Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI - U (Kart) 2/15
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. Dezember 2013 verkündete Endurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve abgeändert:
Das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Kleve vom 12. Juli 2013 (8 O 17/13) wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens und die Beschwer der Klägerin werden auf jeweils 18.564,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Der Klägerin steht der aufgrund des „Lizenzvertrages“ vom 9. Juli 2012 geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 18.564,00 € nebst Zinsen iHv. 5% p.a. vom 16. Februar 2013 bis zum 3. März 2013 und iHv. 8% über dem Basiszinssatz p.a. ab dem 4. März 2013 nach dem der Entscheidung zugrunde zulegenden Sachverhalt nicht zu. Nach dem Sach- und Streitstand ist das Vertragswerk der Parteien als von Anfang an nichtig anzusehen, weil die Klägerin es wegen arglistiger Täuschung über eine wesentliche Eigenschaft des Vertragsprodukts fristgerecht angefochten hat (§§ 123, 124, 142 Abs. 1 BGB).
41. Die Klägerin hat die Beklagte bei Abschluss des Lizenzvertrages vom 9. Juli 2012 und der auf seiner Grundlage zustande gekommenen Lieferverträge über jeweils 1.000 l „B..“ über die wesentliche Eigenschaft des Vertragsprodukts arglistig getäuscht.
5a) Es ist im Laufe des Berufungsverfahrens unstreitig geworden, dass der Geschäftsführer der Klägerin der Beklagten in den Vertragsgesprächen erklärt hat, dass das Vertragsprodukt „eine neue dauerhafte Horizontalsperrschicht gegen aufsteigende Feuchtigkeit in allen üblichen Mauerwerken“ bilde (Anlage K 11, GA 103).
6Die Beklagte hat im Verhandlungstermin vor dem Senat am 18. März 2015 ausdrücklich vorgetragen, dass ihr der Geschäftsführer der Klägerin in den Vertragsgesprächen Entsprechendes erklärt habe, weshalb das Vertragsprodukt für die ins Auge gefasste Zielgruppe der Endverbraucher, die die Sanierung ihrer feuchten Keller vermittels Errichtung einer horizontalen Feuchtigkeitssperre selbst vornehmen wollten, geeignet sei (vgl. Seite 2 der Sitzungsniederschrift vom 18.3.2015, GA 325).
7Diesen Gegenstand der Vertragsverhandlungen hat die Klägerin weder im Senatstermin am 18. März 2015 noch im Schriftsatz vom 14. April 2015 (GA 351 ff.) bestritten. Er ist auch nicht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als streitig anzusehen, weil eine dahingehende Absicht aus den übrigen Erklärungen der Klägerin nicht hervorgeht. Die Klägerin sieht in der Eignung des Vertragsprodukts, „eine neue dauerhafte Horizontalsperrschicht gegen aufsteigende Feuchtigkeit in allen üblichen Mauerwerken“ zu bilden (Anlage K 11, GA 103), dessen zentrale und wesentliche Eigenschaft. Sie hat mit Schriftsatz vom 14. April 2015 (dort Seite 2, GA 352) in Verbindung mit der klarstellenden Erklärung ihres Geschäftsführers im Senatstermin vom 29. April 2015 (vgl. Seite 2 der Sitzungsniederschrift vom 29.4.2015, GA 366) zur Funktion der Dichtschlämme ausdrücklich vorgetragen, dass das Vertragsprodukt diese (vertragswesentliche) Eigenschaft auch tatsächlich besitze, und sie hat in der „Unterweisung für das fachgerechte Sanieren von Feuchtigkeitsschäden im Kellerbereich“ (Anlage K 10, GA 97) und in dem „Technischem Merkblatt“ (Anlage K 11, GA 103), in denen sie das Vertragsprodukt beschreibt, jene Eigenschaft des Vertragsprodukts ausführlich beschrieben und beworben. Vor diesem Hintergrund spricht nichts für die Annahme, dass die Klägerin in Abrede stellen will, die Beklagte in den Vertragsgesprächen auf die Eignung des Vertragsprodukts zur Herstellung einer dauerhaften horizontalen Feuchtigkeitssperre hingewiesen zu haben.
8b) Nach dem der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt ist das Vertragsprodukt tatsächlich nicht geeignet, in allen üblichen Mauerwerken eine dauerhafte Horizontalsperrschicht gegen aufsteigende Feuchtigkeit zu bilden.
