Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 16 U 72/20
Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das am 18.03.2020 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 1 O 307/19 – nach § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit, binnen 3 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen.
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G r ü n d e :
2I.
3Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, denn das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
4Dem Kläger stehen im Hinblick auf den am 16.01.2016 gebraucht gekauften, von der Beklagten hergestellten Porsche A 3.0 D, in dem der von der Fa. B entwickelte und produzierte Dieselmotor EA 897 verbaut war, keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu:
51. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 826 BGB.
6a. Zwar ist der Ansicht des Landgerichts nicht zu folgen, dass auf Seiten der Beklagten der erforderliche Schädigungsvorsatz im vorliegenden Fall des Gebrauchtwagenkaufs von einem privaten Vorerwerber nicht vorliegt. Denn gemäß der zu dem VW-Motor EA 189 ergangenen Grundsatz-Entscheidung des BGH vom 30.07.2020 (VI ZR 5/20 = NJW 2020, 1962), erstreckt sich ein vorhandener Schädigungsvorsatz auch auf die Weiterveräußerung von Gebrauchtfahrzeugen (a.a.O., Rz 16, 63).
7b. Indes scheitert ein Anspruch aus § 826 BGB daran, dass der Kläger entgegen der ihn treffenden Darlegungslast kein der Beklagten zurechenbares sittenwidriges Schädigungsverhalten substantiiert vorgetragen hat:
8(1) Den in der Klageschrift gehaltenen Vortrag, der Motor verfüge über eine Abschalt-Software, die erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet und entsprechend den Stickoxid-Ausstoß beschränke (Bl 20 GA), hat der Kläger gemäß dem Tatbestand der angegriffenen Entscheidung, die dieses Vorbringen an keiner Stelle erwähnt, nicht aufrecht erhalten (vgl. §§ 314, 320 ZPO). Auch die Berufungsschrift schweigt dazu, so dass insgesamt gemäß den §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 531 Abs. 2 ZPO der entsprechende Sachverhalt zur Prüfstandbetrieb-Software nicht berufungsgegenständlich ist.
9(2) Soweit der Kläger seinen Schadensersatzanspruch auf die seiner Ansicht nach unzulässige Thermofenster-Software stützt, scheidet ein Anspruch aus § 826 BGB ebenfalls aus.
10(a) Die Verwendung der Thermofenster-Software stellt bereits keine sittenwidrige Schädigung dar.
11Dass in dem Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine entsprechende Thermofenster-Software eingebaut ist, ist aufgrund des entsprechenden Beklagten-Vorbringens (Bl 152 ff. GA) unstreitig. Indes ist von dem Kläger nicht dargetan, dass die Inverkehrbringung eines mit der Thermofenster-Software ausgestatteten Fahrzeugs besonders verwerflich ist und damit eine objektiv sittenwidrige Schädigung darstellt. Denn anders als die Prüfstandbetrieb-Software dient die Thermofenster-Software nicht der manipulativen Überlistung des Kraftfahrtbundesamtes bei der Erlangung der erforderlichen Typengenehmigung (so schon der Senat in den Beschlüssen v. 22.07.2019 – 16 U 141/18 und v. 12.08.2019 – 16 U 25/19, beide n.v.). Der Einsatz der Thermofenster-Software zielt bereits nicht auf die Abweichungen der Werte des Prüf- zu denen des Fahrbetriebes ab und wird – zumindest auch – mit dem Motor- bzw. Bauteilschutz gerechtfertigt (vgl. auch Beschluss des 3. Zivilsenates des OLG Köln vom 04.07.2019 – 3 U 148/18 = BeckRS 2019, 15640).
12(b) Abgesehen davon würde ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 826 BGB auch deshalb ausscheiden, weil er nicht schlüssig vorgetragen hat, dass der Beklagten der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens gemäß § 31 BGB zuzurechnen wäre.
13Unstreitig ist die Beklagte lediglich Herstellerin des streitgegenständlichen Porsche-Kraftfahrzeuges, während der in diesem verbaute Motor von Audi entwickelt und hergestellt wurde. Für die nach § 31 BGB erforderliche Zurechnung von Kenntnissen über die Motorsteuerungssoftware auf die in Anspruch genommene Beklagte als Herstellerin des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges fehlt es aber an einem ausreichenden Vortrag des darlegungsbelasteten Klägerin.
