Urteil vom Landgericht Landau in der Pfalz (4. Zivilkammer) - 4 O 180/21
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Der Kläger macht Ansprüche gegen das beklagte Versicherungsunternehmen im Wege der Zwischenfeststellungsklage und sich daran anschließender Stufenklage geltend. Der Kläger verfolgt dabei Ansprüche nach erklärtem Widerspruch auf Rückabwicklung gemäß den §§ 812, 818 BGB in Bezug auf die eingezahlten Beiträge zuzüglich Nutzungen.
- 2
Der Kläger beantragte bei der Beklagten den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Als Versicherungsbeginn wurde der 01.03.1999 vereinbart. Der Versicherungsschein zum Vertrag ...wurde von der Beklagten am 17.02.1999 ausgefertigt.
- 3
Der Kläger änderte am 04.11.2006 das Bezugsrecht für die Todesfallleistung zugunsten von Frau K . . . . . Am 12.06.2018 wurde erneut das Bezugsrecht für die Todesfallleistung geändert. Der Kläger kündigte am 10.02.2021 den Vertrag, zum 01.03.2021 wurde ihm der Rückkaufswert ausgezahlt in Höhe von 33.181,68 Euro.
- 4
Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 04.03.2021 den Widerspruch gegen den Versicherungsvertrag. Die Beklagte lehnte den Widerspruch mit Schreiben vom 22.03.2021 ab. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers erklärten für den Kläger mit Schreiben vom 19.04.2021 erneut den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrags gemäß § 5a VVG a.F. und forderten die Beklagte zur Anerkennung des Widerspruchs dem Grunde nach auf. Weiterhin wurden Informationen angefordert. Die Beklagte wies auch diesen Widerspruch mit Schreiben vom 20.04.2021 zurück und verweigerte die Erteilung von weiteren Auskünften.
- 5
Der Kläger behauptet,
- 6
er habe 26.991,86 Euro auf den Vertrag eingezahlt.
- 7
Der Kläger habe keine Widerspruchsbelehrung „bei Aushändigung des Versicherungsscheins“ (§ 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.) erhalten. Die von der Gegenseite behaupteten Schreiben seien ihm nicht zugegangen. Mithin habe keine Frist zu laufen begonnen. Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. habe der Versicherer den Zugang der Belehrung zu beweisen. Dieser Beweis sei nicht erbracht worden, mithin sei keine Belehrung zugegangen, mithin sei keine Frist angelaufen.
- 8
Der Kläger habe weder die Versicherungsbedingungen noch die notwendigen Verbraucherinformationen nach § 10a Abs. 1 VAG a.F. erhalten (§ 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 VVG a.F.). Dem Kläger seien diese Unterlagen zu keinem Zeitpunkt zugegangen. Mithin habe keine Frist zu laufen begonnen. Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. habe der Versicherer den Zugang der für das Anlaufen der Frist erforderlichen Unterlagen, also des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen sowie der maßgeblichen Verbraucherinformation zu beweisen. Dieser Beweis sei nicht erbracht, mithin sei keine Frist angelaufen.
- 9
Der Versicherungsvertrag sei im Policenmodell geschlossen worden. Antragstellung und Policierung fielen auseinander. Dem Kläger seien die Versicherungsbedingungen und die weiteren Unterlagen nach § 5a VVG a.F. bei Antragstellung nicht übergeben worden. Im Ergebnis könne es dahinstehen, ob das Policenmodell oder das Antragsmodell vorliege. Auch beim Antragsmodell müsse nach § 8 Abs. 4 und 5 Satz 1 VVG a.F. eine wirksame Belehrung erteilt werden, andernfalls beginne keine Rücktrittsfrist.
- 10
Eine Verwirkung oder treuwidrige Rechtsausübung sei nicht gegeben. Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt. Das Policenmodell insgesamt sei europarechtswidrig. Die Beklagte befinde sich spätestens seit der Ablehnung des Widerspruchs in Verzug. Sie habe die Rückabwicklung ungerechtfertigt abgelehnt.