9aa) Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung vom 21. März 2014 behauptet, dass das Vertragsprodukt ungeeignet sei, in allen üblichen Mauerwerken eine dauerhafte horizontale Feuchtigkeitssperre herzustellen. Das ergibt die interessengerechte Auslegung ihres diesbezüglichen Sachvortrags. In der Berufungsbegründung vom 21. März 2014 heißt es auszugsweise (Seiten 2, 8 ff.,10, GA 170, 176 f., 178):
10„Die Beklagte vertreibt das Produkt „B…“, eine Flüssigkeit, die eine neue, dauerhafte Horizontalsperrschicht gegen aufsteigende Feuchtigkeit in allen üblichen Mauerwerken darstellen soll...
11Gerade die Probleme, die die Beklagte mit der Klägerin hinsichtlich der Beibringung von Referenzen hatte, hat Veranlassung gegeben, zu prüfen, ob die schon überlassenen Referenzen überhaupt brauch-bar sind. Der Beklagten ist es nunmehr gelungen, den Sachverständigen Dr. A… ausfindig zu machen, der an den Projekten ‚Wienflussmauer’ und ‚Injektion Bruchsteinmauerwerk’ gearbeitet hat. Herr Dr. A…. ist der Fachbereichsleiter im Bereich Bauwesen und Institutsleiter des …….. Die Beklagte hat Herrn Dr. A…. die Referenzen, die die Klägerin bzgl. der beiden Projekte der Beklagten überlassen hatte, zugesandt. Mit Mail vom 20. Februar 2014... führt Herr Dr. A…. aus:
12„Das angeführte Produkt ist uns nicht bekannt und wurde weder bei der Wienflussmauer noch beim Forschungsprojekt ‚Injektion Bruchsteinmauerwerk’ eingesetzt. Die Textierung der Produktbeschreibung stammt 1:1 aus einer unserer Veröffentlichungen.“
13Die Beklagte hat weiterhin Kontakt aufgenommen zu der Fa. …. Dabei stellt sich heraus, dass für das Forschungsprojekt ‚nachträgliche Horizontalabdichtungen von Bruchsteinmauerwerk mittels Injektionsverfahren’ – wie schon von Herrn Dr. A…. ausgeführt – das Mittel überhaupt nicht zur Anwendung gelangt ist. Aus der... E-Mail von Frau ……, Fachbereichsassistentin des ……. ergibt sich, dass für das Injektionsverfahren insgesamt 7 Produkte verwendet worden sind, die mit dem Produkt, das die Klägerin der Beklagten ‚angedreht’ hat, nichts zu tun haben.
14Das Produkt ist aber für Injektionen ungeeignet.
15... wurde die Beklagte über Referenzen getäuscht. Zumindest hat sie dies anlässlich der Nachfrage in Wien für zwei Projekte feststellen können... mit diesen Referenzen war der Beklagten vorgegaukelt worden, dass es sich um ein anerkanntes und in der Praxis schon bewehrtes Produkt handeln würde.“
16Die Beklagte äußert mit der Formulierung „darstellen soll“ zwar zunächst nur Zweifel daran, dass das Vertragsprodukt die Eigenschaft hat, „eine neue dauerhafte Horizontalsperrschicht gegen aufsteigende Feuchtigkeit in allen üblichen Mauerwerken“ zu bilden (Anlage K 11, GA 103), erklärt des weiteren aber ausdrücklich, dass das Vertragsprodukt für nachträgliche Horizontalabdichtungen von Bruchsteinmauerwerk mittels Injektionsverfahren „ungeeignet“ ist. Auch wenn die Beklagte dies im Zusammenhang mit dem Vorwurf unrichtiger Referenzen geltend macht, so lässt sich ihr Vortrag in seiner Gesamtschau bei einer interessengerechten Auslegung nur dahin verstehen, dass der Kern des Vorwurfs darin besteht, dass die Referenzen unrichtig sind, weil das Vertragsprodukt überhaupt nicht wie angegeben zum Einsatz gekommen ist, und zwar deshalb, weil es nicht die Eigenschaft besitzt, eine dauerhafte Horizontalsperrschicht gegen aufsteigende Feuchtigkeit in allen üblichen Mauerwerken zu bilden. Dieses Verständnis des Sachvortrags der Beklagten liegt umso näher, als die Referenzen - wie es in dem Vortrag der Klägerin auch anklingt („war der Beklagten vorgegaukelt worden, dass es sich um ein anerkanntes und in der Praxis schon bewehrtes Produkt handeln würde“) - gerade dem Zweck dienten, die wesentliche Eigenschaft des Vertragsprodukts nachzuweisen, in allen üblichen Mauerwerken eine dauerhafte horizontale Feuchtigkeitssperre zu bilden. Dies belegt insbesondere die „B. Arbeitsanweisung“ (Anlage K 8, GA 86), in der zu den Referenzen ausgeführt wird (dort Seiten 6f., GA 91 f.):
