Beschluss vom Landgericht Schwerin (5. Zivilkammer) - 5 T 93/16

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schwerin vom 22.02.2016, Az. 50 M 705/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Durch Vollstreckungsauftrag vom 03.02.2016 beauftragte die Gläubigerin den zuständigen Gerichtsvollzieher F. W., dem Schuldner aufgrund eines Vollstreckungstitels gemäß § 802 f. ZPO die Vermögensauskunft abzunehmen. Die Gläubigerin bestimmte in ihrem Auftrag folgendes:

2

„Sollte der Schuldner innerhalb der letzten zwei Jahre nach altem Recht des § 807 ZPO oder der letzten zwei Jahre gemäß § 802c ZPO eine Vermögensauskunft abgegeben haben, so wird beantragt, dem Gläubiger einen Abdruck des beim Gericht bzw. beim zentralen Vollstreckungsgericht hinterlegten Vermögensverzeichnisses zuzuleiten, wenn das Verzeichnis nicht älter als 12 Monate ist. Bei einem älteren Verzeichnis erfolgt Antragsrücknahme. Ist das Verzeichnis älter, wird um Mitteilung gebeten, wann und wo die Vermögensauskunft abgegeben wurde.“

3

Der Gerichtsvollzieher hat die Durchführung des Auftrages abgelehnt, weil die Vermögensauskunft bzw. die Erteilung einer Abschrift des Vermögensverzeichnisses nicht an eine Bedingung geknüpft werden könne.

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Die dagegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin, mit der sie beantragte den Gerichtsvollzieher anzuweisen, die Vollstreckung wie beauftragt durchzuführen (Antrag vom 15.02.2016, Bl. 1 d.A.), hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 22.02.2016 zurückgewiesen. Der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde der Gläubigerin vom 01.03.2016 hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 16.03.2016 nicht abgeholfen. Das Amtsgericht hat ausgeführt, der Vollstreckungsauftrag vom 03.02.2016 sei unzulässig, weil mit Einschränkungen versehen, die das Gesetz nicht zulasse. In einer Ausführung des Auftrages in der von der Gläubigerin beantragten Art und Weise, nämlich unter der Bedingung, dass das Vermögensverzeichnis nur übersandt werden solle, wenn dieses nicht älter als 12 Monate sei, liege ein Verstoß gegen § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO.

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Die Gläubigerin ist der Auffassung, es könne jederzeit ein bedingter Antrag gestellt bzw. eine bedingte Rücknahme des Vollstreckungsantrages vorgenommen werden. Als Gläubigerin sei sie Herrin des Vollstreckungsverfahrens. Zum weiteren Vorbringen der Gläubigerin wird auf ihre Schriftsätze vom 15.02.2016 und 07.03.2016 Bezug genommen.

II.

6

Die gemäß §§ 793, 766 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist nicht begründet. Der Gerichtsvollzieher hat zu Recht den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin vom 03.02.2016 nicht ausgeführt. Der Vollstreckungsauftrag war unzulässig, weil er mit Einschränkungen versehen ist, die das Gesetz nicht zulässt.

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In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein Gläubiger im Verfahren über die Erteilung einer Vermögensauskunft auf die Übersendung des früheren Vermögensverzeichnisses gemäß § 802d ZPO verzichten bzw. den Zwangsvollstreckungsauftrag beschränken kann mit der Folge, dass der Gerichtsvollzieher von der kostenpflichtigen Übersendung des Vermögensverzeichnisses absehen muss oder ob ein einschränkender Antrag auf Übersendung des Vermögensverzeichnisses nicht zulässig ist. Die Kammer schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

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Bereits der Wortlaut des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO lässt erkennen, dass eine Eingriffsmöglichkeit des Gläubigers, z.B. durch Verzicht auf eine Zuleitung des Vermögensverzeichnisses oder einen sonstigen beschränkenden Antrag bezüglich der Übersendung des Vermögensverzeichnisses in dem Fall, dass die erneute Vermögensabgabe nach § 802d Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht in Betracht kommt, nicht besteht. Die Formulierung „andernfalls leitet ... zu“ zeigt, dass es einen Spielraum für eine Entscheidungsmöglichkeit der am Vollstreckungsverfahren Beteiligten nicht gibt.

