Beschluss vom Oberlandesgericht Celle (13. Zivilsenat) - 13 W 20/12

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Verden vom 23. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der W. GmbH. Er beantragt Prozesskostenhilfe für die Durchführung einer beabsichtigten Klage, mit der er im Wege der Insolvenzanfechtung die Zahlung in Höhe von 7.021 € nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat den Antrag des Antragstellers unter Verweis auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

2

Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten einschließlich der gestellten bzw. angekündigten Anträge sowie der Entscheidung des Landgerichts wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie den angefochtenen Beschluss und den Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts Bezug genommen.

II.

3

Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag des Antragstellers, ihm Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage zu gewähren, im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

4

Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass in Bezug auf ihn die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO gegeben sind.

5

Der Insolvenzverwalter als Partei Kraft Amtes erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits geschäftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen, § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung ist nicht bereits dann mutwillig im Sinne von § 114 Abs. 1 ZPO, wenn der Insolvenzverwalter die Masse Unzulänglichkeit angezeigt hat, da dies nur Auswirkungen auf die Verteilung der vorhandenen Masse, nicht jedoch auf seinen Aufgabenkreis hat. Der Insolvenzverwalter bleibt vielmehr verpflichtet, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und zu verwerten, § 208 Abs. 3 InsO. Stellt sich hingegen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, dass die Insolvenzmasse nicht einmal ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, hat das Insolvenzgericht das Verfahren einzustellen, wenn nicht ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4 a InsO gestundet werden, § 207 Abs. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fall nur noch die vorhandene liquide Masse zu verteilen. Vor diesem Hintergrund kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung eines Anspruchs regelmäßig nicht in Betracht, wenn dieser nicht dazu geeignet ist, eine bereits eingetretene Massekostenarmut zu beheben (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 - IX ZB 221/08, juris Rn. 8 f.). Das ist vorliegend der Fall. Die Verfahrenskosten im Sinne von § 207 Abs. 1 InsO unterschreiten vorliegend jedenfalls nicht den Wert von 4.000 €. Die Insolvenzmasse beträgt dagegen vorliegend lediglich 3.511,14 €.

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1. Der Senat geht davon aus, dass die Verfahrenskosten im Sinne von § 207 Abs. 1 InsO jedenfalls einen Wert von 4.000 € nicht unterschreiten werden.

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a) Das ergibt sich bereits dann, wenn man nur die vom Antragsteller vor dem Landgericht eingereichten Schriftsätze zugrunde legt.

8

Zu den Verfahrenskosten im Sinne von § 207 Abs. 1 InsO zählen die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren, die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses (vgl. z. B. HambKomm/Weitzmann, InsO, 3. Aufl., § 207 Rn. 5). Der Antragsteller hat diese Kosten in den vor dem Landgericht eingereichten Schriftsätzen mit 3.176,31 € veranschlagt. Diese Schätzung hält der Senat für nicht zutreffend. Welche Kosten insoweit tatsächlich anfallen werden, steht zum Zeitpunkt des Verfahrensbeginns noch nicht fest, weshalb insoweit eine Prognosebeurteilung zu treffen ist (vgl. z. B. Uhlenbruck/Ries, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 207 Rn. 2). Die vom Antragsteller insoweit vorgenommene Berechnung hält der Senat nicht für zutreffend. Diese beinhaltet lediglich die Mindestpositionen an Kosten, die in dem Insolvenzverfahren unzweifelhaft anfallen werden. Demgegenüber hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 5. September 2011 nachvollziehbar dargelegt, welche weiteren Kostenpositionen in dem streitgegenständlichen Insolvenzverfahren aller Voraussicht nach noch anfallen werden und gelangt insoweit zu einer Gesamtkostengröße von 4.788,58 €. Diese Angaben des Antragsgegners hat der Antragsteller als solche nicht in Abrede genommen, sondern vielmehr lediglich ausgeführt, dass es sich bei den von dem Antragsgegner genannten Vorschriften der InsVV um Kann Vorschriften handele, die er nach seinem bisherigen Vortrag nicht geltend mache. Letzteres überzeugt nicht. Auch nach Einschätzung des Senats erscheint es als überaus wahrscheinlich, dass der Antragsteller die von ihm in Abrede genommenen „Kann-Positionen“ beanspruchen wird, bei denen es sich nach der Erfahrung des Senats um Positionen handelt, die von Insolvenzverwaltern regelmäßig geltend gemacht werden, wenn - wie unstreitig vorliegend - die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Im Hinblick auf das vorgenannte gegenläufige Vorbringen des Antragstellers hat der Senat den Eindruck, dass dieser versucht, im vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahren die Verfahrenskosten im Sinne von § 207 Abs. 1 InsO gering zu rechnen, um dadurch die Voraussetzungen für die Erlangung von Prozesskostenhilfe geltend machen zu können.