17„Sanierung der Wienflussmauer mittels Injektionen von B….zur Herstellung der Dichtheit der Wienflusstrennmauer, welche den Hochwasserschutz der U-Bahn-Trasse der Linie .. gegenüber dem Wienfluss funktional darstellt... Das B…. hat hier eine noch nie dagewesene Eindringtiefe erreicht.“
18„Im Rahmen des Forschungsprojekts ‚Hydrophobierende und/oder porenverschließende Injektionsmittel’ wurden die Wirksamkeit und Anwendungsgrenzen von Injektionsmitteln zur nachträglichen Horizontalabdichtung von Bruchsteinmauerwerk unter besonderer Berücksichtigung der Eindringungstiefe untersucht... Das B… hat hinsichtlich der einzigartigen Fähigkeit des biologisch selbstreproduzierenden Kristallienmaterial die Nase so weit vorn, sodass alle weiteren Materialien in der ersten Runde ausschieden.“
19bb) Der Sachvortrag der Beklagten, das Vertragsprodukt sei zur Herstellung einer dauerhaften horizontalen Feuchtigkeitssperre nicht geeignet, ist gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen, weil es im ersten Rechtszug ohne Nachlässigkeit nicht geltend gemacht worden ist.
20Die Beklagte hat glaubhaft gemacht (§ 531 Satz 2 ZPO), dass ihr die fehlende Eignung des Vertragsprodukts zur Herstellung einer horizontalen Feuchtigkeitssperre bis zum Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens nicht bekannt gewesen ist (vgl. Eidesstattliche Versicherung der Beklagten vom 25. Februar 2015, dort Seite 2, GA 317). Der Beklagten fällt auch kein Aufklärungsverschulden zur Last. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll § 531 Abs. 2 ZPO die Parteien zwar zu konzentrierter Verfahrensführung anhalten. Die Vorschrift begründet aber keine Verpflichtung der Prozesspartei, tatsächliche Umstände, die ihr nicht bekannt sind, zu ermitteln, wenn für ihr Vorliegen keine näheren Anhaltspunkte gegeben sind (BGH, Urt. v. 6. November 2008, III ZR 231/07, Rdn. 16). So liegt der Fall hier. Der Sach- und Streitstand im ersten Rechtszug gab der Beklagten keinen greifbaren Anlass dazu, die Eigenschaft des Vertragsprodukts, eine dauerhafte Horizontalsperrschicht gegen aufsteigende Feuchtigkeit in allen üblichen Mauerwerken zu bilden, infrage zustellen. Dies liegt auf der Hand, soweit es um die Vorwürfe der Beklagten ging, der Geschäftsführer der Klägerin habe trotz Aufforderung die Referenzen für Griechenland nicht zur Verfügung gestellt, eine von einem Kunden gewünschte Materialprobe nicht übersandt, einen Ortstermin bei einem Kunden nicht wahrgenommen, benötigte Produktinformationen nicht übermittelt („20% unbrennbar“), an einem Neujahrsempfang zur Produktvorstellung entgegen seiner Zusage nicht teilgenommen, den im Aufbau befindlichen Onlineshop gelöscht und es an den erforderlichen Unterweisungen fehlen lassen. Gleiches gilt, soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 7. November 2013 geltend gemacht hat, dass nach Durchführung einer Unterweisung „trotz Anwendung des streitgegenständlichen Produkts keine trockene Stelle im Keller... gemessen werden konnte und kann“ (dort Seite 4, GA 132). Denn die Beklagte hatte keinen Grund, deswegen an der Eignung des Vertragsprodukts zur Herstellung einer dauerhaften horizontalen Feuchtigkeitssperre zu zweifeln. Näher lag es seinerzeit, den ausgebliebenen Arbeitserfolg auf die Tatsache zurückzuführen, dass der Keller nicht zusätzlich mit Dichtschlämmen („Kristallmörtel“) zur vertikalen Abdichtung der Wände bearbeitet worden war. Das macht die Klägerin im Berufungsverfahren selbst geltend (Schriftsatz vom 14.4.2015, dort Seite 2, GA 352 sowie Sitzungsniederschrift vom 29.4.2015, dort Seite 2, GA 366), und die Beklagte hat dies im Senatstermin vom 29. April 2015 ausdrücklich bestätigt.
