Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-3 Wx 130/15
Tenor
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Geschäftswert: 5.000 €.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Satzung der betroffenen Gesellschaft enthält in § 4 folgende Regelungen zur Vertretung der Gesellschaft:
4„1.
5Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer.
62.
7Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so ist dieser alleinvertretungsberechtigt. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so sind je 2 von ihnen gemeinschaftlich oder einer von ihnen in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertretungsberechtigt.
83.
9Die Gesellschafterversammlung kann einzelnen, mehreren oder allen Geschäftsführern Alleinvertretungsbefugnis erteilen und/oder sie von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien.“
10Alleinige Gesellschafter sind der Beteiligte und dessen Ehefrau. Zum ersten Geschäftsführer der Gesellschaft bestellten sie – unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB – den Beteiligten.
11In einer Gesellschafterversammlung vom 9. April 2015 beschlossen die Gesellschafter unter anderem:
12„1.
13Die Gesellschaft wird mit Wirkung zum Ablauf des heutigen Tages aufgelöst.
142.
15Der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft wird ergänzt:
16Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Liquidatoren. Ein Liquidator vertritt die Gesellschaft allein, bei mehreren Liquidatoren wird die Gesellschaft durch zwei Liquidatoren gemeinschaftlich vertreten.
17Durch Gesellschafterbeschluss kann allen oder einzelnen Liquidatoren erteilt werden:
18 Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, und
19 Befugnis zur Einzelvertretung der Gesellschaft.
203.
21Herr G. S. wird als Geschäftsführer abberufen.
224.Zum Liquidator der Gesellschaft wird bestellt: Herr G. S., …
23Er ist stets einzelvertretungsbefugt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.“
24Die vorgenannten Gesellschafterbeschlüsse liegen ausschließlich in privatschriftlicher Form vor.
25Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 9. April 2015 hat der Beteiligte unter anderem unter Überreichung der Niederschrift über die Gesellschafterversammlung vom gleichen Tage zur Eintragung angemeldet die Auflösung der betroffenen Gesellschaft, seine Abberufung als Geschäftsführer und seine Bestellung zum einzelvertretungsbefugten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Liquidator, darüber hinaus die Eintragung der abstrakten Vertretungsbefugnis der Liquidatoren entsprechend Ziffer 2. der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung.
26Daraufhin hat das Registergericht durch die angefochtene Entscheidung ausgesprochen, der vorbezeichneten Anmeldung könne noch nicht entsprochen werden, weil sie hinsichtlich der abstrakten und der konkreten Regelung betreffend die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zu beanstanden sei. Dies hat das Registergericht näher begründet.
27Gegen diesen ihm am 21. Mai 2015 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte mit seinem am 10. Juni 2015 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, zu dessen Begründung er – näher dargelegt – ausführt, die Grundlagen für die beantragte Eintragung fänden sich in den privatschriftlichen Gesellschafterbeschlüssen vom 9. April 2015 zu Ziffern 2. und 4.
28Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakte Bezug genommen.
29II.
30Das Rechtsmittel des Beteiligten ist als befristete Beschwerde statthaft und auch im übrigen zulässig, §§ 382 Abs. 4 Satz 2, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG. Es ist nach der vom Registergericht ordnungsgemäß mit weiterem Beschluss vom 11. Juni 2015 ausgesprochenen Nichtabhilfe und der Vorlage an das Beschwerdegericht dem Senat auch zur Entscheidung angefallen.
31In der Sache jedoch bleibt es ohne Erfolg. Die Beanstandung des Registergerichts erweist sich als zutreffend.
321.
33Die angemeldete konkrete Vertretungsregelung ist hinsichtlich der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB nur dann eintragungsfähig, wenn die die abstrakte Vertretungsbefugnis von Liquidatoren regelnde Ergänzung der Satzung in Ziffer 2. der Gesellschafterbeschlüsse mindestens gleichzeitig miteingetragen werden kann. Dies hat bereits das Registergericht in der Zwischenverfügung und dem Nichtabhilfebeschluss näher ausgeführt, folgt zweifelsfrei aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 27. Oktober 2008 (WM 2009, 23 ff.; insbesondere Tz. 11) und wird nach ihrer ausdrücklichen Erklärung von der Rechtsmittelbegründung ebenso gesehen.
