Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (8. Senat) - L 8 U 25/13
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 27. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Unfallversicherung als landwirtschaftlicher Unternehmer und über die Rechtmäßigkeit erhobener Beiträge.
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Auf Anfrage der Beklagten teilte der im Jahre 1928 geborene Kläger mit, dass er Eigentümer einer 0,71 ha großen Weide sei, die durch Lohnunternehmer von Disteln befreit werde. Daraufhin nahm die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 10. Februar 2006 in die landwirtschaftliche Unfallversicherung auf und forderte für das Jahr 2005 einen Beitrag von 56,75 EUR. Diesen Betrag und die geforderten Beiträge in den Folgejahren zahlte der Kläger. Mit Bescheid vom 5. Februar 2010 wurde der Beitrag für das Jahr 2009 auf 61,09 EUR festgesetzt. Dieser Betrag wurde mit Schreiben vom 24. März 2010 angemahnt. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 20. am 21. Mai 2010 Widerspruch ein. Das Schreiben wertete die Beklagte als Antrag auf Überprüfung der Versicherungspflicht gemäß § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), und lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 8. Juni 2010 ab mit der Begründung, der Kläger betreibe ein landwirtschaftliches Unternehmen, denn er führe Pflegemaßnahmen auf seinem Grundstück durch, um die Grünfläche nicht verunkrauten zu lassen. Den dagegen am 14. Juni 2010 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 zurück. Zur Begründung führte sie aus, sie sei als Berufsgenossenschaft zuständig für das landwirtschaftliche Unternehmen des Klägers. Daher seien der erste Bescheid vom 10. Februar 2006 und der mit dem verspäteten Widerspruch angegriffene Bescheid vom 5. Februar 2010 rechtmäßig und könnten in Überprüfungsverfahren nicht aufgehoben werden.
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Der Kläger hat am 27. Juli 2010 Klage erhoben und vorgetragen, dass eine Bewirtschaftung oder eine landwirtschaftliche Nutzung seiner Fläche nicht erfolge. Das Grundstück werde lediglich ein- bis zweimal jährlich gemäht. Seit Mitte 2011 habe er das Mähen jedoch eingestellt. Seither erfolgten keine pflegerischen Maßnahmen mehr, so dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die Versicherungspflicht nicht mehr gegeben sei.
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Der Kläger hat beantragt,
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„1. den Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 aufzuheben,
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2. festzustellen, dass der Kläger nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Unfallversicherung ist.“
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie sich auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden bezogen.
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Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (S 9 U 36/10 ER) den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides vom 5. Februar 2010 abgelehnt.
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Es hat mit Urteil vom 27. Juni 2012 die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger sei als landwirtschaftlicher Unternehmer beitragspflichtig in der gesetzlichen Unfallversicherung und die Beklagte ziehe ihn daher zu Recht zu Beitragszahlungen in der gesetzlichen Unfallversicherung heran. Durch das Mähenlassen der Grünfläche habe der Kläger ein Unternehmen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung begründet. Das Abmähen der auf seiner Grünfläche wachsenden Pflanzen sei eine den Boden bewirtschaftende Tätigkeit; diese Tätigkeit sei landwirtschaftlicher Natur. Soweit der Kläger die Feststellung begehre, dass er nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Unfallversicherung sei, sei die Klage unzulässig. Die Berufung hat das Sozialgericht nicht zugelassen.
- 12
Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. September 2012 zugestellt worden.
- 13
Auf den Antrag des Klägers vom 18. Oktober 2012 hat der Senat mit Beschluss vom 28. Februar 2013 das Urteil des Sozialgerichts vom 27. Juni 2012 geändert und die Berufung zugelassen (L 8 U 253/12 NZB).
- 14
Der Kläger trägt weiterhin vor, durch das Abmähen seiner Wiese sei er nicht landwirtschaftlicher Unternehmer. Im Übrigen habe er seit Juni 2011 das Mähen der Wiese dauerhaft eingestellt.
- 15
Der Kläger beantragt,
- 16
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 27. Juni 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 zu verpflichten, den Aufnahmebescheid vom 10. Februar 2006 und den Beitragsbescheid vom 5. Februar 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 aufzuheben und festzustellen, dass er – der Kläger – nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Unfallversicherung ist.
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Die Beklagte beantragt,
- 18
die Berufung zurückzuweisen.
