Beschluss vom Oberlandesgericht Celle (Senat für Familiensachen) - 10 WF 90/13

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers und unter deren Zurückweisung im übrigen wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 17. Oktober 2012 teilweise geändert.

Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. S. in H. ratenfreie VKH bewilligt, soweit er eine Abänderung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 6. Januar 2011 für die Zeit ab einem Jahr vor Rechtshängigkeit - frühestens aber ab August 2012 - dahin erstrebt, seine Unterhaltsverpflichtung für die beiden Antragsgegner auf jeweils 100 % des Mindestunterhalts gemäß § 1612a BGB abzüglich des hälftigen Kindergeldes gemäß § 1612b BGB für ein erstes bzw. zweites Kind herabzusetzen, also für einen Verfahrenswert von 1.908 €.

Eine Herabsetzung der Beschwerdegebühr gemäß der Anmerkung zu Nr. 1912 KV FamGKG ist nicht veranlaßt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist der Vater der beiden, durch das Jugendamt als Beistand vertretenen und in der Obhut der Kindesmutter lebenden minderjährigen Antragsgegner. Seine Unterhaltsverpflichtung für die Zeit seit Januar 2008 ist durch rechtskräftigen Unterhaltsfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 6. Januar 2011 in Höhe von jeweils 120 % des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes tituliert.

2

Im vorliegenden, am 3. Juli 2012 eingeleiteten Verfahren hat der Antragsteller um Verfahrenskostenhilfe (VKH) für ein Verfahren nachgesucht, mit dem er eine Abänderung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses vom 6. Januar 2011 dahin erstrebt, „derzeit nicht verpflichtet“ zu sein, Kindesunterhaltsleistungen zu erbringen.

3

Er macht geltend, für jegliche Form des Kindesunterhalts nicht leistungsfähig zu sein. Er erhalte als alleiniger Geschäftsführer der im Eigentum seiner in Schweden wohnhaften Lebensgefährtin (die zudem Mutter zweier weiterer Kinder des Antragstellers sein soll) stehenden und im Raum Hannover tätigen A. GmbH lediglich ein monatliches Gehalt von brutto 500 €, das noch um Sozialversicherungsbeiträge von rund 40 € verringert werde. Diese GmbH sei von seiner Lebensgefährtin 2008 gegründet worden, nachdem er ein von ihm über fünfzehn Jahre sehr erfolgreich geführtes Einzelunternehmen wegen aufgrund Fehlberatung aufgelaufener Steuerrückstände nicht habe fortführen können. Aufgrund des erwarteten positiven Ertrages der GmbH sei „kurz- bis mittelfristig“ eine „entsprechende Gehaltsanhebung“ für den Antragsteller zu erwarten. Obwohl er ausgebildeter Elektriker sowie ein erfahrener Geschäftsführer in seinem langjährigen Betätigungsfeld als Abbruchunternehmer sei, komme die Zurechnung eines höheren Einkommens ihm gegenüber nicht in Betracht. Im übrigen beabsichtige er - so seine Angabe von Juni 2012 - „kurzfristig“ einen Antrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens über sein Vermögen zu stellen.

4

Die Antragsgegner sind dem Antrag entgegengetreten, nehmen die Leistungsunfähigkeit des Antragstellers in Abrede und haben geltend gemacht, dieser habe insbesondere auch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nach erfolgter Titulierung nicht dargetan.

5

Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 17. Oktober 2012 dem Antragsteller die nachgesuchte VKH versagt, da der beabsichtigten Rechtsverfolgung die hinreichende Erfolgsaussicht fehle. Er habe seine behauptete Leistungsunfähigkeit nicht hinreichend substantiiert dargetan.

6

Gegen diesen, seinem Verfahrensbevollmächtigten am 15. November 2012 zugestellten Beschluß richtet sich die am Montag, den 17. Dezember 2012 beim Amtsgericht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers, der sein Begehren weiterverfolgt.

