Urteil vom Landgericht Tübingen - 4 O 224/16

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 23.961,59 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Klägerin, eine private Krankenkasse in der Rechtsform des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, begehrt von der Beklagten, dem ...., aus übergegangenem Recht die Erstattung der Umsatzsteuer für in der Krankenhausapotheke der Beklagten in den Jahren 2012 und 2013 individuell hergestellte und an die Versicherten der Klägerin verabreichte Zytostatika in Höhe von insgesamt 23.961,59 EUR.
Die Beklagte, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, behandelte in den Jahren 2012 und 2013 Versicherte der Klägerin. Den Versicherten wurden jeweils im Rahmen einer bei der Beklagten ambulant durchgeführten Chemotherapie Arzneimittel verabreicht, die in der dem Klinikum angeschlossenen Apotheke individuell hergestellt wurden.
Im Einzelnen ist zwischen den Parteien streitig, ob es sich bei den Arzneimitteln um Zytostatika handelt bzw. wie andere im Zusammenhang mit der Chemotherapie verordnete, ambulant verabreichte und individuell in der Krankenhausapotheke hergestellte Arzneimittel umsatzsteuerrechtlich zu behandeln sind. Hinsichtlich der den Versicherten in Rechnung gestellten Arzneimittelkosten wird auf das Anlagenkonvolut K2 bis K128 (Anlagenband I) und K130 bis K303 (Anlagenband II) verwiesen.
Die Klägerin hat den bei ihr Versicherten die Arzneimittelkosten einschließlich der Umsatzsteuer unstreitig erstattet.
Die entgeltliche Abgabe von individuell hergestellten Zytostatika zur ambulanten Verabreichung in den Krankenhausräumen wurde bis 2004 von der Finanzverwaltung nicht als umsatzsteuerpflichtig eingestuft, weshalb die Krankenhausträger für solche Leistungen bei privat und gesetzlich krankenversicherten Patienten keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt haben. Dieser Rechtszustand änderte sich durch die Umsatzsteuer-Richtlinie 2005 (UStR 2005), wonach gemäß deren Abschnitt 100 Abs. 3 Nr. 4 die Abgabe von Medikamenten durch ermächtigte Krankenhausambulanzen an Patienten während der ambulanten Behandlung sowie die Abgabe von Medikamenten durch Krankenhausapotheken an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus nicht zu den „eng verbundenen Umsätzen“ i.S.d. § 4 Nr. 16b S.1 UStG a.F. gehöre und daher umsatzsteuerpflichtig sei. Eine entsprechende Regelung sah auch Ziff. 4.14.6. UStAE a.F. vor. Dieser Richtlinie entsprechend wurden in derartigen Fällen die in der Krankenhausapotheke der Beklagten in den Jahren 2012 und 2013 hergestellten Zytostatika den Patienten unter Ausweisung der Umsatzsteuer in Rechnung gestellt.
Nachdem die Finanzrechtsprechung (wie das FG Münster, Urteil v. 12.05.2011, Az. 5 K 435/09 - zitiert nach juris) die Medikamentenabgabe durch die Krankenhausapotheken zur ambulanten Versorgung als umsatzsteuerfreie Krankenhausleistung i.S.d. § 4 Nr. 16b UStG a.F. bewertete, legte der BFH die sich aus der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ergebenden europarechtlichen Auslegungsfragen mit Beschluss vom 15.05.2012 dem EuGH zur Entscheidung vor.
Der EuGH entschied mit Urteil vom 13.03.2014 (Az. C-107/13, zitiert nach juris), dass die Lieferung von Gegenständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen zytostatischen Medikamenten, die von innerhalb des Krankenhauses selbständig tätigen Ärzten im Rahmen ambulanter Krebsbehandlungen verschrieben wurden, nicht von der Umsatzsteuer befreit sei, es sei denn, diese Lieferung sei in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der Hauptleistung der ärztlichen Heilbehandlung untrennbar, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts sei.
Mit Urteil vom 24.09.2014 (Az. V R 19/11 - DStR 2014, 2505) entschied der BFH, dass die Verabreichung von Zytostatika, die individuell für den Patienten in der Krankenhausapotheke hergestellt wurden, im Rahmen einer ambulant in dem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Behandlung als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gem. § 4 Nr. 16b UStG a.F. umsatzsteuerfrei sei.
Mit Schreiben vom 28.09.2016 (Anlage K129, Bl. 53 ff. d.A.) erließ das Bundesfinanzministerium eine Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses unter Berücksichtigung des vorerwähnten BFH-Urteils und teilte mit, dass die sich aus diesem Schreiben ergebenden Grundsätze in allen offenen Fällen mit einer Übergangsfrist bis zum 31.03.2017 (Abschnitt V, S. 5, Bl. 57 d.A.) anzuwenden seien.
10 
Nachdem die Beklagte der vorgerichtlichen Aufforderung der Klägerin, eine Verjährungsverzichtserklärung abzugeben, nicht nachgekommen war, leitete die Klägerin ein Mahnverfahren gegen die Beklagte über eine (Haupt-)Forderung i.H.v. 23.273,12 EUR ein und beantragte nach Widerspruch die Durchführung des streitigen Verfahrens über einen Anspruch i.H.v. 10.660,54 EUR für den Zeitraum 24.02.2012 bis 26.10.2012.
