Beschluss vom Landgericht Trier (1. Zivilkammer) - 1 S 127/16

Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Daun vom 09.08.2016, Az. 3b C 53/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

1

Eine mündliche Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO ist nicht geboten, weil der Sachverhalt geklärt und die gebotenen Beweise erhoben sind.

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Die Berufung ist auch offensichtlich unbegründet (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO):

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Der Klägerin stehen weder Ansprüche auf Unterlassung noch auf Richtigstellung der Behauptungen des Beklagten zu. Sie hat auch keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, weil der Beklagte behauptet hat:

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„Die Klägerin habe im Rahmen des Telefonats vom 17.07.2015 gegen 14:47 Uhr ausgeführt, dass es sich bei dem Verhalten des Herrn F... A... am 15.05.2015 um versuchten Totschlag gehandelt habe.

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Die Klägerin habe im Rahmen des Telefonats vom 17.07.2015 gegen 14:47 Uhr ausgeführt, dass es sich bei den „A...“ um gefährliche Menschen handele.

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Die Klägerin habe im Rahmen des Telefonats vom 17.07.2015 gegen 14:47 Uhr ausgeführt, dass man „diesen kriminellen A...“ das Handwerk legen müsse.

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Die Klägerin wendet sich gegen die Beweiswürdigung des Amtsgerichts. Diese ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

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Nach § 513 Abs.1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts gehört aber zum Kernbereich tatrichterlicher Tätigkeit. Sie kann durch das Berufungsgericht nur darauf überprüft werden, ob die vom Tatrichter gewonnene Überzeugung, die grundsätzlich hinzunehmen ist, auf einer gesicherten, verfahrensfehlerfreien und vollständigen Tatsachengrundlage beruht. Seiner Kontrolle unterliegt, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und wiederum nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Ist dies der Fall, hat das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legen.

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1. Die Klägerin war hinsichtlich der Unwahrheit der Tatsachenbehauptungen bezüglich aller genannten Ansprüche beweisbelastet. Werden aufgrund einer unwahren Tatsachenbehauptung zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht, liegt die Beweislast für die Unwahrheit nach allgemeinen Regeln grundsätzlich beim Kläger (BGH, Urteil v. 22.04.2008, Az: VI ZR 83/07 Rn 21; OLG München, Urteil vom 09.09.2014, Az: 18 U 516/14 Rn 37a; beide zitiert nach juris). Eine Beweislastumkehr findet nur im Anwendungsbereich der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB statt (BGH aaO, OLG München aaO). Diese Beweislastumkehr gilt nicht bei einem geltend gemachten Berichtigungsanspruch (BGH aaO, Rn 21 m.w.N.). Ein Anspruch auf Richtigstellung einer Tatsachenbehauptung setzt voraus, dass die Unwahrheit der Behauptung feststeht, weil niemand durch Richterspruch verpflichtet werden darf, etwas als unrichtig zu bezeichnen, was möglicherweise wahr ist (BGH, Urteil v. 22.04.2008, Az: VI ZR 83/07, Rn 20, zitiert nach juris).

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Da im vorliegenden Fall der Anwendungsbereich des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB mangels ehrenrühriger Tatsache nicht eröffnet ist, scheidet eine Beweislastumkehr auch bei den geltend gemachten Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüchen aus. Die Tatbestandsmerkmale des § 186 StGB sind nicht erfüllt. Die Äußerungen des Beklagten sind nicht geeignet, die Klägerin verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.

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Die Behauptungen des Beklagten über die Klägerin sind grundsätzlich neutral und geben nur Meinungen der Klägerin über Dritte wieder, ohne dass die Klägerin dadurch selbst in ihrer Ehre beeinträchtigt wurde und eine negative Wertung über die Klägerin enthalten ist. Dass sich die Klägerin nicht in ihrer Ehre beeinträchtigt gefühlt hat, ergibt sich auch daraus, dass zwischen Kenntnisnahme der Äußerungen des Beklagten zu Beginn des Augusts 2015 und Erstellung der Klageschrift fast 6 Monate vergangen sind. Die Klage ist offensichtlich nur eine Reaktion auf das vom Nachbarn angestrengte Verfahren vor dem Amtsgericht Bitburg, in dem dieser der Klägerin solche Äußerungen untersagen lassen will und Widerruf der Äußerungen verlangt. Die Klägerin selbst hat auch nichts dazu vorgetragen, wie sie durch die Äußerungen in ihrer Ehre beeinträchtigt sein will.

