Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 18 U 78/19
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten – das Urteil des Landgerichts Bochum vom 19.06.2019, I-2 O 106/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.140,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.09.2018 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin einen Provisionsanspruch aufgrund Maklertätigkeit geltend.
4Die Klägerin ist ein rechtlich und personell selbstständiges Unternehmen der ehemaligen C, nunmehr Q Konzerngruppe. Sie befasst sich ausschließlich mit dem Nachweis und der Vermittlung von Immobilien.
5Der Beklagte war Eigentümer von zwei Doppelhaushälften in der C1str. 01 bzw. 02 in C2-I.
6Eine Doppelhaushälfte wurde von ihm selbst genutzt und war entsprechend etwas hochwertiger ausgebaut; die andere war fremdvermietet und stand zuletzt leer. Beide Doppelhaushälften hatten eine gemeinsame Regenwasserversickerung.
7Die Parteien schlossen am 15.05.2018 zwei im wesentlichen gleichlautende Maklerverträge für die beiden Objekte, mit denen der Beklagte der Klägerin jeweils den Alleinauftrag erteilte, über die Objekte eine Vertragsgelegenheit nachzuweisen oder einen Vertrag zu vermitteln. Zugleich verpflichtete sich der Beklagte, jeweils mit Abschluss des nachgewiesenen oder vermittelten Vertrags eine Provision in Höhe von 3,57 % „aus dessen gesamtem Wirtschaftswert“ zu zahlen.
8Zusätzlich vereinbarten die Parteien handschriftlich in dem Vertrag betreffend das Objekt C1str. 01:
9„Verkäuferprovision wird max in der Höhe zahlbar, dass min. 190.000 € beim Verkäufer verbleiben.“
10Hinsichtlich des Objekts C1str. 02 trafen die Parteien eine ähnliche Regelung, und zwar bezogen auf eine Summe von 330.000 €.
11Der Zeuge T, Mitarbeiter der Klägerin, der den Beklagten bereits seit mehreren Jahren kannte und über den der Kontakt der Parteien zustande gekommen war, nahm in der Folgezeit die Verkaufsbemühungen auf und bewarb die Immobilien unter Bestandskunden und in verschiedenen Medien, auch im Internet. Für beide Objekte erstellte er jeweils getrennte Exposés, die der Beklagte vor der Veröffentlichung zur Durchsicht, Prüfung und Freigabe erhielt. Beide Häuser wurden im Internet und auch durch Aushang separat beworben.
12Der Zeuge T fand sodann die Eheleute S, die sich dazu entschlossen, beide Objekte gleichzeitig zu erwerben. Die Käufer und der Beklagte einigten sich auf einen Gesamtkaufpreis von 521.000 € und zwar für das Objekt in der C1str. 01 auf einen Kaufpreis von 200.000,- € und für das Objekt in der C1str. 02 auf einen Kaufpreis von 321.000,- €.
13Eine finale Besprechung fand jedenfalls zwischen den Erwerbern und dem Zeugen T in dessen Büro am 11.07.2018 statt. Inwiefern der Beklagte anwesend war bzw. in dessen Beisein über die Kaufpreisgestaltung gesprochen worden ist, ist streitig.
14Die Beurkundung des notariellen Kaufvertrages erfolgte am 17.07.2018 vor dem Notar C3 in C2. Der Kaufpreis betrug insgesamt 521.000,- € und wurde in dem Kaufvertrag auf die beiden Doppelhaushälften wie geschildert aufgeteilt.
15Mit Rechnung vom 30.07.2018 stellte die Klägerin dem Beklagten für „die Vermittlung der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages für das Objekt C1str. 01“ einen Betrag in Höhe von 7.140,- € in Rechnung, den der Beklagte nicht zahlte.
16Mit E-Mail vom 21.08.2018 forderte die Klägerin den Beklagten über seinen Prozessbevollmächtigten zur Begleichung der Rechnung unter Fristsetzung bis zum 03.09.2018 auf.
17Die Klägerin hat bestritten, dass besprochen worden sei, beide Häuser nur an einen Käufer zu verkaufen. Auch sei von einem Gesamtbetrag von 520.000,- € als Verkaufserlös nie die Rede gewesen.
18Sie hat behauptet, im Rahmen der Vertragsgespräche zwischen den Parteien sei vielmehr vereinbart worden, die Objekte getrennt anzubieten, da der Beklagte befürchtet habe, dass eins der Objekte schwieriger zu veräußern sei als das andere.