11 
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte gemäß §§ 86, 194 Abs. 2 VVG i.V.m §§ 812 ff. BGB zur Erstattung der Umsatzsteuer verpflichtet sei, da die Abgabe von in der Krankenhausapotheke individuell hergestellten Zytostatika umsatzsteuerfrei ist und die Umsatzsteuer daher ohne rechtlichen Grund von den Versicherten der Klägerin an die Beklagte geleistet worden sei. Dass die Finanzverwaltung die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen falsch ausgelegt und eine dieser (unzutreffenden) Auffassung entsprechende Verwaltungsvorschrift erlassen habe, könne nicht zu ihren Lasten gehen. Die Beklagte sei - trotz der Abführung der Umsatzsteuer an das Finanzamt - nicht entreichert, da sie gegen das Finanzamt einen Erstattungsanspruch in entsprechender Höhe habe. Der Umstand, dass die Grundsätze des BFH-Urteils vom 24.09.2014 nach dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums explizit nur auf „offene Fälle“ anzuwenden sind, stehe dem nicht entgegen. Den Krankenhausträgern werde ausdrücklich eine Berichtigungsmöglichkeit eingeräumt, von der die Beklagte aufgrund des krankenversicherungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot Gebrauch machen müsse. Die im BMF-Schreiben vorgesehene Übergangsfrist stelle eine gemäß Art. 107 AEUV unzulässige staatliche Beihilfe dar, sodass die Beklagte hiervon keinen Gebrauch machen dürfe.
12 
Unabhängig davon sei der Beklagten wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung eine Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB verwehrt. Der Entreicherungseinwand sei ihr auch deshalb verschlossen, da der Beklagten aufgrund der Entscheidung des FG Münster vom 12.05.2011, Az. 5 K 435/09, bekannt gewesen sei bzw. hätte bekannt sein müssen, dass die Abgabe von individuell in der Krankenhausapotheke hergestellter Zytostatika zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus von der Umsatzsteuer befreit ist.
13 
Die Beklagte sei zur Geltendmachung der Umsatzsteuerfreiheit gegenüber dem Finanzamt durch Korrektur der Rechnungen verpflichtet.
14 
Zur Höhe des geltend gemachten Bereicherungsanspruchs trägt die Klägerin ergänzend vor, dass die Umsatzsteuerfreiheit auch hinsichtlich der in Rechnung gestellten Avastin-Spritzen, der Supportiva und der monoklonalen Antikörper zu berücksichtigen sei. Avastin-Spritzen und Supportiva seien Bestandteil der Zytostatika-Behandlung; monoklonale Antikörper fielen zwar nicht unter die Zytostatika-Behandlung, allerdings erstrecke sich die Umsatzsteuerfreiheit entsprechend der Rechtsprechung des EuGH auf alle Krankenhausbehandlungen sowie damit eng verbundenen Umsätze. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zur Anspruchshöhe wird auf die Ausführungen auf S. 9 ff. im Schriftsatz vom 10.10.2016 verwiesen (Bl. 47 ff. d.A.).
15 
Im Schriftsatz vom 22.12.2016 (Bl. 75 ff. d.A.) hat die Klägerin die Klage um die im Jahr 2013 bezahlte Umsatzsteuer in Höhe von 13.301,05 EUR erweitert und beantragt nunmehr,
16 
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.660,54 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2015 und 13.301,05 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie den nicht anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr in Höhe von 958,19 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
17 
Die Beklagte beantragt,
18 
die Klage abzuweisen.
19 
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Änderung der umsatzsteuerlichen Behandlung nur in offenen Fällen greife und hinsichtlich der bereits erbrachten Umsätze an der bisherigen umsatzsteuerpflichtigen Behandlung festgehalten werden könne.
20 
Eine Korrektur der Rechnungen beabsichtigt die Beklagte wegen des damit verbundenen Aufwandes nicht. Aus ihrer Sicht bestehe auch keine vertragliche Nebenpflicht zur Korrektur, da die Berichtigung allein im Interesse der Klägerin liege, die Beklagte aber den Aufwand für die Erstellung der Korrekturmeldungen zu tragen hätte und ihr dies nicht zumutbar sei. Im Übrigen sei die Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruchs nicht zutreffend (vgl. dazu die Berechnungen der Beklagten gemäß der Anlage B1, Bl. 28 f. d.A.). Dies ergebe sich einerseits aus dem Umstand, dass in der Aufstellung der Klägerin (Anlagenkonvolut im Anlagenband I) auch andere Arzneimittel als Zytostatika berücksichtigt seien und die Klägerin anderseits übersehen habe, dass die Höhe eines etwaigen Erstattungsanspruchs gegen das Finanzamt wegen des Vorsteuerabzugs völlig unklar sei.
21 
Hinsichtlich des weiteren Parteienvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2016 (Bl. 59ff. d.A.) verwiesen. Die Parteien haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erteilt (vgl. Bl. 89, 132 d.A). Mit Beschluss vom 20.02.2017 wurde Schriftsatzfrist bis zum 06.03.2017 gewährt und Verkündungstermin auf den 24.03.2017 bestimmt.
