Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 2 U 7/15
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.07.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.445,00 Euro (brutto) Zug um Zug gegen Rückgabe der Werkzeugfräsmaschine Fabrikat C, Modell ####, Maschinen-Nr. ######, zu zahlen und die Klägerin von einer vorgerichtlichen Gebührenforderung ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 961,28 Euro freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung des Kaufs einer gebrauchten Werkzeugfräsmaschine. Die Klägerin erwarb die Maschine im März 2012 von dem Beklagten. Die Maschine ließ sich nach ihrer Auslieferung an die Klägerin in deren Betrieb nicht in Gang setzen. Die Ursachen hierfür sind zwischen den Parteien streitig.
4Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen, die Ursache der mangelnden Funktionstauglichkeit der Maschine beruhe auf einem schon bei Gefahrübergang bestehenden Defekt, was durch den Umstand belegt werde, dass sie sich trotz korrekten Anschlusses von Anfang nicht habe in Gang setzten lassen. Soweit der Sachverständige D in dem auf ihren Antrag durchgeführten selbständigen Beweisverfahren zu dem Ergebnis gelangt sei, dass das Anlegen einer zu hohen Netzspannung bei dem Versuch der Inbetriebnahme in ihrem Unternehmen den Schaden verursacht haben könne, sei dem nicht zu folgen. Bei der weiteren Überprüfung durch einen Techniker habe sich vielmehr herausgestellt, dass die Netzteilplatine der CNC-Steuerung defekt sei, weil ein Widerstand mit der Bezeichnung ### fehle, und die Maschine deshalb nicht funktionstauglich sei.
5Der Beklagte hat vorgetragen, die Fräsmaschine sei, nachdem er sie angekauft gehabt habe, durch seinen Mitarbeiter I getestet worden und dabei einwandfrei gelaufen. Ursache dafür, dass sie bei der Klägerin nicht habe in Gang gesetzt werden können, sei ein der Klägerin unterlaufener Fehler beim elektrischen Anschluss der Maschine. Hierbei sei das Drehfeld vertauscht worden. Im Übrigen beruft sie sich auf die Ausführungen des Sachverständigen D, soweit dieser im selbständigen Beweisverfahren angenommen hat, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit bei dem Versuch der Inbetriebnahme durch die Klägerin zu einem Überspannungsschaden gekommen sei.
6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin den ihr obliegenden Beweis, dass die mangelnde Funktionsfähigkeit der Fräsmaschine auf einem bereits bei Gefahrübergang bestehenden Mangel beruhe, nicht geführt habe.
7Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Feststellungen und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
8Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Beweis eines Mangels bei Gefahrübergang nicht geführt sei. Dass der Mangel bereits vorgelegen haben müsse, ergebe sich schon daraus, dass die Maschine nach der Auslieferung an sie von Anfang an ohne Funktion geblieben sei. Der Annahme, dass die Funktionslosigkeit auf die mangelnde Anpassung der Maschine an die Netzspannung von 400 V zurückzuführen sei, stehe entgegen, dass die Maschine bereits vor dem Kauf mit einer entsprechenden Spannung betrieben worden sei.
9Die Klägerin beantragt,
10das erstinstanzliche Urteil abzuändern und nach ihren Schlussanträgen I. Instanz zu erkennen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Berufung zurückzuweisen.
13Er verteidigt das angefochtene Urteil.
14Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf den Inhalt ihrer Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen.
15Der Senat hat den Geschäftsführer der Klägerin und den Beklagten persönlich angehört. Er hat zudem Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden mündlichen Gutachtens des Sachverständigen D sowie durch uneidliche Vernehmung der Zeugen L und I. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 28.09.2015
16II.
17Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen begründet.
181.Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises für die von dem Beklagten erworbene Fräsmaschine aus §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434 BGB. Die Klägerin ist wirksam vom Kaufvertag zurückgetreten, weil sie einen Grund zum Rücktritt hatte.
19a)Die Fräsmaschine wies zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB auf.
20aa)Die Maschine eignete sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung. Die Parteien gingen bei Vertragsschluss übereinstimmend davon aus, dass die gebrauchte Maschine funktionstauglich war und in der Produktion der Klägerin zum Einsatz kommen sollte. Die Maschine befand sich jedoch in einem Zustand, der schon ihre Inbetriebnahme nicht erlaubte. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich die Maschine nach der Auslieferung an die Klägerin bereits bei dem ersten Versuch der Inbetriebnahme am 04.05.2012 nicht in Gang setzen ließ. Das entsprach auch dem Zustand zum Zeitpunkt der Untersuchung der Maschine durch den Sachverständigen D am 29.04.2013. Nach den Feststellungen des Sachverständigen war der Monitor ohne Funktion und die LED auf der Platine im Bedienteil sowie die „Freigabe-LED“ auf der Achsensteuerung leuchteten nicht.