19Von der gemeinsamen Regenwasserversickerung habe der Zeuge T erstmalig auf Nachfrage der Prozessbevollmächtigten im Verfahren erfahren.
20Die Kaufpreise seien im Vorfeld der Beurkundung mit dem Beklagten abgestimmt und festgelegt worden. Der Beklagte habe nicht eingewandt, dass die Kaufpreisverteilung für ihn nachteilig sei.
21Wenn es der Wunsch des Beklagten gewesen sei, hätte er einen Gesamtauftrag erteilen und die Wertgrenze hinsichtlich der Auslösung einer Provision insgesamt festlegen können.
22Die Klägerin hat beantragt,
23den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.140,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz ab dem 04.09.2018 zu zahlen.
24Der Beklagte hat beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Er hat behauptet, er habe von Anfang der Maklergespräche an darauf hingewirkt, die Grundstücke C1str. 01 und 02 gemeinsam zu veräußern, da die Grundstücke nur über eine einheitliche Regenwasserversickerungsanlage verfügen. Er habe deshalb einen Mehraufwand hinsichtlich der Abwicklung mit zwei Parteien auf Käuferseite gescheut. Daher habe er die Suche nach nur einem einzigen Kaufinteressenten erwartet. Es sei ihm darauf angekommen, dass insgesamt ein Mindesterlös von 520.000,- € erzielt werde, der ihm abschlagsfrei zufließe. Der Klägerin habe es frei gestanden, durch eigenes Verhandlungsgeschick einen Mehrerlös zu erzielen, der dann einen Provisionsanspruch ausgelöst hätte.
27Die Vereinbarungen seien so auszulegen, dass er nach Durchführung des Vertrages nach Abzug der Maklerkosten so hätte gestellt sein wollen, dass ihm aus beiden Verträgen ein Verkaufserlös von insgesamt 520.000,- € zufließe.
28Der Beklagte hat weiter die Ansicht vertreten, der Zeuge T habe eine Treuepflichtverletzung ihm gegenüber begangen, da er ihn in der Besprechung vom 11.07.2018 nicht über die provisionsauslösende Preisgestaltung aufgeklärt habe. Er, der Zeuge T, habe ihn nicht ausdrücklich darüber aufgeklärt, dass für das Grundstück C1str. 01 ein Provisionsanspruch in Höhe von 7.140,- € entstehen werde. Der Makler habe insbesondere dann eine Informationspflicht, wenn er selbst Preisverhandlungen führe oder Aufklärungstätigkeiten aufgrund wirtschaftlicher Unerfahrenheit zum Auftrag dazu gehörten.
29Eine Treuepflichtverletzung liege aber auch darin, dass der Zeuge T eine Preisgestaltung vorgenommen habe, die seinen, des Beklagten, wirtschaftlichen Interessen zuwider gelegen habe. Der Zeuge T habe eine Rabattierung auf beide Grundstücke vorgenommen, allerdings nur auf ein Grundstück eine rabattierfähige Handelsspanne aufgeschlagen. Die Klägerin habe damit eigenwirtschaftliche Interessen in den Verkaufsvorgang einfließen lassen. Maßstab für die Ermittlung des pflichtwidrigen Verhaltens sei nicht die getrennte Betrachtung eines jeden Maklerauftrages für sich, sondern die gesamtwirtschaftliche Betrachtung.
30Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, 1.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.09.2018 an die Klägerin zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt, der Beklagte habe dem Verkauf nur zugestimmt, weil er aufgrund der schriftlichen Verträge davon habe ausgehen dürfen, dass ihm ein Mindesterlös von insgesamt 520.000 € verbleibe. Indem der Zeuge T zugelassen habe, dass die Parteien für das Objekt Nr. 02 einen um 9.000 € unter dem Mindestverkaufspreis liegenden Preis vereinbarten, habe er sich in Höhe von 6.140 € gegenüber dem Beklagten schadensersatzpflichtig gemacht.
31Dagegen wenden sich die Parteien mit ihren wechselseitigen Berufungen.
32Die Klägerin wiederholt und vertieft mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Vorbringen, welches das Landgericht unzureichend gewürdigt habe. Sie wendet ein, eine Gesamtbewertung, d.h. das Anbieten der Objekte nur an einen Erwerber, sei weder vorgesehen noch besprochen worden. Ein „Gesamtmindesterlös“ sei nicht vereinbart worden, auch keine Verknüpfung der einzelnen Maklerverträge, d.h. dass der eine habe „stehen und fallen“ sollen mit der Durchführung des anderen.