21cc) Die Klägerin hat den Sachvortrag der Beklagten nicht prozessual wirksam bestritten. In der Berufungserwiderung (dort Seite 2, GA 195) hat sie selbst vorgetragen, dass das Vertragsprodukt nicht in der Lage sei, in allen üblichen Mauerwerken eine dauerhafte Sperrschicht gegen aufsteigende Feuchtigkeit zu schaffen. Von diesem Sachvortrag ist sie prozessual beachtlich erst im Verhandlungstermin des Senats am 29. April 2015 abgerückt und behauptet nunmehr das Gegenteil. Mit diesem neuen Vortrag ist die Klägerin indes gemäß den §§ 525 Satz 1, 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO präkludiert. Nach den genannten Vorschriften hat ein Vorbringen bei der Entscheidungsfindung außer Betracht zu bleiben, wenn es unter Missachtung der allgemeinen Prozessförderungspflicht verspätet vorgebracht wird, der Prozesspartei grobe Nachlässigkeit zur Last fällt und die Zulassung des verspäteten Sachvortrags zur Verzögerung des Rechtsstreits führen würde.
22(1) Die Klägerin hat ihre prozessuale Obliegenheit, sich vollständig und wahrheitsgemäß über alle tatsächlichen Umstände des Prozessstoffs zu erklären (§ 138 Abs. 1 ZPO) sowie die Angriffs- und Verteidigungsmittel so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht (§§ 525 Satz 1, 282 Abs. 1 ZPO), verletzt. Nachdem die Beklagte ihre Rechtsverteidigung in der Berufungsbegründung auch auf den Vorwurf gestützt hatte, das Vertragsprodukt sei zur Herstellung einer dauerhaften horizontalen Feuchtigkeitssperre ungeeignet, hätte die Klägerin dazu bereits in der Berufungserwiderung vom 20. Juni 2014 wahrheitsgemäß und umfassend Stellung nehmen und vortragen müssen, dass - wie sie nunmehr reklamiert - diese Produkteigenschaft tatsächlich auch besteht. Das hat sie bis zum Verhandlungstermin des Senats am 29. April 2015 unterlassen.
23(1.1) Die Klägerin hat in ihrer Erwiderung auf die Berufungsbegründung ausdrücklich in Abrede gestellt, dass das von ihr vertriebene Produkt eine dauerhafte Sperrschicht gegen aufsteigende Feuchtigkeit bewirken könne. Sie hat darüber hinaus unzutreffend den Eindruck erweckt, als handele es sich bei dem Vertragsprodukt um ein bloßes Vorbehandlungsprodukt. In der Berufungserwiderung heißt es dazu (S. 2, GA 195):
24„Die Klägerin vertreibt das Produkt mit zwei Anwendungsschwerpunkten: Zum einen zur „Hydrophobierung“, also zur Imprägnierung zum Schutz gegen Feuchtigkeit von Mauerwerk durch Aufbringen des Produkts von außen.
25Zum anderen zur Vorbehandlung von Mauerwerken von innen, um die Voraussetzung für eine Abdichtung von innen zu schaffen. Hierzu vertreibt die Klägerin zusätzlich das Produkt „PC…“ ….. Hierbei handelt es sich um …. (eine) mineralische Dichtschlämme. Dieses Produkt wird zur positiven Abdichtung mineralischer Untergründe verwendet. Es setzt bei seiner Anwendung auf z.B. einer Wandfläche voraus, dass diese keine „Wasserläufigkeiten“ aufweist. …. Um dies zu erreichen, hat die Klägerin ein Verfahren entwickelt, das den Einsatz des Produkts B… beinhaltet. Zur Vorbereitung der abzudichtenden Fläche wird das B… zunächst auf bzw. in das Mauerwerk gebracht, um für die Dauer der Aufbringung der Dichtungsschlämme die „Wasserläufigkeit“ zu unterbinden.“
26Diese Ausführungen entsprachen nicht den Tatsachen. Wie der Geschäftsführer der Klägerin im Senatstermin am 29. April 2015 (Seite 2 der Sitzungsniederschrift vom 29.4.2015, GA 363) auf Vorhalt des Gerichts einräumen musste, ist das Vertragsprodukt „B…. “ kein bloßes Vorbehandlungsprodukt, sondern selbst zur Herstellung einer dauerhaften horizontalen Sperre gegen aufsteigende Feuchtigkeit geeignet, während der Dichtschlamm alleine dem Zweck dient, das Mauerwerk zusätzlich vertikal gegen seitlich eindringende Feuchtigkeit abzudichten.