7

Das Amtsgericht hat - nach Gewährung von rechtlichem Gehör für die Antragsgegner sowie Einholung einer Gegenäußerung des Antragstellers - der Beschwerde mit Beschluß vom 11. März 2013 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

8

Der originär berufene Einzelrichter hat die Sache auf den Senat übertragen.

II.

9

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers kann in der Sache nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen sehr begrenzten Umfang Erfolg haben.

10

Zwar ist die amtsgerichtliche Bewertung, daß der Antragsteller seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht wie für einen Erfolg des Abänderungsverfahrens erforderlich dargelegt und unter Beweisantritt gestellt hat, zutreffend (dazu nachfolgend 2.). Allerdings haben die Beteiligten wie das Amtsgericht nicht hinreichend die rechtliche Ausgangssituation des vorliegenden Falles berücksichtigt, in dem der Antragsteller nämlich ein Abänderungsverfahren gemäß § 240 FamFG zu betreiben hat (dazu nachfolgend 1.).

11

1. Der Kindesunterhalt der Antragsgegner ist vorliegend durch einen im sogenannten Vereinfachten Verfahren ergangenen Unterhaltsfestsetzungsbeschluß gemäß § 253 FamFG tituliert. Da in dem vorangegangenen Unterhaltsfestsetzungsverfahren ein Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens nicht gestellt worden ist, hat eine hier in Rede stehende erstmalige Abänderung dieser Titulierung gemäß § 240 FamFG zu erfolgen.

12

a. Das (formelle) Abänderungsverfahren gemäß § 240 FamFG unterscheidet sich in seinen Voraussetzungen wesentlich von denen in einem solchen gemäß § 238 FamFG. Anders als bei einer nach letztgenannter Norm vorzunehmenden Abänderung gerichtlicher Entscheidungen, die auf einer inhaltlichen Sachprüfung durch das Gericht beruhen, liegt dem im Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG betroffenen Titel keine vorangegangene inhaltliche Sachprüfung, sondern nur die Feststellung eines Pauschalunterhalts zugrunde. Deswegen bedarf es im Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG auch keines Vortrages zu einer wesentlichen zwischenzeitlichen Änderung der Verhältnisse (vgl. BGH - Urteil vom 2. Oktober 2002 - XII ZR 346/00 - FamRZ 2003, 304 ff. = NJW-RR 2003, 433 ff. = juris [Tz. 13] zur entsprechenden Vorgängernorm § 654 ZPO). In diesem Verfahren gelten zudem die für ein reguläres materielles Erstverfahren auf Unterhaltstitulierung maßgeblichen Regeln der Darlegungs- und Beweislast (vgl. OLG Karlsruhe - Urteil vom 21. Februar 2003 - 20 UF 24/01 - FamRZ 2003, 1672 f. ebenfalls zur § 654 ZPO).

13

Dies bedeutet für den Streitfall, daß es seitens des Antragstellers keiner Darlegung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse seit Dezember 2010 bedarf (an der es entgegen seiner Annahme allerdings bislang tatsächlich gänzlich fehlt). Weiter obliegt es dem Antragsteller zwar im Hinblick auf seine gemäß § 1612 Abs. 2 BGB gesteigerte Unterhaltspflicht, die behauptete Leistungsunfähigkeit für die Erbringung des Mindestunterhaltes dazutun und unter Beweisantritt zu stellen. Hinsichtlich der über diesen Mindestunterhalt hinausgehenden Titulierung - vorliegend in Höhe weiterer 20 % des Mindestunterhalts - obliegt die Darlegung ihres Anspruches dagegen uneingeschränkt den Unterhaltsberechtigten (vgl. Zöller29-Lorenz, FamFG § 240 Rz. 1 a.E), also hier den Antragsgegnern.

