Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Die Kläger verlangen von der Beklagten wegen Verletzung von sich aus einem genetischen Beratungsvertrag ergebenden Pflichten Ersatz desjenigen Schadens, der ihnen aus der Geburt ihres Sohnes L. entstanden ist und in der Zukunft noch entsteht.
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Die Kläger sind Eltern eines 1998 geborenen Sohnes L., der an dem Smith-Lemli - Opitz - Syndrom (SLOS), einer seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankung, leidet. Schon seine 1991 geborene ältere Schwester L1 war an demselben Syndrom erkrankt, die richtige Diagnose wurde aber erst nach der Geburt von L. gestellt. Wegen eines weiteren Kinderwunsches haben die Kläger 1996 zur Abklärung des Risikos der erneuten Geburt eines behinderten Kindes eine genetische Beratung am Institut für Anthropologie und Humangenetik der Beklagten in Anspruch genommen. Die Kläger halten diese genetische Beratung deswegen für fehlerhaft, weil der beratende Arzt bereits damals habe feststellen können und müssen, dass L1 an einem SLO-Syndrom leidet. Unter diesen Umständen hätten sie entweder von ihrem Kinderwunsch ganz abgesehen oder aber eine Schwangerschaft bei einem positiven Ergebnis einer Fruchtwasseruntersuchung vorzeitig beendet.
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Neben Entwicklungsverzögerungen weisen Kinder, die an dem SLO-Syndrom leiden, unterschiedliche Auffälligkeiten auf. Häufig sind ein kleiner Kopf (Mikrozephalie), tief sitzende Ohren, eine kleine nach oben gerichtete Nase mit breiter Nasenwurzel, eine Gaumenspalte, Trübung der Augenlinse, hängende Augenlider, ein kleines zurückliegendes Kinn, überzählige Finger oder Zehen, auffällige Handlinien (Vier-Finger-Furche), zusammengewachsene 2. und 3. Zehen (Syndaktylie), bei Knaben ein Hodenhochstand, sowie ein Herzfehler zu beobachten
(vgl.www.slos.de/syndrom2.htm)
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I. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Beratungsgespräch vom 29.01.1996 zwischen den Klägern und dem Humangenetiker Dr. E., der am vorerwähnten Institut der Beklagten tätig war und ist. Zu dem Gespräch hatten die Kläger ihre behinderte Tochter L1 mitgebracht. Die Ursache ihrer Behinderung war bis dahin nicht definitiv geklärt gewesen.
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1. L1 war am 14.03.1991 als erstes Kind der Kläger in der 41.Schwangerschaftswoche bei einer unauffälligen Geburt zur Welt gekommen. In der Folgezeit war sie durch Entwicklungsverzögerungen aufgefallen. Erstmals im Mai 1991 befand sie sich in Behandlung der Abteilung Entwicklungsneurologie der Kinderklinik T.. In den dortigen Unterlagen ist damals eine Syndaktylie der 2./3.Zehe festgehalten. In den Unterlagen der Kinderklinik findet sich der Hinweis, dass auch die „Omas“ diese Besonderheit aufweisen. In der mündlichen Verhandlung erläuterte die Klägerin Ziff.2 dies dahingehend, dass mit „Omas“ ihre Mutter sowie ihre Großmutter gemeint seien. In der entwicklungsneurologischen Sprechstunde der Kinderklinik T. am 15.05.1991 kam Prof. Dr. M. zu der Einschätzung:
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„L1 zeigte hier bei der Vorstellung einen unauffälligen entwicklungsneurologischen Befund. Ihre anfänglichen Saugschwierigkeiten insbesondere mangelnder Saugreflex könnten im Zusammenhang des Geburtsstresses zu erklären sein. Weitere Diagnostik und Therapie halten wir nicht für erforderlich … Momentan ist das Kind neurologisch unauffällig“ (vgl. Arztbrief vom 21.05.1991).
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Im Alter von 3 Monaten wurde L1 erneut der Abteilung Entwicklungsneurologie der Kinderklinik vorgestellt. In ihrem Arztbrief an die Kinderärztin vom 05.07.1991 halten Prof. Dr. M. und Frau Dr. G. unter anderem fest:
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“Beurteilung und Procedere: Neben dem schon im letzten Brief erwähnten Dysplasiezeichen (Syndaktylie, Fischmund) fallen jetzt noch zusätzlich ein konstanter Strabismus convergens sowie ein hoher Gaumen auf. Im neurologischen Bereich ist jetzt auffällig, dass das Kind eine mangelnde Kopfkontrolle hat bei sonst erhaltenem Muskeltonus und Muskelrelief …. . Um die Ursachen der beschriebenen Phänomene auszuschließen, haben wird Blutentnahmen vorgenommen …Wir haben die Mutter ausführlich über unsere Bedenken bzw. Unsicherheiten aufgeklärt und ihr versucht die Notwendigkeit der weiteren Diagnostik zu erklären. Da sie ihr Kind für völlig altersentsprechend entwickelt und unauffällig hält, stand sie diesen Erklärungen dementsprechend skeptisch gegenüber …“.
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Ein auf Anforderung der Kinderklinik T. durch die Universitätskinderklinik H., Sektion pädiatrische Stoffwechselkrankheiten, im Juli 1991 durchgeführtes Screening auf angeborene Stoffwechselerkrankungen ergab einen unauffälligen Befund. Im Begleitschreiben hatte Frau Dr. G. auf eine leichte psychomotorische Retardierung, den Strabismus, den Fischmund sowie die Syndaktylie hingewiesen.
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Eine Chromosomenuntersuchung in der Abteilung für Klinische Genetik der Beklagten ergab laut Abschlussbeurteilung vom 22.07.1991 einen numerisch und strukturell unauffälligen weiblichen Chromosomensatz. Im Begleitbogen zur Anforderung der Chromosomenanalyse erwähnte Frau Dr. G. wiederum als klinische Symptome eine leichte psychomotorische Retardierung, einen Strabismus beidseits, eine Syndaktylie der 2./3.Zehe sowie einen Fischmund.
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Prof. Dr. S., Kinderklinik T., diagnostizierte am 14.10.1991 eine psychomotorische Retardierung. Außerdem wies auch er auf den hohen Gaumen sowie den sog. Fischmund hin.
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Im Oktober 1991 stellten die Kläger L1 außerdem in der Hüftsprechstunde der Orthopädischen Klinik T. vor. Prof. Dr. K. kam dort zu folgender Diagnose:
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„Unauffällige Hüftreifung beidseits, anteilsweise Syndaktylie D II/III beidseits.
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Procedere: Klinisch wie sonographisch liegt beidseits ein Hüftnormalbefund vor. Weitere sonographische und radiologische Kontrollen sind nicht indiziert. Bezüglich der lediglich angedeuteten Syndaktylie D II/III besteht derzeit keine Therapiebedürftigkeit“.
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Im Arztbrief vom 30.04.1992 berichtete Frau Dr. B. - S., Abteilung Entwicklungsneurologie der Kinderklinik T., der Kinderärztin L. folgendes:
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„… Diagnose: Moebius-Syndrom mit Ptosis bds., Facialisschwäche bds., schultergürtelbetonte Muskelhypotonie…
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Anamnese: Beide Eltern seien als Kind ähnlich gewesen wie L1, zwar geistig fit, aber insgesamt still und motorisch verlangsamt. Der Vater sehe dem Kind im Gesicht ähnlich ….
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Beurteilung: Nach mehrfacher Beobachtung und Untersuchung des Kindes bin ich jetzt der Ansicht, dass es sich bei L1 um ein Moebius-Syndrom handelt …“.
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Im Juli 1992 befand sich L1 wegen einer Gastroenteritis stationär in der Kinderklinik und Poliklinik der G.-Universität G.. Der Entlassbrief vom 15.07.1992 lautet auszugsweise:
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„Diagnose: Möbius-Syndrom, chronische Dystrophie, somatorische Entwicklungs-verzögerung. Jetzt Gastroenteritis.“
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Nach einem ausführlichen Bericht über den Aufnahmebefund, in dem unter anderem auf eine mäßige Ptosis der Augenlieder, einen geringgradigen Strabismus convergens und eine diskrete Mundastschwäche des N.facialis hingewiesen wird, wird zur Beurteilung und zum Verlauf folgendes ausgeführt:
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“ … bei L1 handelt es sich um ein 15 Monate altes Mädchen mit bekanntem Möbius-Syndrom, chronischer Dystrophie und mäßiger motorischer Entwicklungsretardierung …“.
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Da die Kläger einen erneuten Kinderwunsch hegten, suchte die Klägerin Ziff.2 gemeinsam mit L1 erstmals im August 1992 das Institut für Humangenetik der Beklagten auf, um die Möglichkeit einer fehlerhaft genetischen Disposition abzuklären und ließ sich von Dr. E. humangenetisch beraten. Der Arztbrief vom 31.08.1992 an Frau Dr. B. - S., in dem Dr. E. das Ergebnis der Beratung zusammenfasste, lautet auszugsweise:
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„Aufgrund des klinischen Eindrucks und der bisherigen geringfügig verzögerten körperlichen und geistigen Entwicklung des Mädchens könnte durchaus ein Moebius-Syndrom vorliegen. … Auch gibt es keine eigentlich genetische Untersuchungsmöglichkeit zur weiteren Abklärung bei diesem Krankheitsbild. Das Moebius-Syndrom kommt meist sporadisch vor, und nur sehr selten sind von diesbezüglich unauffälligen Eltern mehrere Kinder mit dieser Auffälligkeit geboren worden. …
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Falls bei der Tochter ein Moebius-Syndrom vorliegt, würde man für eine weitere Schwangerschaft keine relevante Wiederholungswahrscheinlichkeit (2 %) anzugeben haben. Aufgrund der vorliegenden Arztberichte sind Stoffwechselstörungen bei der Tochter L1 weitgehend auszuschließen….“.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 31.08.1992 Bezug genommen.
