Urteil vom Landgericht Landau in der Pfalz (2. Zivilkammer) - 2 O 17/16
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages infolge Anfechtung im Zusammenhang mit dem sog. „VW-Abgasskandal“.
- 2
Der Kläger kaufte im August 2014 von der Beklagten einen gebrauchten VW Touran 1,6iTDI mit einem Dieselmotor des Typs EA189 zum Preis von 21.449,00 €. Auf den Kaufpreis wurden 2.500,00 € wegen eines in Zahlung gegebenen Fahrzeugs des Klägers angerechnet. Der weitere Kaufpreis wurde über ein Darlehen der VW Bank finanziert. Hinsichtlich des konkreten Inhaltes des Kauf- und Darlehensvertrages wird auf Bl. 5 bis 13 der Akte verwiesen. Das Fahrzeug wurde am 05.08.2014 an den Kläger übergeben.
- 3
Bei dem verbauten Diesel-Motor handelt es sich um einen solchen, der vom sogenannten Abgasskandal betroffen ist, d.h. bei dem Fahrzeug wurde eine Software verwandt, die den Ausstoß von Stickoxid im Prüfstand „schönt“. Die Volkswagen AG überarbeitet derzeit kostenfrei die betroffenen Fahrzeuge. Der Arbeitsaufwand beläuft sich auf circa eine Stunde und ist für die Volkswagen AG mit Kosten von etwa 100,00 € verbunden.
- 4
Mit Schreiben vom 26.11.2015 erklärte der Kläger die Anfechtung des Vertrages wegen Eigenschaftsirrtums und hilfsweise wegen arglistiger Täuschung. Mit weiterem Schreiben vom 05.01.2016 berief sich der Kläger ausschließlich auf den Eigenschaftsirrtum und forderte die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises unter Anrechnung eigener Gebrauchsvorteile auf.
- 5
An dem Aspekt der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch die Beklagte möchte der Kläger im Rahmen der Klage ausdrücklich nicht mehr festhalten.
- 6
Der Kläger trägt vor,
- 7
er habe sich hinsichtlich der Abgaswerte über eine verkehrswesentliche Eigenschaft geirrt. Des Weiteren habe der Hersteller das Fahrzeug manipuliert und den Kunden dadurch bewusst getäuscht. Aus dem bundesweiten Prozessverhalten der Händler mit gleichlautendem Verteidigungsvorbringen ergebe sich, dass die Beklagte vom Konzern „fremdgesteuert“ sei.
- 8
Dem Kläger sei wegen des Kreditgeschäfts im Hinblick auf die Finanzierung des Fahrzeugs ein Zinsschaden in Höhe von 1.600,48 € entstanden.
- 9
Von dem zurückzuzahlenden Kaufpreis seien Gebrauchsvorteils des Klägers in Höhe von 3.212,49 € abzuziehen, da er mit dem Fahrzeug 32.500 km zurückgelegt habe.
- 10
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien zu ersetzen, da die Einschaltung eines Anwaltes aufgrund der unberechtigten Weigerung der Vertragsrückabwicklung erforderlich gewesen sei.
- 11
Da die Beklagte den Kaufvertrag trotz Aufforderung nicht rückabgewickelt habe, befinde sie sich in Annahmeverzug.
- 12
Der Kläger beantragt:
- 13
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.836,99 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Rücknahme des Fahrzeugs VW Touran „Life“ 1,6iTDI (Fahrzeugidentnummer: W.) zu bezahlen.
- 14
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Zu 1 näher bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
- 15
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten iHv. 1.171,67 € nebst Zinsen iHv. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen.
- 16
Die Beklagte beantragt:
- 17
Die Klage wird abgewiesen.
- 18
Die Beklagte trägt vor,
- 19
dass streitgegenständliche Fahrzeug sei verkehrssicher und technisch sicher, in der Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt und verfüge über die erforderliche Genehmigung. Kaufrechtliche Gewährleistungsrechte stünden dem Kläger nicht zu. Es fehle an einem Mangel, jedenfalls aber an der Erheblichkeit eines Mangels. Zudem habe der Kläger zuvor eine Frist zur Nachbesserung setzen müssen, was unstreitig nicht erfolgt ist.
- 20
Ein Anfechtungsgrund liege ebenfalls nicht vor. Eine arglistige Täuschung durch die Beklagte scheitere bereits daran, dass sie eine von VW unabhängige Händlerin sei. Von der NOx-Thematik habe die Beklagte selbst insoweit unstreitig erst nach Abschluss des Kaufvertrages erfahren. Ungeachtet dessen sei nicht ersichtlich, dass der Kläger bei Kenntnis der Abgaswerte den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte.
- 21
Der Kläger habe dem Beklagten das Fahrzeug nie in Annahmeverzug begründender Weise angeboten. Es fehle an der Angabe eines konkreten Ortes und der Zeit.
- 22
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 23
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
- 24
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises oder Schadensersatz.
1.
- 25
Der Kläger kann seinen Rückzahlungsanspruch nicht aus §§ 346 Abs. 1, 323, 433 BGB herleiten. Dabei kann dahinstehen, ob die Anfechtungserklärung des Klägers auch als Rücktrittserklärung umgedeutet werden kann. Es fehlt jedenfalls an der erforderlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1 BGB.