12

Dabei kann die Weitergabe von behaupteten Meinungsäußerungen über Dritte ehrenrührig sein, wenn damit nach Ansicht eines größeren und individuell unbestimmten Kreises der vermeintlich Äußernde als jemand dargestellt wird, der Gerüchte verbreitet oder schlecht über Dritte redet. Beides ist aber bei den Behauptungen des Beklagten nicht der Fall. Im konkreten Fall spiegelt der Inhalt der behaupteten Äußerungen die Meinung der Klägerin über ihren Nachbarn A... und dessen Ehefrau wieder, die die Klägerin auch nach außen kundgetan hat. Dass die Klägerin davon überzeugt ist, ihr Nachbar habe auf einem engen Feldweg versucht, ihre Tochter anzufahren, ergibt sich aus dem unstreitigen Tatsachenvortrag erster Instanz. Nur unter dieser Annahme ergibt auch der Anruf bei dem Beklagten - mit dem sie vorher nie Kontakt hatte - Sinn. Sie wollte diesen davon überzeugen, dass der Pkw des Nachbarn zu dem Zeitpunkt des behaupteten Vorfalls nicht bei dem Haus des Beklagten gestanden haben kann. Dass sie von einem Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags gegen den Nachbarn ausgegangen ist, ergibt sich aus dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.08.2015. Damit sind auch die sonstigen Meinungsäußerungen erfasst: Läge ein versuchter Totschlag vor, so wäre der Nachbar kriminell und auch gefährlich.

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2. Den Beklagten trifft unabhängig von der Beweislast auch keine erweiterte (sekundäre) Darlegungslast, die ihn anhält, Belegtatsachen für seine Behauptungen anzugeben (BGH aaO), da der Klägerin der genaue Kontext der behaupteten Äußerungen bekannt war. Im Übrigen hätte der Beklagte der sekundären Darlegungslast - so sie ihn denn träfe - durch seinen umfassenden Vortrag genügt.

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3. Der Klägerin ist der Beweis, dass die Behauptungen des Beklagten unwahr sind, durch die Zeugen P... und W… und aufgrund ihrer Parteivernehmung nicht gelungen. Ob deren Aussagen einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, weil sie die von der Klägerin im Telefonat gesprochenen Worte mitgehört haben wollen, kann dahinstehen. Dies wäre dann der Fall, wenn die Zeugen das Telefonat in rechtswidriger Weise mitgehört hätten (BVerfG, Urt. v. 09.10.2002, Az: 1 BvR 1611/96, zitiert nach juris).

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Jedenfalls ist die Würdigung des Amtsgerichts, das die Aussagen der Zeugen als nicht glaubhaft angesehen hat, nicht zu beanstanden. Zutreffend weist das Amtsgericht darauf hin, es sei erstaunlich, dass bei einem Telefonat mit dem Arbeitgeber der Nachbarin, mit dem vorher noch nie Kontakt bestand, zwei Zeugen das Telefonat mitgehört haben sollen, weil die Klägerin nach ihrem Vortrag sehr vorsichtig sei mit Personen, die sie „im Lage der Nachbarn vermute". Die Klägerin trägt auch nicht vor, warum sie im Umgang mit solchen Personen so vorsichtig sein will. Auch dass nur die Äußerungen der Klägerin im Telefonat mitgehört worden sein sollen, verwundert. Ziel des Telefonats war es, den Beklagten davon zu überzeugen, dass das Fahrzeug der Nachbarn zu dem Zeitpunkt, als ihre Tochter beinahe angefahren worden sein soll, nicht auf dem Grundstück des Nachbarn abgestellt gewesen sein kann. Insofern kam es auf mögliche Äußerungen des Beklagten an. Nur solche hätten den Beweis dafür erbringen können, dass die Bestätigung des Beklagten im einstweiligen Anordnungsverfahren unzutreffend gewesen ist. Die Äußerungen der Klägerin während des Telefonats haben für diese Frage keinen Beweiswert. Auch ergibt sich nicht, welchen Sinn das Erfinden der Äußerungen für den Beklagten gehabt haben soll. Ungleich wahrscheinlicher ist es, dass die Klägerin die behaupteten Aussagen aufgrund ihrer Verärgerung über ihre Nachbarn getätigt hat. Dafür spricht auch, dass ihr Prozessbevollmächtigter im Schreiben vom 13.08.2015 Ausführungen zu einem Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags gemacht hat.

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4. Auf die von der Berufung aufgeworfenen Fragen, wie lange das Telefonat der Parteien gedauert und ob das Amtsgericht die Grenzen des § 448 ZPO verkannt hat, kommt es insofern nicht an.

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5. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

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