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Im Arztbrief vom 17.12.1993 an den Kinderarzt Dr. K. hält Frau Dr. B. - S. folgende Diagnose fest:
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„V.a.Moebius-Syndrom mit Ptosis bds., Facialisschwäche bds, Generalisierte Muskelhypotonie mit Fußfehlstellungen, Somatische Retardierung mit Dystrophie und Mikrozephalie, Verzögerung der motorischen, sprachlichen und geistigen Entwicklung ….
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Beurteilung: L1 ist ein mehrfach behindertes Kind. Sie macht stetig langsame Entwicklungsfortschritte …“
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In der Ambulanzakte der Entwicklungsneurologie der Kinderklinik ist unter dem Datum 24. November 1995 vermerkt: „ … Eltern haben aber den Eindruck, dass L1 nicht geistig behindert ist, da sie oft ganz pfiffige Dinge tut“.
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Im Arztbrief vom 06.02.1995 schreibt Frau Dr. B. - S. unter anderem:
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“Es besteht ein unveränderter neurologischer Befund mit schwer generalisierter Muskelhypotonie, Ptosis bds. Facialisschwäche, Rumpfhaltungsschwäche, Knick-Hacken-Fuß li. Knick-Senkfuß re, unauffälliger Reflexstatus… . Da Familie R. der Gedanke nicht loslässt, dass die Ursache von L1s Behinderung doch eine perinatale Schädigung sein könnte, habe ich der Mutter vorgeschlagen, eine Kernspintomographie des Gehirns durchführen lassen“.
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Am 29.02.1996 stellten die Kläger L1 in der Sprechstunde der Orthopädischen Universitätsklinik H. vor. Der Arztbrief vom 18.03.1996 lautet auszugsweise:
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„Diagnose: Knick-Senk-Plattfuss bds.
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Das Kind wird vorgestellt mit erheblichem Knick-Senk-Spreizfuss bds., li.stärker als re. Zugrunde liegt ein fragliches Möbius-Syndrom, was bereits humangenetisch abgeklärt wurde, ganz typisch scheint es wohl nicht zu sein. Das Kind ist erheblich wachstumsretardiert sowie geistig und motorisch in der Entwicklung verzögert“.
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Im Arztbrief vom 02.09.1997 fasste Prof. Dr. H1, Universitätsaugenklinik T., die seit September 1991 eingeleitete Behandlung zusammen und hielt folgende Diagnose fest:
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„Strabismus convergens dexter mit A - Inkomitanz
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Allg.: Entwicklungsverzögerung unklarer Genese“.
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Prof. Dr. A., Universitätsklinik für Hals-Nasen- und Ohrenheilkunde T., konnte in der phoniatrisch - pädaudiologischen Sprechstunde vom 13.11.1997 eine Hörminderung ausschließen. Er diagnostizierte eine eingeschränkte Gaumensegelbeweglichkeit bei unklarer cerebraler Dysfunktion.
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Eine Untersuchung im Oktober 1997 ergab einen Cholesterinwert von 124 mg/dl (Untersuchungsbefund befindet sich in den Unterlagen des Kinderarztes Dr. K.).
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2. Am 29.01.1996 wandten sich die Kläger, die an ihrem Kinderwunsch festhielten, aus Sorge darüber, dass ein weiteres Kind ebenfalls mit einer Behinderung, wie sie L1 aufweist, auf die Welt kommen könnte, erneut an Dr. E..
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Im Rahmen dieser Beratung, die von 9.15 Uhr bis 11.15 Uhr dauerte, untersuchte Dr. E. L1. Der an Dr. N. gerichtete Bericht vom 29.02.1996 lautet auszugsweise:
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Diagnose: Psychomotorische Retardierung …
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… Die Tochter L1 weist eine deutliche psycho- und statomotorische Retardierung auf mit muskulärer Hypotonie. Eine Zuordnung zu einem definierten Syndrom ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Ein Moebius - Syndrom erscheint eher unwahrscheinlich… Im Fall eines autosomal - rezessiven Erbleidens müssten beide nicht blutsverwandten Eltern zufälligerweise heterozygot (mischerbig) für eine diesbezüglich veränderte Erbanlage sein… Für die Nachkommen würden sich drei Möglichkeiten ergeben: …3. ein Kind wäre homozygot betroffen, ähnlich wie die Tochter L1, mit einer 25 %- igen Wiederholungswahrscheinlichkeit.
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Dies stellen aber nur formalgenetische Betrachtungsweisen dar, eine Zuordnung zu einem definierten Syndrom bzw. Krankheitsbild ist bei der Tochter L1 nicht gelungen. Insofern kann auch keine eindeutige Erbprognose vorgenommen werden. Bei nicht zuordenbaren sog. Dysmorphiesyndromen wird für dieselben Eltern eine Schwankungsbreite zwischen 0 % und 25 % anzugeben sein, als Durchschnittskalkulation eine etwa 5 % bis 10 % Wiederholungswahrscheinlichkeit…..“.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom 29.02.1996 Bezug genommen.
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In der Folgezeit entschlossen sich die Kläger zu einem weiteren Kind. Am 02.02.1998 kam L. mit vergleichbaren geistigen und körperlichen Behinderungen wie L1 zur Welt. Die am 03.02.1998 von der Kinderklinik R. bei der Abteilung Klinische Genetik der Beklagten angeforderte Chromosomenuntersuchung erbrachte einen unauffälligen Befund. Im Hinblick auf die Familienanamnese und die klinischen und laborchemischen Befunde veranlasste die Kinderklinik R. eine Bestimmung des 7-DH-Cholesterols sowie des Cholesterols. Die Ergebnisse bestätigten bei L. den Verdacht auf das Smith - Lemli - Opitz - Syndrom.
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Erst danach konnte auch bei L1 dieses Krankheitsbild diagnostiziert werden. Prof. Dr. T., Kinderklinik R., hielt in seinem Arztbrief vom 01.04.1998 an den Kinderarzt Dr. K. fest:
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„ Anamnese: Bei L1 lag eine bisher nicht sicher zu klärende psychomotorische Retardierung vor… Jetzt wurde bei der Geburt des Geschwisterkindes L. aufgrund der klinischen Ähnlichkeit u.a. eine gezielte Diagnostik auf ein Smith - Lemli-Opitz - Syndrom durchgeführt….
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Bewertung und Empfehlung: Die klinische Befundkonstellation und insbesondere die Ähnlichkeit zwischen beiden Kindern ergaben den V.a.auf ein Smith - Lemli - Opitz-Syndrom …“.
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II. Die Kläger behaupten, die genetische Beratung im Jahr 1996 sei fehlerhaft gewesen. Dr. E. sei für die genetische Beratung nicht hinreichend qualifiziert gewesen. Inhalt des Beratungsvertrages sei auch die Zuordnung der Behinderungen L1s zu einem bestimmten Krankheitsbild gewesen. Dr. E. habe im Hinblick auf die bei L1 vorhandenen Symptome die Stellung einer zutreffenden Diagnose geschuldet. Das SLO-Syndrom sei nämlich schon seit 1994 ausführlich in Fachkreisen besprochen worden. Dr. E. habe daher dieses Syndrom zumindest differentialdiagnostisch in Erwägung ziehen müssen. Es sei zwingend gewesen, die verfügbaren Datenbanken zur Erweiterung der Differentialdiagnose einzusetzen; davon habe Dr. E. vorwerfbar abgesehen. Seit 1993 könne ein Verdacht auf SLOS durch eine Cholesterinmessung verifiziert werden. Auch diese gebotene Befunderhebung habe Dr. E. unterlassen.
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Die Kläger behaupten, bei vollständiger und richtiger Beratung hätten sie von der Zeugung eines weiteren Kindes abgesehen, jedenfalls aber eine etwaige Behinderung des erwarteten Kindes durch eine pränatale Diagnostik beizeiten abgeklärt und bei positivem Befund die Schwangerschaft vorzeitig abgebrochen. Die Beklagte habe daher für den durch die Geburt von L. verursachten Unterhaltsaufwand aufzukommen. Bezüglich der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die Klageschrift, insb. Bl 4 d.A, sowie auf die Beiakte 8 O 48/02, Blatt 7f Bezug genommen.
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1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 28.521,16 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus einem Betrag von 12.329,80 EUR (24.115,00 DM) ab dem 01.Januar 2001 und aus einem Betrag von 4.227,36 EUR (8.268,00 DM) ab dem 01.Januar 2002 und aus einem Betrag von 4.512,00 EUR ab 01.Januar 2003 und aus einem Betrag von 4.644,00 EUR ab 01.Januar 2004 und aus einem weiteren Betrag von 2.808,00 EUR ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
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2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger für das Kind L., geboren am 02.02.1998, einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 482,00 EUR monatlich ab 01.07.2004 zu zahlen mit der Maßgabe, dass dieser Unterhalt nach entsprechender Anwendung von § 1612a BGB dynamisiert wird, sowie zu einem darüber hinausgehenden monatlichen Betrag zur Abgeltung eines unterhaltsrechtlichen Mehr- und Sonderbedarfs des Kindes L. für die Vergangenheit und für die Zukunft nach Maßgabe des § 287 ZPO,
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3. festzustellen, dass die Beklagte den Klägern sämtlichen weitergehenden zukünftigen Schaden zu ersetzen hat.
