Urteil vom Landgericht Köln - 23 O 113/20
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrages in der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Krankenversicherung, Versicherungsnr: 000905897D, in den nachfolgenden Zeiträumen nicht wirksam geworden sind:
a) In der Krankheitskostenversicherung im Tarif Vital 250 die Erhöhungen zum 01.01.2012 um 46,54 € bis zum 30.09.2020 und zum 01.01.2016 um weitere 149,60 € bis zum 30.09.2020.
b) In der Krankheitskostenversicherung im Tarif TV42 die Erhöhungen zum 01.01.2012 um 6,61 € bis zum 30.09.2020 und zum 01.01.2013 um weitere 1,64 € bis zum 30.09.2020.
2. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbeitrages aus den folgenden Erhöhungen des Monatsbeitrages in den nachfolgenden Zeiträumen verpflichtet ist:
a) In der Krankheitskostenversicherung im Tarif Vital 250 die Erhöhungen zum 01.01.2012 um 46,54 € seit dem 01.01.2015 bis zum 31.12.2018 und zum 01.01.2016 um weitere 149,60 € seit dem 01.01.2016 bis zum 31.12.2018
b) In der Krankheitskostenversicherung im Tarif TV42 die Erhöhungen zum 01.01.2012 um 6,61 € seit dem 01.01.2015 bis zum 30.09.2020 und zum 01.01.2013 um weitere 1,64 € seit dem 01.01.2015 bis zum 30.09.2020.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.155,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2020 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtstreits tragen der Kläger zu 46 % und die Beklagte zu 54 %.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.
3Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung unter der Versicherungsnummer 000905897D. Versicherungsschutz besteht u. a. für die Tarife Vital 250, ZPRO, TV 42, PVN und BEAE P. Die Beklagte nahm aufgrund gestiegener Leistungsausgaben Prämienerhöhungen mit Wirkung zum 01.01.2012 (Tarif Vital 250 und TV 42), zum 01.04.2012 (Tarif BEAE P), zum 01.01.2013 (Tarif TV 42 und PVN), zum 01.04.2013 (Tarif BEAE P), zum 01.01.2015 (Tarif PVN und BEAE P), zum 01.01.2016 (Tarif Vital 250), zum 01.01.2017 (Tarif ZPRO und PVN) und zum 01.01.2019 (Tarif Vital 250, PVN und BEAE P) vor. Die für die streitgegenständlichen Prämienerhöhungen maßgeblichen Zustimmungen erteilten bis 2014 der Treuhänder Herr Dipl.-Math. Kaschel, bis Ende 2017 Herr Dipl.-Math. Klein und seit 2018 Herr Dipl.-Math. Maiwald. Über die Beitragsanpassungen wurde der Kläger von der Beklagten mit den gemäß Anlage BLD5 beigefügten Mitteilungsschreiben informiert.
4Der Kläger leitete ein Ombudsverfahren über die streitgegenständlichen Ansprüche ein. Mit Antrag vom 27.12.2018, beim Ombudsmann der privaten Kranken - und Pflegeversicherung eingegangen am 28.12.2019, rügte der Kläger die formelle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen. Mit Schreiben vom 10.01.2020 (Anlage K21, Bl. 113 d.A.) teilt der Ombudsmann mit, dass er einen Schlichtungsvorschlag nicht unterbreiten könne und schloss das Verfahren ab.
5Der Kläger ist der Ansicht, die Beitragserhöhungen verstoßen gegen § 203 Abs. 5 VVG, da die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung in den jeweiligen Schreiben nicht hinreichend angegeben seien. Auch die mit der Klageerwiderung vorgelegten Begründungen genügten den Voraussetzungen des § 203 Abs. 5 VVG nicht. Ferner seien die Beitragserhöhungen unwirksam, da der jeweils zustimmende Treuhänder nicht unabhängig gewesen sei.
6Der Kläger hat mit seiner am 26.05.2020 eingegangenen und am 12.06.2020 zugestellten Klage ursprünglich beantragt,
71. Festzustellen, dass die folgenden Beitragserhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer 000905897D unwirksam sind und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrags – bezogen auf den letzten rechtmäßigen Betrag vom 01.12.2011 in Höhe von insgesamt 390,79 € – verpflichtet ist:
8a) Im Tarif Vital 250 die Erhöhung zum 01.01.2012 um 46,54 €, die Erhöhung zum 01.01.2016 um 149,60 € und die Erhöhung zum 01.01.2019 um 54,42 €,
9b) im Tarif TV 42 die Erhöhung zum 01.12.2012 um 6,61 € sowie die Erhöhung zum 01.01.2013 um 1,64 €,
10c) im Tarif BEAE die Erhöhung zum 01.04.2012 um 1,21 €, die Erhöhung zum 01.04.2013 um 3,60 €, die Erhöhung zum 01.01.2015 um 11,57 € und die Erhöhung zum 01.01.2019 um 29,65 €,
11d) im Tarif PVN die Erhöhung zum 01.01.2013 um 0,82 €, die Erhöhung zum 01.01.2015 um 2,25 €, die Erhöhung zum 01.01.2017 um 4,99 € und die Erhöhung zum 01.01.2019 um 11,80 € und
12e) im Tarif ZPRO die Erhöhung zum 01.01.2017 um 12,83 €.
132. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag i. H. v. 16.698,73 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
143. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Auslagen i. H. v. 1.101,94 € zzgl. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
15Nachdem die Kammer den Kläger mit Beschluss vom 05.10.2020 (Bl. 146 d.A.) auf die fehlende Zuständigkeit der Zivilgerichte für die PVN Anteile hingewiesen hat, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28.10.2020 (Bl. 157 d.A.) den Feststellungsantrag und den Zahlungsantrag im Hinblick auf die PVN Anteile zurückgenommen.
16Nachdem die Beklagte mit der Klageerwiderung vom 22.07.2010 (Bl. 78 ff. d.A.), dem Kläger zugestellt am 04.08.2020, in der Anlage BLD2 (AH) den der Erhöhung zugrundeliegenden auslösenden Faktor mitgeteilt und die Erhöhung jeweils mit den geänderten Leistungsausgaben begründet hat, hat der Kläger den Feststellungsantrag einseitig für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen.
17Der Kläger beantragt nunmehr,
181. Festzustellen, dass der Feststellungsantrag zu 1) – mit Ausnahme der PVN Anteile – ursprünglich zulässig und begründet war.
192. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag i. H. v. 16.709,65 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
203. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Auslagen i. H. v. 1.101,94 € zzgl. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
21Hilfsweise zu 1.) hält der Kläger den ursprünglichen Feststellungsantrag zu 1.) aus der Klageschrift vom 26.05.2020 aufrecht.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Die Beklagte ist der Ansicht, die Unabhängigkeit der Treuhänder sei von den Zivilgerichten nicht zu überprüfen. Ferner seien die Ansprüche des Klägers jedenfalls bis einschließlich des Jahres 2016 verjährt. Die Beitragsanpassungen seien formell nicht zu beanstanden, etwaige Begründungsmängel seien jedenfalls mit der Klageerwiderung nachgeholt und somit geheilt.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe
27Soweit der Kläger den Feststellungsantrag zu 1) einseitig für erledigt erklärt hat, nachdem die Beklagte die Prämienerhöhungen in der Klageerwiderung jeweils mit den geänderten Leistungsausgaben begründet hatte, ist dieser zwar dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Feststellung beantragt, dass seine ursprüngliche Feststellungsklage zunächst zulässig und begründet war und erst durch die Zustellung der Klageerwiderung eine Heilung des Formmangels als erledigendes Ereignis eingetreten ist, wodurch die Feststellungsklage ab diesem Zeitpunkt unbegründet geworden ist.
28Einer solchen Erledigungserklärung hätte es indes nicht bedurft. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19) handelt es sich bei der durch die Zustellung der Klageerwiderung eintretenden Heilung ex nunc nicht um ein erledigendes Ereignis. Vielmehr bleibt der Feststellungsantrag in seiner ursprünglichen Form zulässig und (jedenfalls teilweise) begründet, die zu treffenden Feststellungen sind lediglich in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitpunkt bis zum Beginn des zweiten auf die Zustellung der Klageerwiderung folgenden Monats gemäß § 203 Abs. 5 VVG zu begrenzen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 –, Rn. 41, juris). Hierauf war aufgrund des Hilfsantrags des Klägers zu erkennen.
29Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
30I.
31Der von dem Kläger hilfsweise aufrechterhaltene Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung ist nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 –, Rn. 19, juris) zulässig. Allein mit der von dem Kläger beantragten Zahlung wäre nicht rechtskräftig festgestellt, dass er ggf. auch künftig nicht zur Zahlung des Erhöhungsbeitrages verpflichtet ist (BGH a.a.O.). Die Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung stellt eine Vorfrage für den Leistungsantrag dar und geht zugleich über das dort erfasste Rechtsschutzziel des Klägers hinaus, sodass sie auch als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig ist (BGH a.a.O. Rn. 20).
32II.
331.
