Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (2. Strafsenat) - 2 Rev 46/20
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 11, vom 13. Mai 2020
a) im Strafausspruch dahin geändert, dass er zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist, und drei Monate Freiheitsstrafe als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten,
b) im Ausspruch über die Einziehung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
I.
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Das Amtsgericht Hamburg-St-Georg hat den Angeklagten am 16. Januar 2020 wegen vorsätzlichen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr 4 Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Zugleich hat es „das Verpackungsmaterial und die Feinwaage mit Anhaftungen“ eingezogen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit am 23. Januar 2020 bei dem Amtsgericht eingegangenem Verteidigerschriftsatz „Rechtsmittel“ eingelegt.
- 2
In der Berufungshauptverhandlung vom 13. Mai 2020 hat der Angeklagte seine Berufung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf die Rechtsfolge beschränkt. Das Landgericht hat sodann mit in Anwesenheit des Angeklagten verkündetem Urteil vom 13. Mai 2020 seine Berufung verworfen.
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Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte mit am 13. Mai 2020 bei dem Landgericht eingegangenem Verteidigerschriftsatz Revision eingelegt und diese nach am 04. Juni 2020 nach Fertigstellung des Protokolls erfolgter Zustellung des schriftlichen Urteils mit einer am 4. Juni 2020 bei dem Landgericht eingegangenen und von dem Verteidiger unterzeichneten Schrift mit der Sachrüge begründet und Urteilsaufhebung beantragt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
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Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig und formgerecht begründete Revision des Angeklagten (§§ 333, 341, 344, 345 StPO) hat mit der allgemeinen Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
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1. Die Revision ist insoweit unbegründet, als die Nachprüfung des Berufungsurteils keinen tragenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hinsichtlich der angenommenen Berufungsbeschränkung ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Zwar ist dem amtsgerichtlichen Urteil nicht unmittelbar zu entnehmen, dass der Angeklagte keine betäubungsmittelrechtliche Erlaubnis hatte.
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Die fehlende Erlaubnis folgt in der Regel – und so auch vorliegend – aus den Gesamtumständen und bedarf daher, sofern nicht ausnahmsweise Anhaltspunkte für eine behördliche Erlaubnis vorliegen, weder der ausdrücklichen Feststellung noch muss dies gar im Rahmen der Beweiswürdigung belegt werden (BGH NStZ 2009, 403,404; Senatsbeschluss vom 06. Dezember 2016, Az.: 2 Rev 32/16). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Angeklagte – wie vorliegend – geständig ist (Senat a.a.O.).
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2. Das Urteil ist gemäß § 349 Absatz 4 StPO im Ausspruch über die Strafe unter Berücksichtigung der Kompensation und der Einziehung aufzuheben, weil es insoweit revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält.
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a) Das Landgericht hat gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen, indem es von einer fiktiv gebildeten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten drei Monate Kompensation wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung in Abzug gebracht hat und es somit bei der amtsgerichtlichen Verurteilung der Höhe nach belassen hat.
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Tatsächlich hätte das Landgericht unter Beachtung des § 331 StPO auf eine eigene, neue Strafe erkennen und zugleich aussprechen müssen, dass hiervon drei Monate wegen rechtsstaatswidriger Verzögerung als vollstreckt gelten.
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Der Senat sieht aber insoweit von einer Zurückverweisung ab; er hat die Freiheitsstrafe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf ein Jahr und vier Monate festgesetzt. Denn der Senat kann sicher ausschließen, dass das Landgericht ohne den Rechtsfehler auf eine niedrigere als in dem amtsgerichtlichen Urteil verhängte Strafe erkannt hätte.
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b) Die Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand.
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Die einzuziehenden Gegenstände sind im Urteilstenor konkret zu bezeichnen, um Klarheit über den Umfang der Einziehung für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde zu schaffen und um die ordnungsgemäße Vollstreckung zu ermöglichen (BGH, Beschluss vom 09. Februar 2017, Az.: 1 StR 490/16).
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Zwar kann das Revisionsgericht, wenn die Urteilsgründe die erforderlichen Angaben enthalten, die Entscheidung ebenfalls nach § 354 Abs. 1 StPO selbst treffen. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht das Vorliegen der Voraussetzungen einer Einziehung, nämlich dass es sich um Tatmittel oder –produkte im Sinne des § 74 StGB (oder um Beziehungsgegenstände nach § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG) handelt, die gerade bei der Begehung der abgeurteilten Tat eine Rolle gespielt haben. Außerdem enthält das Urteil auch keine Angaben zur Art und Menge des Verpackungsmaterials (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2014, 3 StR 398/13) bzw. zu der Feinwaage.
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Referenzen
- 1 StR 490/16 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 341 Form und Frist 1x
- StPO § 333 Zulässigkeit 1x
- § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 344 Revisionsbegründung 1x
- StPO § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung 2x
- 3 StR 398/13 1x (nicht zugeordnet)
- 2 Rev 32/16 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss 3x
- StGB § 74 Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern 1x
- StPO § 331 Verbot der Verschlechterung 1x
- StPO § 345 Revisionsbegründungsfrist 1x