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Die Beklagte weist den Vorwurf eines Beratungsfehlers von sich. Sie ist der Auffassung, die Beratung sei lege artis erfolgt. Aus der gebotenen ex - ante - Betrachtung habe der auf dem Gebiet der Humangenetik sehr erfahrene Dr. E. das SLOS bei L1 nicht erkennen müssen. Die bei L1 festzustellenden Symptome seien wenig ausgeprägt gewesen und hätten deshalb zu einer Vielzahl genetischer und nicht - genetischer Krankheitsbilder gepasst. Dr. E. habe den Klägern daher verdeutlicht, dass das Krankheitsbild von L1 nicht geklärt sei. Folgerichtig habe Dr. E. die Kläger formalgenetisch beraten, da eine autosomal - rezessive Erbkrankheit nicht habe ausgeschlossen werden können. Den Klägern sei eine mögliche Wiederholungsgefahr von 25 % somit bekannt gewesen. Dennoch hätten sie sich zur Zeugung eines weiteren Kindes entschlossen. Die Kläger hätten das Risiko einer Behinderung daher bewusst in Kauf genommen.
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Es sei davon auszugehen, dass ohne L.s Geburt L1s Erkrankung bis heute nicht hätte geklärt werden können. Auch die Kinderklinik R. habe nach der Geburt von L. nicht sofort ein SLO-Syndrom diagnostiziert. Vielmehr habe sie am 03.02.1998 eine Blutprobe von L. zur Chromosomenuntersuchung mit der klinischen Diagnose „Dysmorphiesyndrom“ übersandt.
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Dr. E., dem entgegen der Behauptung der Kläger das Smith - Lemli - Opitz-Syndrom im Zeitpunkt der Beratung 1996 durchaus bekannt gewesen sei, sei auch kein Befunderhebungsfehler unterlaufen, denn eine weiterführende Diagnostik setze zumindest eine Verdachtsdiagnose voraus.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen verwiesen.
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III. Die Kläger hatten vor dem Landgericht T. bereits im Rechtsstreit 8 O 48/02 mit der Behauptung einer fehlerhaften genetischen Beratung Klage gegen das Universitätsklinikum T. und den Leiter des Instituts für Humangenetik erhoben. Dieser Rechtsstreit, in dem die Kammer ein schriftliches Gutachten bei Prof. Dr. M., H., eingeholt hatte, endete durch Rücknahme der Klage. Die Akten 8 O 48/02 waren zu Beweiszwecken beigezogen.
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Im vorliegenden Rechtsstreit hat Prof. Dr. M. unter Bezugnahme auf sein im Verfahren 8 O 48/02 erstattetes schriftliches Gutachten vom 08.12.2003 mündlich dazu Stellung genommen, ob Dr. E. die Diagnose SLOS im Jahr 1996 fehlerhaft verkannte. Er hat weiterhin zu der Frage, ob 1996 das SLOS im Rahmen einer Pränataldiagnostik erkannt werden konnte, ein schriftliches Gutachten erstattet (Bl.71 ff d.A.). Die Kammer hat außerdem den Zeugen Dr. E. vernommen. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten von Prof.Dr. M. vom 08.12.2003 (Bl.98 ff der Beiakte) sowie das Protokoll vom 11.01.2006 (Bl. 86 d.A.) Bezug genommen.
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Die Kläger haben ihrerseits zum Beleg ihrer Sichtweise ein von Professor Dr. T. gefertigtes Privatgutachten vorgelegt.
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Die Behandlungsunterlagen des Universitätsklinikums T., der Kinderklinik R. und des Kinderarztes Dr. K. waren beigezogen.
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Auf den vorliegenden Fall ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art.229 § 5 S.1 EGBGB). Danach ist die Beklagte weder aus § 823 Abs.1 BGB noch wegen Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages (jetzt § 280 BGB) den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet. Dem Mitarbeiter der Beklagten Dr. E. ist im Rahmen der genetischen Beratung weder ein zur Haftung führender Beratungsfehler noch ein Befunderhebungsfehler, für die die Beklagte nach §§ 278, 831 BGB einstehen müsste, unterlaufen. Das Gegenteil haben die Kläger nicht zu beweisen vermocht. Die Feststellungen der Kammer beruhen auf dem Ergebnis der Zeugenvernehmung und den widerspruchsfreien, nachvollziehbaren und damit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M., der auf dem Gebiet der Humangenetik bereits seit vielen Jahren tätig ist.
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I. Ein Beratungsvertrag, der mit dem Ziel abgeschlossen wird, die Geburt eines erbgeschädigten Kindes zu vermeiden, verstößt nach h.M. nicht gegen die Rechtsordnung (vgl. BVerfG, NJW 1998, 519,521). Auch hier gilt jedoch, dass die ärztliche Berufshaftung keine Erfolgshaftung ist. Ein Arzt hat grundsätzlich nur für diejenigen Schäden einzustehen, die sich aus einem Verstoß gegen den ärztlichen Standard ergeben. Im Rahmen eines ärztlichen Beratungsvertrages ist daher eine (richtige) Zuordnung von Symptomen zu einem bestimmten Krankheitsbild nicht in jedem Fall geschuldet. Ein die Haftung begründender Diagnosefehler liegt vielmehr erst dann vor, wenn ein sorgfältig arbeitender Arzt auf dem entsprechenden Fachgebiet bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt die Diagnose hätte treffen können und müssen.
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Im Ausgangspunkt kann zwar das Nichterkennen einer bestehenden Erkrankung bzw. die Stellung einer unzutreffenden Diagnose im Einzelfall als Behandlungsfehler zu werten sein. Im Bereich der humangenetischen Beratung lässt sich nur in Kenntnis der richtigen Diagnose ein gesichertes Wiederholungsrisiko für weitere Nachkommen berechnen bzw. über Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik umfassend beraten. Irrtümer bei der Diagnosestellung, die in der Praxis nicht selten vorkommen, sind jedoch oft nicht die Folge eines vorwerfbaren Verhaltens. Die Symptome einer Erkrankung sind nicht immer eindeutig, sondern können auf die unterschiedlichsten Ursachen hinweisen. Diagnoseirrtümer, die objektiv auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen sind, können deshalb nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden (BGH, NJW 2003, 2828). Denn bei nachträglicher Betrachtung lässt sich fast bei jeder Fehldiagnose feststellen, dass und durch welche Erkenntnisquellen sie hätte vermieden werden können; das Erkennen von Krankheitsbildern unterliegt keinen starren Regeln, sondern ist jeweils durch die Person des Patienten und den unmittelbaren Eindruck des Arztes vom Patienten geprägt, weshalb dem Arzt ein Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum verbleiben muss, der auch durch das Haftungsrecht nicht nachträglich verkürzt werden darf (OLG Naumburg NJW-RR 2002, 312, 313 m.w.N.). Anderes gilt erst, wenn Symptome vorliegen, die für eine bestimme Erkrankung kennzeichnend sind, vom Arzt aber nicht ausreichend berücksichtigt werden.
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Diese für die Diagnose von Krankheiten im Allgemeinen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten auch im Rahmen eines genetischen Beratungsvertrages vor allem im Hinblick auf die Vielzahl genetischer Erkrankungen und ihrer unterschiedlichen Erscheinungsformen, die zu einem nicht unbeträchtlichen Teil noch gar nicht (vollständig) wissenschaftlich erforscht sind.
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Nach den Leitlinien zur Genetischen Beratung des Berufsverbandes Medizinische Genetik e.V. dient die genetische Beratung insbesondere dazu, dem Einzelnen oder einer Familie zu helfen, medizinisch-genetische Fakten zu verstehen, Entscheidungsalternativen zu bedenken und individuell angemessene Verhaltensweisen zu wählen. Die Genetische Beratung erfolgt auf der Basis umfassender Anamnese, wobei nicht selbständig erhobene Befunde unter medizinisch-genetischen Gesichtspunkten im Hinblick auf ihre Validität geprüft werden müssen. Nach den Leitlinien soll ein Beratungsgespräch mindestens eine halbe Stunde dauern. Im genetischen Beratungsgespräch soll der Genetiker dem Ratsuchenden insbesondere die medizinischen Zusammenhänge angeborener oder spätmanifester genetisch bedingter bzw. mitbedingter Erkrankungen und Behinderungen unter Einschluss von Ätiologie, Prognose und Therapie bzw. Prävention sowie die prä- und postnatale Diagnostik und ihre Grenzen vermitteln. Außerdem hat er die Bedeutung genetischer Faktoren bei der Krankheitsentstehung und deren Auswirkungen auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit für Angehörige bzw. den Beratenden selbst zu erklären. Wenn möglich, muss die Berechnung der Erkrankungsrisiken erfolgen, ansonsten hat der Genetiker zu versuchen, die Höhe des Erkrankungsrisikos abzuschätzen.
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II. Ausgehend von diesen Überlegungen lässt sich ein zur Haftung führender Beratungsfehler von Dr. E., für den die Beklagte gem. § 278 BGB bzw. § 831 BGB einzustehen hätte, nicht nachweisen.