342.
35Die abstrakte Regelung ist indes nicht eintragungsfähig, weil der Gesellschafterbeschluss über die Änderung – Ergänzung – der Satzung der betroffenen Gesellschaft unwirksam ist.
36a)
37Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sind Gesellschafterbeschlüsse über die Abänderung des Gesellschaftsvertrages zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Unwirksame Beschlüsse jedoch darf das Registergericht nicht eintragen (MK-Harbarth, GmbHG, 2. Aufl. 2016, § 54 Rdnr. 73; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 54 Rdnr. 20; jeweils m.w.Nachw.).
38b)
39Grundsätzlich muss ein Gesellschafterbeschluss über eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages notariell beurkundet werden, § 53 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz GmbHG. Differenzierter ist die Lage bei einer sogenannten Satzungsdurchbrechung zu beurteilen.
40Satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse sind solche, die, ohne eine Satzungsbestimmung zu ändern, im Einzelfall von dieser abweichen, bei denen mithin für künftige Fälle die Satzung mit ihrem bisherigen Inhalt fortgelten soll; hierunter fallen grundsätzlich auch Beschlüsse über die Erweiterung oder Ergänzung der Satzung. Die Satzungsdurchbrechung ist zustandsbegründend, wenn der Beschluss eine Dauerwirkung entfaltet, mag der durch ihn herbeigeführte Zustand auch auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt sein. Demgegenüber sind unter punktuellen Satzungsdurchbrechungen Beschlüsse zu verstehen, bei denen sich die Wirkung des Beschlusses in einem Einzelakt, nämlich der betreffenden Maßnahme, erschöpft. Jedenfalls zustandsbegründende Satzungsdurchbrechungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Einhaltung sämtlicher Bestimmungen über die Satzungsänderung. Werden diese Vorschriften nicht eingehalten, ist der Beschluss unwirksam, und zwar selbst dann, wenn bei ihm alle Gesellschafter mitgewirkt haben, sowie unabhängig davon, ob diese bei ihrer Beschlussfassung eine Satzungsdurchbrechung herbeiführen wollten oder nicht. Ein solchermaßen unwirksamer Gesellschafterbeschluss kann zwar grundsätzlich in eine schuldrechtliche Verpflichtung zu einem der getroffenen Regelung entsprechenden Verhalten umgedeutet werden, doch kann eine solche schuldrechtliche Abrede grundsätzlich nicht bewirken, dass eine bestimmte organisationsrechtliche Regelung der Satzung geändert wird (BGHZ 123, 15 ff.; Nachweise zur obergerichtlichen Rechtsprechung bei OLG Dresden NZG 2012, 507 f.; Scholz-Priester, GmbHG, 11. Aufl. 2015, § 53 Rdnr. 29 f.; Groß-kommGmbHG-Ulmer, 2008, § 53 Rdnr. 36; Harbarth a.a.O., § 53 Rdnr. 45, 48 f. und 52; wohl auch Zöllner/Noack a.a.O., § 53 Rdnr. 45).
41Nach teilweise vertretener Auffassung (Harbarth a.a.O., Rdnr. 51; Priester a.a.O., Rdnr. 30a m.w.Nachw.) bedürfen auch punktuelle Satzungsdurchbrechungen der Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften, jedoch mit Ausnahme des Erfordernisses der Registereintragung. Nach diesem Standpunkt muss also auch dann der Beschluss notariell beurkundet werden. Folgt man dem, ist der hier in Rede stehende Gesellschafterbeschluss auch dann unwirksam, wenn man in ihm eine punktuelle Satzungsdurchbrechung sehen wollte, da es an der erforderlichen Form fehlt. Diese Frage bedarf indes keiner Vertiefung.
