Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 11 W 16/14
Tenor
Auf sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 26.3.2014 wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 21.3.2014 – 7 O 81/14 – aufgehoben und das Landgericht angewiesen, den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Klage zurückzuweisen.
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Gründe:
2Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO) und mit der Maßgabe begründet, dass das Landgericht die Prozesskostenhilfe nicht mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Klage zurückweisen darauf.
3Die auf den Schuldschein vom 30.08.1991 (Bl. 5 d.A.) gestützte Klage bietet auch für die beabsichtigte Geltendmachung im Wege des Urkundenprozesses die nach § 114 S. 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Voraussetzung einer Klage im Urkundenprozess ist nach § 592 Abs. 1 ZPO, dass sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Der Urkundenbegriff in § 592 ZPO entspricht dem der § 415 ff. ZPO (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 592 Rn. 15; Braun in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage, § 592 Rn. 16 m.w.N.). Ein Schuldschein besitzt als Privaturkunde die formelle Beweiskraft des § 416 ZPO, wobei für seine materielle Beweiskraft der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO gilt (Fetzer in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 371 Rn. 4 m.w.N). Er ist eine beweisgeeignete Urkunde i.S.d. § 592 ZPO (OLG München Urt. v. 29.1.2014 – 13 U 3932/13, BeckRS 2014, 02553, OLG Koblenz Urt. v. 12.4.2010 – 12 U 502/09, BeckRS 2010, 10946). Die von der Klägerin in Ablichtung vorgelegte, ausdrücklich als „Schuldschein“ überschriebene Urkunde genügt diesen Anforderungen. Unter einem Schuldschein ist eine die Schuldverpflichtung begründende oder bestätigende Urkunde zu verstehen, die der Schuldner zum Beweis für das Bestehen der Schuld ausgestellt hat. Er muss im Hinblick auf seine Beweisfunktion unmissverständlich erkennen lassen, dass sich der Schuldner zum Bestand einer bestimmten Schuld bekennt. Nicht erforderlich ist dagegen, dass der Schuldschein den Inhalt der Schuldverpflichtung im Wesentlichen wiedergibt und daher schon für sich allein geeignet ist, den Beweis ihres wesentlichen Inhalts zu erbringen (Fetzer a.a.O. § 371 Rn. 2). Ob der in der vorgelegten Urkunde dokumentierten Erklärung die rechtliche Qualität eines abstrakten Schuldanerkenntnisses zukommt (dazu BGH NJW 1986, 2571) oder ob die Urkunde nur den Indizienbeweis für eine außerhalb von ihr vereinbarte vertragliche Abrede erbringen soll, kann dahinstehen. Die Urkunde muss nämlich nicht konstitutiv sein und den Klageanspruch selbst begründen oder belegen, wie etwa eine Vertragsurkunde; es genügt, dass sie einen Indizienbeweis ermöglicht und ausreicht, um im Wege der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO den anspruchsbegründenden Sachverhalt zu beweisen (BGH WM 1983, 22; WM 2006, 691, 692 = NJW-RR 2006, 760; Musielak/Voit, ZPO, 11. Aufl., § 592 Rn. 12; Zöller/Greger § 592 Rn. 15; Braun a. a. O. § 592 Rn. 16.). Das ist hier der Fall. In der von ihm unterzeichneten Urkunde hat der Antragsgegner wörtlich erklärt, dass er der Antragstellerin eine „Gesamtschuld von 30.000 DM“ schulde und damit den Bestand der Forderung eindeutig zum Ausdruck gebracht. Besitzt der Gläubiger – wie hier – den Schuldschein, so ist dies zudem ein erhebliches Indiz dafür, dass die Forderung enstanden ist und noch besteht (Fetzer a.a.O. § 371 Rn. 4 m.w.N.). Auch die Fälligkeit des Klageanspruches ist hinreichend dargetan. Im Zweifel ist die Schuld sofort fällig (§ 271 BGB). Abgesehen davon ist der Antragsgegner der mit dem Klagebegehren schlüssig verbundenenen Behauptung der sofortigen Fälligkeit nicht entgegengetreten. Unstreitige Tatsachen bedürfen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch auch im Urkundenprozess keines Beweises (BGHZ 62, 286 = NJW 1974, 1199; BGHZ 176, 366, 369 = NJW 2008, 523; Zöller/Greger § 592 Rn. 11 m.w.N.).
4Es ist auch nicht ersichtlich, dass es sich um eine sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG handeln könnte, für die nicht das Landgericht, sondern die Familiengerichte zuständig wären. Zu den sonstigen Familiensachen im Sinne dieser Vorschrift zählen zwar auch Verfahren, die Ansprüche zwischen miteinander verheirateten Personen im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe betreffen. Hiervon werden auch Verfahren erfasst, die Ansprüche auf Rückabwicklung unbenannter Zuwendungen oder wegen Schenkungwiderrufes zum Gegenstand haben (so OLG Nürnberg NJW-RR 2012, 559 = FamRZ 2012, 896; Keidel/Giers, FamFG, 18. Aufl. § 266 Rn. 15; Zöller/Lorenz § 266 FamFG Rn. 15, 18). Dafür bietet der Schuldschein, dem nach dem unbestrittenen Vorbringen der Antragstellerin ein voreheliches Darlehen zu Grunde liegt, jedoch keine Grundlage.
5Ein Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).
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Referenzen
- 12 U 502/09 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 415 Beweiskraft öffentlicher Urkunden über Erklärungen 1x
- FamFG § 266 Sonstige Familiensachen 2x
- ZPO § 286 Freie Beweiswürdigung 2x
- ZPO § 416 Beweiskraft von Privaturkunden 1x
- 13 U 3932/13 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- 7 O 81/14 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 271 Leistungszeit 1x
- ZPO § 127 Entscheidungen 2x
- ZPO § 592 Zulässigkeit 3x