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1. Die Beklagte hat den geschuldeten Fachstandard eingehalten.
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Dr. E. ist nach seinen Angaben bereits seit 1979 am Institut für Anthropologie und Humangenetik tätig. Bei Einführung des Titels „Facharzt für Humangenetik“ (vgl. Weiterbildungsverordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 17.03.1995) wurde Dr. E. die Facharztqualifikation im Hinblick auf Grund seiner langjährigen Erfahrungen als Humangenetiker verliehen. Dass er zur Erlangung des Facharzttitels keine Prüfung mehr absolvieren musste, rechtfertigt es nicht, an seiner Qualifikation zu zweifeln. In vielen Lebensbereichen zeigt sich vielmehr zur Genüge, dass allein das Ablegen einer Prüfung langjährige Erfahrungen nicht ersetzen kann. Dies gilt nach Auffassung der Kammer auf dem Gebiet der Humangenetik in besonderem Maße. Das Erkennen von genetischen Erkrankungen setzt in einem nicht zu unterschätzenden Umfang Übung und Erfahrung in der Diagnose von Krankheitsbildern voraus.
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2. Dr. E. ist bei seiner Beratung nach Maßgabe der Leitlinien vorgegangen.
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Er hat ausweislich der Unterlagen der Beklagten eine umfassende Familienanamnese (über vier Generationen) erhoben und L1 auch im Jahr 1996 erneut untersucht. Er hat seiner Beratung nicht unbesehen die Diagnose „Moebius-Syndrom“ der Abteilung für Entwicklungsneurologie und anderer Abteilungen des Universitätsklinikums T. zu Grunde gelegt, sondern sie kritisch geprüft und im Ergebnis zu Recht in Frage gestellt.
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3. Dr. E. ist kein Diagnosefehler im rechtlichen Sinne unterlaufen. Wie bereits erwähnt, war es zwar Aufgabe von Dr. E. als Humangenetiker im Rahmen des Beratungsvertrages grundsätzlich zu versuchen, die bei L1 festgestellten Symptome einem bestimmten Krankheitsbild zuzuordnen. Ein Diagnosefehler ist ihm jedoch nur dann vorzuhalten, wenn er seinerzeit angesichts der Behinderungen von L1 auf das SLOS hätte kommen müssen. L1 zeigte aber ein wenig charakteristisch ausgeprägtes Krankheitsbild. Insbesondere das Leitsymptom, die Syndaktylie, lag in einer nur sehr schwach entwickelten Variante vor, wovon sich die Kammer selbst in der Sitzung vom 11.01.2006 überzeugen konnte. In ihrer Summe passten die Symptome auf das Krankheitsbild der SLOS, aber auch auf viele anderer Krankheitsbilder. Mit etwas Instinkt, so der Sachverständige einleuchtend, hätte Dr. E. auch auf das SLOS kommen können; zwingend sei dies aber nicht gewesen.
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a) Der Sachverständige hat der Kammer zunächst anschaulich erläutert, dass die Diagnose eines bestimmten Krankheitsbildes in der Praxis häufig dadurch erschwert wird, dass Symptome oft nicht „lehrbuchmäßig“ auftreten, sondern weniger ausgeprägt sind. Hinzukommt die geringe Spezifität vieler Symptome, d.h. diese Auffälligkeiten sind bei einer Vielzahl von Krankheitsbildern zu beobachten und treten nicht selten auch bei ansonsten gesunden Personen auf. Außerdem sind Krankheiten oft Folge einer Wechselwirkung zwischen genetischer Veranlagung und äußeren Faktoren. Beim Smith – Lemli - Opitz-Syndrom fällt erschwerend ins Gewicht, dass es sich um eine relativ seltene Krankheit handelt (Inzidenz von 1: 40.000 bis 1:20.000). Neuere Studien geben für Europa und USA sogar nur eine Häufigkeit von 1: 60.000 Geburten an (Quelle: Prof. Dr. Hofmann, Dr. Haas, Universitätskinderklinik Heidelberg, www.slos.de). Auch anhand seiner eigenen Tätigkeit hat Prof. Dr. M. das seltene Auftreten dieser Krankheit veranschaulicht. So konnte der bereits seit 1975 auf dem Gebiet der Humangenetik tätige Gutachter erstmals selbst 1993 bei einem Patienten das SLOS diagnostizieren. In der Folgezeit hatte sich dieselbe Diagnose nur noch in einem Fall bestätigt. Zudem weist das Smith – Lemli – Opitz –Syndrom ein äußerst variables Krankheitsbild auf; die klinischen Symptome und der Schweregrad der Erkrankung können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, wodurch die Diagnose ebenfalls erschwert wird.
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b) Wie sich Dr. E. das Erkrankungsbild von L1 im Jahr 1996 zeigte, kann nur eingeschränkt anhand der vorgelegten Lichtbilder, die jeweils Momentaufnahmen festhalten, sowie der Behandlungsunterlagen über L1 rekonstruiert werden. Danach waren im Zeitpunkt der Beratung von L1 die gering ausgeprägte Syndaktylie der Zehen II und III, die Ptosis der Augenlieder, die geringe Mimik, die zeltförmig hochgezogene Oberlippe (die in den Behandlungsunterlagen mit „Fischmund“ umschrieben wird) sowie eine Wachstumsretardierung bekannt. Ihre motorische, sprachliche, psychische und kognitive Entwicklung war bis 1996 deutlich verzögert verlaufen. Anhand der überlassenen Lichtbilder beschreibt der Gutachter weiterhin eine Lidanomalie („Epikanthus“) sowie ein Einwärtsschielen. Ihre Nasenwurzel erscheint etwas flach, ebenso der Nasenrücken. Ihre Nasenspitze ist nach der Beschreibung des Sachverständigen im Unterschied zu Kindern mit SLOS eher schmal und „spitz“. Die so genannte Nasenbodenebene ist gering antevertiert. Ihr Gesicht und vor allem die Mundpartie wirken wenig tonisiert. Das Kinn des Mädchens ist etwas rückverlagert („Retrogenie“). Die Ohrmuscheln sind wohl geformt, wohl aber etwas tief angesetzt. Von erheblicher Bedeutung ist jedoch, dass entgegen der Behauptung der Kläger die Syndaktylie der Zehen II und III nur gering ausgeprägt ist und bei Weitem nicht das Ausmaß erreicht, das üblicherweise als „typisch“ für das SLOS gilt (vgl. z.B. die Abbildung, Bl.114 der Beiakte). Davon konnte sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung durch einen Augenschein ein eigenes Bild machen. Die beiden Zehen sind nur auf einer ganz kleinen Strecke, nicht einmal mit einem Drittel zusammengewachsen. Ins Gewicht fällt in diesem Zusammenhang, dass auch die Mutter sowie die Großmutter der Klägerin Ziff.2, die ansonsten gesundheitlich unauffällig sind, diese Besonderheiten aufweisen. Auch aus diesem Grund musste die Syndaktylie im Rahmen der Diagnostik an Bedeutung einbüßen.
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Den Klägern ist darin zuzustimmen, dass bei L1 damit eine Vielzahl an Auffälligkeiten vorhanden ist, die zu dem Befund eines SLOS passen. Jedoch ist zum einen ein Teil der Symptome wenig spezifisch. So sind insbesondere die Wachstumsretardierung, der eingeschränkte Muskeltonus, die Trinkschwäche, der Strabismus convergens, die Syndaktylie, der Epikanthus, aber auch die Ptosis Symptome, die bei einer Vielzahl von Krankheiten und nicht selten auch bei ansonsten gesunden Kindern auftreten. Zum anderen ist die Syndaktylie, die z.B. die Orthopädische Klinik lediglich als „andeutungsweise“ beschreibt, derart gering ausgebildet, dass ihr nicht die Funktion eines Leitsymptoms zukommen kann. Gerade Fehlbildungen der Hände und Füße kommt aber im Rahmen der Diagnose des SLOS erhebliche Bedeutung zu. Weiterhin stuft Prof. Dr. H1, Augenklinik T., den Schweregrad der Ptosis ebenfalls als gering ein. Eine Hexadaktylie, eine Fehlbildung, die ebenfalls auf das SLOS hinweist, ist bei L1 nicht vorhanden. Gleiches gilt für die Vier-Finger-Furche, die L1 an ihren Händen, anders als L., nicht aufweist. Hinzukommt das Ergebnis einer Stoffwechseluntersuchung im Jahr 1997. Danach hatte L1 einen Cholesterinwert von 124 mg/dl (die Referenzwerte liegen bei 99 - 224 mg/dl). Die Kammer folgt daher der Einschätzung des Gutachters, dass das SLOS bei L1 eher milde und wenig charakteristisch ausgeprägt ist (siehe zum Vergleich z.B. die Abbildungen S.141 der Beiakte, in Tariverdian/Buselmaier, Humangenetik, 3.Aufl., S.191 und Witkowski u.a. Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen, 7.Aufl., S.1155).
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Nach alledem war die Verdachtsdiagnose „Smith-Lemli-Opitz-Syndrom“ 1996 zwar durchaus möglich, wegen der milden Form des SLOS und wegen des Fehlens eines (ausgeprägten) Leitsymptoms, insbesondere an den Händen und Füßen, sowie im Hinblick auf die in die Vielzahl gehende Zahl genetischer Erkrankungen mit zum Teil vergleichbar unspezifischen Symptomen aber nicht zwingend geschuldet. Selbst der auf den Gebiet der Humangenetik erfahrene Gutachter, der bereits 1976 im Rahmen seiner Tätigkeit als Assistent von Prof. P1 an das Smith - Lemli - Opitz-Syndrom herangeführt wurde, hält es aus der gebotenen ex-ante-Sicht lediglich für möglich, dass er 1996 die Verdachtsdiagnose „SLOS“ gestellt hätte.