21bb)Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass ein zur Funktionslosigkeit führender Defekt der Fräsmaschine schon zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden oder zumindest angelegt war. Das gilt unabhängig davon, ob die Preisgefahr bereits mit der Übergabe der Maschine an den Transporteur oder erst mit ihrer Ablieferung im Betrieb der Klägerin übergangen ist.
22Hierfür spricht, dass die Maschine bereits bei dem ersten Versuch der Klägerin, sie in Betrieb zu nehmen, der in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Auslieferung der Maschine an die Klägerin erfolgte, ohne jegliche Funktion blieb. Zudem können alle in Betracht kommenden Ursachen im Zeitraum nach der Übergabe an den Transporteuer ausgeschlossen werden.
23Für einen zur Funktionsuntauglichkeit der Maschine führenden Transportschaden besteht kein Anhalt. Weder haben die Parteien Umstände vorgetragen, die darauf hindeuten, noch ergeben sich dahingehende Anhaltspunkte aus dem Gutachten des Sachverständigen D. Soweit der Sachverständige festgestellt hat, dass der Sockel bzw. Träger einer Sicherung auf der Steuerungsplatine gebrochen war, hat die weitere Überprüfung durch den Sachverständigen ergeben, dass dieser Umstand keine Auswirkungen auf die Funktionstüchtigkeit der Sicherung selbst hatte. Unabhängig davon lässt die in Rede stehende Beschädigung an einem einzelnen Bauteil auf einer Platine innerhalb der Maschine nach ihrem Erscheinungsbild auch nicht auf einen Transportschaden schließen.
24Soweit der Beklagte vorträgt, den Mitarbeitern der Klägerin sei bei dem elektrischen Anschluss der Maschine ein Fehler dergestalt unterlaufen, dass das Drehfeld vertauscht worden sei, was zu einem Defekt geführt und bewirkt habe, dass sich die Maschine nicht mehr in Gang setzten ließ, wird dies durch das Gutachten des Sachverständigen D widerlegt. Der Senat ist aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen überzeugt, dass die Art und Weise des Anschlusses der Maschine an das Drehfeld nicht zu deren Funktionsuntüchtigkeit geführt hat. Der Sachverständige hat im Senatstermin nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass das Drehfeld keine Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Elektronik und des Netzteils habe und nicht die Ursache dafür habe sein können, dass die Maschine nach dem Anschluss nicht betriebsbereit gewesen sei.
25Weiterhin steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Funktionslosigkeit der Maschine auch nicht dadurch herbeigeführt worden ist, dass bei dem Anschluss im Betrieb der Klägerin eine zu hohe Spannung angelegt worden ist. Die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass diese von dem Sachverständigen D im selbständigen Beweisverfahren noch für möglich und sogar wahrscheinlich erachtete Ursache ausscheidet.
26Allerdings war die Maschine in ihrer Grundkonfiguration vom Hersteller auf den Betrieb mit einer Netzspannung von 380 V eingerichtet, was seit einer bis etwa 2010 erfolgten Umstellung durch die Netzbertreiber von 380 V auf 400 V nicht mehr der üblichen Spannung für Starkstromanschlüsse entspricht. Die Betriebsspannung der Maschine kann, wie der Sachverständige D bereits in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt und im Senatstermin näher erläutert hat, jedoch nach oben angepasst werden, indem die entsprechenden Leiter an die in der Maschine vorhandenen und mit „380 V + 5%“ gekennzeichneten Klemmen angeschlossen werden.
27Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme war eine solche Anpassung der Maschine an eine erhöhte Netzspannung bereits erfolgt, als der damalige Produktionsleiter der Klägerin, der Zeuge L, den Versuch unternahm, die Maschine in Betrieb zu nehmen. Der Zeuge L hat bekundet, ihm sei bekannt gewesen, dass zur Anpassung der Spannung Einstellungen an der Maschine vorgenommen werden können. Er habe vor dem Anschluss der Maschine eine entsprechende Überprüfung vorgenommen und dabei festgestellt, dass die Maschine auf „380 V + 5 %“ eingestellt gewesen sei. Die Aussage des Zeugen, an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen, ist glaubhaft. Dass der Zeuge vor der Inbetriebnahme der Maschine eine Überprüfung der Einstellungen in Bezug auf die Netzspannung vornahm, hat er nachvollziehbar mit dem Alter der Maschine erklärt. Die Vorgehensweise steht auch im Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen D, der erläutert hat, dass es aufgrund der vor einigen Jahren erfolgten Erhöhung der Spannung durch die Netzbetreiber üblich sei, nach dem Erwerb einer älteren Maschine vor deren Anschluss zunächst die eingestellte Spannung zu überprüfen. Für die Richtigkeit der Aussage des Zeugen L spricht zudem, dass die Anschlussleitungen am Trafo „2“ der Maschine auch zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung durch den Sachverständigen D im selbständigen Beweisverfahren auf „380 V + 5%“ angeklemmt waren. Dass dies der Fall war, hat die im Senatstermin durchgeführte Inaugenscheinnahme einer von dem Sachverständigen im Ortstermin gefertigten Lichtbildaufnahme des Trafos „2“ ergeben. Wie der Sachverständige weiter ausgeführt hat, lagen die von ihm im Betrieb der Klägerin gemessenen Netzspannungen auch innerhalb der Toleranzen, die bei einer Einstellung auf „380 V + 5%“ unschädlich waren.
