Beschluss vom Landgericht Landau in der Pfalz (Strafvollstreckungskammer) - 1 StVK 227/13

Tenor

1. Die durch Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 16.01.2012 (7126 Js 540/10.1 KLs) angeordnete Unterbringung von M. B. in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB wird für erledigt erklärt.

2. Mit der Erledigungserklärung tritt Führungsaufsicht ein.

3. Die Zeitdauer der Führungsaufsicht beträgt 5 Jahre.

4. Der Verurteilte wird für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung des zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt.

5. Dem Verurteilten werden folgende Weisungen erteilt:

a) Er hat sich durch die Forensisch-Psychiatrische Ambulanz im ...klinikum behandeln zu lassen und sich hierbei in mindestens 14-tägigen Abständen bei seiner Therapeutin, Dipl.-Psychologin H., jeweils freitags um 10.00 Uhr, ...klinikum für Psychiatrie und Neurologie, …straße …, A-Stadt vorzustellen (§ 68b Abs. 1 Nr. 11 StGB).

b) Er hat sich regelmäßig wöchentlich dienstags um 09.00 Uhr bei seinem hauptamtlichen Bewährungshelfer, Herrn M., an dessen Dienstsitz unter der Anschrift …straße … in B-Stadt, vorzustellen (§ 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB).

6. Die Belehrung über die Bedeutung der Beendigung der Maßregel und die Folgen der damit zugleich eintretenden Führungsaufsicht sowie die Folgen der Missachtung der erteilten Weisungen wird vom Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer erteilt. Zugleich ergeht bereits auf diesem Wege der Hinweis, dass es sich bei der Weisung zu Ziff. 5.a) (Forensisch-Psychiatrische Ambulanz) und zu Ziff. 5.b) (Bewährungshelfer) um Weisungen handelt, die strafbewehrt sind, so dass im Falle einer Zuwiderhandlung eine Bestrafung nach § 145a StGB (Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht) mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe erfolgen kann.

Gründe

I.

1

Durch Urteil der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 16.01.2012 (7126 Js 540/10.1 KLs), rechtskräftig seit dem 24.01.2012, wurde M. B. freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Den Urteilsfeststellungen zufolge hatte M. B. im Zustand „verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB)“ rechtswidrig in 82 Fällen den Tatbestand der Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB, davon in 10 Fällen in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a Abs. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie in 9 tatmehrheitlichen Fällen den Tatbestand der gemeinschädlichen Sachbeschädigung gemäß § 304 Abs. 1 StGB verwirklicht. Zu den Tatzeitpunkten lag bei ihm eine wahnhafte Störung (ICD-10: F22) im Sinne einer krankhaften seelischen Störung vor, wegen der – trotz fortbestehender Unrechtseinsicht - seine Befähigung, sein Verhalten normgemäß zu steuern, erheblich beeinträchtigt und „nicht ausschließbar“ aufgehoben war. Zur Sachdarstellung im Einzelnen, insbesondere zur Frage der Schuldfähigkeit, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das vorgenannte Urteil Bezug genommen.

2

In Vollstreckung des vorgenannten Urteils befand sich der Verurteilte seit dem 24.01.2012 im Maßregelvollzug in der Klinik für forensische Psychiatrie des ...klinikums für Psychiatrie und Neurologie in A-Stadt. Mit Beschluss vom 25.02.2014, rechtskräftig seit 07.03.2014, wurde die weitere Vollstreckung der Unterbringung unter Erteilung von Weisungen zur Bewährung ausgesetzt und die Zeitdauer der Bewährungs- und Führungsaufsicht auf 5 Jahre festgesetzt.

3

Im Verlauf der Bewährungszeit war die in den Weisungen der Kammer vorgesehene Weiterbetreuung durch die Forensisch-Psychiatrische Ambulanz des ...klinikums faktisch nicht durchführbar, da der Verurteilte sich weigerte, mit den dortigen Therapeuten zusammenzuarbeiten oder auch nur einen Kontakt zuzulassen. Auch eine Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer verweigerte er. Zu einem Anhörungstermin bei der Führungsaufsichtsstelle des Landgerichts Landau in der Pfalz am 25.04.2014 erschien der Verurteilte nicht. Von einer Ladung des Betroffenen zu einem von der Kammer auf den 12.05.2014 anberaumten Anhörungstermin wurde angesichts seiner unmissverständlichen und kompromisslosen Verweigerungshaltung - der nur mit einer erneuten Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßnahmen hätte begegnet werden können – abgesehen, da es zunächst zu keinen neuen strafrechtlich relevanten Vorfällen gekommen war und der Verurteilte sich über mehr als ein Jahr hinweg normgemäß verhielt.