14

b. Zudem sind für das auf eine Herabsetzung des Unterhalts gerichtete Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG die in Abs. 2 der Norm geregelten besonderen Zeitschranken zu beachten:

15

Nach Abs. 2 Satz 1 und 2 kommt eine rückwirkende Abänderung uneingeschränkt in Betracht, soweit der Abänderungsantrag innerhalb eines Monats nach Rechtskraft der Unterhaltsfestsetzung bzw. Abschluß eines auf dessen Erhöhung gerichteten Verfahrens gestellt wird. Dies ist im Streitfall offenkundig nicht der Fall.

16

Nach Abs. 2 Satz 1 ist die Abänderung im übrigen erst ab Rechtshängigkeit des Abänderungsbegehrens möglich, die im Streitfall bislang noch nicht eingetreten ist.

17

Abs. 2 Satz 3 eröffnet weitergehend eine rückwirkende Abänderung ab dem Zeitpunkt eines vom Antragsteller gestellten Auskunfts- oder Verzichtsverlangens; dies wird durch die Verweisung in Abs. 2 Satz 4 auf § 238 Abs. 3 Satz 4 FamFG jedoch wiederum höchstens auf den Zeitraum von einem Jahr vor Rechtshängigkeit des Abänderungsantrages beschränkt. Im Streitfall kann frühestens im April 2013 Rechtshängigkeit des Abänderungsantrages eintreten; insofern ist eine Abänderung jedenfalls für die Zeit vor Mai 2012 bereits aus Rechtsgründen ausgeschlossen.

18

2. Zutreffend ist im Streitfall das Amtsgericht allerdings davon ausgegangen, daß der Antragsteller mit seinem bislang erfolgten Vortrag nicht einmal - wie ihm insoweit aber vollumfänglich obliegt - seine Leistungsunfähigkeit für den Mindestunterhalt der beiden minderjährigen Antragsgegner dargelegt hat; auf das Fehlen entsprechender Beweisangebote kommt es insofern nicht weiter entscheidend an. Da sich die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen nicht allein nach seinem tatsächlich erzielten Einkommen richtet, sondern auch danach, was er bei Aufbringung aller - unter den Umständen des Streitfalles gemäß § 1603 Abs. 2 BGB gesteigerter - Bemühungen erzielen könnte, ist sein Vortrag zu einem angeblichen tatsächlichen Einkommen von monatlich rund 460 € für sich gänzlich unerheblich. Es fehlt nämlich jedenfalls an weitergehend erforderlichem Vortrag, auf dessen Grundlage mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könnte, daß für den Antragsteller die Erzielung eines zur Deckung seines Selbstbehaltes sowie des Mindestunterhaltsbedarfs seiner minderjährigen Kinder ausreichenden Einkommens ausgeschlossen ist. Es ist vielmehr offenkundig, daß der Antragsteller, der bereits nach eigenem Vortrag sowohl über eine Ausbildung als Elektriker als auch über langjährige Erfahrung als erfolgreicher Geschäftsführer eines Abbruchunternehmens verfügt, jedenfalls aus einer abhängigen Beschäftigung in erheblichem Umfang zum Unterhalt seiner Kinder beitragen könnte. Nach eigenem ausdrücklichen Vortrag will er zudem in der Vergangenheit unproblematisch in der Lage gewesen sein, hinreichenden Unterhalt für „beide Familien“ zu verdienen; warum dies nunmehr sogar allein für seine minderjährigen Kinder - wobei eine Unterhaltsberechtigung der beiden in Schweden lebenden Kinder seiner Lebensgefährtin nicht einmal substantiiert dargetan ist - völlig ausgeschlossen sein soll, ist in keiner Weise nachvollziehbar.

19

Etwas anderes ergibt sich auch nicht dadurch, daß der Antragsteller nach eigenen Angaben im Juni 2012  „in den nächsten Tagen“ einen Antrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens stellen wollte, die Eröffnung eines solchen Insolvenzverfahrens oder auch nur die tatsächliche Antragstellung allerdings in keiner Weise vorgetragen hat. Der Antragsteller hat schließlich auch in keiner Weise substantiiert dargetan, daß und in welchem Umfang er Ansprüchen anderer Gläubiger ausgesetzt ist.