28Eine nach Gefahrübergang gesetzte Mangelursache liegt auch nicht darin, dass auf der Netzteilplatine der CNC-Steuerung der Widerstand R 46 fehlte. Der Sachverständige D hat bei der Inaugenscheinnahme der Platine zwar Flussmittelreste festgestellt, was nach seinen Angaben dafür spricht, dass an der betreffenden Stelle ein ursprünglich vorhandener Widerstand herausgelötet worden ist. Er vermochte indes im Senatstermin weder mit Sicherheit anzugeben, ob im Ursprungszustand ein Widerstand an der betreffenden Stelle vorhanden war, noch, ob dessen mögliche Entfernung die Funktionslosigkeit der Maschine verursacht hat. Der Senat brauchte hierzu keine weitergehenden Feststellungen zu treffen. Denn es bestehen jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Widerstand nach Gefahrübergang entfernt worden ist. Der Zeuge L hat, wie bereits dargelegt, glaubhaft bekundet, dass die Maschine sich schon bei dem ersten Versuch ihrer Inbetriebnahme nicht in Gang setzen ließ. Er hat weiter ausgesagt, dass ihm vom Fehlen eines Widerstandes nichts bekannt sei. Abgesehen davon, dass sich hierfür keine konkreten Anhaltspunkte feststellen lassen, ist es auch nicht ersichtlich, welche Veranlassung für die Mitarbeiter der Klägerin bestanden haben sollte, den Widerstand zu entfernen. Da auch auf Seiten des Beklagten keine Gründe für derartige Manipulationen erkennbar sind und die Maschine unstreitig mehrere Jahre in einer Lehrwerkstatt genutzt worden ist, spricht - ohne dass es hierauf letztlich ankommt - viel dafür, dass das Fehlen des Widerstandes schlechthin nicht die Ursache der Funktionsuntauglichkeit ist.
29Der Umstand, dass es dem für den Beklagten tätigen Zeugen I nach seinen Angaben im Februar 2012 noch gelungen war, die Maschine in Betrieb zu nehmen, schließt nicht aus, dass die Ursache der späteren Funktionslosigkeit bei dem ersten Versuch der Inbetriebnahme durch die Klägerin bereits angelegt war oder im Zeitraum bis zum Transport zur Klägerin gesetzt worden ist.
30b)Die Klägerin hat dem Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 04.12.2013 erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung bis zum 14.12.2013 gesetzt (§ 323 Abs. 1 BGB) und mit weiterem Anwaltsschreiben vom 15.04.2014 den Rücktritt erklärt.
312.Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 961,28 Euro aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 325 BGB. Der Beklagte befand sich spätestens mit Ablauf der im Anwaltsschreiben vom 04.12.2013 gesetzten Frist mit seiner vertraglichen Pflicht zur Nacherfüllung im Verzug. Soweit die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten mit der Erklärung des Rücktritts durch weiteres Anwaltsschreiben vom 15.04.2014 beauftragt hat, handelt es sich um eine zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme, deren Kosten die Klägerin als Verzugsschaden ersetzt verlangen kann.
323.Soweit die Klägerin auch die Freistellung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die Gebührenforderung ihrer Prozessbevollmächtigten begehrt, hat die Klage indes keinen Erfolg. Umstände, die einen Anspruch ihrer Prozessbevollmächtigten auf Verzugszinsen ergeben, hat die Klägerin nicht dargetan.
334.Die Kostenentscheidung folgt auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
34Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711, 713 ZPO.
35Veranlassung zur Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts erfordert nicht eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung auch nicht von höchstrichterlichen oder anderen obergerichtlichen Urteilen ab.
36Streitwert des Berufungsverfahrens: 18.445,00 Euro.
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