4

Erstmals berichtete die „Rheinpfalz“ in ihrer Ausgabe vom 25.03.2015 wieder über den Verdacht, dass der Verurteilte erneut einschlägig tätig geworden sei. Durch Bericht des Bewährungshelfers vom 26.03.2015 wurde etwa zeitgleich hierzu bekannt, dass gegen den Verurteilten wieder polizeiliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden seien, nachdem insbesondere im Bereich des Landauer Hauptbahnhofs wieder Plakate mit beleidigendem Inhalt an Verkehrsschildern und Hinweistafeln aufgetaucht waren. In dem neuen Verfahren der Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz wurde dem Verurteilten vorgeworfen, erneut durch Plakatieren im Stadtgebiet von Landau in der Pfalz auffällig geworden zu sein. Er habe im Zeitraum zwischen dem 21.03. und dem 23.03.2015 in 6 Fällen fremde bewegliche Sachen durch „Plakatieren“ beschädigt. Er habe im genannten Zeitraum in mehreren Fällen Verkehrsschilder mit großformatigen Plakaten beklebt und hierbei einen Kleber verwendet, der eine rückstandsfreie Entfernung der Plakate verhindere. Der dokumentierte Sachschaden betrage ca. 1.500 Euro. Eine im Anschluss hieran bei dem Verurteilten durchgeführte Durchsuchung führte zur Auffindung entsprechender Tatmittel (Kehrbesen mit Klebstoffanhaftungen, Stofftasche mit Handkehrbesen mit Klebstoffrückständen, DIN-A3-Plakate mit den bekannten inkriminierten Inhalten, Sprühkleber der Marke Pattex).

5

Die Kammer hat daraufhin am 07.04.2015 einen Sicherungsunterbringungsbefehl gemäß §§ 463 Abs. 1, 453c Abs. 1 StPO erlassen, welcher am 17.04.2015 vollstreckt wurde. Im Rahmen der Eröffnung des Sicherungsunterbringungsbefehls durch die Kammer hat der Verurteilte eingeräumt, erneut „Plakate geklebt“ zu haben. Offensichtlich war der bevorstehende Beginn der Landesgartenschau (18.04.2015) für den Verurteilten ein zu großer Anreiz, als dass er weiterhin seinem wahngeleiteten Bedürfnis zur Verbreitung seiner „Statements“ hätte wiederstehen können.

6

Mit Beschluss der Kammer vom 23.04.2015 (1 StVK 227/13), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat die Kammer die zur Bewährung ausgesetzte Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) aus dem Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 16.01.2012 (7126 Js 540/10.1 KLs) zum Zwecke der sogenannten Krisenintervention für die Dauer von zunächst drei Monaten in Vollzug gesetzt.

7

Durch Beschluss der Kammer vom 14.07.2015 wurde die Maßnahme um weitere drei Monate, bis zum 22.10.2015, verlängert.

8

Mit Beschluss vom 14.10.2015 hat die Strafvollstreckungskammer die Kriseninterventionsmaßnahme nach Ablauf der sechsmonatigen Höchstfrist mit Ablauf des 22.10.2015 für beendet erklärt, nachdem der Verurteilte im Rahmen der Anhörung vor dem beauftragten Richter erklärt hat, zukünftig keine weiteren Straftaten mehr begehen zu wollen und er sich mit den mit ihm erörterten Weisungen einverstanden erklärt hatte. Wörtlich heißt es in der diesbezüglichen Entscheidung:

9

Vor dem Hintergrund der von dem Verurteilten ausgehenden Gefahren der Begehung erneuter Delikte im Sinne der Anlasstaten erscheint derzeit eine weitere Vollstreckung der Maßregel nach Ausschöpfung der im Rahmen einer (verlängerten) Krisenintervention zur Verfügung stehenden Zeit nicht verhältnismäßig.

