der Rechtskreis der Kunden erweitert, es handele sich um eine überobligatorische Informationshandlung, zu der sie nicht verpflichtet sei. Es könne nicht nachvollzogen werden, wieso eine Ankündigung des Einzugs 14 Tage vorher erfolgen müsse, da nach § 271 BGB die Zahlung sofort fällig sei.
19Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe
21Die Klage ist zulässig und begründet.
22I.
23Die Klage ist zulässig. Bei der mit dem Schriftsatz vom 23.08.2016 vorgenommenen Klageänderung handelt es sich um eine nach § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässige Klageänderung. Eine Klageerweiterung ist in dem Schriftsatz vom 23.08.2016 nicht zu sehen, da lediglich der Antrag infolge einer fehlerhaften Bezeichnung der Dienstleistung der Beklagten (zunächst Finanzierungsvertrag, nun Dienstvertrag) geändert wurde.
24II.
25Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, denn die Klausel benachteiligt die Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen nach § 307 Abs. 1 BGB. Es kann daher dahinstehen, ob die Klausel nach § 309 Nr. 12 a) und b) unwirksam ist.
26Entgegen der Ansicht der Beklagten unterliegt die verwendete Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung uneingeschränkt der Inhaltskontrolle. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass das SEPA Core Direct Debit Scheme Rulebook, welches die Vorabinformation (Pre-Notification-Frist) vorgibt, nur im Verhältnis der Banken gilt, da es sich um eine Regelung handelt, die durch den European Payments Council (EPC) geschaffen wurde. Auch wenn die unmittelbar anwendbare Verordnung Nr. 260/2012, die das SEPA-Lastschriftverfahren maßgeblich regelt, eine solche Vorabinformation (Pre-Notification-Frist) nicht ausdrücklich fordert, muss die Klausel, die die Beklagte in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufnimmt und damit gegenüber Verbrauchern zur Anwendung gelangen soll, mit den Grundsätzen von Treu und Glauben vereinbar sein.
27Die Klausel benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB, denn deren Belange werden auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Beklagten in nicht hinzunehmender Weise eingeschränkt (vgl. LG Leipzig, Urteil vom 27.07.2016 – 08 O 717/16).
28Der Zahlungspflichtige muss, wenn er durch Allgemeine Geschäftsbedingungen einem Lastschriftverfahren zustimmt, die Möglichkeit haben, für eine ausreichende Kontodeckung im Zeitpunkt der Kontobelastung zu sorgen. Insofern ist der Grundgedanke der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus dem Urteil vom 23.01.2003 – III ZR 54/02, wonach zwischen dem Zugang der Rechnung und dem Einzug des Rechnungsbetrages ausreichend Zeit liegen muss, um eine Rechnungsprüfung und Deckung des Kontos sicherzustellen, auf den vorliegenden Fall übertragbar. Da es sich, anders als im zitierten Urteil, vorliegend nicht um ein Dauerschuldverhältnis handelt und auch der Rechnungsbetrag dem Vertragspartner vorab bekannt ist, kann dahinstehen, ob hier – wie im zitierten Urteil – eine Mitteilungsfrist von mindestens 5 Tagen angemessen ist.
29Bei einer lediglich eintägigen Mitteilungsfrist ist aber von einer unangemessenen Benachteiligung auszugehen. Die Regelung verstößt gegen den Sinn und Zweck des SEPA-Lastschriftverfahrens und die berechtigten Interessen des Zahlungspflichtigen bei der Durchführung des Verfahrens. Die Regelungen zum Ablauf des SEPA-Lastschriftverfahrens werden in dem SEPA Core Direct Debit Scheme Rulebook aufgestellt. Danach muss der Zahlungsempfänger dem Zahlungspflichtigen eine Vorabinformation erteilen. Dem Zahlungspflichtigen ist der Einziehungstag und –betrag mindestens 14 Tage vor dem Fälligkeitsdatum mitzuteilen, sofern es keine andere Vereinbarung gibt. Die Beklagte weicht davon ab, indem sie die Frist für die Vorabinformation auf einen Tag verkürzt.