22 
In dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 16.03.2017 (Bl. 207 d.A.) hat die Klägerin hilfsweise den Antrag gestellt, die Beklagte zu verurteilen, ihren Umsatzsteuer-Rückerstattungsanspruch gegen das zuständige Finanzamt für die bezahlte Umsatzsteuer i.H.v. 10.660,54 EUR für das Jahr 2012 und i.H.v. 13.301,05 EUR für das Jahr 2013 an die Klägerin abzutreten.

Entscheidungsgründe

 
I.
23 
Die zulässige Klage ist unbegründet. Für den geltend gemachten Zahlungsanspruch fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
24 
1. Nachdem unstreitig die Klägerin die von ihren Versicherten an die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum entrichtete Umsatzsteuer an ihre Vertragspartner zurückerstattet hat, ist von einer Aktivlegitimation der Klägerin auszugehen (§ 86 Abs. 1 VVG).
25 
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB i.V.m. §§ 194 Abs. 2, 86 Abs. 1 VVG.
26 
a) Die Beklagte hat durch die Bezahlung der streitgegenständlichen Rechnungen einschließlich Umsatzsteuer durch die Versicherten der Klägerin zwar durch Leistung einen Vermögensvorteil erlangt. Dass die Umsatzsteuer von der Beklagten an das Finanzamt weitergeleitet wurde, steht einem Vermögensvorteil nicht entgegen, da diese zunächst auf dem Konto der Beklagten gutgeschrieben wurde und damit eine Vermögensmehrung eingetreten ist.
27 
b) Den Vermögensvorteil in Form der vereinnahmten Umsatzsteuer hat die Beklagten aber nicht ohne Rechtsgrund erlangt.
28 
Für die Frage, wie sich ein Irrtum über den Anfall der Umsatzsteuer auswirkt, d.h. ob die Umsatzsteuerfreiheit nach dem UStG zum Wegfall des Rechtsgrundes der Leistung führt, kommt es in der Regel auf den Inhalt der Vergütungsvereinbarung an; entscheidend ist, ob es sich um eine Brutto- oder Nettopreisvereinbarung handelt.
29 
Bei einer Bruttopreisvereinbarung trifft den Rechnungsempfänger die volle Zahlungspflicht, auch wenn der Abrechnende die Steuerpflicht zu Unrecht annahm und Steuer aus dem Betrag herausgerechnet ausgewiesen hat (vgl. BGH, Urteil v. 11.05.2001 - V ZR 492/99 - NJW 2001, 2464). Anderes gilt, wenn die Parteien eine Nettopreisabrede getroffen haben; in diesem Fall richtet sich die vom Leistungsempfänger zu tragende Umsatzsteuer nach dem vom Leistenden an das Finanzamt abzuführenden Betrag (wobei im Einzelnen streitig ist, ob die festgesetzte Umsatzsteuer oder die anfallende Umsatzsteuer maßgeblich ist, vgl. Rohe/Knobbe, Die Auslegung einer vertraglichen Nettopreisabrede, NJW 2012, 2156).
30 
Zum Inhalt der Vergütungsabrede, die zwischen der Beklagten und den Versicherten der Klägerin getroffen worden ist, hat die Klägerin nicht näher vorgetragen. Zwar hat der Klägervertreter im letzten nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16.03.2017 behauptet, dass eine Nettopreisvereinbarung unstreitig sei. Aus Sicht der Kammer ergibt sich dies entgegen dem Vortrag des Klägervertreters insbesondere nicht aus dem Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 07.03.2017 (Bl. 138 ff. d.A.). In diesem zitiert der Beklagtenvertreter lediglich eine sozialgerichtliche Entscheidung, die eine Nettopreisabrede zum Gegenstand hatte; daraus folgt aber nicht, dass die Beklagte unstreitig gestellt hat, dass es zwischen ihr und den Versicherten eine solche Vereinbarung gegeben hat.
31 
Grundsätzlich gilt, dass Beträge ohne besondere Vereinbarung als Bruttopreise anzusehen sind (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 28.01.2014 - Az. 19 U 107/13 - MDR 2014, 679).
32 
Indessen kann der Inhalt der Vergütungsvereinbarung hier ausnahmsweise offen bleiben, da die Klägerin selbst bei einer Nettopreisvereinbarung zwischen der Beklagten und ihren Versicherten keinen Zahlungsanspruch aus übergegangenem Recht hätte. Denn die Beklagte schuldet die fehlerhaft ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 UStG bis zur Berichtigung gegenüber dem Finanzamt. Der Rechtsgrund verhält sich bei einer Nettopreisabrede akzessorisch zum Rechtsgrund im Umsatzsteuerschuldverhältnis (vgl. Krieger/Penner, Das Zytostatikaurteil des Bundesfinanzhofs, SGb 2015, 607 ff. mit Verweis auf BSG, Urteil v. 17.07.2008, Az. B 3 KR 18/07 - MedR 2009, 932; BSG, Urteil v. 03.03.2009, Az. B 1 KR 7/08 - NZS 2010, 154).