- 11
Da der Kläger dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages in wirksamer Weise widersprochen habe, sei es zur Vorbereitung der weiteren Stufen sinnvoll und sachdienlich im Rahmen der Zwischenfeststellungsklage festzustellen, dass dieser Widerspruch wirksam sei. Die Frage der Wirksamkeit des Widerspruchs sei eine notwendigerweise zu beantwortende Vorfrage für das Bestehen des Auskunftsanspruchs und des Leistungsanspruchs. Gemäß § 256 Abs. 2 ZPO sei der Antrag zwecks Erwirkung einer Entscheidung über den in Streit stehenden Anspruch des Klägers als diesbezügliches vorgreifliches Rechtsverhältnis zulässig. Dabei sei ein Feststellungsinteresse nicht erforderlich. Es sei unumgänglich, den mit den Auskunftsanträgen verfolgten Auskunftsanspruch des Klägers zu gewähren.
- 12
Der Kläger beantragt:
- 13
1. Es wird festgestellt (als Zwischenfeststellungsklage), dass dem Zustandekommen des Vertrags mit der Nummer .... zwischen dem Kläger und der Beklagten wirksam widersprochen wurde.
- 14
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger bezüglich des unter 1. genannten Versicherungsvertrags geordnet Auskunft darüber zu erteilen:
- 15
a) auf welche einzelnen Bestandteile (wie z.B. Verwaltungskosten, Abschlusskosten, Risikokosten, Sparbetrag der für den Kläger angelegt wurde) die von dem Kläger gezahlten Prämien aufgeteilt wurden und wie hoch diese Anteile (absolut oder prozentual) sind,
- 16
b) soweit die Aufteilung auf die einzelnen Bestandteile nicht über die gesamte Prämienzahlungszeitraum gleich blieben, mitzuteilen, für welche Monate oder Beitragszahlungen welche Aufteilung (absolut oder prozentual) stattfand,
- 17
c) wann welche Anteile der gezahlten Prämien (Kosten) abgeflossen – also nicht mehr im Vermögen der Beklagten vorhanden waren – sind und wohin diese abflossen,
- 18
d) wie die nicht oder noch nicht abgeflossenen Anteile der gezahlten Prämien in der gesamten Zeit in welcher diese Anteile im Vermögen der Beklagten vorhanden waren bzw. sind – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – konkret verwendet bzw. eingesetzt wurden und welche Nutzungen die Beklagte mit den einzelnen Beträgen – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – erwirtschaftete,
- 19
e) welche eigenen Gelder aufgrund des Erhaltes der Prämien eingespart wurden in der gesamten Zeit, in welcher die Prämien im Vermögen der Beklagten vorhanden waren bzw. sind – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – konkret verwendet bzw. eingesetzt wurden und welche Nutzungen die Beklagte mit den einzelnen Beträgen – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – erwirtschaftete
- 20
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Richtigkeit der erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern.
- 21
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger alle gezahlten Prämien abzüglich bereits ausgezahlter Beträge und abzüglich der tatsächlich angefallenen Risikokosten und zuzüglich tatsächlicher gezogener Nutzungen (deren Höhe erst nach erfolgter Auskunft berechnet werden kann) nebst Zinsen in Höhe von 9%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 22
5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von .... Euro freizustellen.
- 23
Der Beklagte beantragt,
- 24
die Klage abzuweisen.
- 25
Die Beklagte behauptet,
- 26
der Versicherungsvertrag sei im Wege des Antragsmodells geschlossen worden. Der Kläger habe bereits bei Antragstellung sämtliche Unterlagen erhalten. Den Zugang habe der Kläger mit einem Empfangsbekenntnis bestätigt. Das Antragsformular sei mit den Versicherungsbedingungen einschließlich der Verbraucherinformationen sei fest verbunden gewesen. Die Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. sei ordnungsgemäß (Blatt 144 der Akte). Widerrufs- oder Rücktrittsrechte seien verwirkt.