27(1.2) Ihren Sachvortrag hat die Klägerin im Schriftsatz vom 14. April 2015 nicht in prozessual beachtlicher Weise korrigiert.
28Der Senat hatte die Klägerin mit Beschluss vom 18. März 2015 (Seite 4 der Sitzungsniederschrift vom 18.3.2015, GA 327) aufgefordert, das eigene Vorbringen im Hinblick auf den Inhalt der erstinstanzlich selbst vorgelegten Anlagen K 10 und K 11, die das Vertragsprodukt ausdrücklich als ein Mittel zur Herstellung einer dauerhaften horizontalen Sperre gegen aufsteigende Feuchtigkeit bewerben, bis zum 15. April 2015 zu überprüfen und gegebenenfalls richtig zu stellen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 14. April 2015 ergänzend vorgetragen. Ihr Vorbringen missachtet allerdings in dem vorliegend interessierenden Punkt die Obliegenheit aus § 138 Abs. 1 ZPO, vollständig und wahrheitsgemäß - d.h. auch klar, deutlich und unmissverständlich - vorzutragen. Aus diesem Grund war jener Sachvortrag prozessual unbeachtlich. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 14. April 2015 behauptet, dass das Vertragsprodukt zwar nach den eigenen Erfahrungen ihres Geschäftsführers eine dauerhafte Horizontalsperrschicht in allen gängigen Mauerwerken bilden könne, aber in vielen Fällen zusätzlich mit den beschriebenen Dichtschlämmen zu arbeiten sei, um einen Keller dauerhaft trocken zu legen. Auch der zum Zwecke der Schulung der Beklagten bearbeitete Keller habe - so die Klägerin weiter - eines zusätzlichen Produkts, nämlich eines Dichtschlamms bedurft, um letztlich trocken werden zu können. Dementsprechend habe er der Beklagten im Rahmen der Schulung ausdrücklich erklärt, dass neben dem Vertragsprodukt auch der Dichtschlamm „B…– Kristallmörtel“ benötigt werde. Diese Darstellung der Klägerin gibt den wahren Sachverhalt nicht unmissverständlich wieder. Während der Dichtschlamm nämlich in Wahrheit alleine dem Zweck dient, neben einer horizontalen Feuchtigkeitssperre auch eine vertikale Abdichtung des Mauerwerks vorzunehmen, erweckt die Klägerin durch ihren völlig diffus gehaltenen Sachvortrag den unzutreffenden Eindruck, als müsse in vielen Fällen neben dem Vertragsprodukt auch ein Dichtschlamm verwendet werden, um am Ende eine wirksame horizontale Feuchtigkeitssperre gegen aufsteigende Feuchtigkeit herstellen zu können. Aufgeklärt worden sind die tatsächlichen Zusammenhänge erst im Verhandlungstermin des Senats am 29. April 2015, in dem der Geschäftsführer der Klägerin auf Nachfrage des Gerichts bestätigt hat, dass der Dichtschlamm mit der Herstellung einer Horizontalsperre nichts zu tun hat. Erst mit dieser Klarstellung lag ein prozessual beachtlicher Sachvortrag der Klägerin zu der gegnerischen Behauptung vor, dass das Vertragsprodukt zur Herstellung einer dauerhaften Horizontalsperre ungeeignet sei.