10

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs. Das Freiheitsgrundrecht gewinnt wegen des sich verschärfenden Eingriffs insoweit immer stärkeres Gewicht für die Wertentscheidung des Strafvollstreckungsrichters (vgl. Bundesverfassungsgericht, 2. Senat, 3. Kammer, Beschluss vom 26.11.2014, 2 BvR 713/12, m.w.N., zitiert nach Juris). Dabei ist auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten abzustellen, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, auch die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin „erheblich“ im Sinne des § 63 StGB sein. Die Beurteilung hat sich demnach darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Verurteilten/Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; der Grad der Gefahr zukünftiger rechtswidriger Taten ist zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet darüber hinaus, die Unterbringung eines Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur so lange zu vollstrecken, wie der Zweck dieser Maßregel es unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Verurteilten/Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen nicht genügen (Bundesverfassungsgericht, 2. Senat, 2. Kammer, Beschluss vom 11.07.2014, 2 BvR 2848/12 unter Hinweis BVerfGE, 70, 297, zitiert nach Juris).

11

Unter Berücksichtigung dieser vom Bundesverfassungsgericht aufgestellter Kriterien kam ein Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Maßregel nach Ansicht der Kammer hier (noch) nicht in Betracht. Vielmehr gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nachdem der Verurteilte entsprechende Erklärungen abgegeben hat, erneut einen Versuch zu wagen, inwieweit er sich nunmehr an seine im Rahmen der Kammeranhörung getätigten Zusagen, Kontakt zur Bewährungshilfe und Forensisch-Psychiatrischer Ambulanz aufrechtzuerhalten und insbesondere keine weiteren Straftaten mehr zu begehen, halten kann bzw. will. Die Kammer hat dabei das Gewicht der von dem Untergebrachten begangenen Straftaten und die von ihm ausgehende Gefahr neuer, gleichartiger Taten einerseits und die bereits vollstreckte Zeit der Freiheitsentziehung vom 24.01.2012 bis zum 07.03.2014 sowie nunmehr seit dem 17.04.2015 bis 22.10.2015 andererseits gegeneinander abgewogen und hält vor diesem Hintergrund eine mit einem sofortigen Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Maßregel verbundene weitere Freiheitsentziehung derzeit für nicht verhältnismäßig. Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass der Verurteilte in der Zeit vom 07.03.2014 bis zu den neuerlichen Vorfällen, die zu seiner Inhaftierung aufgrund Sicherungsunterbringungsbefehls der Kammer vom 07.04.2015 geführt haben, nicht mehr in erheblicher Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten war.

12

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat die Kammer die Kriseninterventionsmaßnahme mit Ablauf des 22.10.2015 für beendet erklärt und den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Maßregel zurückgewiesen.

13

Die Entscheidung wurde am 24.10.2015 rechtskräftig, nachdem die Staatsanwaltschaft auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtete.

14

Dem Verurteilten wurden in der vorangeführten Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 14.10.2015 u.a. die folgenden Weisungen erteilt:

15

a) Er hat sich durch die Forensisch-Psychiatrische Ambulanz des ...klinikums A-Stadt weiterbetreuen zu lassen und hierzu in mindestens monatlichen Abständen Telefonkontakte mit einem Therapeuten der Forensisch-Psychiatrischen Ambulanz zu führen.

16

b) Er hat mit seinem Bewährungshelfer in mindestens monatlichem Abstand telefonische Kontakte durchzuführen.

17

Trotz einer entsprechenden Belehrung über die Folgen einer Missachtung der Weisungen hielt sich der Verurteilte letztlich nicht daran. Es gelang weder eine ambulante therapeutische Behandlung durch die Forensisch-Psychiatrische Ambulanz zu installieren, noch war der Verurteilte dazu zu bewegen, regelmäßige Kontakte zur Bewährungshilfe zu ermöglichen. Auch Versuche aufsuchend mit dem Verurteilten eine Arbeitsgrundlage oder gar ein therapeutisches Bündnis zu finden, scheiterten an dem kompromisslosen Verhalten des Verurteilten der hierzu nicht bereit war.

