Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 12 U 23/13
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 31.5.2013 – 25 O 9/13 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
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G r ü n d e:
2I.
3Die bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherte Frau I wurde am 21.2.1987 Opfer eines Verkehrsunfalles, der von einem Versicherungsnehmer der Beklagten mit einem bei der Beklagten pflichtversicherten Kraftfahrzeug verschuldet worden ist.
4In der Folgezeit hat nahm die Beklagte aufgrund von Zahlungsverlangen der Klägerin immer wieder Erstattungen vor. Mit Schreiben vom 12.7.1999 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie verzichte zunächst bis zum 31.12.2010 auf die Einrede der Verjährung (Anlage K 1, Bl. 8 der Akte).
5Auch in der Zeit nach dem 12.7.1999 kam es zu weiteren Zahlungsverlangen der Klägerin und diesbezüglichen Auszahlungen seitens der Beklagten. Mit Abrechnungsschreiben vom 16.3.2010 (Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 30.4.2013, Bl. 35 der Akte) äußerte die Beklagte Zweifel an der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten, weil es sich um eine Behandlung in einer Klinik für traditionelle chinesische Medizin handelte, welche die Beklagte gleichwohl „ohne Präjudiz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ erstattete. Die letzte stattgebende Abrechnung der Beklagten erfolgte unter dem 3.9.2010.
6Gegenüber dem Erstattungsverlangen vom 19.7.2011 (Anl. K2, Bl. 9 f. der Akte) berief sich die Beklagte auf Verjährung.
7Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, unbeschadet des befristet ausgesprochenen Verjährungsverzichts sei jede einzelne Auszahlung als verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis zu bewerten.
8Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 87.541,38 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten seit dem 22.8.2011 zu zahlen;
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher ihrem Mitglied Frau I, geboren am 00.00.1967, wohnhaft U 10, H, aufgrund des von dem Kraftschaden-Haftpflicht-Versicherungsnehmer M der Beklagten verursachten und verschuldeten Verkehrsunfalls vom 21.2.1987 entstanden sind und noch entsteht.
Der Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
15Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen.
16Hierzu hat es zunächst ausgeführt, dass 1987 die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 852 BGB alter Fassung gegolten habe. Da zu Verhandlungen oder Anerkenntnishandlungen in den Jahren nach 1987 nichts vorgetragen worden sei, seien keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb zur Zeit der Erklärung des befristeten Verjährungsverzichtes am 12.7.1999 noch keine Verjährung eingetreten sein sollte. Ein Neubeginn der Verjährung durch die nach dem 12.7.1999 vorgenommenen Erstattungen scheide dementsprechend schon deshalb aus, weil die Verjährung zur Zeit der Zahlungen bereits verjährt gewesen sei.
17Ergänzend hat das Landgericht ausgeführt, dass auch aus anderen Gründen kein Neubeginn der Verjährung nach § 212 BGB eingetreten sei. Für die Annahme eines Anerkenntnisses nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei es erforderlich, dass das betreffende Verhalten ein Vertrauen des Gläubigers begründen konnte, der Schuldner werde sich nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht auf Verjährung berufen. Ein solcher Erklärungsinhalt könne den Zahlungen der Beklagten im Jahre 2010 aber nicht beigemessen werden, weil diese im Lichte der Erklärung aus dem Jahre 1999 verstanden werden müssten. Es habe auch keines Hinweises der Beklagten bedurft, weil die Beklagte durch die Befristung der Verzichtserklärung von 1999 hinreichend deutlich gemacht habe, dass sie bis 2010 nicht berechtigt sei, die Einrede der Verjährung zu erheben, danach aber schon.
18Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin zunächst gegen die Annahme, 1999 sei bereits Verjährung eingetreten. Hierzu nimmt sie auf zwischen den Parteien in den Jahren 1991-1997 geführte Korrespondenz zu klägerseitigen Zahlungsverlangen und beklagtenseitigen Erstattungsabrechnungen Bezug (Anlage zur Berufungsbegrün-dungsschrift, Bl. 81-85,92-97 der Akte).
19Ferner vertritt sie die Ansicht, auch unter Berücksichtigung der Befristung des Verjährungsverzichtes sei es ihr nicht zuzumuten gewesen, Klage zu erheben, zumal der Beklagten eine Geltendmachung von Einwendungen gegen den Anspruchsgrund der Beklagten ohnehin nach Treu und Glauben verwehrt gewesen sei. Auch komme den Zahlungen kraft Gesetzes Anerkenntniswirkung Sinne des § 212 BGB zu, ohne dass diese Wirkung durch die vorangegangene Verjährungsverzichtserklärung beseitigt oder begrenzt werden können. Es liege nicht in der Macht des Schuldners, die Rechtsfolgen seines Anerkenntnisses zu bestimmen. Die Klägerin meint, dass es Obliegenheit der Beklagten gewesen sei, ihre Zahlungen jeweils mit einem Vorbehalt zu versehen, der auf den befristeten Verjährungsverzicht hinweist.