30Zwar kann ein kürzerer Zeitraum für die Vorabinformation durch den Schuldner und Gläubiger auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden (Schmalenbach, in Beck’OK, BGB, Stand 01.08.2016, § 675f, Rn. 64). Die Verkürzung auf einen Tag stellt aber eine unangemessene Benachteiligung dar.
31Die Vorabinformation wird in der Literatur als zwingend (Casper, in MüKo, BGB, 6. Aufl., § 675f Rn. 76; NJW 2016, 353 – Föhlisch/Stariradeff: Zahlungsmittel und Vertragsschluss im Internet) und ein Verstoß gegen diese Informationspflicht wird trotz des nicht drittschützenden Charakters des Rulebooks als Obliegenheitsverletzung sowie Schutzpflichtverletzung angesehen (Schmalenbach, in Beck’OK, BGB, Stand 01.08.2016, § 675f, Rn. 64).
32Die Besonderheit des SEPA-Lastschriftverfahrens ist, dass der gesamte Prozess an einem Belastungstag (Due-Date) ausgerichtet ist, während es sich bei dem Abbuchungsauftragsverfahren wie auch bei dem Einzugsermächtigungsverfahren um „Sichtverfahren“ handelt, da die Belastung mit Vorlage der Lastschrift erfolgt (Casper, in MüKo, BGB, 6. Aufl., § 675f Rn. 76; BKR 2010, 9, Werner: Rechtliche Neuerungen im Lastschriftverfahren – insbesondere das SEPA-Lastschriftverfahren). Um die Ausrichtung auf diesen Belastungstag zu ermöglichen, verlangt das SEPA-Lastschriftverfahren gewisse Vorlauffristen, die einzuhalten sind. Dazu zählt insbesondere die Vorabinformation.
33Sinn und Zweck der Vorabinformation ist es, dem Verbraucher zu ermöglichen, die erforderliche Deckung auf seinem Konto sicherzustellen. Diesem Zweck läuft die streitgegenständliche Klausel zuwider. Die Frist für die Vorabinformation wird auf einen Tag verkürzt. Nach dem im Verbandsprozess nach §§ 1, 3 UKlaG geltenden Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung (BGH, Urteil vom 23.01.2003 – III ZR 54/02) ist die Klausel dahingehend auszulegen, dass der Verbraucher frühestens unmittelbar vor dem Lastschrifteinzug, möglicherweise aber auch erst danach über die Einziehung informiert wird. Die streitgegenständliche Klausel regelt insbesondere auch nicht die Form der Mitteilung. Es ist daher möglich, dass die Mitteilung per Post übersendet wird und dem Verbraucher erst nach dem Lastschrifteinzug zugeht. Dem Verbraucher verbleibt bei einer Verkürzung der Frist auf einen Tag keine Gelegenheit, die erforderliche Deckung seines Kontos vor der Abbuchung herzustellen. Um gegebenenfalls eine Deckung seines Kontos umzusetzen, benötigt er mehr Zeit als einen Tag, da er seine Bank anweisen muss und der Buchungsvorgang gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Dies ist dem Verbraucher im Rahmen des SEPA-Lastschriftverfahrens, das auf diesen einen Belastungstag ausgerichtet ist, nicht zumutbar und widerspricht dem Sinn und Zweck des Verfahrens.
34Auch der Einwand der Beklagten, dass die Forderung nach § 271 BGB sofort fällig ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dem Verbraucher ist bei Vertragsschluss nicht bekannt, wann die Abbuchung erfolgen wird und er weiß daher nicht, zu welchem Zeitpunkt er eine Deckung seines Kontos gewährleisten muss.
35III.
36Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
37Der Streitwert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
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Referenzen
- BGB § 307 Inhaltskontrolle 3x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 264 Keine Klageänderung 1x
- 08 O 717/16 1x (nicht zugeordnet)
- UKlaG § 3 Anspruchsberechtigte Stellen 1x
- UKlaG § 4 Qualifizierte Einrichtungen 1x
- BGB § 13 Verbraucher 2x
- BGB § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit 3x
- BGB § 2 Eintritt der Volljährigkeit 1x
- III ZR 54/02 2x (nicht zugeordnet)
- UKlaG § 1 Unterlassungs- und Widerrufsanspruch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen 1x
- BGB § 271 Leistungszeit 2x