18

Diese Entwicklung war für die Strafvollstreckungskammer Anlass, von weiteren Versuchen der Bewährungshilfe bzw. der Forensisch-Psychiatrischen Ambulanz, mit dem Verurteilten einen Gesprächsfaden zu finden, abzusehen. In einer Verfügung des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer vom 21.12.2015 heißt es insoweit:

19

„Mitteilung an Bewährungshelfer und Forensisch-Psychiatrische Ambulanz, dass es angesichts des Krankheitsbildes des Verurteilten und den bisherigen Erfahrungen im Bewährungsverlauf wenig zielführend – vermutlich sogar kontraproduktiv – erscheint, diesen mit weiteren Versuchen der Kontaktaufnahme durch die Bewährungshilfe bzw. die Ambulanz zu konfrontieren. Ziel der Bewährung muss sein, den Verurteilten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, weshalb es geboten ist, hier von der üblichen Vorgehensweise abzuweichen.“

20

Diese Vorgehensweise hielt die Strafvollstreckungskammer für angezeigt, nachdem der Verurteilte bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit seinen von ihm bekannten Plakataktionen im Stadtgebiet auffällig geworden war.

21

Zu erneuten Hinweisen darauf, dass der Verurteilte wieder plakatierend im Stadtgebiet unterwegs sein könnte, kam es Anfang März 2016. Inzwischen steht fest, dass der Verurteilte bereits mit Beginn des Wahlkampfes zum Rheinland-Pfälzischen Landtag wieder mit seinem wilden Plakatieren begonnen hat. Erste Plakataktionen, bezüglich derer ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz anhängig gemacht worden sind, datieren vom 25.02. und 28.02.2016.

22

Während die Aktionen des Verurteilten nach Beendigung des Wahlkampfes vorübergehend abebbten, ist der Verurteilte seit Ende Mai 2016 mit zunehmender Häufigkeit wieder aktiv, indem er die Stadt Landau mit seinen Plakataktionen, zu denen er sich wahngeleitet unverändert berechtigt und berufen fühlt, überzieht. Betroffen von neuerlichen Ermittlungsverfahren, die gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Landau geführt werden, sind dabei im Wesentlichen öffentliche oder öffentlichkeitsnahe Einrichtungen, wie die Stadtverwaltung Landau in der Pfalz, die Arbeitsverwaltung (ARGE) Landau, Johannes-Kopp-Straße 2, die Deutsche Bahn auf dem Bahnhofsgelände, die Sparkasse Südliche Weinstraße sowie „Die Rheinpfalz“ mit ihrem Betriebsgelände in Landau. Die neuerliche Tätigkeit des Verurteilten wegen derer inzwischen ca. 30 neue Ermittlungsverfahren geführt werden, beschränken sich – anders als im Falle der Anlassverurteilung – auf das Plakatieren kleinerer Schriften im Format 10 x 10 bis ca. 50 x 50 cm. Die hieraus resultierenden Schäden, die aus Kosten für die Beseitigung der Plakate resultieren, belaufen sich pro Einzelfall durchschnittlich auf einen Betrag zwischen 250 und 500 Euro.

23

Als Folge der neuerlichen Vorfälle hat die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten zur Prüfung einer erneuten Kriseninterventionsmaßnahme bzw. zur Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen am 25.08. und am 09.09.2016 angehört und sich dabei zugleich ein Gutachten des Sachverständigen Dr. W. von der Forensisch-Psychiatrischen Ambulanz des ...klinikums in A-Stadt erstatten lassen.

24

Dabei hat der Verurteilte nach entsprechender Belehrung über sein Schweigerecht eingeräumt, erneut plakatierend im Stadtgebiet unterwegs zu sein. Mehr oder minder stolz hat er der Strafvollstreckungskammer zu verstehen gegeben, dass es doch offensichtlich seine Handschrift sei, und ob es denn noch einen gäbe außer ihm, der es gewesen sein könne ... (wer soll es sonst sein?). Weitergehend gab er an, es sei ihm eben unverändert ein inneres Anliegen, die Missstände im Lande aufzudecken und da dies über die „Rheinpfalz, das Mistblatt“, welche gleichgeschaltet sei, nicht möglich sei, müsse er eben wieder kleben. Wenn man jetzt wieder die Geldverschleuderung am „Hahn“ sehe, könne man doch verstehen, weshalb er weitermachen müsse; man solle lieber ihm mehr Geld geben, als es weiter sinnlos zu verplämpern. Ohne den „Verblödungskurs“ der Arbeitsverwaltung wäre es heute um ihn besser bestellt.