42Denn richtigerweise ist der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 9. April 2015 zu Ziffer 2. als zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung anzusehen. Solange nämlich ein Liquidator für die betroffene Gesellschaft handelt, soll – ständig – die Möglichkeit bestehen, ihn durch Gesellschafterbeschluss von den Beschränkungen des § 181 BGB zu befreien. Dass die Liquidation insgesamt ein abgrenzbarer Zeitraum sein wird, steht der Qualifikation als Zustandsbegründung nach den dargestellten Grundsätzen nicht entgegen. Auch macht selbst die Rechtsmittelbegründung nicht geltend, die Liquidation beschränke sich vorliegend auf einen sozusagen nicht nennenswerten Umfang selbst in zeitlicher Hinsicht (zum Gesichtspunkt der kurzen Dauer BGH a.a.O., Tz. 14 juris-Version). Es tritt hinzu, dass die Gesellschafter tatsächlich bereits zugleich die Befreiung des konkret bestellten Liquidators beschlossen haben, sich die Erweiterung der rechtlichen Befugnis also auch faktisch während der gesamten Liquidation bei jedem rechtsgeschäftlichen Handeln ständig aktualisieren kann; deshalb weicht die Lage im gegebenen Fall nicht entscheidungserheblich von Sachverhalten ab, bei denen einem Gesellschafter satzungsdurchbrechend eine Befreiung von einem Wettbewerbsverbot erteilt wurde und die im Schrifttum als zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung angesehen werden.
43Die Allstimmigkeit der Beschlussfassung steht der Unwirksamkeitsfolge, wie gezeigt, nicht entgegen.
44c)
45Sofern dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit überhaupt gesonderte Bedeutung zukommen sollte (in diesem Sinne möglicherweise BGH WM 2009, 23 ff., Tz. 12), folgt hieraus nichts für das Rechtsmittel Günstigeres. Sowohl die Identität des Datums von Gesellschafterversammlung und Registeranmeldung als auch die Einheitlichkeit des Schriftbildes der Niederschrift der Versammlung und der beglaubigen Erklärung erweisen, dass auch die Gesellschafterversammlung nicht ohne notarielle Begleitung stattgefunden haben dürfte. Dann aber geht es bei dem Anliegen der Beschwerde, einem privatschriftlichen Gesellschafterbeschluss über eine Satzungsänderung zur Geltung zu verhelfen, letztlich nur um eine Frage der Kostenersparnis und hätten die Gesellschafter bei ihrem Vorgehen die erforderliche Form ohne jede Schwierigkeit einhalten können.
463.
47Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Registergericht durch Zwischenverfügung entschieden hat.
48Zwar wird vertreten, es stelle keinen eine Zwischenverfügung rechtfertigenden behebbaren Mangel nach § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG dar, wenn es einer erneuten Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Satzungsänderung bedürfe, vielmehr sei in diesem Fall der Eintragungsantrag sogleich zurückzuweisen (Harbarth a.a.O., § 54 Rdnr. 80 m.w.Nachw.). Hier besteht jedoch neben der Möglichkeit einer erneuten Beschlussfassung auch diejenige einer Anpassung des Eintragungsantrages.
49III.
50Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Tragung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, und eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten scheidet bereits deshalb aus, weil am Beschwerdeverfahren nur der Beteiligte teilgenommen hat.
51Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor. Die entscheidungstragenden Erwägungen des Senats weichen von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht ab.
52Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG; die Anwendung des § 67 GNotKG würde voraussetzen, dass ein unternehmensrechtliches Verfahren vorliegt, was nicht der Fall ist.
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Referenzen
- § 67 GNotKG 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 64 Einlegung der Beschwerde 1x
- FamFG § 2 Örtliche Zuständigkeit 1x
- FamFG § 382 Entscheidung über Eintragungsanträge 2x
- FamFG § 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde 1x
- GmbHG § 54 Anmeldung und Eintragung der Satzungsänderung 1x
- BGB § 181 Insichgeschäft 7x
- FamFG § 59 Beschwerdeberechtigte 1x
- GmbHG § 53 Form der Satzungsänderung 1x
- FamFG § 61 Beschwerdewert; Zulassungsbeschwerde 1x
- §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG 2x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 63 Beschwerdefrist 1x