9

Die zwingende Folge der Übersendung des Vermögensverzeichnisses ohne eine Dispositionsmöglichkeit des Gläubigers, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zu § 802d ZPO (BT-Drs. 16/10069, S. 26). Dort heißt es:

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„Soweit daher der Anspruch weiterer Gläubiger auf Abgabe der Vermögensauskunft durch die Sperrfrist beschränkt ist, bestimmt Satz 2, dass der Gerichtsvollzieher ihnen einen Ausdruck der letzten abgegebenen Vermögensauskunft zukommen lassen muss.“

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Eine optionale Möglichkeit oder ein Ermessen lässt die Formulierung „.. zukommen lassen muss.“ nicht zu. Eine Einschränkung oder ein Recht des Gläubigers, durch einen entsprechenden Antrag auf die Frage der Übersendung des Vermögensverzeichnisses Einfluss nehmen zu können und die Übersendung von einer „Bedingung“ abhängig machen zu können, ist nach der Gesetzesbegründung nicht vorgesehen (so auch LG Münster, Beschluss vom 21.05.2015, 5 T 194/14).

12

Diese Auslegung wird bestätigt durch die geplante Änderung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO. Der Entwurf des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften (EuPfVODG) der Bundesregierung vom 17.02.2016 (BT-Drucksache 18/7560) sieht eine Änderung des § 802d ZPO vor. Danach soll „zur Klärung der in der Praxis streitigen Frage, ob der Gläubiger auf die Zuleitung des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses verzichten kann“ (vgl. Begründung des Vorschlages zur Gesetzesänderung), die seit dem 01.01.2013 geltenden Regelung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO wie folgt gefasst werden:

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„Andernfalls leitet der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses zu; ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung ist unbeachtlich.“

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Das Fehlen einer Regelung für die Möglichkeit eines bedingten Vollstreckungsauftrag in der geltenden Gesetzesfassung zeigt mithin nicht dessen Zulässigkeit, sondern spricht gegen diese (a.A. OLG Hamm, Beschluss vom 10.02.2015, I-25 W 277/14, 25 W 277/14 mwN; OLG Schleswig, Beschluss vom 12.02.2015, 9 W 143/14).

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Auch Sinn und Zweck der Vorschrift und das System des neuen Schuldnerverzeichnisses sprechen für eine zwingende Übersendung der schon vorliegenden Vermögensauskunft.

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Das neue Schuldnerverzeichnis soll als Auskunftsverzeichnis den Gläubigern aktuelle Kenntnisse über die Vermögensverhältnisse eines Schuldners verschaffen. Seine verstärkte Bedeutung liegt in der verbesserten Möglichkeit der Informationsbeschaffung für alle Gläubiger eines Schuldners bereits zu Beginn ihres jeweiligen Vollstreckungsverfahrens und insbesondere in dem Schutz der Gläubigerschaft vor Geschäften mit zahlungsunfähigen und zahlungsunwilligen Schuldnern. Den Gläubigern sollen weitere Erkenntnisse über den Schuldner durch ergänzende Fremdauskünfte ermöglicht werden. Ziel des Gesetzes war somit - neben dem Schutz des einzelnen Gläubigers -, in erster Linie ein verbesserter Schutz des Rechtsverkehrs. Die Blickrichtung war mithin nicht der einzelne Gläubiger allein, sondern die Gläubigerschaft insgesamt, das heißt der Rechtsverkehr im allgemeinen (vgl. BT-Drs 16/10069 S. 20). Dass diese Zielrichtung im Vordergrund der gesetzlichen Regelung steht, wird bestätigt durch die Begründung der geplanten Änderung des § 802d ZPO. In der Begründung hierzu heißt es (BT-Drs 18/7560, S. 37):

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„Gemäß § 882c Abs. 1 Nummer 3 ZPO ist die Zuleitung des Vermögensverzeichnisses an den Gläubiger Voraussetzung dafür, dass der Schuldner in das Schuldnerverzeichnis eingetragen werden kann. Der Gläubiger soll vor diesem Hintergrund nicht auf die Zuleitung des Vermögensverzeichnisses verzichten können, da andernfalls der Zweck des neuen Schuldnerverzeichnisses, Auskunft über die Kreditunwürdigkeit einer Person zu geben, nicht erreicht werden könnte.“

18

Der Zweck des Schuldnerverzeichnisses hat damit die Gesamtheit der Gläubigerschaft und den Schutz des Rechtsverkehrs im Blick. Dieser Zweck wird nur dadurch erreicht, dass die Übersendung der Vermögensauskunft an einen weiteren Gläubiger nach § 882c Abs. 1 Nr. 2 und 3 ZPO bei Ausfall einer vollständigen Befriedigung automatisch die erneute Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach sich zieht. Die Zielrichtung des Gesetzes würde entwertet, wäre es dem einzelnen Gläubiger möglich, durch die Art seines Antrages, nämlich wann er die Übersendung des Vermögensverzeichnisses wünscht, Einfluss darauf zu nehmen, ob eine erneute Eintragung in das Schuldnerverzeichnis erfolgt.