33 
Die Klägerin führt zutreffend aus, dass die Abgabe von individuell hergestellten Zytostatika zur im Krankenhaus ambulant durchgeführte Behandlung entsprechend der Rechtsprechung des BFH auch in den Jahren 2012 und 2013 umsatzsteuerfrei war. Die hier maßgebliche Bestimmung zur Umsatzsteuerfreiheit hat sich inhaltlich nicht geändert: Sowohl nach § 4 Nr. 16b UStG a.F. wie nach § 4 Nr. 14b UStG n.F. sind Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerfrei, wenn es sich um Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden, handelt. Dass bei der Verabreichung von individuell in der Krankenhausapotheke hergestellten Zytostatika für ambulante Chemotherapien von eng verbundenen Umsätzen auszugehen ist, ist nunmehr durch das zitierte Urteil des BFH vom 14.09.2014 geklärt worden. Die davon abweichende Praxis der Finanzverwaltung, die die Formulierung „eng verbundene Umsätze“ zum damaligen Zeitpunkt so ausgelegt hat, dass es für die Umsatzsteuerfreiheit entscheidend ist, ob es sich um eine stationäre oder ambulante Behandlung handelt (vgl. § 100 UStR 2005 und 4.14.6 UStAE a.F.) mit der Folge, dass die hier streitgegenständliche Abgabe von Zytostatika als umsatzsteuerpflichtig behandelt wurde, wurde zwischenzeitlich aufgegeben (vgl. BMF-Schreiben vom 28.09.2016). Diese Änderung der Verwaltungspraxis stellt - wie der Klägervertreter zutreffend ausführt - lediglich eine Anpassung an die geltende Rechtslage dar.
34 
Dennoch schuldet die Beklagte nach wie vor gemäß § 14c Abs. 1 UStG gegenüber dem Finanzamt die entrichtete Umsatzsteuer, da eine Berichtigung des Steuerbetrages nach § 17 Abs. 1 UStG erst nach Berichtigung der Rechnungen gemäß § 14c Abs. 1 S. 2 UStG möglich und die Berichtigung Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO ist.
35 
Die Beklagte hat die Mehrwertsteuer unstreitig in den Rechnungen (vgl. Anlagenkonvolut Anlagenband I, II) ausgewiesen, obwohl es sich um steuerfreie Leistungen i.S.d. § 4 Nr. 14b UStG n. F. handelt. Gemäß § 14c Abs. 1 UStG schuldet der Unternehmer den Mehrbetrag, wenn er in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag ausgewiesen hat, als er nach dem UStG für den Umsatz schuldet. Unter den Anwendungsbereich des § 14c Abs. 1 UStG fallen auch solche Konstellationen, in denen eine Umsatzsteuer ausgewiesen wird, obwohl es sich - wie hier - um steuerfreie Umsätze handelt (vgl. Stadie in: Stadie, Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl. 2015, § 14c UStG Rn. 46). Solange die unrichtigen Rechnungen nicht berichtigt werden, besteht der unrichtige Steuerausweis als Rechtsgrund im Umsatzsteuerschuldverhältnis fort und damit aufgrund der Akzessorietät auch im Verhältnis zwischen den bei der Klägerin Versicherten und der Beklagten (vgl. BSG, Urteil v. 03.03.2009, Az. B 1 KR 7/08 - NZS 2010, 154). Für diese Betrachtungsweise spricht ganz allgemein der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung (Krieger/Penner, a.a.O., S. 613). Die davon abweichende Ansicht des OLG Hamm (Urt. vom 28.01.2014, Az. 19 U 107/13 - MDR 2014, 679), wonach die Verpflichtung im steuerrechtlichen Verhältnis nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG unerheblich sei und es allein darauf ankomme, ob nach dem materiellen Steuerrecht die Umsatzsteuerpflicht bestehe, überzeugt die Kammer nicht. Das OLG Hamm hat sich weder mit der zitierten Rechtsprechung des BSG noch mit dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auseinandergesetzt und für seine Auffassung auch keine nähere Begründung angeführt. Für die rechtliche Beurteilung kann es keinen Unterschied machen, ob gesetzliche Krankenversicherungsträger wegen der von der Finanzverwaltung zu Unrecht verlangten Umsatzsteuer vor den Sozialgerichten einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Krankenhausträger geltend machen oder private Krankenversicherer übergegangene Rückerstattungsansprüche aus dem zugrundeliegenden Behandlungsvertrag vor den ordentlichen Gerichten. In beiden Konstellationen sind die gleichen Rechtsfragen in gleicher Weise zu entscheiden. Sozialgerichtliche Klagen wurden - soweit ersichtlich - bislang durchweg abgewiesen (vgl. SG Nürnberg, Urt. vom 22.10.2015 - S 7 KR 601/14 - zitiert nach juris; SG Karlsruhe, Urt. vom 15.11.2016 - S 14 KR 4267/14- Bl. 93 ff. d.A.).