33Der Verteilung und auch der Vereinbarung der Höhe der Kaufpreise habe eine gemeinsame Besprechung und Einigung der Kaufvertragsparteien im Büro und Beisein des Zeugen T zugrunde gelegen. Der Beklagte habe der Aufteilung der Kaufpreise nicht widersprochen. Er habe auch nicht erklärt, dass er damit nur einverstanden sei, wenn die Mindesterlöse der jeweiligen Maklerverträge addiert, mithin 520.000,- € als Gesamtmindesterlös, zugrunde gelegt würden. Der Beklagte habe das Thema der Provisionshöhen in diesem Zusammenhang nicht angesprochen.
34Das Landgericht hätte zudem hinsichtlich der Behauptung des Mindesterlöses von 520.000,- € Beweis erheben müssen.
35Auch hätten die Kaufvertragsparteien die Kaufvertragsverhandlungen selbst geführt. Der Beklagte habe sich ohne Einschränkung mit dem Kaufpreis und der Verteilung einverstanden erklärt. Eine Pflichtverletzung auf ihrer Seite liege daher nicht vor. Der Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, den Abschluss des Kaufvertrages abzulehnen oder von weiteren Bedingungen abhängig zu machen.
36Die Klägerin beantragt,
37das Urteil des Landgerichts Bochum insoweit abzuändern, dass der Beklagte insgesamt verurteilt wird, an die Klägerin 7.140,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz ab dem 04.09.2018 zu zahlen.
38Der Beklagte beantragt,
39die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und
40auf seine Berufung unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils – I-2 O 106/19 – der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 16.06.2019 die Klage insgesamt abzuweisen.
41Die Klägerin beantragt,
42die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
43Der Beklagte rügt, dass auch der Überschuss in Höhe von 1.000,- € nicht an die Klägerin abzuführen sei, weil der gesamte Provisionsanspruch der Verwirkung des § 654 BGB analog unterliege. Maßstab für die Ermittlung des pflichtwidrigen Verhaltens sei nicht die getrennte Betrachtung eines jeden Maklerauftrages für sich, sondern die gesamtwirtschaftliche Betrachtung. Die Maklerverträge seien so auszulegen, dass er nach Durchführung des Verkaufes nach Abzug der Maklerkosten in jedem Fall so gestellt werden solle, dass ihm aus beiden Verträgen ein Verkaufserlös von mindestens insgesamt 520.000,- € zufließe. Aus den Umständen sei auch erkennbar, dass der Zeuge T diese Auffassung, die er, der Beklagte, gehabt habe, auch so verstanden habe. Ansonsten wäre der Zeuge T nicht auf den Verkaufserlös von insgesamt 521.000 € gekommen.
44Im Übrigen habe er, der Beklagte, nicht aktiv auf die Preisgestaltung Einfluss genommen. Die Preisgestaltung habe der Zeuge T schon im Vorfeld zur Besprechung eingeleitet, indem er Handelsspannen in die Preise eingearbeitet und diese asymmetrisch von den Ursprungspreisen rabattiert habe. Dies habe der Zeuge T nur getan, um sich durch das rechnerische Ergebnis eines Übersteigens des Mindesterlöses seinen Provisionsanspruch zu sichern.
45Die Klägerin habe aber auch bei rechtlicher Trennung eine Pflichtverletzung begangen, indem sie die Preise in dem von ihr vorgenommenen Verfahren festgesetzt habe.
46Eine weitere eigenständige Treuwidrigkeit liege darin, dass der Zeuge T in der Besprechung am 11.07.2018 nicht ausdrücklich auf die provisionszahlungsauslösende Preisgestaltung hingewiesen habe. Er habe im Moment der geführten Preisverhandlungen eine Gesamtkaufsumme von 521.000,- € rabattiert, so dass für ihn, den Beklagten, die Fehlvorstellung provoziert worden sei, dass eine Provisionszahlung nicht würde ausgelöst werden können. Die Einzelpreise seien aus nicht näher begründbaren Umständen unterschiedlich verschoben worden.
47Im Übrigen sei er bei der Besprechung am 11.07.2018 nicht dabei gewesen. Ihm sei nur das Ehepaar S kurz vorgestellt worden.