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b) Dass diese Einschätzung des Senats richtig ist, ergibt sich aus der Beschwerdeschrift des Antragstellers vom 2. März 2012. In dieser (Seite 4 = Bl. 56 d. A.) hat er die o. g. Kosten selbst mit 6.037,68 € beziffert.

10

2. Die Insolvenzmasse beträgt vorliegend 3.511,14 €, nämlich neben dem Kontoguthaben von 0,64 € die mit der beabsichtigten Klage verfolgte Forderung über 7.021 €, deren wirtschaftlicher Wert vorliegend mit 3.510,50 € anzusetzen ist.

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a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist nach der in Rechtsprechung und Literatur überwiegenden, vom Senat in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung die Forderung, für deren Durchsetzung Prozesskostenhilfe beantragt wird und durch die die Massekostenarmut beseitigt werden könnte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO mit zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Dezember 2009 - 13 W 94/09, juris Rn. 6 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 22. September 2011 - 27 W 122/11, juris Rn. 6; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. August 2011 - 9 W 13/11, juris Rn. 40 f.; Musielak/Fischer, ZPO, 8. Aufl., § 116 Rn. 5; anderer Ansicht: OLG Celle, Beschluss vom 8. April 2010 - 9 W 21/10, juris Rn. 2 f.; OLG München, Beschluss vom 21. Juli 2011 - 5 W 926/11, juris Rn. 9).

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b) Indes ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht grundsätzlich der volle Wert der mit der beabsichtigten Klage verfolgten Forderung einzustellen. Vielmehr sind bei der Feststellung der Insolvenzmasse im Rahmen von § 207 Abs. 1 InsO Forderungen lediglich mit dem mutmaßlichen Realisationswert anzusetzen, wobei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist. Bei - wie hier - streitigen Forderungen sind insoweit Prozessaussichten, Werthaltigkeit und Kostenrisiko zu berücksichtigen und abzuwägen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. August 2011 - 9 W 13/11, juris Rn. 41). Denn für die Prüfung der Aktivmasse kann grundsätzlich nur auf den voraussichtlich realisierbaren Wert der Masse bei Verfahrensbeendigung abgestellt werden, weshalb im Rahmen von § 207 Abs. 1 Vermögensgegenstände mit ihrem geschätzten Liquidationserlös anzusetzen sind (vgl. MünchKommInsO-Hefermehl, 2. Aufl., § 207 Rn. 18; HambKomm/Weitzmann, a. a. O., § 207 Rn. 8).

13

Nach dieser Maßgabe ist die mit der beabsichtigten Klage verfolgte Insolvenzforderung mit 3.510,50 € anzusetzen, was einem Abschlag von der Nominalforderung in Höhe von 50 % entspricht. Von einem derartigen Abschlag für das voraussichtliche Prozess- und Vollstreckungsrisiko ist der Antragsteller in seiner Antragschrift selbst ausgegangen. Hieran muss er sich festhalten lassen.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.

15

4. Der Senat lässt gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Rechtsbeschwerde zu. Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Forderung, für deren Durchsetzung Prozesskostenhilfe beantragt wird, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO zu berücksichtigen ist, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich behandelt und bedarf aus Sicht des Senats einer höchstrichterlichen Klärung. Entscheidungserheblich ist diese Problematik vorliegend jedenfalls deshalb, weil auch die Frage, ob der volle oder nur der wirtschaftliche Wert der mit der beabsichtigten Klage verfolgten Forderung in die diesbezügliche Prüfung einzustellen ist, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.

 


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