36 
Entgegen der Auffassung des Klägervertreters lässt sich die Entscheidung des OLG Brandenburg vom 17.02.2010, Az. 7 U 125/09 - ZInsO 2010, 949 - nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das OLG Brandenburg hat einen Bereicherungsanspruch der dortigen Klägerin bejaht unabhängig davon, ob der Unternehmer gemäß § 14c Abs. 1 S. 1 UStG den zu Unrecht ausgewiesenen Betrag gegenüber dem Finanzamt schuldet. Anders als im vorliegenden Rechtsstreit waren die an den Leistungsempfänger ausgestellten Rechnungen jedoch bereits korrigiert und die abgeführte Umsatzsteuer war vom Finanzamt an den Unternehmer zurückerstattet worden. Der Sachverhalt im dortigen Verfahren weicht daher in einem ganz entscheidenden Punkt vom hiesigen Sachverhalt ab. Das Problem, dass der Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt gemäß § 37 Abs. 2 AO erst mit der Rechnungsberichtigung entsteht, hat sich dort nicht (mehr) gestellt.
37 
c) Nach alledem kann offen bleiben, ob sich die Beklagte mit Erfolg auf eine Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen kann. Dem Einwand der Entreicherung dürfte aber die zitierte Rechtsprechung des BGH vom 18.04.2012 entgegenstehen, wonach wegen des Erstattungsanspruchs der Beklagten gegenüber dem Finanzamt gemäß § 37 Abs. 2 AO eine Bereicherung fortbesteht, wobei betragsmäßig wohl nur die vom Finanzamt (nach erfolgter Rechnungskorrektur und Korrektur der maßgeblichen Umsatzsteuerbescheide) auszukehrende Umsatzsteuer nach Abzug der von der Beklagten bereits gezogenen, aber wegen der Umsatzsteuerfreiheit zurückzuerstattenden Vorsteuer zurückverlangt werden kann.
38 
3. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatz aufgrund positiver Vertragsverletzung gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 BGB.
39 
a) Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Beklagte vor dem Hintergrund der Entscheidung des FG Münster vom 12.05.2011 die Umsatzsteuer jedenfalls fahrlässig in Ansatz gebracht hat, kann dem nicht gefolgt werden. Bis zur Entscheidung des BFH vom 24.09.2014 (Az. V R 19/11) bzw. zur Entscheidung des EuGH vom 13.03.2014 (Az. C-107/13) bestand keine klare Rechtsprechung dahingehend, dass die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „eng verbundene Umsätze“ unabhängig von der Frage ambulante/stationäre Behandlung zu erfolgen hat und dann erfüllt ist, wenn die Verabreichung des Medikaments zur Erreichung der verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich ist. Insoweit durfte und konnte die Beklagte auf die zum damaligen Zeitpunkt bestehende Verwaltungspraxis (vgl. R 100 UStR 2005 und 4.14.6 UStAE a.F.) vertrauen.
40 
b) Auch unter dem Gesichtspunkt einer ggf. bislang pflichtwidrig unterlassenen Korrektur der Berichtigung des Umsatzsteuerausweises besteht kein Schadensersatzanspruch, da es insoweit an einem kausalen Schaden fehlt. Der Schaden ist bereits durch die auf den fehlerhaften Umsatzsteuerausweis geleistete Zahlung und nicht erst durch eine unterlassene Rechnungsberichtigung entstanden.
41 
4. Das gewonnene Ergebnis führt im Übrigen nicht dazu, dass die Klägerin rechtlos gestellt wäre. Aus dem vertraglichen Verhältnis zwischen den Versicherten der Klägerin und der Beklagten resultiert nämlich die (Neben-)Pflicht der Beklagten, die Abrechnungen mit Umsatzsteuer zu korrigieren (§ 241 BGB i.V.m. §§ 14c, 17 UstG; vgl. BGH, Urt. vom 18.04.2012, Az. VIII ZR 253/11 - WM 2012, 2071). Die Klägerin kann einen solchen Berichtigungsanspruch aus übergegangenem oder abgetretenem Recht gerichtlich verfolgen. Dadurch kann die Voraussetzung für die Beseitigung des Rechtsgrunds geschaffen werden.
42 
Einen derartigen Berichtigungsanspruch hat die Klägerin hier aber - trotz des Hinweises in der mündlichen Verhandlung, dass Bedenken hinsichtlich des Zahlungsantrags bestehen und aus Sicht der Kammer zunächst eine Berichtigung zu erfolgen hat (vgl. S. 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung, Bl. 62 d.A.) - nicht geltend gemacht.
43 
5. Über den im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 16.03.2017 gestellten Hilfsantrag auf Abtretung des Rückzahlungsanspruchs der Beklagten gegen das Finanzamt war gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu entscheiden.
44 
Zu einer Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO sieht sich die Kammer nicht veranlasst. Eine Abtretung führt nicht zu einem durchsetzbaren Anspruch der Klägerin gegenüber der Finanzverwaltung (offengelassen in BGH, Urteil v. 27.01.2015, Az. KZR 90/13), da die Berichtigung nach § 14c Abs. 1 S. 2 UStG nur durch die Beklagte als Unternehmerin erfolgen kann.
