Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 4 WF 160/14
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Rheinbach vom 19.09.2014 – 18 F 206/14 – abgeändert und ihm für die Durchführung des Umgangsvermittlungsverfahrens mit Wirkung ab Antragstellung am 11.07.2014 Verfahrenskostenhilfe bewilligt, und zwar auf der Grundlage seiner Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vom 18.12.2014 ohne Auferlegung von Ratenzahlungen. Ferner wird ihm Rechtsanwalt G in S zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte beigeordnet.
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G r ü n d e :
2Die gemäß § 76 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und im Übrigen gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Kindesvaters hat auch in der Sache Erfolg.
3Der im Tenor näher bezeichnete Beschluss des Amtsgerichts, mit dem dieses den Antrag des Kindesvaters vom 11.07.2014, ihm im Anschluss an den zum Verfahren 18 F 147/14 des Amtsgerichts Rheinbach am 16.06.2014 geschlossenen, gerichtlich gebilligten Vergleich zur Regelung seines Umgangs mit dem betroffenen Kind für ein Vermittlungsverfahren gemäß § 165 FamFG Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt G in S zur unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, zurückgewiesen hat, hat keinen Bestand.
4(1) Das gilt zunächst, soweit das Amtsgericht den Antrag des Kindesvaters ohne Differenzierung zwischen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und der anhand anderer gesetzlicher Grundlage zu beurteilenden Beiordnung eines Rechtsanwalts insgesamt zurückgewiesen hat. Dem Kindesvater ist Verfahrenskostenhilfe ohne Rücksicht darauf zu bewilligen, ob auch die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts gegeben sind. Selbst wenn eine Beiordnung nicht erfolgt und damit das die Vergütung des eigenen Verfahrensbevollmächtigten betreffende Risiko bleibt, besteht für den Hilfesuchenden im Hinblick auf den Rest der außergerichtlichen Kosten und auf die Gerichtskosten ein Interesse an der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Die Voraussetzungen der insoweit einschlägigen Vorschriften (§ 76 Abs. 1 FamFG i. V. m. §§ 114 ff. ZPO) liegen vor. Die hinreichende Erfolgsaussicht des Antrages auf Durchführung eines Umgangsvermittlungsverfahrens nach § 165 FamFG ist gegeben gewesen und auch vom Amtsgericht gesehen worden, wie dieses mit der Bestimmung eines Verhandlungstermins unter Ladung der Kindeseltern und des betroffenen Kindes zum Ausdruck gebracht hat. Aus der von dem Kindesvater zur Akte eingereichten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 18.12.2014 folgt auch seine Bedürftigkeit.
5(2) Darüber hinaus ist dem Kindesvater für die Durchführung des Umgangsvermittlungsverfahrens auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt beizuordnen:
6(2.1) Die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen einer bewilligten Verfahrenskostenhilfe sind in § 78 FamFG geregelt. Für Verfahren, in denen eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, wird dem Beteiligten nach Absatz 2 dieser Vorschrift auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Bei dem vorliegenden Verfahren über das Umgangsrecht handelt es sich um eine selbstständige Kindschaftssache im Sinne von § 151 Nr. 2 FamFG, für die ein Anwaltszwang – anders als gemäß § 114 Abs. 1 FamFG für Ehe- und Folgesachen – nicht besteht.
7(2.2) Zwar erfordert die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage für ein Umgangsvermittlungsverfahren, in dem es um die Frage der weiteren Ausgestaltung des bereits durch gerichtliche Entscheidung oder gerichtlich gebilligten Vergleich geregelten Umgangs zwischen einem minderjährigen Kind und dem nicht betreuenden Elternteil geht, in der Regel die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht. Insoweit schließt sich der Senat der in der obergerichtlichen Rechtsprechung wohl allgemein vertretenen Meinung (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.03.2013 – 5 WF 52/13 –; OLG Hamm, Beschluss vom 28.12.2011 – 8 WF 299/11 –; OLG Oldenburg, Beschluss vom 22.12.2010 – 11 WF 325/10 –; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.07.2010 – 2 WF 77/10 –; OLG Celle, Beschluss vom 15.02.2010 – 10 WF 59/10 –; jeweils zitiert nach juris) an. Der Zweck des Vermittlungsverfahrens besteht darin, Einvernehmen zwischen den Eltern über die Ausübung des Umgangs herbeizuführen, um eine das Kind belastende gerichtliche Vollstreckung des Umgangsrechts entbehrlich zu machen und die Belastung des Kindes bei der Ausübung des Umgangs möglichst gering zu halten. Das Umgangsvermittlungsverfahren ist von einer umfangreichen Tätigkeit des Gerichts von Amts wegen geprägt mit dem Ziel, mit den Eltern eine einvernehmliche Regelung zu erarbeiten. Hierfür sieht § 165 FamFG in Absatz 3 umfangreiche Belehrungspflichten des Gerichts und in Absatz 4 die Verpflichtung des Gerichts vor, auf ein Einvernehmen hinzuwirken. Im Fall der Erfolglosigkeit des Vermittlungsverfahrens hat das Gericht nach Absatz 5 zu prüfen, ob weitere Maßnahmen veranlasst sind. Zu berücksichtigen ist auch, dass Voraussetzung für die Durchführung eines Umgangsvermittlungsverfahrens ist, dass bereits eine gerichtliche Entscheidung oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich vorliegt. Die Teilnahme der Kindeseltern an einem das eigentliche Umgangsrecht betreffenden gerichtlichen Verfahren lässt den Schluss zu, dass ihnen die Besonderheiten eines solchen gerichtlichen Verfahrens nicht völlig unbekannt sind. Auch die Einleitung und Wahrnehmung des Vermittlungstermins erfordert grundsätzlich keine juristischen Kenntnisse. Das gilt zunächst für den nach §§ 23, 165 FamFG zu stellenden Antrag, mit dem sinngemäß geltend gemacht werden muss, dass der andere Elternteil die Durchführung einer gerichtlichen Entscheidung über eines gerichtlich gebilligten Vergleichs über den Umgang mit dem gemeinschaftlichen Kind vereitelt oder erschwert; hierzu kann sich der Rechtssuchende der Rechtsantragstelle des Gerichts gemäß § 257 FamFG wie auch der Hilfestellung durch das zuständige Jugendamt gemäß § 59 Abs. 1 Nr. SGB VIII bedienen. Für die Wahrnehmung des Vermittlungstermins ist eine schriftliche Vorbereitung nicht vorgesehen und eine durchschnittliche Ausdrucksfähigkeit hinsichtlich tatsächlicher Begebenheiten und Wünsche des antragstellenden Elternteils ausreichend ist.