- 19
Sie beruft sich auf die Gründe des angegriffenen Urteils. Darüber hinaus führt sie aus, dass die Einstellung des Abmähens der Wiese den Kläger nicht von der Beitragspflicht befreie. Erst wenn eine Fläche nachweislich Brachland sei, liege keine landwirtschaftliche, unternehmerische Tätigkeit mehr vor.
- 20
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ihren Bescheid vom 25. Februar 2013 eingereicht, mit dem der Kläger für das Jahr 2012 zu einem Beitrag zur Berufsgenossenschaft in Höhe von 85,56 EUR herangezogen wird.
- 21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
- 23
Das Sozialgericht hat in dem angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass der Feststellungsantrag unzulässig sei, denn der Kläger könne vorrangig seine Rechte im Wege einer Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen. Hinsichtlich der Frage, ob er aufgrund der Einstellung der pflegerischen Maßnahmen seit Mitte 2011 noch der gesetzlichen Unfallversicherungspflicht unterliege, sei jedoch kein Vorverfahren durchgeführt worden. Die Feststellungsklage sei aber subsidiär. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen.
- 24
Auch im Übrigen hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass der Kläger als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Beklagten sei und Mitgliedsbeiträge zu zahlen habe. Der Bescheid vom 8. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 verletze ihn daher nicht in seinen Rechten, denn die früheren Beitragsbescheide seien nicht aufzuheben.
- 25
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
- 26
Im Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 ist ausgeführt, dass die Beklagte die zuständige Berufsgenossenschaft für das landwirtschaftliche Unternehmen des Klägers sei und der Beitragsbescheid vom 5. Februar 2010 rechtmäßig sei. Gegenstand des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X sind daher der erstmalige Bescheid vom 10. Februar 2006 und der Beitragsbescheid vom 5. Februar 2010. Diese Bescheide sind nicht zu beanstanden, denn der Kläger ist als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied bei der Beklagten.
- 27
Das folgt aus § 136 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII), wonach der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer feststellt und diesen zu Beiträgen heranzieht.
- 28
Der Kläger ist mit seiner Wiese, die mehrmals im Jahr gemäht wird, als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Beklagten und unterliegt der Beitragspflicht.
- 29
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII sind kraft Gesetzes unfallversichert Personen, die Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind, wenn für das Unternehmen eine landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist. Der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmens wird in § 123 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 SGB VII angeführt, der die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft im Einzelnen regelt. Diese ist gemäß § 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII u. a. zuständig für Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues. Der Begriff des Unternehmens wird selbst nicht in § 123 SGB VII definiert; er wird vom Gesetz vorausgesetzt und von der Rechtsprechung ausgefüllt.
- 30
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist von einem weiten unfallversicherungsrechtlichen Begriff des „landwirtschaftlichen Unternehmens“ auszugehen. So hat das BSG in seinem Urteil vom 18. Januar 2011 (B 2 U 16/10 R, juris Rn. 15) – noch auf der Grundlage der Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) – festgestellt, dass ein „landwirtschaftliches Unternehmen“ nicht nur dann vorliege, wenn der Unternehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb oder eine landwirtschaftliche Einrichtung führe. Landwirtschaftlicher Unternehmer sei vielmehr auch, wer als Besitzer von Grundstücken (Eigentümer, Pächter, Nießbraucher oder sonstiger Nutzer) auf eigene Rechnung Tätigkeiten verrichte oder verrichten lasse, durch die mit dem Boden in irgendeiner Weise gewirtschaftet werde (so auch bereits BSG, Urteil vom 7. November 2000 – B 2 U 42/99 R –, juris Rn. 16 m.w.N.).
- 31
In der o. a. Entscheidung vom 18. Januar 2011, in der die Mitgliedschaft des dortigen Klägers in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft im Hinblick auf das zweimal jährliche Abmähen seines 0,4163 ha großen Wiesengrundstücks bejaht worden ist, hat das BSG dazu insbesondere ausgeführt, das Abmähen der auf einem Grundstück gewachsenen Pflanzen sei (wie deren Anbau und die Bearbeitung des Bodens zwecks Pflanzenanbaus) eine mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit. Zur Bodenbewirtschaftung zähle nicht nur die Bestellung des Bodens durch Säen oder Pflanzen und seine Bearbeitung durch z. B. Pflügen, Düngen oder Bewässern. Sie umfasse vielmehr sämtliche Tätigkeiten, die dem Abschneiden von Bodengewächsen oder der Gewinnung von Bodenerzeugnissen dienten. Unerheblich sei, ob die Bodenerzeugnisse auf einer Aufzucht beruhten und zu welchem Zweck sie gewonnen würden. Auch das Mähen von Gras zur Heugewinnung ohne weitere Verwendung des Heus gehöre damit zu den landwirtschaftlichen Tätigkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1971 – 7/2 RU 124/67 – BSGE 32, 211, 212 = SozR Nr. 1 zu § 815 RVO; Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 16/10 R –, juris Rn. 16). Im Einklang damit hatte bereits das Bayerische Landessozialgericht durch Urteil vom 21. Februar 2006 (L 17 U 253/04, juris Rn. 31) entschieden, dass Land bewirtschaftet werde, wenn eine Wiesenfläche ein- bis zweimal im Jahr gemäht und das gemähte Gut liegengelassen würden.