48Am Tag der Unterschrift beim Notar habe er – insoweit unstreitig – den Zeugen T darauf angesprochen, dass für die beiden Häuser nicht jeweils diejenigen Preise erzielt seien, die ihm vorschwebten, woraufhin der Zeuge T beschwichtigend mitgeteilt habe, dass für ihn immer noch ein Gesamterlös von 520.000 € herauskäme und deshalb alles in Ordnung sei.
49Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
50Der Senat hat den Zeugen T vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf den Berichterstattervermerk vom 14.12.2020 verwiesen.
51II.
52Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet; die zulässige Berufung der Klägerin führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils.
531.
54Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 7.140.00 € gem. § 652 Abs. 1 S. 1 BGB.
55a)
56Zwischen den Parteien ist u.a. ein wirksamer (schriftlicher) Maklervertrag hinsichtlich des Objekts C1str. 01 zustande gekommen. Der Beklagte hat sich darin verpflichtet, mit Abschluss des nachgewiesenen oder vermittelten Vertrages eine Provision in Höhe von 3,57% „aus dem gesamten Wirtschaftswert“, also dem Kaufpreis, zu zahlen. Zugleich haben die Parteien vereinbart, dass die Verkäuferprovision maximal in der Höhe zahlbar ist, dass mindestens 190.000,- € beim Verkäufer verbleiben.
57b)
58Die Klägerin hat, vertreten durch den Zeugen T, eine Nachweisleistung erbracht. Denn der Zeuge T hat nach entsprechenden Verkaufsbemühungen die Eheleute S als Kaufinteressenten auch des Objektes C1str. 01 ausfindig gemacht hat und dem Beklagten benannt. Hierdurch wurde der Beklagte in die Lage versetzt, in konkrete Verhandlungen einzusteigen. Dass er diese Gelegenheit ggf. nicht konkret dazu genutzt hat, über den Kaufpreis zu verhandeln, ändert nichts an dem erfolgten Nachweis, d.h. der Mitteilung über den Interessenten, der ihn grundsätzlich in die Lage versetzte, in konkrete Verhandlungen über den angestrebten Hauptvertrag einzutreten.
59Ob die Klägerin darüber hinaus Vermittlungsleistungen erbracht hat, kann angesichts der erfolgten Nachweisleistung dahinstehen.
60c)
61Der beabsichtigte Hauptvertrag mit einem Dritten, hier den Eheleuten S, ist zustande gekommen. Der notarielle Kaufvertrag zwischen dem Beklagten und den Eheleuten S, u.a. betreffend das Objekt C1str. 01, wurde am 17.07.2018 geschlossen.
62d)
63Damit ist ein Provisionsanspruch in Höhe von 7.140,00 € entstanden. Dieser Betrag ergibt sich rechnerisch angesichts der vereinbarten Provision von 3,57 % des Verkaufspreises, der sich auf 200.000,- € belief.
64aa)
65Bei einer Provision in dieser Höhe verbleibt dem Beklagten aus dem zu zahlenden Kaufpreis ein Betrag in Höhe von 192.860,- €, der über dem im Maklervertrag vereinbarten Mindesterlös von 190.000,- € liegt, so dass auch die vereinbarte Mindesterlösklausel für das Objekt C1str. 01 dem Provisionsanspruch nicht entgegensteht.
66bb)
67Eine darüberhinausgehende Mindesterlösklausel, die sich auf beide Doppelhaushälften und einen Gesamtmindesterlös von 520.000 € bezieht, ist nicht vereinbart worden und steht daher dem Provisionsanspruch nicht entgegen.
68Denn entgegen der Argumentation des Beklagten sind die – getrennten – Provisionsvereinbarungen nicht gem. §§ 133, 157 BGB so auszulegen, dass der Beklagte nach Abzug der Maklerkosten so gestellt werden sollte, dass ihm aus beiden Verträgen ein Verkaufserlös in Höhe von mindestens 520.000,- € zufließen sollte.