- 27
Der streitige Versicherungsvertrag sei störungsfrei verlaufen. Der Kläger habe die vereinbarten Beiträge gezahlt und Versicherungsschutz genossen. Einem Policenaufkäufer habe sich im Namen des Klägers am 04.02.2020 gemeldet, diesem seien Informationen über den Vertrag mitgeteilt worden.
- 28
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 29
Die Klage ist zum Teil unzulässig. Soweit sie zulässig ist, bleibt die Klage in der Sache ohne Erfolg.
- 30
Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 215 VVG. Der Kläger hat den Wohnsitz in ... Die örtliche Zuständigkeit bei einer Klage, welche auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages abzielt, richtet sich gleichermaßen wie diejenige hinsichtlich einer Leistung, nach dem Wohnort des Versicherungsnehmers.
- 31
I. Die mit dem Klageantrag zu Ziffer 1 erhobene Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) ist entgegen der Auffassung des Klägers bereits unzulässig. Die Zwischenfeststellungsklage setzt ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis voraus, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt. Entgegen dem Gesetzeswortlaut ist die Zwischenfeststellungsklage auch zulässig, wenn schon vor dem Prozess Streit zwischen den Parteien über das Rechtsverhältnis bestanden hat (Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 83). Ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist gemäß § 256 Abs. 2 ZPO nicht erforderlich. Das Erfordernis der Vorgreiflichkeit ersetzt das rechtliche Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. „Vorgreiflich“ ist ein Rechtsverhältnis, wenn ohnehin darüber befunden werden muss, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht, dieses Merkmal ist nicht erfüllt, wenn die Klage zur Hauptsache unabhängig davon abgewiesen wird, ob das Rechtsverhältnis besteht.
- 32
1. Die rechtliche Wertung, ob der Kläger dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag wirksam widersprochen hat, stellt ein für die Hauptentscheidung notwendiges Element dar. Es handelt sich bei dieser rechtlichen Wertung jedoch nicht um ein Rechtsverhältnis.
- 33
a) Der Begriff „Rechtsverhältnis“ meint eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu einer Sache. Dazu können einzelne auf einem umfassenderen Rechtsverhältnis beruhende Ansprüche oder Rechte gehören. Das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs ist als Rechtsverhältnis einzuordnen, nicht aber sind es einzelne Voraussetzungen für bestimmte Rechtsfolgen.
- 34
aa) Das mit dem Antrag zu Ziffer 1) verfolgte Klagebegehren ist darauf ausgerichtet, den Ausspruch der rechtlichen Wertung zu erreichen, nach der sich für den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag infolge des wirksam erklärten Widerrufs, dieser wäre seit Anbeginn als schwebend unwirksam einzuordnen, als (endgültig) nicht zustande gekommen anzusehen wäre. Eine rechtliche Bindung auf Grundlage des Versicherungsvertrags zwischen den Parteien wäre demgemäß zu keinem Zeitpunkt anzunehmen. Der Kläger begehrt damit im Kern die Feststellung, ein rechtlicher Grund im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB sei nicht gegeben. In der Hauptsache erstrebt der Kläger weiter im Wege der Stufenklage (§ 259 ZPO) die Bestimmung sowie die Herausgabe des ohne rechtlichen Grund „erlangten etwas“ (§ 818 Abs. 3 BGB).
- 35
bb) Die erhobene Zwischenfeststellungsklage betrifft einen nicht der Feststellungsklage zugänglichen tatbestandliche Voraussetzung eines aus einem schuldrechtlichen (Bereicherungs-)Anspruch resultierenden Rechtsverhältnisses. Auch für die Zwischenfeststellungsklage gilt, dass mit ihr nicht die Feststellung von Vorfragen oder Elementen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden kann (Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 84) vorgreiflich sein. Die Feststellung des Rechtsgrunds ist letztlich die Feststellung des Nichtbestehens einer einzelnen Voraussetzung eines für möglich gehaltenen Bereicherungsanspruchs. Das ist als einzelnes Anspruchselement kein tauglicher Gegenstand einer Feststellungsklage (OLG Hamm, Urteil vom 20.07.2017, I-28 U 182/16, NJW-RR 2018, 183). Die Feststellung der Wirksamkeit des vom Kläger erklärten Widerspruchs nach § 5a VVG in Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag, lässt sich damit nicht als „Rechtsverhältnis“ einordnen.