25

Der Sachverständige Dr. W. sieht in der Anordnung der Krisenintervention keine erfolgversprechende Maßnahme, weshalb er sich gegen die erneute Anordnung einer Krisenintervention ausgesprochen hat. Insoweit wird auf das Anhörungsprotokoll vom 25.08.2016 zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Die inkriminierten Handlungen des Verurteilten seien zweifelsfrei „wahngeleitet“ und bei einer erneuten Krisenintervention ebenso wenig zu korrigieren wie bisher, zumal der Verurteilte eine unterstützende medikamentöse Behandlung ablehne. Der Verurteilte hat bei seiner letztmaligen Anhörung am 09.09.2016 ausgeführt, angesichts seiner Aktionen vor der Landtagswahl mit seiner erneuten Verhaftung und Unterbringung binnen Wochenfrist gerechnet zu haben, weshalb er schon zwei Wochen vor der Wahl mit seinen Aktionen begonnen habe.

26

Die Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz hat die erneute Anordnung der Krisenintervention beantragt.

II.

27

Die Kammer erklärt die durch Urteil der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 16.01.2012 (7126 Js 540/10.1 KLs) angeordnete Maßregel der Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) für erledigt, da eine weitere Freiheitsentziehung ebenso wenig wie die Anordnung der Fortdauer der Maßregel, mit der neuen, seit 01.08.2016 geltenden Rechtslage angesichts der verschärften Anforderungen zur Unterbringung einer Person im psychiatrischen Krankenhaus nicht mehr in Einklang zu bringen ist.

28

Nach § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB ist eine angeordnete Maßregel der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB zu beenden, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung feststellt, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre. So liegt der Fall hier.

29

Die zum 01.08.2016 in Kraft getretene Neufassung des § 63 StGB lautet wie folgt:

30

„Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten,

31

durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird,

32

zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.“

33

Danach liegen hier die gesetzlichen Unterbringungsvoraussetzungen gemäß § 63 StGB nicht mehr vor.

34

Zwar ist in der Person des Verurteilten angesichts der Ausführungen der hierzu gehörten Sachverständigen Prof.Dr. D., Prof.Dr. S., Dr. W. unverändert vom Vorliegen einer wahnhaften Störung oder Paranoia (ICD-10: F22.0) und daraus resultierend von einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) auszugehen. Nicht mehr angenommen werden können indes die nunmehr durch die Gesetzesänderung zum 01.08.2016 postulierten weitergehenden Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wonach diese nur noch zulässig ist, wenn aufgrund besonderer Umstände die Erwartung gerechtfertigt ist, dass der Täter infolge seines Zustandes auch künftig erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird.

35

Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind von dem Verurteilten auch weiterhin Sachbeschädigungen der vorbeschriebenen Art durch das Plakatieren politischer Statements mit gelegentlich beleidigendem Inhalt zu erwarten. Das Schmieren großer Hakenkreuze hat der Verurteilte im Nachgang zu seiner Verurteilung durch das Landgericht Landau in der Pfalz vom 16.01.2012 eingestellt. Straftaten unter Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen hat es seither nicht mehr gegeben und stehen nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen derzeit auch nicht zu erwarten. Es handelt sich bei den seitens des Angeklagten zu erwartenden Straftaten ausschließlich um Sachbeschädigungen an der Grenze zur Straflosigkeit die eine schädigende Wirkung – wenn überhaupt – dadurch entfalten, dass deren Beseitigung regelmäßig mit entsprechenden Kosten verbunden ist.

36

Danach sind von dem Verurteilten derzeit keine erheblichen rechtswidrigen Taten im Sinne der gesetzlichen Neuregelung zu erwarten.

37

In den Gesetzesmaterialien wird zur Qualität der künftig zu erwartenden Straftaten ausgeführt:

38

„… Die Neuregelung sieht eine Konkretisierung der Anordnungsvoraussetzungen zu § 63 StGB im Sinne einer „stärkeren Fokussierung auf gravierende Fälle“ vor. Eine Straftat im Sinne des § 63 StGB soll nur noch dann vorliegen, wenn sie mindestens der „mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, sie den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen“. Danach sollen Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter 5 Jahren bedroht sind, nicht mehr dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen sein.