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c) Das Privatgutachten von Prof. Dr. T. rechtfertigt keine andere Beurteilung. Soweit ersichtlich, hat Prof. Dr. T. L1 im Jahr 1996 noch nicht gekannt. Auf welcher Grundlage er sein Gutachten erstellte, ist nicht ersichtlich. Mit den einzelnen Fehlbildungen, insbesondere mit der wenig ausgeprägten Syndaktylie, setzt sich das Gutachten nicht auseinander. Im Übrigen ist es in Kenntnis einer gesicherten Diagnose immer einfacher, die Symptome, die man zuvor „nicht hatte unterbringen können“ oder denen man ex-ante keine diagnostische Bedeutung zugemessen hat, nunmehr dem bekannten Krankheitsbild zuzuordnen.
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Aus der Treffsicherheit, mit der Prof. Dr. T. nach der Geburt von L. auf das SLO-Syndrom schloss, lässt sich für die geschuldete Einordnung der Behinderungen L1s nichts ableiten. Denn nach der Geburt von L. war die Diagnose wesentlich leichter, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat. L., wie L1 mit einem unauffälligen Chromosomensatz ausgestattet, wies in seinen anatomischen Missbildungen eine auffallende Ähnlichkeit mit seiner Schwester auf, sodass die Annahme einer genetisch bedingten, autosomal-rezessiv vererbbare Erkrankung nahe lag. Zudem hat L. - anders als L1 - an beiden Händen eine 4-Finger-Furche. Diese Fehlbildung deutet auf eine embryonal entstandene Entwicklungsstörung hin. Ins Gewicht fällt aber vor allem, dass bei L. im Vergleich zu L1 die Syndaktylie der Zehen II und III als Leitsymptom des SLOS besonders ausgeprägt ist. Hiervon hat sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung im Rahmen eines Augenscheins gleichfalls einen eigenen Eindruck verschafft. Die Zehen von L. sind zu etwa 2/3 zusammengewachsen und weisen die lehrbuchmäßige „Y-Form“ auf (vgl.Kelley, The Smith-Lemli-Opitz-Syndrom, J Med Genet 2000, 37, 321,324).
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In seinem Schreiben vom 01.04.1998 hält Prof. Dr. T. selbst fest, dass L. insbesondere wegen der Ähnlichkeit der Kindern gezielt auf das SLOS getestet wurde.
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d) Der Umstand, dass Dr. E. keine Datenbankrecherche durchgeführt hat, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Zwar können Datenbanken in gewissem Umfang die Vorauswahl denkbarer Diagnosen erleichtern und die Differentialdiagnose erweitern. Dies setzt aber voraus, dass der Genetiker einer bestimmten anatomischen Auffälligkeit des Patienten diagnostische Bedeutung beimisst und weiterhin auch einen konkreten Diagnoseverdacht hegt, um die Ergebnisse, die die Datenbank liefert, beurteilen zu können. Eine solche Verdachtsdiagnose hatte Dr. E. aber gerade nicht gestellt. Insbesondere hatte er den Zehenbefund bei L1 nicht als pathologisch eingeordnet, sondern als bloße Spielart der Natur betrachtet. Das war aber, wie erörtert, bei der geringen Ausprägung der Anomalie, nicht vorwerfbar.
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4. Auch im Übrigen ist die Beratung entsprechend der Leitlinien erfolgt. Gelingt eine Diagnose nicht, liegt der Schwerpunkt der Beratung auch darauf, dies den Ratsuchenden deutlich zu machen und die sich hieraus ergebenden Folgen zu besprechen. Dieser Pflicht ist Dr. E. nachgekommen. Er hat unmissverständlich und deutlich klar dargelegt, dass ihm eine eindeutige Diagnose zum derzeitigen Zeitpunkt nicht möglich war. Den Klägern war daher weiterhin die Möglichkeit eröffnet, entweder diesen Umstand zu akzeptieren oder aber L1s Erkrankung weiter nachzugehen. Schwerwiegend wäre es gewesen, wenn Dr. E. auf ungesicherter Basis eine eindeutige Empfehlung ausgesprochen hätte und so z.B. die Kläger von weiteren Untersuchungen, insbesondere auch im Rahmen einer pränatalen Diagnostik, abgehalten hätte. Dies hat er jedoch, wie erwähnt, gerade nicht getan.
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Vielmehr hat er ausgehend von seinen Erkenntnissen die Kläger richtig und umfassend beraten. Zunächst hat Dr. E. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Zuordnung zu einem bestimmten Krankheitsbild nicht gelungen ist. Er hat deutlich gemacht, dass die Frage, ob es sich um eine genetische oder aber um eine exogene Schädigung handelt, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt offen blieb. Folgerichtig hat er eine exakte Risikoaussage für eine erneute Schwangerschaft unterlassen und die Kläger „nur“ formalgenetisch beraten. Es ist nach den Ausführungen des Gutachters, denen sich die Kammer auch in diesem Punkt anschließt, nicht zu beanstanden, dass Dr. E. das rechnerische Risikospektrum auf der Grundlage einer Mischkalkulation mitteilte, da exogene Faktoren gerade nicht ausgeschlossen werden konnten. Denn eine eindeutige Erbprognose konnte und durfte Dr. E. auf dieser Grundlage nicht vornehmen.
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Entgegen der Behauptung der Kläger wurde das Wiederholungsrisiko auch nicht verharmlost. Die Kammer hat keinen Anlass, an den Angaben des Zeugen Dr. E. zu zweifeln, er habe die Eheleute R. darauf hingewiesen, dass ein genetischer Defekt nicht auszuschließen sei und dass in diesem Fall eine Wiederholungswahrscheinlichkeit von 25 % anzunehmen ist. Wie sich auch aus dem Bericht vom 29.02.1996 ergibt, wussten die Kläger daher nach der etwa 2 Stunden dauernden Beratung, dass Dr. E. keine gesicherte Empfehlung zum Für oder Wider der Verwirklichung des Kinderwunsches abgeben konnte. Ihnen wurde auf Grundlage der getroffenen Feststellungen verdeutlicht, dass die jahrelang getroffene Diagnose „Moebius- Syndrom“, die mit einer sehr geringen Wiederholungswahrscheinlichkeit einhergeht, sehr unwahrscheinlich ist, dass durchaus eine Erbkrankheit in Betracht kommt und dass sie im schlimmsten Fall mit einer Wiederholungswahrscheinlichkeit von 25 % rechnen mussten. Die Kläger konnten daher anhand dieser von Dr. E. vermittelten Kenntnisse eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen, ob sie im Hinblick auf dieser Grundlage ihren Kinderwunsch erfüllen wollten. Anders als in dem der Entscheidung des BGH in BGHZ 124,129 zu Grunde liegenden Fall hat Dr. E. gerade keine „beruhigende“ Auskunft gegeben, die die Eltern ermutigte, sich für ein weiteres Kind zu entscheiden.
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5. Eine Haftung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Befunderhebungsfehlers mit Blick darauf, dass Dr. E. auf eine weitere Abklärung der Gründe für L1s Behinderungen verzichtet hat.
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Wenn der Arzt eine unrichtige Diagnose deswegen stellt, weil er eine notwendige Befunderhebung entweder vor der Diagnosestellung oder danach zur erforderlichen Überprüfung der Diagnose unterlässt, muss er für eine daraus folgende objektiv falsche Diagnose und für ihre Folgen einstehen (vgl. BGH, NJW 2003, 2828). Zwar hätte eine Cholesterinmessung bei L1 bereits 1996 die Diagnose des SLOS ermöglicht. Die Untersuchung des Blutes auf seinen Cholesteringehalt war aber nach der überzeugenden Einschätzung des Gutachters der Kammer ohne eine entsprechende Verdachtsdiagnose entsprechend dem ärztlichen Standard nicht zweifelsfrei geboten. Insgesamt entsprach und entspricht eine umfassende Ausschlussdiagnostik ohne Verdachtsdiagnose nicht dem fachärztlichen Standard.
