Urteil vom Landgericht Münster - 014 O 147/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.375,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 29.03.2014 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 83,86 € an Nebenforderungen zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt Rückzahlung einer Nichtabnahmeentschädigung nachdem Widerruf eines Darlehens erklärt worden ist.
3Die Klägerin und ihr Ehemann, Herr H, schlossen mit der Beklagten am 04./06. Juni 2006 einen Darlehensvertrag mit der Vertragsnummer ######### über einen Betrag von 110.000,- Euro ab. Dieser Darlehensvertrag war mit einer Grundschuld besichert. Es handelte sich um ein sogenanntes Forward-Darlehen, welches erst 2011 zur Auszahlung kommen sollte. Der Ehemann der Klägerin war im Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages Prokurist bei der W-Bank und wechselte ab dem 01.07.2011 als Vorstandsvorsitzender zur Q Bank.
4Der Darlehensvertrag enthielt eine Widerrufsbelehrung mit u.a. folgender Formulierung:
5Widerrufsrecht
6Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen (einem Monat) ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen
7 ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
8 die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags
9zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
10Da die zu finanzierende Immobilie wegen des beruflichen Wechsels nach C verkauft wurde, bat der Ehemann der Klägerin am 31.01.2011 per mail an die Beklagte um eine „wohlwollende Regelung für langjährige Genossenschaftsbanker, mit einem so gering wie möglichen Schaden aus dem Vertrag aussteigen zu können, ggfs. vor Valutierung am 30.04.2011“. Die Parteien einigten sich auf eine Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 6.375,- Euro, welche am 26. April 2011 an die Beklagte überwiesen wurde.
11Mit Schreiben vom 23.12.2013 wandten sich die Klägerin und ihr Ehemann an die Beklagte und forderten wegen „rechtlich nichtiger Widerrufsbelehrung aufgrund eines Formfehlers“ die Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 6.375,- Euro zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.03.2014 und unter Vorlage einer entsprechenden Vollmacht widerriefen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in deren Namen sowie mit deren Vollmacht sowie auch namens und in Vollmacht des Ehemannes die auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen der Klägerin und des Herrn H und forderten die Beklagte auf, die Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 6.375,- Euro bis zum 28. März 2014 an die Klägerin und an Herrn C zu erstatten.
12Der Ehemann der Klägerin trat seine Ansprüche auf Rückzahlung der Nichtabnahmeentschädigung nebst Nebenforderungen am 30.05.2014 an die Klägerin ab. Wegen des Wortlauts der Abtretungsvereinbarung wird Bezug genommen auf Anlage K 3 im Anlagenband zum Schriftsatz vom 09.10.2014, Bl. 131 ff. d.A..
13Die Klägerin behauptet, ihr und ihrem Ehemann sei durch die Medien bekannt geworden, dass die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag inkorrekt sei und ihnen daher noch ein Widerrufsrecht zustehen würde, so dass sie sich aus diesem Grund am 23.12.2013 schriftlich an die Beklagte gewandt hätten. Bis Ende 2013 sei ihnen die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung nicht bekannt gewesen, der Ehemann habe weder bei der W-Bank noch bei der Q Bank etwas mit Vertragsgestaltung zu tun gehabt. Die Klägerin beruft sich insoweit auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 10.03.2009 - XI ZR 33/08 und vom 06.12.2011 - XI ZR 401/10 und vertritt die Auffassung, die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist sei fehlerhaft. Desweiteren sei die Angabe zur Länge der Widerrufsfrist verwirrend. Verwirrend sei auch die Angabe zum Widerrufsadressaten, da dort erklärt worden sei, dass der Widerruf auch unter der Internetadresse http:/www.wl-bank.de erklärt werden könne, was unzutreffend sei, weil die angegebene Webseite keine Möglichkeit biete, den Widerruf für Darlehensverträge zu erklären. Unrichtig sei ferner die Angabe „Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlung müssen Sie innerhalb von 30 Tagen nach Absendung Ihrer Willenserklärung erfüllen.“ Für den Verbraucher sei schon unklar, was mit dem Rechtsbegriff Willenserklärung gemeint sei, da es sich hier um eine Vertragserklärung als auch um eine Widerrufserklärung handeln könne. Desweiteren erwecke der Passus bei dem Verbraucher den Eindruck, er sei verpflichtet, bereits erhaltene Leistungen binnen 30 Tagen nach der Absendung des Widerrufs zurückzuzahlen, was rechtlich falsch sei, da die Leistung ohne Weiteres auch noch später als 30 Tage nach Absendung des Widerrufes erbracht werden könne und lediglich in diesem Fall zu verzinsen sei. Auch die Angabe „Können Sie auch den anderen Vertrag widerrufen, so müssen Sie den Widerruf gegenüber Ihrem diesbezüglichen Vertragspartner erklären.“ sei inhaltlich fehlerhaft und unvollständig. Desweiteren entspreche die Belehrung nicht dem Deutlichkeitsgebot, weil sie zahlreiche Zusätze enthalte, die gar nicht relevant seien, weil es sich vorliegend nicht um ein finanziertes Geschäft im Rechtssinne handele.
14Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz wegen der Verwendung einer Musterbelehrung nach § 14 BGB-InfoV berufen, da die verwendete Widerrufsbelehrung nicht in jeder Hinsicht vollständig der Mustervorlage entspreche.
15Die Klägerin vertritt desweiteren die Auffassung, sie könne eine Nutzungsentschädigung für die an die Beklagte gezahlte Nichtabnahmeentschädigung verlangen, wobei zu vermuten sei, dass einer Bank aus ihr zur Verfügung stehendem Kapital Nutzungsvorteile in Höhe von 5 Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank erwachsen, so dass sich hier ein Betrag von 925,93 Euro ergebe.
16Die Klägerin beantragt,
171.
18die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.375,- Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 29.03.2014, hilfsweise seit Rechtshängigkeit am 10.07.2014, zu zahlen,
192.
20die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 925,93 Euro an Nebenforderungen zu zahlen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Sie vertritt die Auffassung, die erteilte Widerrufsbelehrung sei im vorliegenden Fall wirksam und macht hierzu umfangreiche Ausführungen. Jedenfalls könne die Beklagte sich auf Vertrauensschutz berufen, da sie das damals gültige Muster zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genutzt habe. Punktuelle Abweichungen der Widerrufsbelehrung von der Mustervorlage seien irrelevant. Insofern beruft sich die Beklagte auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 25.06.2012, Az. 4 U 262/11, und auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 07.07.2014, Az. 23 U 172/13. Nur dann, wenn der Unternehmer inhaltsbezogen objektiv in die Widerrufsbelehrung eingreife, entfalle der Vertrauensschutz, während marginale Abweichungen nicht schaden würden. Zudem meint die Beklagte, dass die Widerrufsbelehrung auch außerhalb der Mustervorlage inhaltlich zutreffend sei.
24Zudem sei die Aufhebungsvereinbarung aus 2011 als eigener Rechtsgrund für die Zahlung der Nichtabnahmeentschädigung zu werten.
25Desweiteren beruft die Beklagte sich auf Verwirkung. Der Ehemann der Klägerin sei aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit nicht erst über die Medien Ende 2013 über die mögliche Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung informiert gewesen, sondern weitaus früher. Die erste Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2009 sei maßgeblich, so dass die Erklärung des Widerrufs im Jahre 2014 als verwirkt anzusehen sei.
26Aus dem Betrag von 6.375,- € habe sie tatsächlich 0,45% p.a. und damit für 1067 Zinstage Nutzungen von insgesamt 83,86 € gezogen.
27Schließlich erklärt die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit dem der Klägerin zugeflossenen Vermögenswert in Form der Zinssicherung vom 06.06.2007 bis zum 30.04.2026 und beziffert diesen mit 3.044,47 €.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Die Klage ist begründet.
31Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin in Höhe der unstreitig geleisteten Nichtabnahmeentschädigung von 6.375,- Euro ist mit Rücksicht auf den erklärten Widerruf der Darlehensvertragserklärung gem. §§ 346, 347, 357 BGB a.F. begründet. Der Klägerin und ihrem Ehemann stand ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1, § 355 BGB zu. Dieses Widerrufsrecht konnten die Klägerin und ihr Ehemann noch wirksam ausüben, denn die Widerrufsfrist hatte gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB nicht zu laufen begonnen, da die der Klägerin und ihrem Ehemann erteilte Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach.
32Die Beklagte hat eine den Vorgaben des § 355 BGB entsprechende Widerrufsbelehrung nicht erteilt. Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (BGH Urteil vom 13.01.2009 – XI ZR 118/08).