8(2.3) Auch der Gesichtspunkt der Waffengleichheit, also der Umstand, dass der andere Elternteil anwaltlich vertreten ist, wie auch vorliegend die Kindesmutter durch einen – ihr allerdings nicht im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten – Rechtsanwalt vertreten worden ist, erfordert nicht die Beiordnung eines Rechtsbeistands. Bewusst anders als in § 121 Abs. 2 ZPO hat sich der Gesetzgeber mit der Regelung des § 78 Abs. 2 FamFG nicht für die Beiordnung eines Rechtsanwalts allein aufgrund der anwaltlichen Vertretung eines anderen Beteiligten entschieden. Ist der andere Beteiligte anwaltlich vertreten, kann sich hieraus zwar ein Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage ergeben. Maßgeblich bleiben dennoch die konkreten Umstände des Einzelfalles (BGH, Beschluss vom 23.06.2010 – XII ZB 232/09 – zitiert nach juris, insbes. Rn. 17), die nach obenstehender Maßgabe die Beiordnung eines Rechtsbeistandes nicht erfordern.
9(2.4) Indessen sind vorliegend in der Person des antragstellenden Kindesvaters subjektive Umstände, wie sie über den Wortlaut des § 78 Abs. 2 FamFG hinaus zu berücksichtigen sind (BVerfG, Beschluss vom 22.06.2007 – 1 BvR 681/07 – zitiert nach juris, insbes. Rn. 10 ff.; BGH, a. a. O., insbes. Rn. 8 ff.), gegeben, die dem Senat die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Einzelfall erforderlich erscheinen lassen. Der Entscheidung ist entsprechend dem Vorbringen des Kindesvaters zugrundezulegen, dass er an einer depressiven Störung litt und leidet und deswegen seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, ferner davon, dass er wegen dieser gesundheitlichen Beeinträchtigung an einer Rehabilitationsmaßnahme teilnahm, die erst kurz vor dem Termin am 25.08.2014 beendet war. Sein weiteres Vorbringen, die Wahrnehmung eines Gerichtstermins, zumal unter Beteiligung seiner Tochter und der Kindesmutter, stelle für ihn eine hohe emotionale Belastung dar, legt nahe, dass er sich im Rahmen der Wahrnehmung des Termins unter Berücksichtigung seiner Erkrankung zur erforderlichen objektiven Distanz und Sachlichkeit nicht in der Lage sah. Letztlich findet diese Bewertung ihre Bestätigung in der vorgelegten Bescheinigung der Psychotherapeutin L in Meckenheim vom 30.10.2014, in der es heißt, Herr I sei zurzeit nicht in der Lage, eine Gerichtsverhandlung ohne den Beistand eines Anwalts durchzustehen.
10(2.5) Der tatsächliche Ablauf des Vermittlungstermins vom 25.08.2014, in dem der Kindesvater in einem persönlichen Gespräch mit seiner damals noch 14-jährigen Tochter B im Beisein der Abteilungsrichterin zu einer Lösung des Problems fand, steht dieser Bewertung nicht entgegen, da sich für die Frage der Erforderlichkeit eines rechtlichen Beistandes eine ex-post-Betrachtung verbietet. Ohnehin hätte das Amtsgericht über das in der Sachantragsschrift enthaltene Verfahrenskostenhilfegesuch des Kindesvaters ohne zögerliche Behandlungsweise noch vor dem Vermittlungstermin entscheiden müssen.
11Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 3 Abs. 2 FamGKG i. V. m. KV-Nr. 1912 und gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst, dementsprechend auch nicht die Festsetzung des Gegenstandswertes der sofortigen Beschwerde.
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