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6. Beweiserleichterungen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Dokumentationsmangels, kommen den Klägern nicht zu Gute. Zwar hat Dr. E. 1996 die im Rahmen der Untersuchung von L1 festgestellten Auffälligkeiten nicht erneut dokumentiert. Dieses Unterlassen verhilft der Klage jedoch nicht zum Erfolg. Eine unterbliebene Dokumentation bildet keine eigenständige Anspruchsgrundlage. Beweisschwierigkeiten der Kläger ergeben sich aus der unterlassenen Dokumentation nicht. Die Kammer hat ihrer Beurteilung diejenigen klinischen Symptome zugrunde gelegt, die sich für das Jahr 1996 aus den Behandlungsunterlagen von L1 ergeben und die der Gutachter anhand der vorgelegten Lichtbilder beschrieben hat.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt
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Der Streitwert für den Klageantrag Ziff.1 ergibt sich aus seiner Bezifferung. Der Streitwert für den Klageantrag Ziff.2 (Unterhalt ab 01.07.2004) berechnet sich gem. 48 GKG, 9 ZPO nach dem 3 ½ fachen Wert des einjährigen Bezuges (vgl. OLG Karlsruhe, Urt.v. 01.02.2006, Az. 13 U 134/04; Hartmann, Kostengesetze, 35.Aufl., § 9 ZPO RN 2 unter Hinweis auf BGH NJW 1981, 318). Dieser errechnet sich zum Einen aus dem geltend gemachten Barunterhalt, für den in derartigen Fällen 135 % des sich aus der Regelbetragsverordnung ergebenden Betrages anzusetzen ist. Dem zu leistenden Betreuungsunterhalt wird durch die Verdopplung des Baraufwandes Rechnung getragen. Dies ergibt, wie von den Klägern geltend gemacht, einen monatlichen Zahlbetrag von 482,-- EUR. Soweit die Kläger weiterhin einen gem. § 287 ZPO zu schätzenden Ersatz für Mehraufwendungen geltend machen, schätzt die Kammer diesen Betrag im Hinblick auf das von den Klägern bezogene Pflegegeld von 410,-- EUR bei Einreichung der Klage und mangelnder Angaben der Kläger auf monatlich 200,-- EUR. Für die Zeit bis 01.07.2004 errechnet sich damit als Mehrbedarf ein Betrag von 20.000,-- EUR. Für den ab 01.07.2004 geltend gemachten Unterhaltsanspruch ist der Streitwertberechnung damit ein Betrag von monatlich 682,-- EUR zu Grunde zu legen. Für die Zeit ab 01.07.2004 ergibt dies einen Streitwert von 28.644,-- EUR (682,-- EUR x 12 x 3,5 ). Insgesamt ist der Streitwert für den Klageantrag Ziff.2 mit 48.644,-- EUR zu bewerten.
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Den Streitwert für den Klageantrag Ziff.3 hat die Kammer gem. § 3 ZPO mangels näherer Anhaltspunkte auf 3.000,-- EUR geschätzt. Ein höherer Betrag kommt nicht in Betracht, da der Mehraufwand bereits im Klageantrag Ziff.2 berücksichtigt wurde
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Auf den vorliegenden Fall ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art.229 § 5 S.1 EGBGB). Danach ist die Beklagte weder aus § 823 Abs.1 BGB noch wegen Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages (jetzt § 280 BGB) den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet. Dem Mitarbeiter der Beklagten Dr. E. ist im Rahmen der genetischen Beratung weder ein zur Haftung führender Beratungsfehler noch ein Befunderhebungsfehler, für die die Beklagte nach §§ 278, 831 BGB einstehen müsste, unterlaufen. Das Gegenteil haben die Kläger nicht zu beweisen vermocht. Die Feststellungen der Kammer beruhen auf dem Ergebnis der Zeugenvernehmung und den widerspruchsfreien, nachvollziehbaren und damit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M., der auf dem Gebiet der Humangenetik bereits seit vielen Jahren tätig ist.
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I. Ein Beratungsvertrag, der mit dem Ziel abgeschlossen wird, die Geburt eines erbgeschädigten Kindes zu vermeiden, verstößt nach h.M. nicht gegen die Rechtsordnung (vgl. BVerfG, NJW 1998, 519,521). Auch hier gilt jedoch, dass die ärztliche Berufshaftung keine Erfolgshaftung ist. Ein Arzt hat grundsätzlich nur für diejenigen Schäden einzustehen, die sich aus einem Verstoß gegen den ärztlichen Standard ergeben. Im Rahmen eines ärztlichen Beratungsvertrages ist daher eine (richtige) Zuordnung von Symptomen zu einem bestimmten Krankheitsbild nicht in jedem Fall geschuldet. Ein die Haftung begründender Diagnosefehler liegt vielmehr erst dann vor, wenn ein sorgfältig arbeitender Arzt auf dem entsprechenden Fachgebiet bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt die Diagnose hätte treffen können und müssen.
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Im Ausgangspunkt kann zwar das Nichterkennen einer bestehenden Erkrankung bzw. die Stellung einer unzutreffenden Diagnose im Einzelfall als Behandlungsfehler zu werten sein. Im Bereich der humangenetischen Beratung lässt sich nur in Kenntnis der richtigen Diagnose ein gesichertes Wiederholungsrisiko für weitere Nachkommen berechnen bzw. über Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik umfassend beraten. Irrtümer bei der Diagnosestellung, die in der Praxis nicht selten vorkommen, sind jedoch oft nicht die Folge eines vorwerfbaren Verhaltens. Die Symptome einer Erkrankung sind nicht immer eindeutig, sondern können auf die unterschiedlichsten Ursachen hinweisen. Diagnoseirrtümer, die objektiv auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen sind, können deshalb nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden (BGH, NJW 2003, 2828). Denn bei nachträglicher Betrachtung lässt sich fast bei jeder Fehldiagnose feststellen, dass und durch welche Erkenntnisquellen sie hätte vermieden werden können; das Erkennen von Krankheitsbildern unterliegt keinen starren Regeln, sondern ist jeweils durch die Person des Patienten und den unmittelbaren Eindruck des Arztes vom Patienten geprägt, weshalb dem Arzt ein Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum verbleiben muss, der auch durch das Haftungsrecht nicht nachträglich verkürzt werden darf (OLG Naumburg NJW-RR 2002, 312, 313 m.w.N.). Anderes gilt erst, wenn Symptome vorliegen, die für eine bestimme Erkrankung kennzeichnend sind, vom Arzt aber nicht ausreichend berücksichtigt werden.
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Diese für die Diagnose von Krankheiten im Allgemeinen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten auch im Rahmen eines genetischen Beratungsvertrages vor allem im Hinblick auf die Vielzahl genetischer Erkrankungen und ihrer unterschiedlichen Erscheinungsformen, die zu einem nicht unbeträchtlichen Teil noch gar nicht (vollständig) wissenschaftlich erforscht sind.
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Nach den Leitlinien zur Genetischen Beratung des Berufsverbandes Medizinische Genetik e.V. dient die genetische Beratung insbesondere dazu, dem Einzelnen oder einer Familie zu helfen, medizinisch-genetische Fakten zu verstehen, Entscheidungsalternativen zu bedenken und individuell angemessene Verhaltensweisen zu wählen. Die Genetische Beratung erfolgt auf der Basis umfassender Anamnese, wobei nicht selbständig erhobene Befunde unter medizinisch-genetischen Gesichtspunkten im Hinblick auf ihre Validität geprüft werden müssen. Nach den Leitlinien soll ein Beratungsgespräch mindestens eine halbe Stunde dauern. Im genetischen Beratungsgespräch soll der Genetiker dem Ratsuchenden insbesondere die medizinischen Zusammenhänge angeborener oder spätmanifester genetisch bedingter bzw. mitbedingter Erkrankungen und Behinderungen unter Einschluss von Ätiologie, Prognose und Therapie bzw. Prävention sowie die prä- und postnatale Diagnostik und ihre Grenzen vermitteln. Außerdem hat er die Bedeutung genetischer Faktoren bei der Krankheitsentstehung und deren Auswirkungen auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit für Angehörige bzw. den Beratenden selbst zu erklären. Wenn möglich, muss die Berechnung der Erkrankungsrisiken erfolgen, ansonsten hat der Genetiker zu versuchen, die Höhe des Erkrankungsrisikos abzuschätzen.
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II. Ausgehend von diesen Überlegungen lässt sich ein zur Haftung führender Beratungsfehler von Dr. E., für den die Beklagte gem. § 278 BGB bzw. § 831 BGB einzustehen hätte, nicht nachweisen.
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1. Die Beklagte hat den geschuldeten Fachstandard eingehalten.
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Dr. E. ist nach seinen Angaben bereits seit 1979 am Institut für Anthropologie und Humangenetik tätig. Bei Einführung des Titels „Facharzt für Humangenetik“ (vgl. Weiterbildungsverordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 17.03.1995) wurde Dr. E. die Facharztqualifikation im Hinblick auf Grund seiner langjährigen Erfahrungen als Humangenetiker verliehen. Dass er zur Erlangung des Facharzttitels keine Prüfung mehr absolvieren musste, rechtfertigt es nicht, an seiner Qualifikation zu zweifeln. In vielen Lebensbereichen zeigt sich vielmehr zur Genüge, dass allein das Ablegen einer Prüfung langjährige Erfahrungen nicht ersetzen kann. Dies gilt nach Auffassung der Kammer auf dem Gebiet der Humangenetik in besonderem Maße. Das Erkennen von genetischen Erkrankungen setzt in einem nicht zu unterschätzenden Umfang Übung und Erfahrung in der Diagnose von Krankheitsbildern voraus.
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2. Dr. E. ist bei seiner Beratung nach Maßgabe der Leitlinien vorgegangen.
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Er hat ausweislich der Unterlagen der Beklagten eine umfassende Familienanamnese (über vier Generationen) erhoben und L1 auch im Jahr 1996 erneut untersucht. Er hat seiner Beratung nicht unbesehen die Diagnose „Moebius-Syndrom“ der Abteilung für Entwicklungsneurologie und anderer Abteilungen des Universitätsklinikums T. zu Grunde gelegt, sondern sie kritisch geprüft und im Ergebnis zu Recht in Frage gestellt.