- 26
Die im Fahrzeug des Klägers verbaute Software ist gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 BGB mangelhaft, da sie die Abgaswerte, mithin den Ausstoß von Stickoxid im Prüfstand schönt. Insofern weist das Fahrzeug keine Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf. Ein Käufer kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise der Stickoxidausstoß reduziert wird. Dies begründet für sich gesehen bereits einen Sachmangel, unabhängig davon, ob sich das Fahrzeug für die gewöhnliche Verwendung im Straßenverkehr eignet (LG Münster Urt. v. 14.03.2016, Az.: 11 O 341/15 Rn. 18 zit. nach juris; LG Frankenthal Urt. v. 12.05.2016, Az.: 8 O 208/15 Rn. 21 zit. nach juris).
- 27
Der Rücktritt scheitert jedoch an der fehlenden Fristsetzung zur Nacherfüllung. Gemäß §§ 437 Nr. 3, 323 Abs. 1 BGB setzt der Rücktritt des Käufers wegen eines behebbaren Mangels voraus, dass eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt, bzw. beim Verbrauchsgüterkauf jedenfalls zur Nacherfüllung aufgefordert wird. Der Kläger forderte die Beklagte dagegen nie zur Nacherfüllung auf, sondern forderte sofort die Rückzahlung des Kaufpreises. Eine Nachbesserung wäre aufgrund der insoweit unbestrittenen Angaben der Beklagten durch Überarbeitung der Software ohne weiteres möglich.
- 28
Eine Fristsetzung war auch nicht nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Zwar begründet eine arglistige Täuschung i.S.v. § 123 BGB regelmäßig Umstände, die eine Fristsetzung entbehrlich machen. Eine solche Täuschung durch die Beklagte hat der Kläger jedoch nicht dargetan. Zum einen erklärt der Kläger in der Klageschrift, dass er an dem Aspekt der arglistigen Täuschung nicht mehr festhalten möchte. Zum anderen lässt sich seinem Vortrag allenfalls eine arglistige Täuschung durch den Hersteller, nicht jedoch durch den Händler, also die Beklagten entnehmen. Dass sich die Beklagte die arglistige Täuschung des Herstellers zurechnen lassen muss, ist nicht ersichtlich. Der Kläger führt nicht aus, in welchem Verhältnis die Beklagte zum Hersteller steht und welchen Einfluss der Hersteller auf den Abschluss des Kaufvertrages hatte. Soweit der Kläger pauschal behauptet, dass sich aus den derzeit geführten Rechtstreiten erkennen lasse, dass die Beklagte in diesem Rechtsstreit von dem VW-Konzern „fremdgesteuert“ werde, genügt er seinen Anforderungen an die Darlegungslast im Hinblick auf die Zurechnung der arglistigen Täuschung nicht. Selbst wenn die Beklagte vom VW-Konzern bei der Abwehr der Klageforderung unterstützt würde, so lässt dies keinen Rückschluss darauf zu, dass diese bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschluss zusammengewirkt haben. Da eine arglistige Täuschung durch die Beklagte nicht ersichtlich ist, scheitert der Rücktritt jedenfalls an dem fehlenden Nacherfüllungsverlangen.
2.
- 29
Der Kläger kann einen Rückzahlungsanspruch des Kaufpreises auch nicht auf § 812 Abs. 1 S. 1. Alt. 1 BGB stützen, da der Kaufvertrag als Rechtsgrund nicht durch Anfechtung erloschen ist.
a)
- 30
An einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung hält der Kläger explizit nicht mehr fest. Im Übrigen liegt eine solche aus den oben genannten Gründen nicht vor.
b)
- 31
Die Anfechtung wegen eines Eigenschaftsirrtums gemäß § 119 Abs. 2 BGB scheitert am Vorrang der Mängelrechte. Ab Gefahrübergang regelt § 437 BGB als lex specialis die Rechte des Käufers soweit der Irrtum über die verkehrswesentliche Eigenschaft gleichzeitig die Mangelhaftigkeit der Sache begründet. Hintergrund ist, dass dem Verkäufer über die §§ 434 ff. BGB ein Recht zur zweiten Andienung eingeräumt wird, dass nicht durch Rückgriff auf § 119 Abs. 2 BGB umgangen werden soll (Prütting/Wegen/Weinrich/Ahrens, BGB § 119 Rn. 5; Mansel, in: Jauernig-BGB § 119 Rn.16; BGH NJW-RR 2008, 222). Wie bereits dargestellt handelt es sich bei der verbauten Software um einen Sachmangel mit der Folge, dass eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist.
3.
- 32
Da der Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung bzw. Rückabwicklung des Kaufvertrages hat, stehen ihm nicht die daran anknüpfenden Schadensersatzansprüche (Zinsschaden und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) zu und die Beklagte befindet sich auch nicht im Annahmeverzug.
II.
- 33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist § 709 S. 1 ZPO zu entnehmen.
- 34
Beschluss
- 35
Der Streitwert wird auf 19.836,99 € festgesetzt.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- BGB § 346 Wirkungen des Rücktritts 1x
- BGB § 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung 1x
- BGB § 119 Anfechtbarkeit wegen Irrtums 3x
- Urteil vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (8. Zivilkammer) - 8 O 208/15 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- BGB § 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag 1x
- 11 O 341/15 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 812 Herausgabeanspruch 1x
- §§ 434 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 434 Sachmangel 1x
- BGB § 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung 4x
- BGB § 437 Rechte des Käufers bei Mängeln 2x