- 36
2. Deutet man das Klagebegehren nach Ziffer 1. dahin, dass ein etwaiges Rückgewährschuldverhältnis infolge des Widerrufs (§ 8 VVG a.F.) entstanden ist, richten sich die Rechtsfolgen des wirksamen Widerrufs nach § 9 VVG oder nach §§ 346 ff. BGB. Die Frage, ob diese Wirkungen eingetreten sind, lässt sich nicht als Rechtsverhältnis einordnen, welches mit einer Zwischenfeststellungsklage geltend gemacht werden kann.
- 37
a) Ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 2 VVG ist nur der Bestand eines Rechtsverhältnisses als Solches, hier das Bestehen oder Nichtbestehen eines Versicherungsverhältnisses. Soweit der Kläger begehrt, den Eintritt der Wirkungen eines Widerspruchs – verstanden als Widerruf im Sinne von § 8 VVG a.F. – als rechtsgeschäftlicher Erklärung festzustellen, handelt es sich hierbei lediglich um eine Vorfrage über den Bestand eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses (BGH, Urteil vom 01.08.2017, XI ZR 469/16, Rn. 13).
- 38
b) Begehrt ein Kläger isoliert die Feststellung der Wirksamkeit eines Widerrufs, wird ein derartiger Klageantrag in der Regel dahin auszulegen sein, dass das Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses festgestellt werden soll, nicht die Wirksamkeit des Widerrufs eines Vertrags als einer bestimmten rechtsgeschäftlichen Erklärung. Die ausdrücklich erhobene Zwischenfeststellungsklage könnte mithin nur dann zulässig sein, wenn man dem Antrag zu Ziffer 1) die Bedeutung beimisst, dass die Feststellung begehrt wird, das Versicherungsvertragsverhältnis würde nicht bestehen. Die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage im Hinblick auf ihre besonderen Voraussetzungen gemäß § 256 Abs. 2 ZPO könnte sich dann daraus ergeben, weil die Entscheidung über das Nichtbestehen des streitgegenständlichen Versicherungsverhältnisses nach einem „Widerspruch“ und die Entscheidung über die Hauptklage einheitlich ergehen könnte. Aber auch bei einem solchen Verständnis des Klageantrags, der entsprechend umzudeuten wäre, wäre die Zwischenfeststellungsklage nicht zulässig. Die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage setzt voraus, dass das streitige Rechtsverhältnis über den gegenwärtigen Prozess hinaus zwischen den Parteien Bedeutung gewinnen kann. Das ist vorliegend aber nicht der Fall.
- 39
aa) Der Kläger macht insofern geltend, es sei sachdienlich und sinnvoll über die Zwischenfeststellungsklage zu entscheiden und es genüge, wenn über das zur Entscheidung gestellte Rechtsverhältnis im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ohnehin entschieden werden müsse. Diese Argumentation trägt jedoch vorliegend die Feststellung der Vorgreiflichkeit nicht.