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3. Dr. E. ist kein Diagnosefehler im rechtlichen Sinne unterlaufen. Wie bereits erwähnt, war es zwar Aufgabe von Dr. E. als Humangenetiker im Rahmen des Beratungsvertrages grundsätzlich zu versuchen, die bei L1 festgestellten Symptome einem bestimmten Krankheitsbild zuzuordnen. Ein Diagnosefehler ist ihm jedoch nur dann vorzuhalten, wenn er seinerzeit angesichts der Behinderungen von L1 auf das SLOS hätte kommen müssen. L1 zeigte aber ein wenig charakteristisch ausgeprägtes Krankheitsbild. Insbesondere das Leitsymptom, die Syndaktylie, lag in einer nur sehr schwach entwickelten Variante vor, wovon sich die Kammer selbst in der Sitzung vom 11.01.2006 überzeugen konnte. In ihrer Summe passten die Symptome auf das Krankheitsbild der SLOS, aber auch auf viele anderer Krankheitsbilder. Mit etwas Instinkt, so der Sachverständige einleuchtend, hätte Dr. E. auch auf das SLOS kommen können; zwingend sei dies aber nicht gewesen.
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a) Der Sachverständige hat der Kammer zunächst anschaulich erläutert, dass die Diagnose eines bestimmten Krankheitsbildes in der Praxis häufig dadurch erschwert wird, dass Symptome oft nicht „lehrbuchmäßig“ auftreten, sondern weniger ausgeprägt sind. Hinzukommt die geringe Spezifität vieler Symptome, d.h. diese Auffälligkeiten sind bei einer Vielzahl von Krankheitsbildern zu beobachten und treten nicht selten auch bei ansonsten gesunden Personen auf. Außerdem sind Krankheiten oft Folge einer Wechselwirkung zwischen genetischer Veranlagung und äußeren Faktoren. Beim Smith – Lemli - Opitz-Syndrom fällt erschwerend ins Gewicht, dass es sich um eine relativ seltene Krankheit handelt (Inzidenz von 1: 40.000 bis 1:20.000). Neuere Studien geben für Europa und USA sogar nur eine Häufigkeit von 1: 60.000 Geburten an (Quelle: Prof. Dr. Hofmann, Dr. Haas, Universitätskinderklinik Heidelberg, www.slos.de). Auch anhand seiner eigenen Tätigkeit hat Prof. Dr. M. das seltene Auftreten dieser Krankheit veranschaulicht. So konnte der bereits seit 1975 auf dem Gebiet der Humangenetik tätige Gutachter erstmals selbst 1993 bei einem Patienten das SLOS diagnostizieren. In der Folgezeit hatte sich dieselbe Diagnose nur noch in einem Fall bestätigt. Zudem weist das Smith – Lemli – Opitz –Syndrom ein äußerst variables Krankheitsbild auf; die klinischen Symptome und der Schweregrad der Erkrankung können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, wodurch die Diagnose ebenfalls erschwert wird.
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b) Wie sich Dr. E. das Erkrankungsbild von L1 im Jahr 1996 zeigte, kann nur eingeschränkt anhand der vorgelegten Lichtbilder, die jeweils Momentaufnahmen festhalten, sowie der Behandlungsunterlagen über L1 rekonstruiert werden. Danach waren im Zeitpunkt der Beratung von L1 die gering ausgeprägte Syndaktylie der Zehen II und III, die Ptosis der Augenlieder, die geringe Mimik, die zeltförmig hochgezogene Oberlippe (die in den Behandlungsunterlagen mit „Fischmund“ umschrieben wird) sowie eine Wachstumsretardierung bekannt. Ihre motorische, sprachliche, psychische und kognitive Entwicklung war bis 1996 deutlich verzögert verlaufen. Anhand der überlassenen Lichtbilder beschreibt der Gutachter weiterhin eine Lidanomalie („Epikanthus“) sowie ein Einwärtsschielen. Ihre Nasenwurzel erscheint etwas flach, ebenso der Nasenrücken. Ihre Nasenspitze ist nach der Beschreibung des Sachverständigen im Unterschied zu Kindern mit SLOS eher schmal und „spitz“. Die so genannte Nasenbodenebene ist gering antevertiert. Ihr Gesicht und vor allem die Mundpartie wirken wenig tonisiert. Das Kinn des Mädchens ist etwas rückverlagert („Retrogenie“). Die Ohrmuscheln sind wohl geformt, wohl aber etwas tief angesetzt. Von erheblicher Bedeutung ist jedoch, dass entgegen der Behauptung der Kläger die Syndaktylie der Zehen II und III nur gering ausgeprägt ist und bei Weitem nicht das Ausmaß erreicht, das üblicherweise als „typisch“ für das SLOS gilt (vgl. z.B. die Abbildung, Bl.114 der Beiakte). Davon konnte sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung durch einen Augenschein ein eigenes Bild machen. Die beiden Zehen sind nur auf einer ganz kleinen Strecke, nicht einmal mit einem Drittel zusammengewachsen. Ins Gewicht fällt in diesem Zusammenhang, dass auch die Mutter sowie die Großmutter der Klägerin Ziff.2, die ansonsten gesundheitlich unauffällig sind, diese Besonderheiten aufweisen. Auch aus diesem Grund musste die Syndaktylie im Rahmen der Diagnostik an Bedeutung einbüßen.
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Den Klägern ist darin zuzustimmen, dass bei L1 damit eine Vielzahl an Auffälligkeiten vorhanden ist, die zu dem Befund eines SLOS passen. Jedoch ist zum einen ein Teil der Symptome wenig spezifisch. So sind insbesondere die Wachstumsretardierung, der eingeschränkte Muskeltonus, die Trinkschwäche, der Strabismus convergens, die Syndaktylie, der Epikanthus, aber auch die Ptosis Symptome, die bei einer Vielzahl von Krankheiten und nicht selten auch bei ansonsten gesunden Kindern auftreten. Zum anderen ist die Syndaktylie, die z.B. die Orthopädische Klinik lediglich als „andeutungsweise“ beschreibt, derart gering ausgebildet, dass ihr nicht die Funktion eines Leitsymptoms zukommen kann. Gerade Fehlbildungen der Hände und Füße kommt aber im Rahmen der Diagnose des SLOS erhebliche Bedeutung zu. Weiterhin stuft Prof. Dr. H1, Augenklinik T., den Schweregrad der Ptosis ebenfalls als gering ein. Eine Hexadaktylie, eine Fehlbildung, die ebenfalls auf das SLOS hinweist, ist bei L1 nicht vorhanden. Gleiches gilt für die Vier-Finger-Furche, die L1 an ihren Händen, anders als L., nicht aufweist. Hinzukommt das Ergebnis einer Stoffwechseluntersuchung im Jahr 1997. Danach hatte L1 einen Cholesterinwert von 124 mg/dl (die Referenzwerte liegen bei 99 - 224 mg/dl). Die Kammer folgt daher der Einschätzung des Gutachters, dass das SLOS bei L1 eher milde und wenig charakteristisch ausgeprägt ist (siehe zum Vergleich z.B. die Abbildungen S.141 der Beiakte, in Tariverdian/Buselmaier, Humangenetik, 3.Aufl., S.191 und Witkowski u.a. Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen, 7.Aufl., S.1155).
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Nach alledem war die Verdachtsdiagnose „Smith-Lemli-Opitz-Syndrom“ 1996 zwar durchaus möglich, wegen der milden Form des SLOS und wegen des Fehlens eines (ausgeprägten) Leitsymptoms, insbesondere an den Händen und Füßen, sowie im Hinblick auf die in die Vielzahl gehende Zahl genetischer Erkrankungen mit zum Teil vergleichbar unspezifischen Symptomen aber nicht zwingend geschuldet. Selbst der auf den Gebiet der Humangenetik erfahrene Gutachter, der bereits 1976 im Rahmen seiner Tätigkeit als Assistent von Prof. P1 an das Smith - Lemli - Opitz-Syndrom herangeführt wurde, hält es aus der gebotenen ex-ante-Sicht lediglich für möglich, dass er 1996 die Verdachtsdiagnose „SLOS“ gestellt hätte.
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c) Das Privatgutachten von Prof. Dr. T. rechtfertigt keine andere Beurteilung. Soweit ersichtlich, hat Prof. Dr. T. L1 im Jahr 1996 noch nicht gekannt. Auf welcher Grundlage er sein Gutachten erstellte, ist nicht ersichtlich. Mit den einzelnen Fehlbildungen, insbesondere mit der wenig ausgeprägten Syndaktylie, setzt sich das Gutachten nicht auseinander. Im Übrigen ist es in Kenntnis einer gesicherten Diagnose immer einfacher, die Symptome, die man zuvor „nicht hatte unterbringen können“ oder denen man ex-ante keine diagnostische Bedeutung zugemessen hat, nunmehr dem bekannten Krankheitsbild zuzuordnen.
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Aus der Treffsicherheit, mit der Prof. Dr. T. nach der Geburt von L. auf das SLO-Syndrom schloss, lässt sich für die geschuldete Einordnung der Behinderungen L1s nichts ableiten. Denn nach der Geburt von L. war die Diagnose wesentlich leichter, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat. L., wie L1 mit einem unauffälligen Chromosomensatz ausgestattet, wies in seinen anatomischen Missbildungen eine auffallende Ähnlichkeit mit seiner Schwester auf, sodass die Annahme einer genetisch bedingten, autosomal-rezessiv vererbbare Erkrankung nahe lag. Zudem hat L. - anders als L1 - an beiden Händen eine 4-Finger-Furche. Diese Fehlbildung deutet auf eine embryonal entstandene Entwicklungsstörung hin. Ins Gewicht fällt aber vor allem, dass bei L. im Vergleich zu L1 die Syndaktylie der Zehen II und III als Leitsymptom des SLOS besonders ausgeprägt ist. Hiervon hat sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung im Rahmen eines Augenscheins gleichfalls einen eigenen Eindruck verschafft. Die Zehen von L. sind zu etwa 2/3 zusammengewachsen und weisen die lehrbuchmäßige „Y-Form“ auf (vgl.Kelley, The Smith-Lemli-Opitz-Syndrom, J Med Genet 2000, 37, 321,324).
