Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - III-2 Ws 605-606/14
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Antrag des Verurteilten anzuordnen, dass die Vollstreckung des durch Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 9. Juli 2009 angeordneten Verfalls von Wertersatz in Höhe von 150.000 Euro unterbleibt, wird abgelehnt.
Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
1
G r ü n d e :
3I.
4Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Beschwerdeführer am 9. Juli 2009 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 36 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Zugleich wurden seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und der Verfall von Wertersatz in Höhe von 150.000 Euro angeordnet.
5Mit Beschluss vom 6. Dezember 2013 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt.
6Auf Antrag des Verurteilten hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 1. September 2014 angeordnet, dass die Vollstreckung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 150.000 Euro unterbleibt.
7Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
8II.
9Das nach § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO zulässige Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in der Sache Erfolg.
10Der Senat hält es in Ausübung seines Ermessens nicht für gerechtfertigt, dem Antrag des Verurteilten zu entsprechen, dass die Vollstreckung des durch Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 9. Juli 2009 angeordneten Verfalls von Wertersatz in Höhe von 150.000 Euro unterbleibt.
11Nach § 459g Abs. 2 StPO gilt für die Vollstreckung von Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten (hier: Verfall von Wertersatz), die Regelung des § 459d StPO entsprechend. Demgemäß kann das Gericht anordnen, dass die Vollstreckung der Nebenfolge ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn die Vollstreckung die Wiedereingliederung des Verurteilten erschweren kann.
12Eine solche Anordnung stellt einen Eingriff in das rechtskräftige Urteil dar und trägt Ausnahmecharakter. Der Zweck der Regelung des § 459d StPO besteht nach der Zielsetzung des Gesetzgebers darin, solchen für die Resozialisierung bedeutsamen Umständen Rechnung zu tragen, die das Tatgericht nicht berücksichtigen konnte, weil sie erst nachträglich eingetreten oder bekannt geworden sind (vgl. OLG Koblenz MDR 1981, 870; OLG Jena NStZ-RR 2006, 286, 287; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 459d Rdn. 4; SK-Paeffgen, StPO, 4. Aufl., § 459d Rdn. 2).
13Im Erkenntnisverfahren hat bereits das Tatgericht nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB zu prüfen, ob die Anordnung des Verfalls ganz oder teilweise unterbleiben kann. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist auch zu berücksichtigen, dass die Resozialisierung des Angeklagten nicht durch zu hohe finanzielle Belastungen gefährdet werden soll (vgl. BGH NStZ 2001, 42; NStZ-RR 2003, 75; StV 2003, 616; StV 2013, 630; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 73c Rdn. 5).
14Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in dem Urteil vom 9. Juli 2009 die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 150.000 Euro wie folgt begründet:
15„Der Angeklagte hat Betäubungsmittelhandel betrieben und sich dadurch einen Vermögensvorteil gesichert. Er tätigte bei seinen Rauschgiftgeschäften erhebliche Umsätze und erlangte durch seine rechtswidrigen Taten Geld. Da das aus den Einzelverkäufen erlangte Geld unauffindbar ist, kommt statt des Verfalls nach § 73 StGB nur noch der Verfall von Wertersatz nach § 73a StGB in Betracht. Die Kammer geht nach den unwiderlegten Angaben des Angeklagten davon aus, dass der Wert des Erlangten in dem Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist. Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass er das Geld für seinen eigenen Betäubungsmittelkonsum, seinen Lebensunterhalt, für seine Spielfreude und Freizeitaktivitäten aufgebraucht hat. Das Gericht hat von seinem Ermessen, von der Anordnung von Verfall des Wertersatzes gem. § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB teilweise abzusehen, Gebrauch gemacht, da die Anordnung von Verfall des Wertersatzes in vollständiger Höhe nach dem Bruttoprinzip den Angeklagten unangemessen hart treffen würde. Eine Reduzierung der Höhe des Verfalls von Wertersatz sah die Kammer auch unter dem Gesichtspunkt der Honorierung der Aufklärungsbereitschaft und des Geständnisses des Angeklagten als vertretbar an (vgl. Weber, BtMG, 3. Auflage, § 33 Rdn. 144).
16Indes hat das Gericht die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 150.000 Euro für erforderlich gehalten, um dem Angeklagten auch nach Haftentlassung für einen längeren Zeitraum das Unrecht seiner Tat vor Augen zu halten. Ein vollständiges Absehen von der Anordnung von Verfall des Wertersatzes verbietet sich bei den vom Angeklagten getätigten Umsätzen. Sollte ihm eine Begleichung dieser Summe nicht möglich sein, bleibt ihm immer noch der Gang in die Privatinsolvenz.“
17Die mit diesen Erwägungen in Rechtskraft erwachsene Anordnung des Verfalls von Wertersatz kann nicht ohne wesentlich geänderte Tatsachengrundlage nachträglich unter Anwendung der §§ 459g Abs. 2, 459d StPO zugunsten des Verurteilten korrigiert werden. Wenn er die ihm auferlegte Zahlungsverpflichtung von 150.000 Euro nach Maßgabe der Härtevorschrift des § 73c StGB für fehlerhaft hält, hätte er dies mit der Revision rügen können, was jedoch nicht geschehen ist.
18Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten ist seit dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 9. Juli 2009 nicht eingetreten. Den Betrieb seines unrentablen Internetcafés hatte der Verurteilte bereits im Mai 2008 aufgegeben. Er verfügte vor seiner Festnahme über keine legalen Einkünfte und hat seinen aufwendigen Lebensunterhalt durch die abgeurteilten Betäubungsmitteldelikte finanziert. Das Tatgericht ist bei der Anordnung des Verfalls von Wertersatz davon ausgegangen, dass der Wert des aus den Straftaten Erlangten - in der Anklage wurden die Gesamteinnahmen mit 691.900 Euro veranschlagt - in dem Vermögen des Verurteilten nicht mehr vorhanden war. Es hat sich in Kenntnis dieser Umstände dennoch dafür entschieden, jedenfalls in Höhe von 150.000 Euro den Verfall von Wertersatz anzuordnen.
19Das Verprassen der erlangten Mittel und deren Verwendung für Luxus und zum Vergnügen sprach gegen ein gänzliches Absehen von der Verfallsanordnung (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 104, 105). Im Rahmen der §§ 459g Abs. 2, 459d StPO kann bei der Beurteilung, ob die Vollstreckung der Verfallsanordnung wegen Erschwerung der Wiedereingliederung unterbleiben kann, nichts anderes gelten.
20Nach dem Urteil vom 9. Juli 2009 sind keine neuen Umstände eingetreten oder bekannt geworden, die einen Eingriff in die tatrichterliche Entscheidung rechtfertigen könnten. Dass der Verurteilte arbeitslos ist und derzeit von staatlichen Sozialleistungen und Zuwendungen seiner Familie lebt, stellt keine wesentliche Veränderung zu seinem Nachteil dar. Denn über legale Einkünfte verfügte er vor seiner Inhaftierung zuletzt nicht. Die illegalen Einnahmen aus den Betäubungsmitteldelikten haben bei der Bewertung außer Betracht zu bleiben. Die von dem Verurteilten angeführten Steuerschulden von ca. 10.000 Euro resultieren aus dem früheren Betrieb des Internetcafés, das er im Mai 2008 aufgegeben hat, und waren bereits im Erkenntnisverfahren bekannt.
21III.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung.
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