69Gegen eine entsprechende Gesamtbetrachtung spricht, dass die Parteien für beide Objekte zwei verschiedene Maklerverträge geschlossen haben und in beiden Verträgen unterschiedliche Mindesterlöse aufgeführt sind, die dem Beklagten im Falle des Verkaufs weiterhin zur Verfügung stehen sollten. Hätte es sich um einen Gesamtmindesterlös in Höhe von 520.000,- € gehandelt, der im Falle des Verkaufs beim Beklagten verbleiben soll, wäre zu erwarten gewesen, dass dieser Gesamtbetrag in beiden Maklerverträgen oder in einem Maklervertrag für beide Objekte festgehalten worden wäre. Auch in dem notariellen Kaufvertrag vom 17.07.2018 werden in § 3 des Vertrages die Kaufpreise für die beiden Objekte getrennt ausgewiesen. Die beiden Maklerverträge sehen auch keine Verknüpfung vor und stehen in keinem – ausdrücklich geregelten oder erkennbaren – Abhängigkeitsverhältnis. Es wäre ebenso denkbar gewesen, dass die Doppelhaushälften an unterschiedliche Erwerber veräußert worden wären. Allein die Besonderheit, dass hier ein Erwerber beide Doppelhaushälften erworben hat, führt nicht zu einer abweichenden wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung im Sinne der Auslegung des Beklagten, dass ein Mindesterlös von 520.000,- € insgesamt vereinbart worden wäre.
70Soweit der Beklagte vorgetragen hat, er habe von Anfang an eine gemeinsame Veräußerung angestrebt, mag dies zutreffend gewesen sein, hat aber im Ergebnis keinen Niederschlag in den schließlich getrennt geschlossenen Maklerverträgen gefunden. Zu denen ist es möglicherweise gekommen, nachdem der Zeuge T – wie er glaubhaft bekundet hat – darauf verwiesen hatte, dass auch die gemeinsame Regenversickerungsanlage einer getrennten Veräußerung nicht entgegensteht und diese „Problematik“ durch entsprechende Regelungen in den Kaufverträgen gelöst werden kann.
71Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Parteien, abweichend von den schriftlichen Maklerverträgen, mündlich eine andere Vereinbarung, nämlich eine solche hinsichtlich eines „Gesamtmindesterlös“, getroffen hätten. Unabhängig davon, ob der Zeuge T überhaupt befugt gewesen wäre, für die Klägerin neben den schriftlichen Vereinbarungen abweichende mündliche Vereinbarungen zu treffen, reicht der diesbezügliche Vortrag des Beklagten zur Annahme einer abweichenden Vereinbarung – die die Klägerin zudem in Abrede gestellt hat – nicht aus. Der Beklagte ist nämlich insofern darlegungs- und beweispflichtig. Es gilt der Erfahrungssatz bzw. die Vermutung, dass unterschriebene Vertragsurkunden die vollständigen Willenserklärungen der Vertragspartner vollständig und richtig wiedergeben (BGH NJW 1999, 1702). Der Beklagte muss also die angeblich darüberhinausgehende Vereinbarung hinsichtlich der Mindestgesamtkaufpreissumme in Höhe von 520.000,00 € beweisen.
72Da es daran vorliegend fehlt – der Zeuge T hat die vom Beklagten behauptete Vereinbarung im Zuge seiner Vernehmung nicht bestätigt – , kommt es auch nicht mehr darauf an, ob eine ggf. mündliche Abrede an der in dem Maklervertrag unter Ziffer 9 festgehalten Schriftformklausel, wonach mündlich getroffene Nebenabreden zur rechtlichen Wirksamkeit der schriftlichen Bestätigung der Q Immobilien GmbH bedürfen, scheiterte.
73e)
74Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht gem. § 654 BGB analog ausgeschlossen.
75Zwar kann der Provisionsanspruch wegen lohnunwürdigen Fehlverhaltens aberkannt werden. Es ist anerkannt, dass § 654 BGB über seinen Wortlaut hinaus nicht nur den Fall der Doppeltätigkeit des Maklers betrifft, sondern immer dann eingreift, wenn der Makler vorsätzlich oder in einer dem Vorsatz nahekommenden leichtfertigen Weise den Interessen des Auftraggebers in so schwerwiegender Weise zuwiderhandelt, dass er seines Lohnes „unwürdig“ erscheint. Der Makler erweist sich seines Lohnes als „unwürdig”, wenn er seine Treuepflichten vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, zumindest aber in einer dem Vorsatz nahekommenden grob leichtfertigen Weise verletzt hat (BGH Urt. v. 05.02.1962, Az.: VII ZR 248/60, NJW 1962, 734; BGH Urt. v. 24.06.1981, Az.: IVa ZR 225/80, NJW 1981, 2297; OLG Koblenz, Urt. v. 23.03.1995, Az.: 5 U 1530/94, NJW-RR 1996, 1468). Voraussetzung der Verwirkung des Provisionsanspruchs ist mithin eine schwerwiegende Vertragsverletzung, wobei sich diese in erster Linie nach dem subjektiven Tatbestand der dem Makler zur Last gelegten Treuepflichtverletzung bestimmt.