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In seinem Schreiben vom 01.04.1998 hält Prof. Dr. T. selbst fest, dass L. insbesondere wegen der Ähnlichkeit der Kindern gezielt auf das SLOS getestet wurde.
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d) Der Umstand, dass Dr. E. keine Datenbankrecherche durchgeführt hat, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Zwar können Datenbanken in gewissem Umfang die Vorauswahl denkbarer Diagnosen erleichtern und die Differentialdiagnose erweitern. Dies setzt aber voraus, dass der Genetiker einer bestimmten anatomischen Auffälligkeit des Patienten diagnostische Bedeutung beimisst und weiterhin auch einen konkreten Diagnoseverdacht hegt, um die Ergebnisse, die die Datenbank liefert, beurteilen zu können. Eine solche Verdachtsdiagnose hatte Dr. E. aber gerade nicht gestellt. Insbesondere hatte er den Zehenbefund bei L1 nicht als pathologisch eingeordnet, sondern als bloße Spielart der Natur betrachtet. Das war aber, wie erörtert, bei der geringen Ausprägung der Anomalie, nicht vorwerfbar.
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4. Auch im Übrigen ist die Beratung entsprechend der Leitlinien erfolgt. Gelingt eine Diagnose nicht, liegt der Schwerpunkt der Beratung auch darauf, dies den Ratsuchenden deutlich zu machen und die sich hieraus ergebenden Folgen zu besprechen. Dieser Pflicht ist Dr. E. nachgekommen. Er hat unmissverständlich und deutlich klar dargelegt, dass ihm eine eindeutige Diagnose zum derzeitigen Zeitpunkt nicht möglich war. Den Klägern war daher weiterhin die Möglichkeit eröffnet, entweder diesen Umstand zu akzeptieren oder aber L1s Erkrankung weiter nachzugehen. Schwerwiegend wäre es gewesen, wenn Dr. E. auf ungesicherter Basis eine eindeutige Empfehlung ausgesprochen hätte und so z.B. die Kläger von weiteren Untersuchungen, insbesondere auch im Rahmen einer pränatalen Diagnostik, abgehalten hätte. Dies hat er jedoch, wie erwähnt, gerade nicht getan.
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Vielmehr hat er ausgehend von seinen Erkenntnissen die Kläger richtig und umfassend beraten. Zunächst hat Dr. E. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Zuordnung zu einem bestimmten Krankheitsbild nicht gelungen ist. Er hat deutlich gemacht, dass die Frage, ob es sich um eine genetische oder aber um eine exogene Schädigung handelt, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt offen blieb. Folgerichtig hat er eine exakte Risikoaussage für eine erneute Schwangerschaft unterlassen und die Kläger „nur“ formalgenetisch beraten. Es ist nach den Ausführungen des Gutachters, denen sich die Kammer auch in diesem Punkt anschließt, nicht zu beanstanden, dass Dr. E. das rechnerische Risikospektrum auf der Grundlage einer Mischkalkulation mitteilte, da exogene Faktoren gerade nicht ausgeschlossen werden konnten. Denn eine eindeutige Erbprognose konnte und durfte Dr. E. auf dieser Grundlage nicht vornehmen.
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Entgegen der Behauptung der Kläger wurde das Wiederholungsrisiko auch nicht verharmlost. Die Kammer hat keinen Anlass, an den Angaben des Zeugen Dr. E. zu zweifeln, er habe die Eheleute R. darauf hingewiesen, dass ein genetischer Defekt nicht auszuschließen sei und dass in diesem Fall eine Wiederholungswahrscheinlichkeit von 25 % anzunehmen ist. Wie sich auch aus dem Bericht vom 29.02.1996 ergibt, wussten die Kläger daher nach der etwa 2 Stunden dauernden Beratung, dass Dr. E. keine gesicherte Empfehlung zum Für oder Wider der Verwirklichung des Kinderwunsches abgeben konnte. Ihnen wurde auf Grundlage der getroffenen Feststellungen verdeutlicht, dass die jahrelang getroffene Diagnose „Moebius- Syndrom“, die mit einer sehr geringen Wiederholungswahrscheinlichkeit einhergeht, sehr unwahrscheinlich ist, dass durchaus eine Erbkrankheit in Betracht kommt und dass sie im schlimmsten Fall mit einer Wiederholungswahrscheinlichkeit von 25 % rechnen mussten. Die Kläger konnten daher anhand dieser von Dr. E. vermittelten Kenntnisse eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen, ob sie im Hinblick auf dieser Grundlage ihren Kinderwunsch erfüllen wollten. Anders als in dem der Entscheidung des BGH in BGHZ 124,129 zu Grunde liegenden Fall hat Dr. E. gerade keine „beruhigende“ Auskunft gegeben, die die Eltern ermutigte, sich für ein weiteres Kind zu entscheiden.
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5. Eine Haftung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Befunderhebungsfehlers mit Blick darauf, dass Dr. E. auf eine weitere Abklärung der Gründe für L1s Behinderungen verzichtet hat.
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Wenn der Arzt eine unrichtige Diagnose deswegen stellt, weil er eine notwendige Befunderhebung entweder vor der Diagnosestellung oder danach zur erforderlichen Überprüfung der Diagnose unterlässt, muss er für eine daraus folgende objektiv falsche Diagnose und für ihre Folgen einstehen (vgl. BGH, NJW 2003, 2828). Zwar hätte eine Cholesterinmessung bei L1 bereits 1996 die Diagnose des SLOS ermöglicht. Die Untersuchung des Blutes auf seinen Cholesteringehalt war aber nach der überzeugenden Einschätzung des Gutachters der Kammer ohne eine entsprechende Verdachtsdiagnose entsprechend dem ärztlichen Standard nicht zweifelsfrei geboten. Insgesamt entsprach und entspricht eine umfassende Ausschlussdiagnostik ohne Verdachtsdiagnose nicht dem fachärztlichen Standard.
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6. Beweiserleichterungen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Dokumentationsmangels, kommen den Klägern nicht zu Gute. Zwar hat Dr. E. 1996 die im Rahmen der Untersuchung von L1 festgestellten Auffälligkeiten nicht erneut dokumentiert. Dieses Unterlassen verhilft der Klage jedoch nicht zum Erfolg. Eine unterbliebene Dokumentation bildet keine eigenständige Anspruchsgrundlage. Beweisschwierigkeiten der Kläger ergeben sich aus der unterlassenen Dokumentation nicht. Die Kammer hat ihrer Beurteilung diejenigen klinischen Symptome zugrunde gelegt, die sich für das Jahr 1996 aus den Behandlungsunterlagen von L1 ergeben und die der Gutachter anhand der vorgelegten Lichtbilder beschrieben hat.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt
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Der Streitwert für den Klageantrag Ziff.1 ergibt sich aus seiner Bezifferung. Der Streitwert für den Klageantrag Ziff.2 (Unterhalt ab 01.07.2004) berechnet sich gem. 48 GKG, 9 ZPO nach dem 3 ½ fachen Wert des einjährigen Bezuges (vgl. OLG Karlsruhe, Urt.v. 01.02.2006, Az. 13 U 134/04; Hartmann, Kostengesetze, 35.Aufl., § 9 ZPO RN 2 unter Hinweis auf BGH NJW 1981, 318). Dieser errechnet sich zum Einen aus dem geltend gemachten Barunterhalt, für den in derartigen Fällen 135 % des sich aus der Regelbetragsverordnung ergebenden Betrages anzusetzen ist. Dem zu leistenden Betreuungsunterhalt wird durch die Verdopplung des Baraufwandes Rechnung getragen. Dies ergibt, wie von den Klägern geltend gemacht, einen monatlichen Zahlbetrag von 482,-- EUR. Soweit die Kläger weiterhin einen gem. § 287 ZPO zu schätzenden Ersatz für Mehraufwendungen geltend machen, schätzt die Kammer diesen Betrag im Hinblick auf das von den Klägern bezogene Pflegegeld von 410,-- EUR bei Einreichung der Klage und mangelnder Angaben der Kläger auf monatlich 200,-- EUR. Für die Zeit bis 01.07.2004 errechnet sich damit als Mehrbedarf ein Betrag von 20.000,-- EUR. Für den ab 01.07.2004 geltend gemachten Unterhaltsanspruch ist der Streitwertberechnung damit ein Betrag von monatlich 682,-- EUR zu Grunde zu legen. Für die Zeit ab 01.07.2004 ergibt dies einen Streitwert von 28.644,-- EUR (682,-- EUR x 12 x 3,5 ). Insgesamt ist der Streitwert für den Klageantrag Ziff.2 mit 48.644,-- EUR zu bewerten.
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Den Streitwert für den Klageantrag Ziff.3 hat die Kammer gem. § 3 ZPO mangels näherer Anhaltspunkte auf 3.000,-- EUR geschätzt. Ein höherer Betrag kommt nicht in Betracht, da der Mehraufwand bereits im Klageantrag Ziff.2 berücksichtigt wurde
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