Beschluss vom Landgericht Köln - 28 O 168/22
Tenor
I. Im Wege der einstweiligen Verfügung wird angeordnet:
Den Antragsgegnerinnen wird es – im Falle der Antragsgegnerin zu 1) bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und an ihrem Vorstandsvorsitzenden zu vollstrecken ist –
v e r b o t e n,
in der Bundesrepublik Deutschland auf ihrer Domain H.de in den H-Suchergebnissen auf die URL https://D.com/ bei Eingabe der Suchbegriffe „I“ und „T“ zu verweisen, wenn die unter der vorstehenden URL zu findende Webseite
1. den Passus „T ENTREPRENEUR, CMO AND VICTIM OF DOMESTIC VIOLENCE BY I, BOYFRIEND AND INVESTOR IN HER COMPANY I come from a privileged background, a loving family, I have a higher college degree, I’ve been an entrepreneur for as long as I can remember, I’m a CMO, I speak 5 languages fluently... and I was in an abusive relationship with a venture capitalist. The emotional abuse escalated into physical abuse and on the 23rd of April 2021 I ended up in hospital and he was incarcerated.“ (Unterstreichungen maßgeblich) enthält und/oder
2. die nachfolgend wiedergegebenen Bildnisse des Antragsstellers enthält
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wenn dies geschieht wie am 16.05.2022 und wie folgt ersichtlich:
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II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerinnen je zur Hälfte.
III. Streitwert: 40.000 €
1
Gründe:
2Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 9.6.2022 ist zulässig und begründet. Insbesondere ist das Landgericht Köln nach §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1, 802 ZPO für den Erlass der einstweiligen Verfügung. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln in der Hauptsache ergibt sich aus Art. 79 Abs. 2 DS-GVO. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 32 ZPO, der durch die Anwendbarkeit der DS-GVO nicht gesperrt wird, da diese in Art. 79 DS-GVO lediglich Regeln für die internationale Zuständigkeit bereithält, während sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts weiterhin nach nationalem Recht richtet (Gola/Werkmeister, Datenschutz-Grundverordnung, Art. 79 Rn. 10; Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO BDSG, Art. 79 DS-GVO, Rn. 14 m.w.N.).
3Der Antragsteller hat das Vorliegen des Verfügungsgrundes und des Verfügungsanspruchs glaubhaft gemacht.
41.
5Die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 937 Abs. 2 ZPO) liegen angesichts der im Äußerungsrecht bestehenden Interessenlage vor, zumal der Antragsteller das Verfahren zügig betrieben hat. Die Antragsgegnerinnen wurden angehört.
62.
7Der Verfügungsanspruch ergibt sich ausschließlich aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO, der die Anwendbarkeit von Vorschriften des nationalen nicht vereinheitlichten Rechts sperrt (BGH, Urteil vom 27.07.2020, VI ZR 405/18, GRUR 2020, 1331, 1332, Rn. 13 ff., 64).
8Beide Antragsgegnerinnen sind als Verantwortliche für die Verarbeitung von Daten im Rahmen der Suchmaschine anzusehen, Art. 4 Nr. 7 DS-GVO, und damit passivlegitimiert für den Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO. Bei einer Suchmaschine im Internet ist als Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DS-GVO der Betreiber der Suchmaschine anzusehen (EuGH, Urteil vom 24.09.2019, Rs. C-136/17, CNIL). Die Antragsgegnerin zu 1) ist neben der Antragsgegnerin zu 2) zumindest Mitbetreiberin der Suchmaschine (vgl. Kammer, Beschl. v. 3.6.2022, 28 O 143/22, n.v.).
9Die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c) und d) DS-GVO liegen vor. Die Verarbeitung der Daten im konkreten Fall, nämlich die Anzeige der streitgegenständlichen Webseite in den namensbezogenen Suchergebnissen zum Antragsteller, ist nicht zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich, Art. 17 Abs. 3 lit. a) DS-GVO. Bei der gebotenen Gesamtabwägung überwiegt das Recht auf Achtung der Privatsphäre und Schutz der personenbezogenen Daten des Antragstellers aus den Art. 7, 8 GRCh die unternehmerische Freiheit der Antragsgegnerin aus Art. 16 GRCh und die ebenfalls zu berücksichtigende Meinungsfreiheit der Inhalteanbieter und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit aus Art. 11 GRCh. Dabei ist - wie in der die verlinkte Webseite betreffenden Entscheidung der Kammer gegen Frau T vom 24.1.2022 (28 O 20/22, Anlage ASt 2) - bereits ausgeführt, maßgeblich, dass der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. Meinungsäußerungen mit unwahrem Tatsachenkern handelt, soweit dem Antragsteller dort vorgeworfen wird, der habe Frau T körperlich misshandelt. Ferner ist glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller in Spanien nach wie vor nicht rechtskräftig wegen des behaupteten Angriffs auf Frau T verurteilt ist.
10Es besteht ungeachtet des Inhalts der Mitteilung der Antragsgegnerinnen vom 1.7.2022 Wiederholungsgefahr, nachdem eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben wurde. Ebenso steht der Umstand, dass die Antragsgegnerin zu 2) erklärt hat, "am 24. Juni 2022 in der Bundesrepublik Deutschland auf ihrer Domain www.H.de in der H Suchmaschine das Suchergebnis für die URL https://D.com/ bei Eingabe der Suchbegriffe „I“ und „T“ gesperrt" zu haben, der Annahme des Verfügungsgrundes nicht entgegen.
113.
12Soweit der Tenor der einstweiligen Verfügung von dem gestellten Antrag abweicht, hat die Kammer den Antrag ausgelegt bzw. von dem ihr durch § 938 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht, ohne dass damit eine Teilzurückweisung erfolgt wäre.
134.
14Die Zustellung der Beschlussverfügung erfolgt angesichts der Beteiligung der Antragsgegnerseite von Amts wegen. Dies berührt die Pflichten aus §§ 936, 929 ZPO (Vollziehung) nicht.
155.
16Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO und die im Falle der Antragsgegnerin zu 1) ausgesprochene Ordnungsmittelandrohung aus § 890 Abs. 2 ZPO.
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Referenzen
- 28 O 143/22 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 405/18 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung 1x
- ZPO § 100 Kosten bei Streitgenossen 1x
- 28 O 20/22 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 936 Anwendung der Arrestvorschriften 1x
- § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen 1x
- ZPO § 938 Inhalt der einstweiligen Verfügung 1x
- ZPO § 937 Zuständiges Gericht 2x
- ZPO § 943 Gericht der Hauptsache 1x
- ZPO § 929 Vollstreckungsklausel; Vollziehungsfrist 1x
- ZPO § 802 Ausschließlichkeit der Gerichtsstände 1x
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x