- 32
Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 18. Januar 2011 weiter herausgestellt hat, macht der bloße Besitz eines Grundstücks mit Pflanzenbewuchs also den Eigentümer, Pächter oder sonstigen Nutzungsberechtigten noch nicht zum landwirtschaftlichen Unternehmer. Die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung werde, soweit kein Betrieb, keine Einrichtung und keine Verwaltung geführt werde, erst durch die Verrichtung einer bodenbewirtschaftenden Tätigkeit begründet, die ihrer Art nach eine unfallversicherte Tätigkeit sein könne (BSG, a.a.O. Rn. 16).
- 33
Eine solche bodenbewirtschaftende Tätigkeit ist hier – ausgehend von den eigenen Angaben des Klägers – zu bejahen. Die 0,71 ha große Grasfläche des Klägers wird nach seinen eigenen, wiederholten Angaben mehrmals im Jahr gemäht.
- 34
Der unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens knüpft nicht an eine bestimmte Rechtsform oder das Vorliegen einer organisatorischen Einheit an und setzt weder einen Geschäftsbetrieb noch eine auf Erwerb oder Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit voraus (BSG, Urteile vom 5. August 1976 – 2 RU 189/74 –; vom 28. September 1999 – B 2 U 40/98 R –, vom 18. Januar 2011 – B 2 U 16/10 R –, jeweils bei juris). Anders als nach § 1 Abs. 3 des bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch nicht darauf an, dass das Unternehmen nach seiner Art und Größe eine Existenzgrundlage bilden kann. Vielmehr sei in der gesetzlichen Unfallversicherung jede Tätigkeit geeignet, ein Unternehmen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu begründen. Dieser weite unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens gelte auch für die landwirtschaftliche Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 16/10 R –, juris Rn. 13).
- 35
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG). Danach ist Landwirt, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das die Mindestgröße erreicht (Abs. 2 Satz 1). Zur erforderlichen Bodenbewirtschaftung gehören diejenigen wirtschaftlichen Tätigkeiten von nicht ganz kurzer Dauer, die der Unternehmer zum Zwecke einer überwiegend planmäßigen Aufzucht von Bodengewächsen ausübt (Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1). Die vorgenannten Regelungen im ALG sind bei der Feststellung eines landwirtschaftlichen Unternehmens im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung aber nicht anwendbar. Das ALG ist mit Wirkung zum 1. Januar 1995 eingeführt worden (Agrarsozialreformgesetz 1995 vom 29. Juli 1994, BGBl. I, 1890). Eine § 1 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 ALG entsprechende Regelung sah das GAL nicht vor. Obwohl durch Art. 8 des Agrarsozialreformgesetzes 1995 zugleich auch das Dritte Buch der RVO über die gesetzliche Unfallversicherung geändert worden ist, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, ausdrücklich oder durch Verweisung auf das ALG jene Definition des Begriffs der Bodenbewirtschaftung in das Unfallversicherungsrecht des Dritten Buches der RVO zu übernehmen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 16/10 R –, juris Rn. 17 und 18).
- 36
Die vorstehenden Überlegungen, die der Senat für sachgerecht, in sich widerspruchsfrei und überzeugend hält, und denen er vollumfänglich folgt, finden auch Anwendung auf die Regelungen nach dem hier maßgeblichen SGB VII; denn an die Stelle der bis zum Jahre 1996 geltenden §§ 792 i.V.m. 658 Abs. 2 Nr. 1, § 776 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 778 RVO sind zum 1. Januar 1997 die inhaltsgleichen Vorschriften der §§ 121 Abs. 1, 123 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 sowie § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII getreten (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 18 Januar 2011 – B 2 U 16/10 R –, juris Rn. 24).
- 37
Auch nach diesen Grundsätzen ist die Nutzung des Grundstücks durch den Kläger als landwirtschaftliches Unternehmen zu qualifizieren und er als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Beklagten.