76Eine solche Treuepflichtverletzung lässt sich aber vorliegend nicht feststellen. Der erforderliche Beweis ist dem Beklagten nicht gelungen.
77aa)
78Eine Treuepflichtverletzung liegt entgegen der Ansicht des Beklagten nicht darin, dass der Zeuge T den Beklagten in der Besprechung vom 11.07.2018 oder an einem anderen Tag vor Kaufvertragsschluss nicht über die provisionsauslösende Preisgestaltung in Höhe von 7.140,- € aufgeklärt hat.
79Unabhängig davon, ob eine gemeinsame Besprechung der Kaufvertragsparteien mit dem Zeugen T am 11.07.2018 oder jeweils getrennte Besprechungen der Erwerber und des Beklagten mit dem Zeugen T erfolgten, musste der Zeuge T den Beklagten nicht über die Konsequenzen der Kaufpreisaufteilung für die zu zahlende Provision aufklären.
80Die provisionsauslösenden schriftlichen Maklerverträge mit der Provisionshöhe und den jeweiligen Mindestsummen hatte der Beklagte bereits einige Zeit zuvor am 15.05.2018 unterschrieben. Einer gesonderten Aufklärung bedurfte es daher nicht. Der Beklagte hätte sich die Höhe der zu zahlenden Provision eigenständig errechnen können. Dem Beklagten waren die Höhe der zu zahlenden Provision (3,57 % in Bezug auf den Verkaufspreis) und der jeweils vereinbarte Mindesterlös bekannt. Er hätte die zu zahlende Provision bei seiner Zustimmung zur jeweiligen Kaufpreishöhe und bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages berücksichtigen können. Da dem Beklagten insoweit die entscheidenden Umstände bekannt waren, bedurfte es keiner erneuten Aufklärung seitens des Zeugen T. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Beklagte nicht in der Lage gewesen wäre, bei gehöriger Anspannung die zu zahlende Provision zu erkennen bzw. zu errechnen oder er dermaßen wirtschaftlich unerfahren ist, dass aufgrund dessen besonderer Anlass zur Aufklärung durch den Zeugen T bestanden hätte. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob der Aussage des Zeugen T, er habe dem Beklagten klar kommuniziert, dass bei dem einen Objekt kein Provisionsanspruch entsteht, bei dem anderen Objekt aber schon, Glauben zu schenken ist.
81Im Hinblick auf die Kenntnis des Beklagten von den schriftlichen Vereinbarungen hätte der Beklagte auch entsprechend nachfragen können und müssen, wenn für ihn die Frage der Entstehung von Provision unklar war. Dass er dies getan hat und ggf. von dem Zeugen T „vertröstet“ oder „in Sicherheit“ gewogen worden ist, lässt sich nicht feststellen. Soweit der Beklagte erstmals in zweiter Instanz unbestritten vorgetragen hat, er habe unmittelbar vor dem Notartermin bei dem Zeugen T wegen der Kaufpreisaufteilung nachgefragt und dieser habe ihm beschwichtigend mitgeteilt, dass für ihn immer noch ein Gesamterlös von 520.000 € herauskäme und deshalb alles in Ordnung sei, hat der Beklagte dies im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat nicht aufrechterhalten.
82Unerheblich wäre auch, wenn der Beklagte sich die schriftlichen Vereinbarungen im jeweiligen Maklervertrag im Einzelnen vor Unterschrift nicht durchgelesen hätte. Unabhängig davon, dass die handschriftlichen Vereinbarungen zu den Mindesterlösen bereits unmittelbar ins Auge fallen, entlastet das Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen einer durch Unterschrift bestätigten Vereinbarung grundsätzlich nicht (vgl. Münchener Kommentar zum BGB/Armbrüster, 8. Auflage, § 119 Rn. 51). Ebenfalls unerheblich ist es, wenn der Beklagte dem Zeugen T dermaßen vertraute, dass er sich keine weiteren Gedanken über die Aufteilung des Kaufpreises gemacht hat.
83bb)
84Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Zeuge T Treuepflichten gegenüber dem Beklagten dadurch verletzt hat, dass er auf die Preisgestaltung Einfluss genommen hat und dies den wirtschaftlichen Interessen des Beklagten zuwidergelaufen ist.