34Auf den zulässigen Feststellungsantrag ist festzustellen, dass die Beitragserhöhungen im Tarif VITAL 250 zu den Stichtagen 01.01.2012 und 01.01.2016 und im Tarif TV42 zu den Stichtagen 01.01.2012 und 01.01.2013 jeweils bis zum 30.09.2020 unwirksam gewesen sind.
35Diese streitgegenständlichen, in formeller Hinsicht jeweils unwirksamen Prämienerhöhungen sind erst durch die Zustellung der Klageerwiderung am 04.08.2020 geheilt und gemäß § 203 Abs. 5 VVG zum 01.10.2020 wirksam geworden.
36Die streitgegenständlichen weiteren Tariferhöhungen in den Tarifen VITAL250 zum 01.01.2019, BEAE zum 01.04.2012, 01.04.2013, 01.01.2015 und 01.01.2019 und ZPRO zum 01.01.2017 sind wirksam, sodass der Feststellungsantrag im Hinblick auf diese Erhöhungen unbegründet ist.
37a) Nach § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.
38Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG erfordert nach der Rechtsprechung des OLG Köln und des BGH (u.a. OLG Urteil vom 29. Oktober 2019 – I-9 U 127/18 , im Hinblick auf die formellen Anforderungen bestätigt durch Urteil des BGH vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –) die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 –, Rn. 26, juris). Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben. Die Angaben müssen sich zudem auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt nicht (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 –, Rn. 27, juris).
39b) Unter Zugrundelegung diesen Maßstabs erfüllen die Mitteilungsschreiben zu den Beitragserhöhungen im Tarif VITAL 250 zu den Stichtagen 01.01.2012 und 01.01.2016 und im Tarif TV42 zu den Stichtagen 01.01.2012 und 01.01.2013 die nach § 203 Abs. 5 VVG zu stellenden Mindestanforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe nicht.
40Der Versicherungsnehmer kann diesen Mitteilungen nicht hinreichend klar entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen die konkrete Beitragserhöhung für seinen Tarif ausgelöst hat (zu dem hier streitgegenständlichen Tarif VITAL 250 zu den Stichtagen 01.01.2012 und 01.01.2016 ebenso OLG Köln, Urt. v. 27.10.2020, Az. 9 U 63/20). Die Erläuterungen der Beklagten sind zu allgemein gehalten.
41c) Hingegen genügen die Änderungsmitteilungen der Beklagten zu den übrigen Beitragserhöhungen im Tarif VITAL250 zum 01.01.2019, im Tarif BEAE zu sämtlichen streitgegenständlichen Stichtagen und im Tarif ZPRO zum 01.01.2017 den nach § 203 Abs. 5 VVG zu stellenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung der Beitragsanpassung. Es wird insoweit Bezug genommen auf die Ausführungen des OLG Köln im Urteil vom 27.10.2020 zu diesen Tarifen und Stichtagen (9 U 63/20, S. 15 ff. d.A.).
42Soweit der Kläger darüber hinaus der Ansicht ist, die Beitragserhöhungen seien unwirksam, weil der jeweils zustimmende Treuhänder nicht unabhängig gewesen sei, greift dies nicht durch. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.12.2018 (IV ZR 255/17) nicht angenommen hat (Az. 1 BvR 453/19), steht fest, dass die Unabhängigkeit der Treuhänder von den Zivilgerichten nicht zu prüfen ist.
43d) Die unzureichenden Begründungen für die Prämienerhöhungen im Tarif VITAL 250 zu den Stichtagen 01.01.2012 und 01.01.2016 und im Tarif TV42 zu den Stichtagen 01.01.2012 und 01.01.2013 sind mit Zustellung der Klageerwiderung am 04.08.2020 geheilt und gemäß § 203 Abs. 5 VVG zum 01.10.2020 wirksam geworden. Die in der Klageerwiderung nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassungen führen nur zu einer Heilung ex nunc (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 –, Rn. 41, juris).
442.
45Aufgrund der zunächst formell unwirksamen Tariferhöhungen ist festzustellen, dass der Kläger für die Beitragserhöhungen im Tarif VITAL 250 zu den Stichtagen 01.01.2012 vom 01.01.2015 an und zum 01.01.2016 jeweils bis zum 31.12.2018 und im Tarif TV42 zu den Stichtagen 01.01.2012 und 01.01.2013 vom 01.01.2015 bis zum 30.09.2020 nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbeitrages verpflichtet ist.