- 40
bb) Das Merkmal der Vorgreiflichkeit ist erfüllt, wenn über das streitige Rechtsverhältnis zumindest in den Entscheidungsgründen der Hauptsache zu befinden wäre. Ausreichend ist die Möglichkeit, dass die zu klärende Frage über den Streitgegenstand hinaus Bedeutung hat oder erlangen kann. An der Vorgreiflichkeit fehlt es, wenn die Klage zur Hauptsache unabhängig davon, ob das Rechtsverhältnis besteht, abgewiesen werden könnte. Muss über ein Rechtsverhältnis im Hauptverfahren mitentschieden werden, kann einer Klage nach § 256 Abs. 2 ZPO die anderweitige Rechtshängigkeit entgegenstehen (Musielak/Voit/Foerste, 18. Aufl. 2021, ZPO § 256 Rn. 41). Die Vorgreiflichkeit fehlt mithin auch dann, wenn das Urteil im Hauptklageverfahren die Rechtsbeziehungen der Parteien bereits erschöpfend regeln würde. So ist es hier, weil im Erfolgsfalle der Hauptsacheklage die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien endgültig geklärt und abgewickelt wären und sich auch nicht mehr die Frage stellen würde, ob der Kläger weiter zur Zahlung von Versicherungsbeiträgen verpflichtet wäre. Würde der Versicherungsnehmer weiter Versicherungsbeiträge zahlen, wüsste der Versicherungsnehmer, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist, wegen § 814 BGB wäre ihm eine Rückforderung der nach erklärten Widerspruch oder Widerruf gezahlten Beiträge verwehrt.
- 41
cc) Die Vorgreiflichkeit ist überdies nicht gegeben, weil der Kläger mit der Zwischenfeststellungsklage ein Merkmal des in der Hauptklage verfolgten Anspruchs zur (Vorab)Entscheidung stellt und mit der anschließend erhobenen Hauptklage (in Form einer Stufenklage) die ihn treffende Darlegungs- und Beweislast im Ergebnis auf den Beklagten abgewälzt werden würde. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast darf im Hinblick auf die Zwischenfeststellungsklage keine andere sein als bei der Hauptsacheklage (BGH, Urteil vom 09.03.1994, VIII ZR 165/93, Rn. 14). Die Rechtskraft der Entscheidung des Hauptprozesses erstreckt sich nur auf den Klageanspruch und nicht auf das präjudizielle Rechtsverhältnis. Die Ausdehnung der Rechtskraftwirkung auf den Grund der Klage ermöglicht die Erstreckung der Rechtskraft auch im Hinblick auf eine Fragestellung, die in dem Urteil über die Hauptsache ohnehin zu treffen wäre. Die Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast dürfen sich im Hinblick auf die Entscheidung in der Hauptsache und derjenigen über die Zwischenfeststellung nicht widersprechen. Der gebotene Gleichlauf von Hauptsache und Zwischenfeststellungsklage darf nicht zur Veränderung der Darlegungslast hinsichtlich einer für den Hauptanspruch notwendigen Anspruchsvoraussetzung führen.
- 42
dd) Gemessen an diesen Grundsätzen liegt eine Vorgreiflichkeit nicht vor. Der für die Zwischenfeststellungsklage erforderliche Gleichlauf der Darlegungs- und Beweislast von Zwischenfeststellungs- und Hauptsacheklage, steht erst Recht der Zulässigkeit einer Zwischenfeststellungsklage entgegen, wenn diese, wie hier, darauf gerichtet ist, die Darlegungs- und Beweislast der Hauptsacheklage abweichend von den gesetzlichen Regelungen zu modifizieren.
- 43
Der Gläubiger eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 BGB ist darlegungs- und beweispflichtig für alle anspruchsbegründenden Tatsachen, somit auch für das behauptete Nichtbestehen eines Rechtsgrundes der erbrachten Leistung. Weil der Kläger das Fehlen jedes auch nur entfernt in Betracht kommenden Rechtsgrundes darlegen müsste, obliegt dem verklagten Bereicherungsschuldner eine sekundäre Darlegungslast zum Rechtsgrund der Leistung. Hat der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast genügt, was vorliegend nicht problematisch ist, muss der Kläger wiederum beweisen, dass der vom Beklagten dargelegte Rechtsgrund nicht besteht. Im Hinblick auf die Rechtsfolge eines Bereicherungsanspruchs folgt aus § 818 Abs. 1 BGB, dass nur die tatsächlich gezogenen Nutzungen herauszugeben sind. Der Bereicherungsgläubiger trägt die Beweislast für herauszugebende Nutzungen.