19

Dieser Auslegung steht nicht das im Zwangsvollstreckungsverfahren herrschende Antragsprinzip, die Dispositionsfreiheit oder die Parteiherrschaft des Gläubigers entgegen, der regelmäßig die Einleitung, die Beendigung oder den Stillstand eines Vollstreckungsverfahrens herbeiführen kann und zum Beispiel gemäß § 802a Abs. 2 ZPO Art und Umfang des Vollstreckungszugriffs bestimmen kann. Denn die Regelung in § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach die bereits abgegebene Vermögensauskunft statt deren erneuter Abgabe, die - automatische - Übersendung des Ausdruckes des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses zur Folge hat, stellt keine gesonderte, weitere Fortführungsmaßnahme des Vollstreckungsverfahrens gegenüber dem Erstantrag dar. Vielmehr enthält der Antrag des Gläubigers auf Abnahme der Vermögensauskunft für den Gerichtsvollzieher die alternative Handlungsanweisung, entweder die Vermögensauskunft abzunehmen, sofern eine solche in den letzten zwei Jahren nicht abgegeben worden ist, oder das bereits vorhandene Vermögensverzeichnis aus den letzten zwei Jahren an den Gläubiger zu übersenden. Die Parteiherrschaft des Gläubigers ist durch diese gesetzlich vorgegebene Alternativhandlungsanweisung an den Gerichtsvollzieher wirksam eingeschränkt, begründet aus dem Gesetzeszweck des verbesserten Schutzes des Rechtsverkehrs. Die grundsätzlich gegebene Dispositionsfreiheit des Gläubigers wird durch die gesetzlich vorgegebene Folge nicht wesentlich tangiert. Die gegenteilige Ansicht (OLG Hamm, Beschluss vom 10.02.2015, a.a.O.; OLG Schleswig, Beschluss vom 12.02.2015, a.a.O.) überzeugt nicht, da sie allein auf die Interessen des einzelnen Gläubigers abstellt.

20

Auch die in den Zwangsvollstreckungsverfahren bestehende Standardisierung des Verfahrensablaufes spricht gegen die Einräumung einer Eingriffsmöglichkeit des Gläubigers in das von dem Gerichtsvollzieher alternativ vorzunehmende Handeln gemäß § 802d Abs. 1 ZPO.

21

Hinzu kommt, worauf das Amtsgericht ebenfalls zu Recht hingewiesen hat, dass in dem Begehren eines Gläubigers, die Übersendung des hinterlegten Vermögensverzeichnisses nur bis zu einem bestimmten Alter zu wünschen, keine echte rechtliche Bedingung im Sinne des § 158 BGB liegt. Eine Bedingung in diesem Sinne ist eine Bestimmung, die die Rechtswirkung eines Geschäftes oder Antrages von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängig macht. Das Alter eines Vermögensverzeichnisses und dessen Abgabedatum ist jedoch kein zukünftiges ungewisses Ereignis, sondern ein lediglich dem Gläubiger nicht bekanntes Ereignis. Eine bestehende subjektive Ungewissheit stellt keine zulässige Rechtsbedingung dar (Palandt-Ellenberger, BGB, 75. Aufl., vor § 158 Rn. 5).

22

Die Möglichkeit zur Stellung eines eingeschränkten Vollstreckungsauftrages ist auch nicht im Hinblick auf das Informationsinteresse eines Gläubigers, ob sich eine zeitnahe Vollstreckung lohne, notwendig. Denn das Interesse festzustellen, ob bereits Dritte Vollstreckungsversuche unternommen haben, kann durch Einsichtnahme in das Schuldnerverzeichnis gem. § 882f ZPO gedeckt werden.

23

Ein etwaiges Interesse des einzelnen Gläubigers, die Kosten für erfolglose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen so gering wie möglich zu halten, hat hinter den Sinn und Zweck einer gesetzlichen Regelung zurückzustehen.

24

Die Beschwerde der Gläubigerin gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, mit der die Erinnerung gegen die Weigerung des Gerichtsvollziehers, den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin auszuführen, zurückgewiesen worden war, ist mithin ohne Erfolg.

III.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

26

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt gemäß § 574 Abs. 1, 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO.

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