- 38
Selbst wenn das Schnittgut nicht abgetragen, sondern zu Ballen gepresst und liegengelassen wird, reicht das nach den oben genannten vom Bundessozialgericht aufgestellten Grundsätzen als Form der Bodenbewirtschaftung aus.
- 39
Zu Gunsten des Klägers greift auch nicht die Ausnahmeregelung des § 123 Abs. 2 SGB VII ein. Danach sind von den landwirtschaftlichen Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 ausgenommen Haus- und Ziergärten (Nr. 1) und andere Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes, es sei denn, sie werden regelmäßig oder in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet oder ihre Erzeugnisse dienen nicht hauptsächlich dem eigenen Haushalt.
- 40
Eine Rückausnahme im Sinne des alternativ gefassten letzten Halbsatzes der vorstehenden Regelung ist bei der hier vorliegenden Konstellation nach dem unbestrittenen Sachvortrag des Klägers nicht gegeben.
- 41
Das Grundstück des Klägers ist nicht als Haus- und Ziergarten im Sinne von § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII einzuordnen.
- 42
Hier ist die für die Haus- und Ziergärten regelmäßig anzunehmende Obergrenze von 2.500 qm nicht nur geringfügig, sondern deutlich überschritten (s. dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. November 2011 – L 3 U 138/10 –, juris, das im Einzelfall bei einer Überschreitung der Fläche von 2.500 qm um 65 bis maximal 100 qm noch einen Haus- und Ziergarten im Sinne von § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII bejaht hat).
- 43
Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist der Begriff des versicherungsfreien Haus- und Ziergartens gemäß § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII im Zusammenhang mit der Regelung des § 5 SGB VII zu sehen, wonach Unternehmer landwirtschaftlicher Unternehmen im Sinne des § 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII – für den hier relevanten Zeitraum – bis zu einer Größe von 0,25 ha auf Antrag von der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII unwiderruflich befreit werden. Durch diese Regelung hat der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass mit zunehmender Größe der bewirtschafteten Fläche auch das Unfallrisiko ansteige und bei einer Flächengröße von über 2.500 qm generell von einem so hohen Unfallrisiko auszugehen ist, dass es des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung bedarf. Dieser Schutzgedanke ist auch auf Flächen zu übertragen, die vom Flächeninhaber selbst an sich nur als Haus- und Ziergarten genutzt werden sollen. Dieses gilt insbesondere, da einzelne in einem Haus- und Ziergarten anfallende Tätigkeiten wie etwa das Abmähen einer Fläche oder auch das Abernten von Ernteerzeugnissen sich nicht von Tätigkeiten unterscheiden, die auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche verrichtet werden (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. Juli 2007 – L 18 B 191/07 U ER –, juris Rn. 20).
- 44
Die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Nr. 2 des § 123 Abs. 2 SGB VII liegen offensichtlich ebenfalls nicht vor; denn es handelt sich hier nicht um einen Kleingarten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG). Ein Kleingarten soll gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BKleingG, der gemäß Absatz 3 dieser Norm entsprechend für Eigentümergärten gilt, nicht größer als 400 qm sein. Diese Grenze wird durch das vom Kläger genutzte Grundstück um ein Vielfaches überschritten.
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Der Annahme eines landwirtschaftlichen Unternehmens kann auch nicht entgegengehalten werden, dass lediglich ein geringfügiger Arbeitsaufwand für die Bodenbewirtschaftung anfiele.
- 46
Selbst unter Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) sprach die Systematik der gesetzlichen Regelungen für die Annahme eines landwirtschaftlichen Unternehmens in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung dafür, dass das Gesetz hinsichtlich aller anderen landwirtschaftlichen Unternehmen auch Zwergbetriebe bzw. Kleinstunternehmen in die Zwangsversicherung endgültig einbezogen hat (BSG, Urteil vom 11. November 2003 – B 2 U 51/02 R –, juris Rn. 21). Jedenfalls für die Zeit ab Inkrafttreten des SGB VII zum 1. Januar 1997 besteht aber kein Bedarf mehr für eine so genannte Geringfügigkeitsgrenze, wenn also der Umfang der Bodenbewirtschaftung nur eines geringfügigen Arbeitsaufwandes bedarf (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Juli 2005 – L 17 U 1/05 –, juris Rn. 25). Aufgrund der Herausnahme von Haus- und Ziergärten bzw. Kleingärten aus landwirtschaftlichen Unternehmen durch § 123 Abs. 2 SGB VII und der nach § 5 SGB VII in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht – Verwaltungsvereinfachungsgesetz – vom 21. März 2005 (BGBl. I, S. 818, 825) eröffneten Möglichkeit, dass Inhaber landwirtschaftlicher Unternehmen bis zu einer Größe von 0,12 ha (vom 1. Januar 1997 bis zum 29. März 2005) oder 0,25 ha (seit dem 30. März 2005) die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII beantragen können, ist für eine von der Rechtsprechung vorgesehene Korrektur des Begriffs des landwirtschaftlichen Unternehmens durch eine so genannte Geringfügigkeitsgrenze kein Bedarf mehr (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Juli 2005 – L 17 U 1/05 –, juris Rn. 25; Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Februar 2006 – L 17 U 253/04 –, juris Rn. 34 und 35; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Juni 2010 – L 17 U 228/08 –, juris Rn. 26).
