Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 13 W 56/16
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 11. April 2016 gegen den ihren Prozesskostenhilfeantrag vom 10. Dezember 2015 zurückweisenden Beschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 11. März 2016, dem Senat vorgelegt mit Nichtabhilfebeschluss der Kammer vom 28. April 2016 – 17 O 498/15 – wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e:
2Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
3Das Landgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin vom 10. Dezember 2015 jedenfalls im Ergebnis zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurückgewiesen. Dabei kommt es auf die Frage, ob die Klägerin ein ihr zustehendes Widerrufsrecht verwirkt hat ebensowenig an wie auf die Frage, ob ihr im Zeitpunkt des Widerrufs überhaupt noch ein Widerrufsrecht zustand. Die Klägerin hat jedenfalls einen Widerruf des am 18. Oktober 2007 geschlossenen Darlehensvertrages nicht ordnungsgemäß erklärt.
4Der Widerruf zu dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag konnte nicht wirksam von der Klägerin allein erklärt werden; seine Ausübung musste vielmehr – nach der Entlassung der Darlehensnehmerin X aus dem Vertrag – durch die verbleibenden Darlehensnehmer, d.h. die Klägerin und ihren früheren Ehemann - gemeinschaftlich erfolgen.
5Gemäß § 357 Abs. 1 BGB in der maßgebenden Fassung vom 2. Dezember 2004 (im Folgenden: a.F.) finden auf das Widerrufsrecht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung. Gemäß § 351 S. 1 BGB in der Fassung vom 2. Januar 2002 kann, wenn bei einem Vertrag auf der einen oder anderen Seite mehrere beteiligt sind, das Rücktrittsrecht nur von allen und gegen alle ausgeübt werden. Die Vorschrift findet ungeachtet des Umstandes, dass § 357 BGB a.F. lediglich von „Rechtsfolgen des Widerrufs“ spricht, auch für die Voraussetzungen der Wirksamkeit des Widerrufs Anwendung (dazu Senat, Urteil vom 13.4.2016 – 13 U 114/15; OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.12.2015 – 17 U 145/14, juris). Dieses Ergebnis korrespondiert nicht nur mit dem Umstand, dass mehrere Darlehensnehmer dem Unternehmer im Falle der Rückabwicklung des Vertrages auch als Gesamtschuldner haften (§§ 421, 427 BGB), sondern fügt sich außerdem nahtlos in das System der Handhabung anderer Gestaltungsrechte ein: Denn nicht nur im Fall der Kündigung, sondern auch bei der Minderung (§§ 441 Abs. 2, 638 Abs. 2 BGB) und beim Wiederkaufs- (§ 461 Satz 1 BGB) und Vorkaufsrecht (§ 472 Satz 1 BGB; dazu BGH, Urteil vom 13.03.2009 - V ZR 157/08, NJW-RR 2009, 1172 Rn. 21 ff.) kann deren Ausübung bei mehreren Vertragspartnern auf einer Seite nur gemeinschaftlich erfolgen. Gleiches gilt hinsichtlich der Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung nach § 177 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 2.4.2004 - V ZR 107/03, WM 2005, 14).
6Etwas Anderes gilt hier auch nicht deshalb, weil die Darlehensnehmer unter dem 6. Mai 2015 (Anlage K 17) eine Vereinbarung dahingehend getroffen haben, dass die Klägerin nach einvernehmlicher Übernahme aller Rechte und Pflichten der ursprünglichen Mitunterzeichner der Darlehensverträge auf Darlehensnehmerseite alleinige Trägerin aller Rechte und Pflichten aus dem Darlehensverhältnis wird. Denn eine derartige Vertragsübernahme kann nicht wirksam zwischen dem Ausscheidenden und dem Eintretenden vereinbart werden, sondern bedarf der Zustimmung aller Beteiligten, hier auch der Beklagten (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, BGB 75. Aufl. § 398 Rdn. 42 f.).
7An der danach erforderlichen gemeinschaftlichen Ausübung des Widerrufsrechts fehlt es. Eine Widerrufserklärung des früheren Ehemanns der Klägerin liegt nicht vor. Eine solche lässt sich insbesondere nicht dem Vortrag der Klägerin entnehmen, der Widerruf sei von ihrem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 15. April 2015 unter Berufung auf die der Beklagten vorliegende Vollmacht namens und im Auftrag seiner „Mandantin(en)“ erklärt worden. Denn ein Mandatsverhältnis hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin der Beklagten - unter Übersendung einer Vollmacht - mit Schreiben vom 8. Dezember 2014 (Anlage K 12) nur hinsichtlich der Klägerin und der Darlehensnehmerin X angezeigt.
8Die Widerrufserklärung vom 22. Juni 2015 (Anlage K 17) kann auch nicht dahingehend verstanden werden, dass die Klägerin den Vertrag mit Vollmacht ihres früheren Ehemanns auch für diesen widerrufen hat. Denn im Sinne einer entsprechenden Vollmacht kann die dieser Erklärung beigefügte Vereinbarung vom 6. Mai 2015 nicht ausgelegt werden. Daraus ergibt sich vielmehr, dass der frühere Ehemann der Klägerin aus dem Darlehensvertrag keinerlei Rechte und Pflichten mehr haben möchte, und damit gerade nicht, dass in seinem Namen ein Recht ausgeübt werden soll.
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