20

Dies schließt die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung und damit eine Bewilligung von VKH aus, soweit eine Abänderung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses auf weniger als den Mindestunterhalt der beiden Antragsgegner erstrebt wird.

21

3. Soweit dagegen die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des über den Mindestunterhalt hinausgehenden Umfangs der bestehenden Unterhaltstitulierung nach den obigen Ausführungen den Antragsgegnern obliegt, haben auch diese ihrer Darlegungslast in keiner Weise entsprochen. Sie haben namentlich nicht dargetan, daß der Antragsteller hinreichend sicher Einkünfte erzielen könnte, aus denen er über seinen Selbstbehalt (bzw. den aktuellen Bedarfskontrollbetrag der entsprechenden Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle) hinaus einen Kindesunterhalt in Höhe von 120 % des Mindestunterhaltes zu leisten imstande wäre. Insoweit hat das Abänderungsbegehren des Antragstellers mithin grundsätzlich hinreichende Aussicht auf Erfolg.

22

4. Hinsichtlich der Abänderung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses bezüglich der Zeit vor der Übersendung des Abänderungsantrages in diesem Verfahren hat der Antragsgegner bislang eine an die Antragsgegner bzw. das Jugendamt als deren Beistand gerichtete und vor der Einreichung seines VKH-Gesuches erfolgte Verzichtsaufforderung nicht einmal substantiiert vorgetragen. Schon deswegen kommt nach derzeitigem Sach- und Streitstand eine Abänderung frühestens ab August 2012 in Betracht, da die Antragsgegner zu Händen des Jugendamts als ihren Beistand erst im Juli 2012 den Verfahrenskostenhilfeantrag zur Kenntnis erhalten haben.

23

Für ein weiter zurückreichendes Abänderungsbegehren könnte dem Antragsteller im übrigen auch unter dem Gesichtspunkt verfahrenskostenhilferechtlicher Mutwilligkeit in keinem Fall VKH bewilligt werden. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Senates würde ein vernünftiger Beteiligter, der für die Verfahrenskosten selbst aufzukommen hätte, nach Herbeiführung der Voraussetzungen für eine ggf. rückwirkende Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bzw. eines Abänderungsbegehrens bis zur Einreichung seines entsprechenden Antrages bei Gericht keine nennenswerten kostenrechtlichen Rückstände entstehen lassen, die gemäß § 51 Abs. 2 FamFG zu einer Erhöhung des Verfahrenswertes und damit der anfallenden Kosten führen (vgl. nur Senatsbeschluß vom 12. Mai 2011 - 10 WF 135/11 - MDR 2011, 1199 f. = JAmt 2011, 425 f. = juris = BeckRS 2011, 13913 = FamRZ 2012 f.  [Ls] = JurBüro 2011, 430 [Ls] m.w.N.).

24

5. Insgesamt hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers (nur) hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig, soweit er - vorbehaltlich eines Eintritts der Rechtshängigkeit des Abänderungsantrages bis August 2013 - eine Herabsetzung der im Unterhaltsfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 6. Januar 2011 erfolgten Titulierung des Unterhalts der beiden Antragsgegner für die Zeit ab August 2012 auf den jeweiligen Mindestunterhalt abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes bzw. zweites Kind erstrebt. Da er das Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen durch Vorlage einer vollständig ausgefüllten und mit den erforderlichen Belege versehenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dargetan hat, ist ihm insoweit ratenfreie VKH zu bewilligen sowie - da es sich um ein Anwaltsverfahren handelt - sein Verfahrensbevollmächtigter beizuordnen.

25

Der Umfang der Bewilligung entspricht - unter Berücksichtigung auch der Wertvorschrift des § 51 Abs. 1 Satz 2 FamGKG - einem Verfahrenswert von [((420 € - 334 € =) 86 € * 12 =) 1.032 € + (345 € - 272 € =) 73 € * 12 =) 876 € =] 1.908 €.

 


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