- 47
Diese rechtliche Einschätzung wird auch dadurch gestützt, dass das Bundessozialgericht mit seinem Urteil vom 18. Januar 2011 (B 2 U 16/10 R, juris Rn. 22) die Rechtsprechung aufgegeben hat, nach der es eine Geringfügigkeitsschwelle für ein verwahrlostes Wiesengrundstück mit einer Fläche von 0,35 ha vorgesehen hatte, die lediglich zur Vermeidung von Samenflug von dem 15-jährigen Enkelsohn des Klägers gemäht worden war (BSG, Beschluss vom 25. Oktober 1989 – 2 BU 99/89 –, juris).
- 48
Die Unternehmereigenschaft des Klägers entfällt auch nicht aufgrund dessen, dass er sich der Hilfe Dritter bei der Bearbeitung seines Grundstücks bedient. Unternehmer ist nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Dabei ist es unerheblich, ob einzelne Arbeiten selbst oder von beauftragten Dritten durchgeführt werden (BSG, Urteil vom 5. Mai 1998 – B 2 U 30/97 R –, juris Rn. 25). Auch in dem Fall, in dem der beauftragte Dritte (z. B. Lohnunternehmer) selbst gesetzlich unfallversichert ist, bleibt die Unternehmereigenschaft im unfallrechtlichen Sinne davon unberührt. Um diese entfallen zu lassen, bedürfte es einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Eine solche ist jedoch nicht erfolgt. Auch der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmens wird im SGB VII unverändert verwendet (vgl. BT-Drucks. 13/2204 S. 104 zu § 123 Abs. 1). Es ist daher unerheblich, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben die Wiese von Pferdehaltern aus dem Dorf abmähen lässt.
- 49
Dass der Kläger seine Fläche nach seinen Angaben seit 2011 nicht mehr mäht, hat für den hier maßgeblichen Zeitraum, Beitragspflicht für die Jahre 2005 und 2009, keinerlei Auswirkungen, denn in diesen Zeiträumen wurde die Wiese noch gepflegt. Im Übrigen hat das Bundessozialgericht in seinen Urteilen vom 23. September 2004 – B 10 LW 13/02 R – (juris Rn. 18) und vom 5. Mai 1998 – B 2 U 30/97 R – (juris Rn. 22 und 23) entschieden, dass ein landwirtschaftliches Unternehmen nur dann aus der Mitgliedschaft einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft ausscheide, wenn ein Grundstück länger als fünf Jahre nicht mehr bewirtschaftet werde.
- 50
Nach § 150 SGB VII werden die Mittel für die Ausgaben der Berufsgenossenschaft durch Beiträge der Unternehmer, die versichert sind oder Versicherte beschäftigen, aufgebracht. Gemäß § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind die nach § 2 SGB VII versicherten Unternehmer selbst beitragspflichtig, demzufolge auch der Kläger.
- 51
Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der festgesetzten Beiträge für die hier relevanten Umlagejahre 2005 und 2009, rechtlich zu beanstanden sein könnten, sind weder von dem Kläger benannt worden noch nach dem Akteninhalt zu erkennen.
- 52
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen weder der Kläger noch der Beklagte des anhängigen Verfahrens zu den in § 183 SGG genannten Privilegierten gehört, werden nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 VwGO sind entsprechend anzuwenden. Gemäß § 154 Abs. 1 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens; in diesem Fall mithin der Kläger.
- 53
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG durch den Senat zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Die hier getroffene Entscheidung folgt ausdrücklich den Grundsätzen, die durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufgestellt worden sind.
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