33Der Beginn der Widerrufsfrist hängt bei einem Vertrag, der wie der streitgegenständliche Verbraucherdarlehensvertrag schriftlich abzuschließen ist (§ 492 BGB) davon ab, dass dem Verbraucher über die Widerrufsbelehrung hinaus auch eine Vertragsurkunde oder sein eigener schriftlicher Antrag im Original bzw. in Abschrift zur Verfügung gestellt wird (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB). Der Widerrufsbelehrung muss bei Schriftform des Vertrags also eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass der Verbraucher im Besitz einer seiner eigenen Vertragserklärung enthaltenen Urkunde ist. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB trägt insofern dem mit der Belehrung verfolgten Ziel Rechnung, dem Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und deutlich vor Augen zu führen. Nur wenn der Verbraucher eine Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt, wenn sich also die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers bezieht, kann er die ihm eingeräumte Überlegungsfrist sachgerecht wahrnehmen. Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht. Sie belehrt den Verbraucher über den nach § 355 Abs. 2 maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig, weil sie das unrichtige Verständnis nahelegt, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebotes der Beklagten zu laufen. Durch die Formulierung der in dem von der Beklagten übersandten Vertragsangebot enthaltenen Belehrung, die Widerrufsfrist beginne einen Tag nachdem der Klägerin ein Exemplar dieser Belehrung und die Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt wurde, entsteht aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden, auf den abzustellen ist, der Eindruck, diese Voraussetzung sei bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenen Vertragsantrags der Beklagten erfüllt und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach Zugang des Angebots der Beklagten zu laufen. Dies gilt umso mehr, als das Angebot der Beklagten vom 04.06.2007 mit Darlehensvertrag überschrieben ist, so dass für den unbefangenen Leser der Eindruck entsteht, es handele sich bei dieser Urkunde unabhängig von der Annahmeerklärung der Klägerin und ihres Ehemannes um die in der Widerrufsbelehrung genannten Vertragsurkunde, die der Klägerin zur Verfügung gestellt wurde. Somit entspricht die Widerrufsbelehrung dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB nicht, weil sie die unzutreffende Vorstellung hervorrufen kann, die Widerrufsfrist beginne unabhängig von einer Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach dem Zugang des Angebots der Beklagten nebst Widerrufsbelehrung. Da schon aus diesem Grund der Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden ist, erübrigen sich Ausführungen zu weiteren von der Klägerin beanstandeten Textstellen der Widerrufsbelehrung.
34Die Beklagte kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn sie hat für die Belehrung kein Formular verwendet, das dem Muster Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV in der Fassung vom 02.12.2004 (gültig bis zum 31.03.2008) entsprach. Die verwendete Belehrung entspricht nämlich nicht in jeder Hinsicht vollständig dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 u. Abs. 3 BGB-InfoV. Ausweislich des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 01.03.2012 - Az. III ZR 83/11 setzt eine Berufung auf § 14 Abs. 1 u. Abs. 3 InfoV und das Muster der Anlage 2 voraus, dass ein Formular verwendet wurde, dass dem Muster der Anlage in der damaligen Fassung in jeder Hinsicht vollständig entspricht. Insofern kann auch nicht den Rechtsausführungen in den Urteilen u.a. der Oberlandesgerichte Bamberg und Frankfurt gefolgt werden, denn nach dem Urteil des BGH muss der Text in jeder Hinsicht vollständig dem Muster entsprechen. Die eindeutige Formulierung „in jeder Hinsicht vollständig“ lässt keine Ausnahmen und Wertungen zu.
35Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin und ihr damaliger Ehemann das Recht auf Widerruf auch nicht verwirkt. Ausweislich des Beschlusses des OLG Hamm vom 25.08.2014 - 31 U 74/14 könne eine Bank ein schutzwürdiges Vertrauen schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst hervorgerufen habe, indem sie dem Darlehensnehmer keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt habe. Außerdem sei nicht erkennbar, dass und aus welchem Grund sich die Bank, die spätestens aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.04.2010 - I ZR 66/08 (Rn. 21) ohne Weiteres habe erkennen können, dass die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei, berechtigterweise darauf eingerichtet haben will, dass der Darlehensnehmer Verträge nicht auch noch Jahre nach deren Abschluss und ggfls. auch dann noch widerrufe, wenn das Darlehen bereits zurückgezahlt worden sei. Dies gelte erst recht, wenn man berücksichtigte, dass die Bank ohne Weiteres in der Lage gewesen wäre, den Darlehensnehmer in wirksamer Form nachzubelehren (§ 355 Abs. 2 S. 3 BGB). Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass es eine gesetzgeberische Entscheidung gewesen sei, eine damalige Sechsmonatsfrist, innerhalb der das Widerrufsrecht auch bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung erlöschen sollte, nicht in das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz übertragen worden sei. Diese gesetzgeberische Wertung könne nicht dadurch unterlaufen werden, dass man Banken das Recht zubillige, sich der Haftung durch die Berufung auf § 242 BGB zu entziehen. Eine Verwirkung des Widerrufsrechts des Darlehensnehmers komme deshalb regelmäßig nicht in Betracht, wenn die dem Darlehensnehmer erteilte Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß ist und der Darlehensgeber die Erteilung einer ordnungsgemäßen Nachbelehrung unterlassen habe (OLG Hamm Beschluss vom 25.08.2014 - 31 U 74/14, zitiert nach juris). Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Erwägungen ist vorliegend kein Raum für die Annahme einer Verwirkung.