39

Ziel der Konkretisierung ist zweierlei. Zum einen soll die Rechtspraxis, namentlich auch die landgerichtliche Praxis, noch stärker für den mit Verfassungsrang ausgestatteten und vom Bundesverfassungsgericht immer wieder betonten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sensibilisiert werden, wonach die vom Täter zukünftig drohenden Taten von einer Erheblichkeit sein müssen, dass sie mit der „außerordentlich belastenden, außerordentlich schweren Maßregel der Unterbringung nach § 63 StGB verbundenen Eingriffe in die Grundrechte des Täters rechtfertigen können“. Zum anderen soll die Regelung bei drohenden Taten „die dem Bereich der Vermögensdelikte im weitesten Sinne zuzuordnen sind, die Schwelle für eine Unterbringung nach § 63 StGB – oder für den Verbleib in einer solchen Maßregel – gegenüber dem jetzigen Rechtszustand anheben“. Die gesetzliche Neuregelung geht damit über die bisherige Grenzziehung hinaus, da zukünftig nur noch zu erwartende Taten eine Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigen können sollen, durch welche „schwerer wirtschaftlicher Schaden“ angerichtet wird. Für die Auslegung dieses Begriffs soll grundsätzlich auf die Literatur und vor allem die Rechtsprechung zur Auslegung der gleichlautenden Formulierung im Bereich der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung zurückgegriffen werden. Danach ist grundsätzlich von einem objektiven Maßstab, insbesondere unter Berücksichtigung der „materiellen Ausstattung des Durchschnittsbürgers“ auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.1971, 1 StR 40/71 = BGHSt 24, 160, 163). So hat der Bundesgerichtshof zu § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB alter Fassung in den 1970er-Jahren einen schweren wirtschaftlichen Schaden bei einer Schadenssumme von 4.000 DM (Urteil vom 22.06.1976, 1 StR 295/76), 6.400 DM (Urteil vom 25.05.1971, 1 StR 40/71 = BGHSt 24, 160, 163) und 9.000 DM (Urteil vom 18.05.1971, 4 StR 100/71 = BGHSt 24, 153, 158) angenommen. Orientiert man sich bei einem objektiven Ausgangswert an den vorstehenden Angaben, erscheint es vertretbar, heute in etwa einen Betrag von 5.000 Euro anzusetzen. Eine solche Richtgröße entspräche auch dem Ansatz in der Literatur, als Maßstab auf das dreifache (Netto) Durchschnittseinkommen abzustellen (vgl. LK Rissing van Saan/Peglau a.a.O,
§ 66 RdNr. 177 m.w.N.), das derzeit in Deutschland bei etwa 1.700 Euro pro Einwohner liegt (vgl. statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.4, 2013, Seite 52, Tabelle 2.1.9, Spalte 4). Allerdings ist zu betonen, dass dies allenfalls eine grobe Richtschnur sein kann, die nichts daran ändert, dass die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, insbesondere wird dabei ergänzend auch auf die „wirtschaftlichen Verhältnisse der potentiellen Opferkreise“ abzustellen sein, jedenfalls soweit bei diesen besondere Empfindlichkeiten oder Unempfindlichkeiten vorliegen und der Täter sich zielgerichtet gerade gegen wirtschaftlich besonders Schwache oder Starke richtet (vgl. Schönke-Schröder, Stree, Kinzig, 28. Auflage, 2010, § 66 RdNr. 32; LK-Rissing van Saan/Peglau a.a.O., RdNr. 173f., 181f.; Lackner/Kühl, StGB, 27. Auflage, 2011, § 66 RdNr. 14), denn das Ausmaß der Störung des Rechtsfriedens und damit auch die Betroffenheit der Allgemeinheit und die Gefährlichkeit des Täters können auch davon abhängen, ob der Schaden das Vermögen des Staates oder einer finanzkräftigen Kapitalgesellschaft oder aber als Gegenbeispiel eines mittellosen Rentners trifft (vgl. Schönke-Schröder, Stree, Kinzig a.a.O.; ähnlich auch BGH, Beschluss vom 07.09.2004, 1 StR 395/04 = StV 2005, 129).