29(2) Der Klägerin fällt grobe Nachlässigkeit zur Last. Dass das Vertragsprodukt - wie die Klägerin mittlerweile reklamiert - zur Herstellung einer dauerhaften Horizontalsperre gegen aufsteigende Feuchtigkeit geeignet ist, während die Dichtschlämme eine zusätzliche seitliche Mauerwerksabdichtung bewirken sollen, betrifft einen denkbar einfach gelagerten Sachverhalt, der in der Berufungsinstanz von Anfang an ohne weiteres hätte zutreffend dargestellt werden können. Irgendwelche Hindernisse oder Unklarheiten sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Sie ergeben sich auch nicht aus dem lapidaren Hinweis der Klägerin im Schriftsatz vom 14. April 2015 (dort Seite 2, GA 352), ihr Geschäftsführer habe bei der Besprechung zur Anfertigung der Berufungserwiderung die Schulungsmaßnahme der Beklagten am Kellermauerwerk vor Augen gehabt. Der Umstand, dass jenes Mauerwerk nur durch eine Kombination von horizontaler Sperrschicht (Vertragsprodukt) und vertikaler Abdichtung (Dichtschlamm) trocken zu legen war, erklärt nicht ansatzweise, wieso die Klägerin an einem unmissverständlichen Sachvortrag zu den verschiedenen Einsatzbereichen des Vertragsprodukts einerseits (Horizontalsperre gegen aufsteigende Feuchtigkeit) und der Dichtschlämme andererseits (Vertikalabdichtung des Mauerwerks) gehindert gewesen sein soll. Bei vernünftiger und lebensnaher Betrachtung spricht deshalb alles dafür, dass die Klägerin im Schriftsatz vom 14. April 2015 bewusst diffus und missverständlich vorgetragen hat, um ihren falschen Sachvortrag in der Berufungserwiderung nicht klar und deutlich eingestehen zu müssen. Bestätigt wird dies durch die Tatsache, dass die Klägerin ihren Sachvortrag auch in anderen Punkten der jeweiligen Prozesslage angepasst hat. Das gesamte Prozessverfahren zeichnet sich durch den wechselnden und unklaren Vortrag der Klägerin zu wesentlichen Punkten, etwa zu den Fragen, ob die Vorlieferantin auch an Dritte vertreibt (GA 195, 218 f., 219, 220, 221 f.), ob die Klägerin das von der Vorlieferantin gelieferte Produkt unverändert weiter vertreibt oder um ein Additiv ergänzt (GA 195, 218 f., 219, 221 f.), welches Produkt in den Wiener Projekten eingesetzt worden ist (GA 198, 254) und ob das Vertragsprodukt geeignet ist, eine dauerhafte Horizontalsperrschicht gegen aufsteigende Feuchtigkeit in allen üblichen Mauerwerken zu bilden, aus. Der Einlassung der Klägerin, ihr Geschäftsführer habe zur Eigenschaft des Vertragsprodukts, eine dauerhafte Horizontalsperre herstellen zu können, nicht bewusst falsch vorgetragen, schenkt der Senat vor diesem Hintergrund keinen Glauben.
30(3) Die Zulassung des neuen Sachvortrags der Klägerin, wonach das Vertragsprodukt geeignet sein soll, in allen üblichen Mauerwerken eine dauerhafte horizontale Feuchtigkeitssperre zu bilden, würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern. Da die Klägerin - wie vorstehend ausgeführt - jenes Vorbringen erstmals im Senatstermin vom 29. April 2015 prozessual beachtlich in den Rechtsstreit eingeführt hat und erst dadurch die entgegenstehende Behauptung der Beklagten beweisbedürftig geworden ist, wäre zur Erledigung des Rechtsstreits eine Beweisaufnahme über die Eignung des Vertragsprodukts, eine dauerhafte Horizontalsperre herzustellen, durchzuführen gewesen. Die Vernehmung des beklagtenseits benannten Zeugen W… und die gegebenenfalls anschließende Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen hätten einen weiteren Verhandlungstermin erforderlich gemacht, was wiederum die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde.
31c) Der Geschäftsführer der Klägerin hat die Beklagten in den Vertragsgesprächen über die vertragswesentliche Eigenschaft des verkauften Produkts getäuscht. ……..
32………
33II.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, weil das Senatsurteil unanfechtbar ist.
35Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 2 - 4 ZPO.
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Referenzen
- BGB § 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung 1x
- ZPO § 282 Rechtzeitigkeit des Vorbringens 2x
- BGB § 142 Wirkung der Anfechtung 1x
- BGB § 124 Anfechtungsfrist 1x
- ZPO § 525 Allgemeine Verfahrensgrundsätze 2x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel 3x
- ZPO § 296 Zurückweisung verspäteten Vorbringens 1x
- III ZR 231/07 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht 3x
- 8 O 17/13 1x (nicht zugeordnet)