14Bei der Anwendung von § 826 BGB ist Voraussetzung für die Zurechnung, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten im Sinne von § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand dieser Anspruchsgrundlage verwirklicht hat (vgl. hierzu insbesondere das Grundsatzurteil des BGH v. 30.07.2020, a.a.O., Rz. 29 ff.; aber auch BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15 = NJW 2017, 250 ff.). Um die Voraussetzungen des für § 826 BGB charakteristischen moralischen Unwerturteils als erfüllt betrachten zu können, bedarf es der Feststellung, dass die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf den Einsatz des mit einer unzulässigen Software versehenen Audi-Motors in die von ihr hergestellten Porsche-Fahrzeuge von den im Hause der Beklagten verantwortlichen Personen wenn nicht selbst, so zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020, a.a.O., Rz. 29). Insoweit kann dem für die anspruchsbegründenden Umstände darlegungspflichten, aber außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs stehenden Kläger zwar grundsätzlich eine Erleichterung seiner Darlegungslast in Form einer sekundären Darlegungslast der Beklagten zugute kommen (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020, a.a.O., Rz. 39). Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass der streitgegenständliche Motor von B entwickelt wurde und diese eine von der Beklagten zu unterscheidende Rechtspersönlichkeit ist. Eine generelle Zurechnung von Wissen und Kenntnissen im Konzern ist dem Deliktsrecht fremd.
15Für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Beklagten wäre damit zunächst einmal näherer Vortrag des Klägers dazu erforderlich, dass die Beklagte überhaupt auf einer für § 31 BGB relevanten Ebene Kenntnis von der Verwendung der streitgegenständlichen Steuerungs-Software in dem Motor des von ihr hergestellten Kraftfahrzeuges gehabt haben könnte. Erst sekundär wäre es dann die Aufgabe der Beklagten, im Einzelnen zu den internen Abläufen bei der Einführung und Übernahme des Motors EA 897 vorzutragen. Den mithin zu stellenden Anforderungen genügt aber weder der Vortrag des Klägers im Verfahren erster Instanz noch sein Berufungsvorbringen. Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte gerade nicht Entwicklerin des streitgegenständlichen Motors ist, kann für die Beklagte nämlich nicht ohne weiteres angenommen werden, dass ihr Vorstand, jedenfalls aber die Mitarbeiter ihres oberen Managements Kenntnis von dem Einsatz einer Software zur Motorsteuerung und ihrer Funktionsweise hatten. Es ist vielmehr ohne weiteres denkbar, dass der Beklagten der streitgegenständliche Motor von B ohne Aufklärung über den Einsatz der Motorsteuerungssoftware und ihre Funktionsweise überlassen wurde.
16(3) Soweit der Kläger abschließend auch noch auf den Einsatz eines unzulässigen On-Board-Diagnose-System beruft, das entgegen den technischen Vorgaben die während der Fahrbetriebes auftretenden Überschreitungen der Stickoxid-Grenzwerte nicht dokumentiere, vermag dies schon deshalb keinen Anspruch aus § 826 BGB zu begründen, weil diese – unterstellte – Manipulation nicht den Prüfstandbetrieb betrifft, also nicht der manipulativen Überlistung des Kraftfahrtbundesamtes bei der Erlangung der erforderlichen Typengenehmigung dient [vgl. zur weiteren Begründung Ziffer 1. (2) (a)].
172. Es besteht auch kein Anspruch des Klägers aus den § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 Abs. 1 StGB. Ein betrügerisches Verhalten der Beklagten scheitert bereits an § 31 BGB [vgl. Ziffer 1. (2) (b)]. Selbst wenn man ein solches unterstellt, liegt infolge der fehlenden Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden jedenfalls keine Bereicherungsabsicht der Beklagten vor. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die Begründung der BGH-Entscheidung vom 30.07.2020 (a.a.O. Rz. 19-26) verwiesen.
183. Letztlich scheidet auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bzw Art. 5 VO 517/2007/EG aus. Selbst wenn unzulässige Abschalteinrichtungen vorliegen würden, fällt das vorliegend streitgegenständliche Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht in den Anwendungsbereich der genannten europarechtlichen Normen. Auch insoweit wird wegen der Einzelheiten der Begründung auf die BGH-Entscheidung vom 30.07.2020 (a.a.O., Rz. 11-16) verwiesen.
19II.
20Auch die weiteren Voraussetzungen, unter denen die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen ist, liegen vor. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; es handelt sich um einen Streit, dessen Tragweite sich im konkreten Einzelfall erschöpft. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren ist nicht geboten.
21III.
22Auf die gemäß Nr. 1222 GKG-VV gerichtskostenreduzierende Wirkung einer Berufungsrücknahme wird ergänzend hingewiesen.
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Referenzen
- BGB § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung 5x
- ZPO § 314 Beweiskraft des Tatbestandes 1x
- 16 U 141/18 1x (nicht zugeordnet)
- 3 U 148/18 1x (nicht zugeordnet)
- 5 VO 517/20 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 823 Schadensersatzpflicht 2x
- VI ZR 536/15 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel 1x
- ZPO § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts 1x
- BGB § 31 Haftung des Vereins für Organe 4x
- 16 U 25/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 O 307/19 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 263 Betrug 1x
- ZPO § 320 Berichtigung des Tatbestandes 1x
- ZPO § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss 2x
- §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV 2x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 5/20 1x (nicht zugeordnet)