45 
Zwar kann in einer gegenüber dem Finanzamt angezeigten Abtretungserklärung des Unternehmers eine Berichtigung des Steuerbetrages i.S.d. § 14c Abs. 1 S. 2 UStG liegen; dies setzt aber voraus, dass die Abtretungserklärung sich spezifisch und eindeutig auf die ursprünglichen Rechnungen bezieht (vgl. BFH, Urteil v. 12.10.2016, Az. XI R 43/14). Diesen Anforderungen genügt die von der Klägerin begehrte Abtretungserklärung nicht.
II.
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.

Gründe

 
I.
23 
Die zulässige Klage ist unbegründet. Für den geltend gemachten Zahlungsanspruch fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
24 
1. Nachdem unstreitig die Klägerin die von ihren Versicherten an die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum entrichtete Umsatzsteuer an ihre Vertragspartner zurückerstattet hat, ist von einer Aktivlegitimation der Klägerin auszugehen (§ 86 Abs. 1 VVG).
25 
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB i.V.m. §§ 194 Abs. 2, 86 Abs. 1 VVG.
26 
a) Die Beklagte hat durch die Bezahlung der streitgegenständlichen Rechnungen einschließlich Umsatzsteuer durch die Versicherten der Klägerin zwar durch Leistung einen Vermögensvorteil erlangt. Dass die Umsatzsteuer von der Beklagten an das Finanzamt weitergeleitet wurde, steht einem Vermögensvorteil nicht entgegen, da diese zunächst auf dem Konto der Beklagten gutgeschrieben wurde und damit eine Vermögensmehrung eingetreten ist.
27 
b) Den Vermögensvorteil in Form der vereinnahmten Umsatzsteuer hat die Beklagten aber nicht ohne Rechtsgrund erlangt.
28 
Für die Frage, wie sich ein Irrtum über den Anfall der Umsatzsteuer auswirkt, d.h. ob die Umsatzsteuerfreiheit nach dem UStG zum Wegfall des Rechtsgrundes der Leistung führt, kommt es in der Regel auf den Inhalt der Vergütungsvereinbarung an; entscheidend ist, ob es sich um eine Brutto- oder Nettopreisvereinbarung handelt.
29 
Bei einer Bruttopreisvereinbarung trifft den Rechnungsempfänger die volle Zahlungspflicht, auch wenn der Abrechnende die Steuerpflicht zu Unrecht annahm und Steuer aus dem Betrag herausgerechnet ausgewiesen hat (vgl. BGH, Urteil v. 11.05.2001 - V ZR 492/99 - NJW 2001, 2464). Anderes gilt, wenn die Parteien eine Nettopreisabrede getroffen haben; in diesem Fall richtet sich die vom Leistungsempfänger zu tragende Umsatzsteuer nach dem vom Leistenden an das Finanzamt abzuführenden Betrag (wobei im Einzelnen streitig ist, ob die festgesetzte Umsatzsteuer oder die anfallende Umsatzsteuer maßgeblich ist, vgl. Rohe/Knobbe, Die Auslegung einer vertraglichen Nettopreisabrede, NJW 2012, 2156).
30 
Zum Inhalt der Vergütungsabrede, die zwischen der Beklagten und den Versicherten der Klägerin getroffen worden ist, hat die Klägerin nicht näher vorgetragen. Zwar hat der Klägervertreter im letzten nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16.03.2017 behauptet, dass eine Nettopreisvereinbarung unstreitig sei. Aus Sicht der Kammer ergibt sich dies entgegen dem Vortrag des Klägervertreters insbesondere nicht aus dem Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 07.03.2017 (Bl. 138 ff. d.A.). In diesem zitiert der Beklagtenvertreter lediglich eine sozialgerichtliche Entscheidung, die eine Nettopreisabrede zum Gegenstand hatte; daraus folgt aber nicht, dass die Beklagte unstreitig gestellt hat, dass es zwischen ihr und den Versicherten eine solche Vereinbarung gegeben hat.
31 
Grundsätzlich gilt, dass Beträge ohne besondere Vereinbarung als Bruttopreise anzusehen sind (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 28.01.2014 - Az. 19 U 107/13 - MDR 2014, 679).
32 
Indessen kann der Inhalt der Vergütungsvereinbarung hier ausnahmsweise offen bleiben, da die Klägerin selbst bei einer Nettopreisvereinbarung zwischen der Beklagten und ihren Versicherten keinen Zahlungsanspruch aus übergegangenem Recht hätte. Denn die Beklagte schuldet die fehlerhaft ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 UStG bis zur Berichtigung gegenüber dem Finanzamt. Der Rechtsgrund verhält sich bei einer Nettopreisabrede akzessorisch zum Rechtsgrund im Umsatzsteuerschuldverhältnis (vgl. Krieger/Penner, Das Zytostatikaurteil des Bundesfinanzhofs, SGb 2015, 607 ff. mit Verweis auf BSG, Urteil v. 17.07.2008, Az. B 3 KR 18/07 - MedR 2009, 932; BSG, Urteil v. 03.03.2009, Az. B 1 KR 7/08 - NZS 2010, 154).