- 44
Der Kläger verfolgt vorliegend einen Anspruch aus § 812 BGB, den er prozessual in unterschiedliche Streitgegenstände aufgeteilt hat. Die Zwischenfeststellungsklage verhält sich zum Tatbestandsmerkmal „Fehlen eines rechtlichen Grundes“ i.S.v. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, der in der Hauptsache anhängig gemachte Auskunftsanspruch verhält sich zum Umfang eines Bereicherungsanspruchs aus §§ 812, 818 BGB. Der vom Kläger geltend gemachte Auskunftsanspruch würde seine Darlegungslast im Hinblick auf die Höhe der Nutzungen aufheben und im Ergebnis dem Beklagten diese Darlegungslast aufbürden. Nach den allgemeinen Regeln über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast eines Bereicherungsanspruchs gilt jedoch, dass es allein der Kläger als Anspruchsgläubiger ist, der schlüssig darlegen muss, in welcher Höhe ein Rückzahlungsanspruch besteht. Mit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung würde der Kläger weiter so gestellt, als sei der Beweis über die Höhe des Bereicherungsanspruchs erbracht worden, damit wäre auch die Beweislast im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch abweichend vom gesetzlichen Leitbild auf den Beklagten abgewälzt. Der abschließende, derzeit noch unbezifferte Leistungsantrag, hätte als einzelner Leistungsantrag zur Entscheidung gestellt werden können. Die Zwischenfeststellungsklage weist danach keinen Bezug zu dem im Wege der Stufenklage geltend gemachten Auskunftsanspruch, dem Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sowie dem unbezifferten Leistungsantrag auf, da sie allein die Voraussetzungen dafür schaffen soll, die prozessuale Feststellung der Rechtsfolge eines Bereicherungsanspruchs unter Abwälzung der Darlegungs- und Beweislast in einen eigenständigen Anspruch zu fassen.
- 45
II. Eingedenk dessen ist auch die in der Hauptklage erhobene Stufenklage (§ 254 ZPO) unzulässig, weil der Kläger keinen Auskunftsanspruch verfolgt, sondern die ihm prozessual obliegende Bestimmung des Herausgabeanspruchs in Form eines eigenständigen materiellen Anspruchs geltend macht. Eine Verurteilung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung kommt mangels Auskunftsanspruch nicht in Betracht. Der Leistungsantrag zu Ziffer 4. ist mangels Bezifferung nicht hinreichend bestimmt und damit unzulässig.
- 46
III. Ungeachtet dessen kann die Feststellungsklage aber auch im Falle ihrer Unzulässigkeit als unbegründet abgewiesen werden.
- 47
Die Klage ist als vollumfänglich unbegründet abzuweisen. Dass der zwischen den Parteien im Jahr 1999 geschlossene Lebensversicherungsvertrag auf der Grundlage des § 5a Abs. 1 VVG (in der bis zum 12 geltenden Fassung – § 5a VVG a.F.) im so genannten Policenmodell zustande gekommen ist, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerseite nicht dargelegt. Darauf kommt es aber nicht an, da ein Widerspruchsrecht (§ 5a VVG a.F.) oder ein Widerrufsrecht bei Annahme eines Vertragsschlusses im Antragsmodell (§ 8 Abs. 4 VVG a.F.) verwirkt sind. Zwar können Widerruf und Widerspruch auch erklärt werden, nachdem ein Versicherungsnehmer den Vertrag gekündigt hat und der Rückkaufswert an ihn ausgezahlt worden ist. Würde man dem Versicherungsnehmer ein zeitlich unbegrenztes Widerspruchsrecht ohne Verwirkungsmöglichkeit zugestehen, könnte ein Versicherungsnehmer jahrelang kostenlos Versicherungsschutz in Anspruch nehmen und bei Nichteintritt des Versicherungsfalles nach Vertragsbeendigung diesem noch widersprechen und den Vertrag rückabwickeln. Auch der Versicherer muss sich grundsätzlich für seine gesamte Kalkulation darauf verlassen können, dass langfristig angelegte Vertragsbeziehungen nicht plötzlich nach vielen Jahren rückabgewickelt werden.