46Ab der Prämienanpassung im Tarif VITAL 250 zum 01.01.2019, die formell ordnungsgemäß ist und damit auch zu diesem Zeitpunkt wirksam wurde, war der Kläger zur Zahlung der Prämie in der durch diese letzte Anpassung festgesetzten neuen Gesamthöhe verpflichtet (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 –, Rn. 55, juris). Nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) findet bei der Prämienanpassung nicht nur die Festsetzung eines Erhöhungsbetrags, sondern eine vollständige Neufestsetzung für den neu kalkulierten Zeitraum statt. Eine formell unwirksame, frühere Beitragserhöhung verliert damit ihre Selbständigkeit und geht vollständig in der neu kalkulierten Gesamtbeitragshöhe auf.
47Mangels formell wirksamer nachfolgender Tariferhöhung im Tarif TV42 endet die Zahlungspflicht des Klägers in diesem Tarif erst mit Beginn des zweiten auf die Zustellung der Klageerwiderung folgenden Monats, also am 01.10.2020.
483.
49Der Kläger hat demgemäß gegen die Beklagte einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung rechtsgrundlos geleisteter Prämienbeiträge in Höhe von 8.155,77 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB.
50a) Ausgehend von den Ausführungen unter Ziff. 2) erfolgte die Leistung der Erhöhungsbeiträge in den Tarifen VITAL 250 zu den Stichtagen 01.01.2012 und 01.01.2016 jeweils bis zum 31.12.2018 und im Tarif TV42 zu den Stichtagen 01.01.2012 und 01.01.2013 jeweils bis zum 30.09.2020 mangels wirksamer Erhöhung ohne Rechtsgrund.
51b) Die Beklagte hat dem Kläger für den unverjährten Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.05.2020 die zu viel gezahlten Beträge für die zunächst formell unwirksamen Tariferhöhungen zu erstatten. Diese errechnen sich unter Berücksichtigung des Klagebegehrens, das eine Rückforderung bis einschließlich Mai 2020 vorsieht (Bl. 15 d.A.), wie folgt:
52c) Die von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Höhe des Rückzahlungsanspruches greifen nicht durch. Insbesondere muss sich der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten einen erhöhten Wert des Versicherungsschutzes, der sich in der vorgesehenen Prämienerhöhung widerspiegele, nicht anrechnen lassen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 –, Rn. 45 ff., juris).
544.
55Der korrespondierende Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog.
565.
57Die darüberhinausgehenden Rückzahlungsansprüche des Klägers wegen der bis Ende des Jahres 2014 geleisteten Prämien sind gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt.
58Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung war mit der jeweiligen monatlichen Prämienzahlung entstanden.
59Mit Erhalt der Mitteilungsschreiben zu den Erhöhungen hatte der Kläger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen. Die Verjährung beginnt nach der Rechtsprechung des OLG Köln, der sich die Kammer anschließt, in dem Zeitpunkt zu laufen, zu welchem dem Versicherungsnehmer die Mitteilung über die Beitragserhöhung zugegangen ist (vgl. u.a. OLG Köln, Urteil vom 27.10.2020, Az. 9 U 74/20).
60Die Verjährung wurde vorliegend gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 lit. a) i.V.m. § 204 Abs. 2 S. 1 BGB und § 7 des Statuts des Ombusmanns Private Kranken- und Pflegeversicherung vom 27.12.2018 bis zum 10.07.2020 gehemmt, da der Kläger ein Ombudsverfahren durchführte (Bl. 99 d.A.), das erst mit Schreiben des Ombudsmannes vom 10.01.2020 endete. Hierdurch wurde die Verjährung der ab dem 01.01.2015 entstandenen Rückzahlungsansprüche rechtzeitig gehemmt.
616.
62Ein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht nicht. Zwar kann ein solcher grundsätzlich aus § 280 Abs. 1 S. 1 iVm. § 257 BGB folgen, da die Beklagte durch die unzureichenden Begründungen der Prämienerhöhungen eine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat (OLG Köln Urteil vom 27.10.2020, Az. 9 U 74/20).
63Die tatsächlichen Voraussetzungen sind jedoch nicht hinreichend dargetan. Die Formulierung in der Klageschrift, die Beklagte sei außergerichtlich zur Regulierung des der Klagepartei entstandenen Schadens aufgefordert worden, verbleibt vage und lässt eine außergerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten nicht hinreichend konkret erkennen.
64I.
65Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 Satz 1 und 2 ZPO.
66Streitwert:
67bis 35.000,00 EUR
68Dieser setzt sich zusammen aus dem Streitwert des Zahlungsantrages zu 2) in Höhe von 16.709,65 EUR sowie aus dem Streitwert des Feststellungsantrags zu 1) in Höhe von 14.176,26 EUR (337,53 EUR x 42, § 9 ZPO).
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