33 
Die Klägerin führt zutreffend aus, dass die Abgabe von individuell hergestellten Zytostatika zur im Krankenhaus ambulant durchgeführte Behandlung entsprechend der Rechtsprechung des BFH auch in den Jahren 2012 und 2013 umsatzsteuerfrei war. Die hier maßgebliche Bestimmung zur Umsatzsteuerfreiheit hat sich inhaltlich nicht geändert: Sowohl nach § 4 Nr. 16b UStG a.F. wie nach § 4 Nr. 14b UStG n.F. sind Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerfrei, wenn es sich um Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden, handelt. Dass bei der Verabreichung von individuell in der Krankenhausapotheke hergestellten Zytostatika für ambulante Chemotherapien von eng verbundenen Umsätzen auszugehen ist, ist nunmehr durch das zitierte Urteil des BFH vom 14.09.2014 geklärt worden. Die davon abweichende Praxis der Finanzverwaltung, die die Formulierung „eng verbundene Umsätze“ zum damaligen Zeitpunkt so ausgelegt hat, dass es für die Umsatzsteuerfreiheit entscheidend ist, ob es sich um eine stationäre oder ambulante Behandlung handelt (vgl. § 100 UStR 2005 und 4.14.6 UStAE a.F.) mit der Folge, dass die hier streitgegenständliche Abgabe von Zytostatika als umsatzsteuerpflichtig behandelt wurde, wurde zwischenzeitlich aufgegeben (vgl. BMF-Schreiben vom 28.09.2016). Diese Änderung der Verwaltungspraxis stellt - wie der Klägervertreter zutreffend ausführt - lediglich eine Anpassung an die geltende Rechtslage dar.
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Dennoch schuldet die Beklagte nach wie vor gemäß § 14c Abs. 1 UStG gegenüber dem Finanzamt die entrichtete Umsatzsteuer, da eine Berichtigung des Steuerbetrages nach § 17 Abs. 1 UStG erst nach Berichtigung der Rechnungen gemäß § 14c Abs. 1 S. 2 UStG möglich und die Berichtigung Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO ist.
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Die Beklagte hat die Mehrwertsteuer unstreitig in den Rechnungen (vgl. Anlagenkonvolut Anlagenband I, II) ausgewiesen, obwohl es sich um steuerfreie Leistungen i.S.d. § 4 Nr. 14b UStG n. F. handelt. Gemäß § 14c Abs. 1 UStG schuldet der Unternehmer den Mehrbetrag, wenn er in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag ausgewiesen hat, als er nach dem UStG für den Umsatz schuldet. Unter den Anwendungsbereich des § 14c Abs. 1 UStG fallen auch solche Konstellationen, in denen eine Umsatzsteuer ausgewiesen wird, obwohl es sich - wie hier - um steuerfreie Umsätze handelt (vgl. Stadie in: Stadie, Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl. 2015, § 14c UStG Rn. 46). Solange die unrichtigen Rechnungen nicht berichtigt werden, besteht der unrichtige Steuerausweis als Rechtsgrund im Umsatzsteuerschuldverhältnis fort und damit aufgrund der Akzessorietät auch im Verhältnis zwischen den bei der Klägerin Versicherten und der Beklagten (vgl. BSG, Urteil v. 03.03.2009, Az. B 1 KR 7/08 - NZS 2010, 154). Für diese Betrachtungsweise spricht ganz allgemein der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung (Krieger/Penner, a.a.O., S. 613). Die davon abweichende Ansicht des OLG Hamm (Urt. vom 28.01.2014, Az. 19 U 107/13 - MDR 2014, 679), wonach die Verpflichtung im steuerrechtlichen Verhältnis nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG unerheblich sei und es allein darauf ankomme, ob nach dem materiellen Steuerrecht die Umsatzsteuerpflicht bestehe, überzeugt die Kammer nicht. Das OLG Hamm hat sich weder mit der zitierten Rechtsprechung des BSG noch mit dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auseinandergesetzt und für seine Auffassung auch keine nähere Begründung angeführt. Für die rechtliche Beurteilung kann es keinen Unterschied machen, ob gesetzliche Krankenversicherungsträger wegen der von der Finanzverwaltung zu Unrecht verlangten Umsatzsteuer vor den Sozialgerichten einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Krankenhausträger geltend machen oder private Krankenversicherer übergegangene Rückerstattungsansprüche aus dem zugrundeliegenden Behandlungsvertrag vor den ordentlichen Gerichten. In beiden Konstellationen sind die gleichen Rechtsfragen in gleicher Weise zu entscheiden. Sozialgerichtliche Klagen wurden - soweit ersichtlich - bislang durchweg abgewiesen (vgl. SG Nürnberg, Urt. vom 22.10.2015 - S 7 KR 601/14 - zitiert nach juris; SG Karlsruhe, Urt. vom 15.11.2016 - S 14 KR 4267/14- Bl. 93 ff. d.A.).
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Entgegen der Auffassung des Klägervertreters lässt sich die Entscheidung des OLG Brandenburg vom 17.02.2010, Az. 7 U 125/09 - ZInsO 2010, 949 - nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das OLG Brandenburg hat einen Bereicherungsanspruch der dortigen Klägerin bejaht unabhängig davon, ob der Unternehmer gemäß § 14c Abs. 1 S. 1 UStG den zu Unrecht ausgewiesenen Betrag gegenüber dem Finanzamt schuldet. Anders als im vorliegenden Rechtsstreit waren die an den Leistungsempfänger ausgestellten Rechnungen jedoch bereits korrigiert und die abgeführte Umsatzsteuer war vom Finanzamt an den Unternehmer zurückerstattet worden. Der Sachverhalt im dortigen Verfahren weicht daher in einem ganz entscheidenden Punkt vom hiesigen Sachverhalt ab. Das Problem, dass der Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt gemäß § 37 Abs. 2 AO erst mit der Rechnungsberichtigung entsteht, hat sich dort nicht (mehr) gestellt.
