Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - II-2 WF 166/14
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der am 20.08.2014 erlassene Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Duisburg aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Festsetzung von Ordnungsgeld wegen Verstoßes gegen das unter Ziffer 1. Buchstabe a) des Tenors des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Duisburg vom 25.03.2014 ausgesprochene Näherungsverbots durch die Antragsgegnerin am 09.05. und 16.05.2014 sowie über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.
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G r ü n d e :
3Die gemäß §§ 87 Abs. 4, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antrags-gegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 20.08.2014, mit dem gegen die Antragsgegnerin Ordnungsgeld i.H.v. 1.000,00 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 50,00 € ein Tag Ordnungshaft mit der Begründung angeordnet wurde, dieser habe sowohl am 09.05. als auch am 16.05.2014 gegen das im Tenor genannte Näherungsverbot verstoßen, hat zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung über die Festsetzung von Ordnungsgeld an das Amtsgericht. Das Amtsgericht wird bei seiner erneuten Entscheidung die Rechtsauffassung des Senats sowie das Verschlechterungsverbot zu berücksichtigen haben.
4Die angefochtene Entscheidung kann keinen Bestand haben. Sie beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör.
5Art. 103 Abs. 1 GG gibt den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, sich zu dem für die Entscheidung erheblichen Sachverhalt zu äußern; dementsprechend haben die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Damit steht nicht im Widerspruch, dass der Gesetzgeber Präklusionsvorschriften geschaffen hat, die das Verfahren beschleunigen sollen (BVerfG, NJW 1982, 1635).
6Das Amtsgericht hat in seiner auf mündliche Verhandlung vom 30.07.2014 ergangenen Entscheidung vom 20.08.2014 das Vorbringen der Antragsgegnerin im Schrift-satz vom 06.08.2014 wegen Verspätung mit der Begründung unberücksichtigt gelassen, die Antragsgegnerin sei bereits mit der Terminsladung vom 12.06.2014 darauf hingewiesen worden, dass Zeugen mit ladungsfähiger Adresse unverzüglich zu benennen seien. Dies sei ohne Angabe von Gründen bis zum Schriftsatz vom 06.08.2014 nicht geschehen. Die Vernehmung der erst jetzt mit Anschrift benannten Zeugen würde zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und damit zu einer Verzögerung des Verfahrens führen. Die im Schriftsatz vom 06.08.2014 angebotenen Beweismitteln seien daher gemäß §§ 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO zu-rückzuweisen.
7Die Zurückweisung der erst nach der mündlichen Verhandlung erfolgten Beweisantritte wegen Verspätung verletzt die Antragsgegnerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Vorschrift des § 296 ZPO dient nach seiner systematischen Stellung im Gesetz ausschließlich der Verfahrensbeschleunigung im Erkenntnisverfahren, für das § 128 ZPO als grundsätzlich notwendige Voraussetzung einer Entscheidung die mündliche Verhandlung vorschreibt. Im Zwangsvollstreckungsverfahren gemäߧ§ 96 FamFG, 890 ZPO, das eine mündliche Verhandlung nicht zwingend erfordert, sind die Verspätungsregelungen der §§ 296, 296a ZPO dagegen nicht anwendbar (OLG München, OLGZ 1981, 489). Dies folgt auch daraus, dass gegen die Entscheidung über die Verhängung von Ordnungsmitteln gemäß §§ 96 FamFG, 890 ZPO die sofortige Beschwerde eröffnet ist. Das Beschwerdeverfahren ist hier gemäß §§ 567 ff. ZPO eine umfassende zweite Tatsacheninstanz. Gemäß § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO kann die Beschwerde auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden. Hier liegt ein grundlegender Unterschied zu den für das Berufungsverfahren geltenden Regelungen in §§ 529 ff. ZPO. Die dortigen Einschränkungen hat das Gesetz für das Beschwerdeverfahren nicht übernommen. Eine Übernahme von Präklusionsregelungen in das Beschluss- und Beschwerdeverfahren verbietet sich aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO. Einer entsprechenden Anwendung der Präklusionsvorschriften stehen im Übrigen deren strenger Ausnahmecharakter und ihre einschneidenden Folgen für die säumige Partei entgegen (BVerfG, NJW 1982, 1635). Dies gilt hier umso mehr als Vollstreckungstitel eine Anordnung nach§ 1 GewSchG ist. Für Verfahren in Gewaltschutzsachen gelten die allgemeinen Regelungen des FamFG in Familiensachen, ergänzt um die besonderen Vorschriften der §§ 210-216a FamFG. Die Vorschriften der ZPO und damit auch §§ 296, 296a ZPO finden keine Anwendung (Zöller/Lorenz, ZPO, 29. Auflage, § 210 FamFGRn. 1).