20Soweit in der Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand thematisiert werde, sei dies dahin zu verstehen, dass der Vertrauenstatbestand regelmäßig Folge der Anerkenntnishandlungen sei, nicht aber dahin, dass für das Vorliegen eines Anerkenntnisses zusätzlich geprüft und positiv festgestellt werden müsse, dass ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei.
21Die Klägerin beantragt,
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1. das Urteil des Landgerichts Köln vom 31.5.2013 (25
O 9/13) wird abgeändert
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 87.541,38 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 22. 8. 2011 zu bezahlen.
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3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der
Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher ihrem Mitglied Frau I, geboren am 00.00.1967, wohnhaft U 10, H, aufgrund des von dem Kraftschaden-Haftpflicht-Versicherungsnehmer M der Beklagten verursachten und verschuldeten Verkehrsunfalls vom 21.2.1987 künftig noch entsteht.
31Die Beklagte beantragt,
32die Berufung zurückzuweisen
33Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
34II.
35Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung, hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist vom Landgericht zutreffend als unbegründet abgewiesen worden, weil die Beklagte gemäß § 214 Abs. 1 BGB wegen Eintritts der Verjährung zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist.
361.
37Angesichts des in zweiter Instanz zwischen den Parteien unstreitig gewordenen Sachvortrags der Klägerin zu Erstattungen der Beklagten den Jahren zwischen 1987 und 1999 ist – abweichend von der Wertung des Landgerichts – davon auszugehen, dass zur Zeit der Erklärung des befristeten Verjährungsverzichts mit Schreiben vom 12.7.1999 Verjährung noch nicht eingetreten war, da es durch die Abrechnungen und Erstattungen der Beklagten jeweils zu einer Unterbrechung der Verjährung gemäß § 208 BGB a.F. gekommen ist.
382.
39Unbeschadet dessen ist dem Landgericht aber darin zu folgen, dass zwischenzeitlich Verjährung eingetreten ist.
40Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 12. 7. 1999 bis zum 31.12.2010 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet hatte, begann unter Berücksichtigung der Überleitungsvorschriften im Rahmen der Reform des Verjährungs- und Schuldrechts (Art. 229, §§ 6, 12 EGBGB) spätestens am 31.12.2002 eine neue dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195,199 BGB, die am 31.12.2005 ablief.
41Zuzugeben ist der Klägerin, dass der beklagtenseitigen Berufung auf die Einrede der Verjährung bis zum 31.12.2010 der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegengestanden hätte. Seit dem 1.1.2011 ist die Beklagte dagegen uneingeschränkt berechtigt, die Einrede der Verjährung zu erheben.
42Aufgrund der nur befristet abgegebenen Erklärung, auf die Einrede der Verjährung verzichten zu wollen, konnte die Klägerin nämlich nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte auch nach dem 31.12.2010 von der Erhebung der Verjährungseinrede absehen würde.
43In Ermangelung des erforderlichen Vertrauenstatbestandes kann den seitens der Beklagten zwischen 1999 und 2010 geleisteten Zahlungen deshalb auch nicht die Bedeutung verjährungsunterbrechender Anerkenntnishandlungen nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beigemessen werden.
44Einem bestimmten Verhalten des Schuldners kommt nämlich nur dann die Bedeutung eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses zu, wenn sich aus ihm ergibt, dass dem Schuldner das Bestehen der Schuld bewusst ist und angesichts dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, der Schuldner werde sich nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen (st. Rspr. des BGH, vgl. BGH, Urteil vom 5.12.1980, I ZR 179/78, zitiert nach juris, Rn. 24 = NJW 1981, 1955, 1956; Urteil vom 3.12.1987, VII ZR 363/86, NJW 1988, 1259; Urteil vom 9.5.2007, VIII ZR 347/06, NJW 2007, 2843; Urteil vom 24.5.2012, IX ZR 168/11, zitiert nach juris, Rn. 29 = FamRZ 2012, 1296; Beschluss vom 23.8.2012, VII ZR 155/10, zitiert nach juris, Rn. 11 = NJW 2012, 3229, 3230).