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c) Nach alledem kann offen bleiben, ob sich die Beklagte mit Erfolg auf eine Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen kann. Dem Einwand der Entreicherung dürfte aber die zitierte Rechtsprechung des BGH vom 18.04.2012 entgegenstehen, wonach wegen des Erstattungsanspruchs der Beklagten gegenüber dem Finanzamt gemäß § 37 Abs. 2 AO eine Bereicherung fortbesteht, wobei betragsmäßig wohl nur die vom Finanzamt (nach erfolgter Rechnungskorrektur und Korrektur der maßgeblichen Umsatzsteuerbescheide) auszukehrende Umsatzsteuer nach Abzug der von der Beklagten bereits gezogenen, aber wegen der Umsatzsteuerfreiheit zurückzuerstattenden Vorsteuer zurückverlangt werden kann.
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3. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatz aufgrund positiver Vertragsverletzung gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 BGB.
39 
a) Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Beklagte vor dem Hintergrund der Entscheidung des FG Münster vom 12.05.2011 die Umsatzsteuer jedenfalls fahrlässig in Ansatz gebracht hat, kann dem nicht gefolgt werden. Bis zur Entscheidung des BFH vom 24.09.2014 (Az. V R 19/11) bzw. zur Entscheidung des EuGH vom 13.03.2014 (Az. C-107/13) bestand keine klare Rechtsprechung dahingehend, dass die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „eng verbundene Umsätze“ unabhängig von der Frage ambulante/stationäre Behandlung zu erfolgen hat und dann erfüllt ist, wenn die Verabreichung des Medikaments zur Erreichung der verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich ist. Insoweit durfte und konnte die Beklagte auf die zum damaligen Zeitpunkt bestehende Verwaltungspraxis (vgl. R 100 UStR 2005 und 4.14.6 UStAE a.F.) vertrauen.
40 
b) Auch unter dem Gesichtspunkt einer ggf. bislang pflichtwidrig unterlassenen Korrektur der Berichtigung des Umsatzsteuerausweises besteht kein Schadensersatzanspruch, da es insoweit an einem kausalen Schaden fehlt. Der Schaden ist bereits durch die auf den fehlerhaften Umsatzsteuerausweis geleistete Zahlung und nicht erst durch eine unterlassene Rechnungsberichtigung entstanden.
41 
4. Das gewonnene Ergebnis führt im Übrigen nicht dazu, dass die Klägerin rechtlos gestellt wäre. Aus dem vertraglichen Verhältnis zwischen den Versicherten der Klägerin und der Beklagten resultiert nämlich die (Neben-)Pflicht der Beklagten, die Abrechnungen mit Umsatzsteuer zu korrigieren (§ 241 BGB i.V.m. §§ 14c, 17 UstG; vgl. BGH, Urt. vom 18.04.2012, Az. VIII ZR 253/11 - WM 2012, 2071). Die Klägerin kann einen solchen Berichtigungsanspruch aus übergegangenem oder abgetretenem Recht gerichtlich verfolgen. Dadurch kann die Voraussetzung für die Beseitigung des Rechtsgrunds geschaffen werden.
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Einen derartigen Berichtigungsanspruch hat die Klägerin hier aber - trotz des Hinweises in der mündlichen Verhandlung, dass Bedenken hinsichtlich des Zahlungsantrags bestehen und aus Sicht der Kammer zunächst eine Berichtigung zu erfolgen hat (vgl. S. 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung, Bl. 62 d.A.) - nicht geltend gemacht.
43 
5. Über den im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 16.03.2017 gestellten Hilfsantrag auf Abtretung des Rückzahlungsanspruchs der Beklagten gegen das Finanzamt war gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu entscheiden.
44 
Zu einer Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO sieht sich die Kammer nicht veranlasst. Eine Abtretung führt nicht zu einem durchsetzbaren Anspruch der Klägerin gegenüber der Finanzverwaltung (offengelassen in BGH, Urteil v. 27.01.2015, Az. KZR 90/13), da die Berichtigung nach § 14c Abs. 1 S. 2 UStG nur durch die Beklagte als Unternehmerin erfolgen kann.
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Zwar kann in einer gegenüber dem Finanzamt angezeigten Abtretungserklärung des Unternehmers eine Berichtigung des Steuerbetrages i.S.d. § 14c Abs. 1 S. 2 UStG liegen; dies setzt aber voraus, dass die Abtretungserklärung sich spezifisch und eindeutig auf die ursprünglichen Rechnungen bezieht (vgl. BFH, Urteil v. 12.10.2016, Az. XI R 43/14). Diesen Anforderungen genügt die von der Klägerin begehrte Abtretungserklärung nicht.
II.
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.

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