40

Danach kann mit Blick auf die vom Verurteilten künftig zu erwartenden Sachbeschädigungen, betrachtet man diese jeweils im Einzelfall, weder von der Erwartung erheblicher Straftaten mittlerer Kriminalität ausgegangen werden, noch sind künftig von dem Verurteilten Straftaten zu erwarten, die unter die nunmehr neu geschaffene Anordnungsvoraussetzung eines „schweren wirtschaftlichen Schadens“ zu subsumieren wären.

41

Nichts anderes gilt, wenn man die Frage nach dem Vorliegen eines „schweren wirtschaftlichen Schadens“ anhand einer Gesamtbetrachtung der zu erwartenden Einzelfälle vornimmt.

42

Hierzu heißt es in den Gesetzesmaterialien:

43

„…. Ebenfalls auf die Umstände im Einzelnen ist für die Frage abzustellen, ob bei einer drohenden Vielzahl von weniger schweren Taten, die für sich gesehen keinen schweren wirtschaftlichen Schaden begründen würden, auf den drohenden Gesamtschaden abzustellen ist, wobei auch hier genereller Maßstab das Ausmaß der Störung des Rechtsfriedens sein wird. So kann schon die Tendenz zur serienmäßigen Tatbegehung den friedensstörenden Charakter jeder einzelnen Tat so erhöhen, dass sie alle als erheblich empfunden werden (vgl. Lackner/Kühl a.a.O.), während auf der anderen Seite „drohende Taten mit geringen Schadenswerten selbst dann nicht zu einer empfindlichen, die Unterbringung des Täters erfordernden Störung des Rechtsfriedens führen, wenn diese aufgrund der zu erwartenden serienmäßigen Begehung insgesamt, zu einem schweren wirtschaftlichen Schaden führen würden“ (vgl. BGH, Beschluss vom 11.12.1991, 5 StR 626/91 = NStZ 1992, 178). „

44

Danach kann angesichts der seit dem 01.08.2016 geltenden Verschärfung der Unterbringungsvoraussetzungen auch bei Vornahme einer Gesamtbetrachtung die Erwartung des Eintritts eines „schweren wirtschaftlichen Schadens“ nicht angenommen werden, da auch bei der Gesamtbetrachtung jener Umstand besondere Bedeutung erlangt, dass von den künftig zu erwartenden Straftaten letztlich nur öffentliche oder öffentlichkeitsnahe, wirtschaftlich potente Eigentumsträger als potentielle Geschädigte betroffen sein werden.

45

Unabhängig davon ist die mit Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 16.01.2012 angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hier auch deshalb zu beenden, weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesichts der mit Wirkung zum 01.08.2016 in Kraft getretenen gesetzlichen Verschärfung die Beendigung der Maßregel gebietet, nachdem der Verurteilte sich in dieser Sache mehr als 2 Jahre und 7 Monate (Vollzug der Maßregel 2 Jahre und
1 Monat, Vollzug der Krisenintervention 6 Monate) in Freiheitsentzug befand und eine erneute Unterbringung im Maßregelvollzug sich als reiner Verwahrvollzug erweisen würde, nachdem eine bereits durchgeführte Krisenintervention letztlich ohne Erfolg geblieben ist und - nach den Ausführungen des hierzu gehörten Sachverständigen Dr. W. - eine erneute Krisenintervention ohne Erfolgsaussicht ist. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass nach der nunmehr gültigen Neuregelung zu § 67d Abs. 6 StGB für Fälle der vorliegenden Art regelmäßig eine Unterbringungsobergrenze von 6 Jahren festgeschrieben ist, nach deren Ablauf die Maßregel hier ohnehin zu beenden wäre und die Dauer des hier bereits erlittenen Freiheitsentzugs nicht ausschließbar die Dauer einer den Unrechtsgehalt der zugrunde liegenden Straftaten ausschöpfenden Freiheitsstrafe bereits deutlich überschritten hat.

46

Die Kammer weist abschließend darauf hin, dass es sich bei Ziff. 5.a) des Beschlusses zur Führungsaufsicht (Vorstellung in einer Forensisch-Psychiatrischen Ambulanz) um eine Weisung gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 11 StGB und bei Ziff. 5.b) des Beschlusses (Vorsprache beim Bewährungshelfer) um eine Weisung gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB handelt, so dass ein Verstoß hiergegen jeweils zu einer Bestrafung nach § 145a StGB (Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht) führen kann.

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