36Auch im Hinblick auf den beruflichen Hintergrund des Ehemannes der Klägerin als Prokurist bzw. Vorstandsvorsitzender einer Bank kann Verwirkung nicht angenommen werden. Substantiiert ist nicht vorgetragen, dass, und wenn ja zu welchem Zeitpunkt, der Ehemann der Klägerin positiv Kenntnis davon erlangt hat, dass die in seinem eigenen Darlehensvertrag verwendete Widerrufsbelehrung nicht den Anforderungen an das Deutlichkeitsgebot entspricht. Vertrauensschutz dahingehend, dass die Beklagte aufgrund des beruflichen Hintergrunds des Klägers hier zu Recht darauf vertraut hat, dass kein Widerruf erklärt wird, besteht nicht. Dies ist auch nicht vergleichbar mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 06.11.2014, 7 U 147/10, denn schon eine entsprechende positive Kenntnis des Ehemanns der Klägerin zu einem bestimmten Zeitpunkt weit vor Dezember 2013 kann eindeutig nicht festgestellt werden.
37Auch die Tatsache, dass nach dem Klägervortrag der Widerruf erst mit Schreiben vom 07. März 2014 erklärt worden sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen erscheint schon fraglich, ob nicht bereits das Schreiben vom 23.12.2013 dahingehend zu verstehen ist, dass mit diesem Schreiben der Widerruf erklärt worden wäre, da dies Voraussetzung für die Rückforderung der Nichtabnahmeentschädigung ist. Selbst wenn man aber dem Vortrag der Klägerin folgen würde und den Widerruf erst in dem Schreiben vom 07.03.2014 sehen würde, stände dies der Wirksamkeit des Widerrufs nicht entgegen. Allein die Tatsache, dass die Klägerin und ihr Ehemann ab dem 23.12.2013 Kenntnis davon hatten, dass die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß war, führt nicht dazu, dass sie gleichzeitig Kenntnis darüber hatten, wann die Widerrufsfrist zu laufen beginnt. Insofern kann nicht argumentiert werden, die Klägerin und ihr Ehemann hätten jedenfalls 2 Wochen (einen Monat) nach dem 23.12.2013 spätestens ihren Widerruf erklären müssen. Die Kenntnis von einer möglichen Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung kann nicht gleichgesetzt werden mit der Kenntnis, die ein Darlehensnehmer durch eine ordnungsgemäße Nachbelehrung erhält.
38Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die „Aufhebungsvereinbarung“ kein eigener Rechtsgrund, der der Rückforderung der Nichtabnahmeentschädigung entgegen stünde. Die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ist ausweislich des Urteils des BGH vom 01.07.1997 – XI ZR 267/96 nicht als einvernehmliche Vertragsaufhebung zu werten, sondern lediglich als Modifizierung des Darlehensvertrages und ist nach der Auffassung des BGH als vorzeitige Erbringung der Leistung zu werten. Nichts anderes kann nach diese Rechtsprechung bei Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung gelten.
39Der Anspruch auf Rückzahlung der Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 6.375,00 € ist nicht durch die Hilfsaufrechnung in Höhe von 3.044,47 € erloschen, denn die Nutzungen wären allenfalls bei Auszahlung zum 30.04.2011 gezogen worden, nicht jedoch zuvor insbesondere nicht seit dem 06.06.2007.
40Die Kläger haben desweiteren Anspruch auf Zahlung der begehrten Zinsen nur in Höhe von 83,86 €. Grundsätzlich sind nach § 346 Abs. 1 BGB nur tatsächlich gezogene Nutzungen herauszugeben. Bei Zahlungen an eine Bank bestehe laut Urteil des BGH vom 10.03.2009 – XI ZR 33/08 (Rn. 29 zitiert nach BeckRS 2009,11371) aber eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen habe, die sie als Nutzungsersatz herausgeben müsse. Die Beklagte hat die entsprechende Vermutung widerlegt und als Nutzungen 83,86 € dargelegt, so dass auch der Zinsanspruch nur insoweit zuzuerkennen war. Sofern die Klägerin sich hierzu nur mit Bestreiten erklärt hat, hätte sie, da die Vermutung widerlegt ist, eigenen substantiierten Vortrag zu gezogenen Nutzungen darlegen müssen.
41Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus Verzug gem. § 286 BGB.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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