8Für die Verhängung von Ordnungsgeld gemäß §§ 96 FamFG, 890 ZPO ist wegen des repressiven Charakters die zweifelsfreie Feststellung einer Zuwiderhandlung erforderlich. Eine solche ist ohne Vernehmung der von der Antragsgegnerin benannten Zeugen nicht möglich. Es ist derzeit kein Grund erkennbar, aus dem den Angaben der Antragstellerin zweifelsfrei der Vorzug vor den bestreitenden Angaben der Antragsgegnerin zu geben ist. Eine zweifelsfreie Identifizierung der Antragsgegnerin aufgrund des Lichtbilds Bl. 107 der Akte, auf dem die abgebildete Person nur sehr undeutlich zu erkennen ist, ist nicht nachvollziehbar. Die Ausführungen des Amtsgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 17.10.2014 laufen letztlich auf eine zu Lasten der Antragsgegnerin gehende unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung vor erschöpfender Beweiserhebung hinaus.
9Die Verhängung von Ordnungsgeld lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, es sei nicht Sinn und Zweck des Näherungsverbotes, dass dieses durch das Zurückgreifen auf Verwandte oder Bekannte umgangen werden könnte. Das im Beschluss des Amtsgerichts vom 25.03.2014 unter 1. a) des Tenors ausgesprochene Näherungsverbot trifft ausdrücklich nur die Person der Antragsgegnerin. Dieser ist untersagt worden, “sich…zu nähern”. Eine Näherung durch Dritte wird von dem Verbotersichtlich nicht erfasst.
10Der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 17.10.2014 wird mit der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gegenstandslos, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Darauf, dass dieser erneut das Recht der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil er entgegen § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO das Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin unberücksichtigt lässt, kommt es für die hier zu treffende Entscheidung mithin nicht an.
11Da wegen des aufgezeigten erheblichen Verfahrensmangels eine tragfähige Ent-scheidungsgrundlage fehlt, sieht der Senat von einer eigenen Entscheidung in der Sache ab und macht von der Möglichkeit der § 87 Abs. 4 FamFG, 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch.
12Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird das Amtsgericht in seiner abschließenden Entscheidung ebenfalls zu entscheiden haben.
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Referenzen
- ZPO § 296 Zurückweisung verspäteten Vorbringens 4x
- ZPO § 128 Grundsatz der Mündlichkeit; schriftliches Verfahren 1x
- §§ 567 ff. ZPO 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 87 Verfahren; Beschwerde 1x
- ZPO § 96 Kosten erfolgloser Angriffs- oder Verteidigungsmittel 2x
- § 1 GewSchG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 529 ff. ZPO 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen 2x
- ZPO § 282 Rechtzeitigkeit des Vorbringens 1x
- ZPO § 87 Erlöschen der Vollmacht 1x
- ZPO § 296a Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung 2x
- ZPO § 571 Begründung, Präklusion, Ausnahmen vom Anwaltszwang 3x
- FamFG § 96 Vollstreckung in Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz und in Ehewohnungssachen 1x
- §§ 87 Abs. 4, 567 ff. ZPO 1x (nicht zugeordnet)