- 48
Vorliegend ist das für die Verwirkung erforderlich Zeitmoment bei einem Widerruf am 10.02.2021, fast 22 Jahre nach Vertragsschluss im Februar 1999 erfüllt. Das Umstandsmoment ergibt sich vorliegend daraus, dass der Kläger das Bezugsrecht für Leistungen im Todesfall geändert hat und eine dritte Person bezugsberechtigt geworden ist. Der Kläger hat rund sieben Jahre nach Vertragsschluss das Bezugsrecht im Todesfall geändert und den Vertrag danach noch über 15 Jahre fortgeführt. Mit dieser Änderung des Bezugsrechts hat er inhaltlich auf den Vertrag eingewirkt. Diese Einwirkung setzt aus Sicht des Versicherungsnehmers zwingend dessen Wirksamkeit und Fortbestand voraus, weil er auch einem Dritten ‒ dem Bezugsberechtigten ‒ zu erkennen gibt, dass er von der Wirksamkeit und dem Bestehen des Vertrags ausgeht. Der Versicherungsnehmer bestätigt damit insbesondere das von dem Versicherer übernommene Risiko der Mindest-Todesfalleistung als vom Versicherungsnehmer gewollt. Dem kommt hinsichtlich des Vertrauens auf den Fortbestand des Vertrages für den Versicherer ein besonderer Stellenwert zu. Der Versicherer verpflichtet sich durch den Versicherungsvertrag gerade auch dazu, dieses Todesfallrisiko abzusichern, darauf richtet er auch seine Kalkulation aus (vgl. auch LG Köln, Urteil vom 24.07.2019, 12 O 47/19, Rn. 42).
- 49
IV. Die Stufenklage wäre, ihre Zulässigkeit unterstellt, unbegründet, da kein Bereicherungsanspruch besteht, für den sich eine Zahlungspflicht ergeben würde.
- 50
Ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB besteht auch in der Sache nicht. Ein solcher setzt neben dem Bestehen einer Sonderverbindung voraus, dass die konkreten Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, während der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen Auskünfte unschwer geben kann. Auch wenn der Kläger eine Ungewissheit über den Umfang eines Anspruchs reklamieren kann, darf der Auskunftsanspruch nicht dazu genutzt werden, die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf das verfolgte Klageinteresse zu ändern. Dem allgemeinen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB stehen die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast entgegen (vgl. Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 31.10.2018, 6 Sa 652/18). Der hier geltend gemachte Antrag auf Auskunft würde die Darlegungs- und Beweislast des Umfangs eines Bereicherungsanspruchs, wie dargelegt, im Ergebnis verkehren und anstelle des Klägers, diese dem Beklagten aufbürden.
- 51
Da der Versicherungsvertrag wirksam ist, bleibt der Leistungsantrag (Ziffer 4), selbst wenn er beziffert wäre, in der Sache ohne Erfolg.
- 52
Auch die weiter beanspruchte Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten; die insoweit zulässige Klage, ist mangels Anspruch in der Hauptsache nicht gegeben.
- 53
V. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 ZPO für die Kosten und aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO für den Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 5a Abs. 2 Satz 2 VVG 2x (nicht zugeordnet)
- § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- VIII ZR 165/93 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 469/16 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 814 Kenntnis der Nichtschuld 1x
- § 8 Abs. 4 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 5a VVG 5x (nicht zugeordnet)
- § 5a Abs. 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 2x
- § 8 Abs. 5 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 VVG 2x (nicht zugeordnet)
- § 256 Abs. 2 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 346 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
- 28 U 182/16 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 Abs. 4 und 5 Satz 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 259 Klage wegen Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung 1x
- § 10a Abs. 1 VAG 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 254 Stufenklage 1x
- ZPO § 256 Feststellungsklage 7x
- BGB § 812 Herausgabeanspruch 6x
- 12 O 47/19 1x (nicht zugeordnet)
- § 215 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 818 Umfang des Bereicherungsanspruchs 4x
- 6 Sa 652/18 1x (nicht zugeordnet)