45An einem Vertrauenstatbestand fehlt es vorliegend indes, weil die Beklagte ausdrücklich nur für die Zeit bis zum 31.12.2010 auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat, weswegen die Klägerin damit rechnen musste, dass die Beklagte für die Zeit danach sich das Recht zur Leistungsverweigerung wegen Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB vorbehalten wollte. Die Befristung des Verjährungsverzichts wurde in der Erklärung vom 12.7.1997 eindeutig und unmissverständlich formuliert, weswegen es keine Veranlassung dafür gab, die späteren Teilzahlungen mit einem nochmaligen Hinweis auf die Befristung des Verjährungsverzichts zu versehen. Vielmehr ist es Sache des Gläubigers, angesichts eines befristeten Verjährungsverzichtes rechtzeitig rechtswahrende Maßnahmen zu ergreifen, die insbesondere in der Herbeiführung einer Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB bestehen können. Inwieweit die Beklagte in einem Rechtsstreit mit inhaltlichen Einwendungen gegen den Anspruch hätte durchdringen können, kann dahinstehen. Entscheidend ist, dass es dem Gläubiger obliegt, für verjährungshemmende Maßnahmen Sorge zu tragen, wovon die Beklagte die Klägerin in Vertrauensschutz begründender Weise nur insoweit abgehalten hat, als die Klägerin bis zum 31.12.2010 nicht mit einer Leistungsverweigerung der Beklagten rechnen musste.
46Der Senat übersieht nicht, dass die „kumulative“ Forderung eines Vertrauenstatbestandes in der Literatur teilweise kritisiert wird (Peters/Jacoby in Staudinger, Neubearbeitung 2009, § 212 BGb Rn. 7, die allerdings darauf verweisen, dass es etwa bei Hinweis auf spätere Geltendmachung der Verjährungseinrede an der zu fordernden Eindeutigkeit des Schuldnerverhaltens fehlen kann). Ferner wird auch nicht übersehen dass das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht (Beschluss vom 13. Februar 2013,12 UF 87/12, zitiert nach juris, Rn. 18 = FamFR 2013, 177) einer während der Laufzeit eines befristeten Verjährungsverzichts geleisteten Zahlung die Bedeutung eines Anerkenntnisses nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beigemessen hat, weil es die Forderung nach einem Vertrauenstatbestand nicht kumulativ, sondern nur konsekutiv beschreibend auslegt.
47Die Kritik an der Eigenständigkeit des Erfordernisses des Vertrauensschutzes greift indes nicht durch.
48Bereits in der vom Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 5.12.1980, I ZR 179/78, zitiert nach juris, Rn. 24 = NJW 1981, 1955, 1956) zur Herleitung seiner Rechtsprechung zitierten Entscheidung des Reichsgerichts vom 17.2.1910 (VI 61/09, RGZ 73, 131, 132) ist einer fortdauernden Rentenzahlung ausdrücklich nur deshalb die Bedeutung eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses beigemessen worden, weil nach Treu und Glauben nicht habe angenommen werden können, dass die beklagte Straßenbahngesellschaft den klagenden Geschädigten durch freiwillige Zahlung schlechter habe stellen wollen als bei Zuspruch durch Urteil.
49Die gesetzgeberische Regelung eines Neubeginns der Verjährung durch Anerkenntnis in § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB (§ 208 BGB a.F.) ist als Ausformung des Grundsatzes der Unbeachtlichkeit widersprüchlichen Verhaltens zu verstehen (§ 242 BGB). Die Auslegung der Vorschrift hat demgemäß im Lichte dieses Schutzzwecks zu erfolgen, weswegen dann kein Anerkenntnis anzunehmen ist, wenn der Schutzzweck nicht einschlägig ist, nämlich der Gläubiger aufgrund bestimmter Umstände nicht mehr schutzwürdig auf die Nichterhebung der Verjährungseinrede vertrauen konnte. Die Gegenansicht legt die Regelung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB dagegen systemwidrig isoliert von ihrer in § 242 BGB zu sehenden Grundlage aus. Sie entspricht wohl einem bestimmten Wortlautverständnis, widerspricht aber dem Ergebnis der systematischen und teleologischen Gesetzesauslegung.
50III.
51Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
52IV.
53Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 97.541,38 € festgesetzt.
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Referenzen
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- BGB § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist 1x
- I ZR 179/78 2x (nicht zugeordnet)
- VII ZR 363/86 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 212 Neubeginn der Verjährung 7x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 214 Wirkung der Verjährung 2x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 3x
- 12 UF 87/12 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 540 Inhalt des Berufungsurteils 1x
- IX ZR 168/11 1x (nicht zugeordnet)
- VIII ZR 347/06 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- BGB § 204 Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung 1x
- VII ZR 155/10 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen 1x
- BGB § 208 Hemmung der Verjährung bei Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung 2x
- §§ 6, 12 EGBGB 2x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Landgericht Köln - 25 O 9/13 1x
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