85(1)
86Dies gilt zunächst insoweit, als der Beklagte vorgetragen hat, der Zeuge T habe unterschiedlich „Aufschläge“ vorgenommen, was dann bei einem Objekt zum Unterschreiten der Mindestsumme und bei dem anderen Objekt trotz Nachlass zu einem Preis oberhalb der Mindestsumme und damit einer Provisionspflicht geführt habe.
87Nach den Maklerverträgen waren die Angebotspreise mit 210.000 € und 349.000 € vereinbart. Dass der Zeuge T die Objekte abweichend angeboten hat, lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Zwar spricht der Umstand, dass der Klägerin für das teurere Objekt lediglich ein Exposé über 330.000 € vorlag und der Zeuge T angegeben hat, sich an eine Änderung des Exposés nicht erinnern zu können, da alles relativ schnell gegangen sei, dass dieses Objekt von Anfang an für 330.000 € angeboten worden ist, was dann bereits der vom Beklagten gewünschten Mindestsumme entsprochen hätte. Andererseits hat der Zeuge T ebenso angegeben, ein Objekt bei entsprechender Vereinbarung eines Angebotspreises nicht ohne Rücksprache mit dem Auftraggeber anders anbieten zu dürfen.
88Im Übrigen dürfte auch ein Angebot von 330.000 € betreffend das Objekt C1str. 02 noch nicht eine entsprechende Treuepflichtverletzung, die zur Lohnunwürdigkeit betreffend das Objekt C1str. 01 führt, darstellen. Denn im Fall eines Erwerbers für beide Objekte dürfte das Vornehmen eines „Aufschlags“ bei allein einem Objekt die Interessen des Beklagten nicht in schwerwiegender Weise verletzen. Denn selbst wenn der Erwerber das Objekt 02 nur zu einem geringeren Preis hätte erwerben wollen, wäre es aus Sicht des Beklagten möglich gewesen, den Verkauf beider Objekte von einer Aufteilung der Gesamtkaufpreissumme entsprechend der vereinbarten Mindestsummen abhängig zu machen.
89(2)
90Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Zeuge T auf die Preisgestaltung in der Form Einfluss genommen hat, dass darauf die von den Erwerbern konkret angebotenen Preise von 200.000 € und 321.000 € beruhen.
91Die Klägerin hat – von dem Zeugen T bestätigt – vorgetragen, die von den Erwerbern in dieser Höhe angebotenen Preise hätten auch von den Beleihungswerten der finanzierenden Bank abgehangen. Der Zeuge T hat weiter angegeben, auf die von den Erwerbern angebotenen Preise keinen Einfluss genommen zu haben, weil er die Angebote ja nur habe entgegennehmen können. Auch wenn es auffällt, dass die Eheleute S mit ihren unter den in den Exposés angegebenen Kaufpreisen liegenden Angebot i.H.v. insgesamt 521.000 € noch knapp über dem vom Beklagten erwünschten Gesamterlös von 520.000 € „gelandet“ sind, reicht dies nicht aus, um eine Beteiligung der Klägerin bzw. des Zeugen T daran anzunehmen.
92Dass die Klägerin – wie in den vom Beklagten zitierten Entscheidungen des Senats vom 01.02.1990 (18 U 77/89) und vom 23.05.1996 (18 U 147/95) – ihren Provisionsanspruch verwirkt hätte, weil sie nicht strenge Unparteilichkeit gegenüber beiden Auftraggebern eingehalten oder Erklärungen über die Kaufpreisvorstellung der anderen Seite getätigt hat, ist damit nicht der Fall.
93(3)
94Schließlich war die Klägerin auch nicht dazu verpflichtet, die in den Maklerverträgen avisierten Mindesterlöse für den Beklagten zu erzielen und hat auch keine Garantie hierfür übernommen.
952.
96Die Klägerin hat des Weiteren einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 04.09.2018 gem. §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB. Mit E-Mail vom 21.08.2018 hat sie den Beklagten erfolglos dazu aufgefordert, die streitgegenständliche Zahlung bis zum 03.09.2018 vorzunehmen.
973.
98Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713, 544 Abs. 2 ZPO.
99Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Fortbildung des Rechts verlangt nicht nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs und der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von höchstrichterlichen oder anderen obergerichtlichen Urteilen ab, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.
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