Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 14 U 103/02

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 06. Mai 2002 - 3 O 183/01 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I. Die Parteien sind Geschwister. Sie streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist,  die Klägerin von der dinglichen Haftung aus einer Grundschuld zu befreien, welche die Mutter der Parteien der Sparkasse O. im Jahr 1983 bestellt hat, um langfristige Darlehensverbindlichkeiten des Beklagten zu sichern. Am 08.05.1988 hat die Mutter mit der Sparkasse vereinbart, daß die Grundschuld ein dem Beklagten gewährtes Darlehen über 350.000,00 DM sichert und die Sparkasse ihre Rechte aus der Grundschuld freigibt, sobald sie wegen des gesicherten Anspruchs befriedigt ist (I 99). Durch Testament vom 14.12.1992 hat die Mutter  die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt  und ihren weiteren vier Kindern - darunter dem Beklagten - jeweils ein Vermächtnis in Höhe von 20.000,00 DM ausgesetzt. Weiter heißt es in dem Testament:
"Mein Hausgrundstück im Grundbuch von B. Nr. 143 Flst. Nr. 141 ist derzeit noch in der III. Abt. unter lfd. Nr. 6 mit einer Grundschuld über DM 200.000,00 für die Bezirkssparkasse O. und unter lfd. Nr. 7 mit einer Grundschuld über DM 97.400,00 zugunsten der L. Bausparkasse AG in L. belastet. Diese Grundschulden betreffen Darlehensverpflichtungen und zwar die über DM 200.000,00 eine solche meines Sohnes E. K. (des Beklagten) und die über DM 97.400,00 eine solche meines Sohnes R. K.. Ich selbst bin aus diesen Darlehen nicht verpflichtet. Ich habe meinen beiden Söhnen E. und R. lediglich für diese Darlehen die entsprechende Absicherung auf meinem Grundbesitz gewährt. Beide sind verpflichtet spätestens im Falle meines Todes das obige Grundstück von diesen beiden Grundpfandrechtsbelastungen freizumachen".
Die Mutter ist am 03.10.1993 verstorben.
Wegen des zugrundeliegenden Sachverhalts im einzelnen, des Vortrags der Parteien und der gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil verwiesen. Zu ergänzen ist, daß der Beklagte den aus dem Vermächtnis folgenden Anspruch gegen die Klägerin mit einer am 15.01.1997 erhobenen Klage (LG Offenburg 3 O 537/96 = 3 O 414/00) neben einem restlichen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat. Im Laufe jenes Rechtsstreits hat er ausdrücklich erklärt, daß er das Vermächtnis damit angenommen habe; vorsorglich hat er nochmals die Annahme des Vermächtnisses erklärt. In dem vorliegenden Rechtsstreit hat der Beklagte zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 20.06.2001 erklärt, daß er das Vermächtnis ausgeschlagen und statt dessen den Pflichtteil geltend gemacht habe (I 51). Auf Nachfrage des Landgerichts hat der Beklagte mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 12.11.2001 jedoch klargestellt, daß er das Vermächtnis nicht ausgeschlagen habe. Durch Schreiben vom 30.03.2001 hat die Sparkasse Offenburg es abgelehnt, eine von dem Beklagten angebotene Ersatzsicherheit anstelle der Grundschuld zu akzeptieren; sie werde die derzeit noch mit 195.492,56 DM valutierende Grundschuld freigeben, sobald das Darlehen vollständig zurückbezahlt sei.
Das Landgericht Offenburg hat den Beklagten durch Urteil vom 06. Mai 2002 verurteilt, die Löschung der im Grundbuch von B Nr. 143 in der dritten Abteilung unter laufender Nr. 6 eingetragenen Grundschuld in Höhe von 200.000,00 DM nebst 15 % Zinsen jährlich für die Sparkasse O. zu Lasten des Grundstücks Flurstück Nr. 141, Hof- und Gebäudefläche, Wohnhaus, zwei Schuppen, Gartenland, Am vorderen Dorfberg, 26,44 Ar beizubringen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, daß der Beklagte zwar nicht nach §§ 670, 257 BGB verpflichtet sei, die Klägerin von der Grundschuld zu befreien. Es sei nicht bewiesen, daß vor Bestellung der Grundschuld vereinbart worden sei, daß der Beklagte die Löschung der Grundschuld bis zum Tod der Mutter erreichen müsse. Weder die Mutter noch die Klägerin als ihre Erbin seien zu einer Kündigung des Auftragsverhältnisses nach § 671 Abs. 1 BGB berechtigt gewesen. Das Innenverhältnis zwischen der Mutter und dem Beklagten sei nämlich durch die Darlehensbedingungen der  Grundschuldgläubigerin bestimmt worden. Danach sei die Mutter gehalten gewesen, dem Beklagten die Grundschuld als Kreditunterlage in der Art und Weise zur Verfügung zu stellen, als es der natürlichen Abwicklung des Kreditverhältnisses entsprach. Ein wichtiger Grund zur Kündigung liege nicht vor. Insbesondere sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß der Beklagte seine Zahlungspflichten gegenüber der Sparkasse nicht erfülle. Die Klägerin könne jedoch gemäß § 1940 BGB verlangen, daß der Beklagte für die Freigabe der Grundschuld Sorge trägt. Die Bestimmung in dem Testament, daß der Beklagte verpflichtet sei, spätestens im Fall des Todes der Mutter das Grundstück von der Grundpfandrechtsbelastung freizumachen, sei nach dem Wortlaut und den Aussagen der Zeugen als eine Auflage auszulegen. Der Beklagte könne die Verpflichtung dadurch erfüllen, daß er das Darlehen an die Sparkasse zurückbezahle. Er habe für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt.
Der Beklagte ist der Ansicht, daß die Bestimmung in dem Testament nicht als Auflage auszulegen sei. Da alle nicht als Erben eingesetzten Kinder mit gleich hohen Vermächtnissen bedacht worden seien, könne aus der Aussetzung des Vermächtnisses nicht abgeleitet werden, daß zu seinen Lasten eine Auflage bestimmt worden sei. Dies folge auch nicht daraus, daß die Erblasserin gegenüber dem Notar den Wunsch geäußert habe, das Grundstück solle nach ihrem Tod grundpfandrechtsfrei sein. Was nicht Gegenstand einer schuldrechtlichen Verpflichtung sein könne, könne auch nicht Gegenstand einer Auflage sein. Da seine Mutter das Auftragsverhältnis zu ihren Lebzeiten nicht kündigen konnte, habe sie den Ausschluß des Kündigungsrechts nicht über den Umweg einer Auflage aufheben können. Im übrigen hänge die Löschung der Grundschuld von seiner Leistungsfähigkeit oder der Großzügigkeit der Sparkasse Offenburg ab.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 06. Mai 2002 - 3 O 183/01 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Klägerin ist der Ansicht, daß das Landgericht die testamentarische Bestimmung zu Recht als Auflage ausgelegt habe. Im übrigen könne ein Beauftragter den Auftrag jederzeit kündigen, auch wenn kein wichtiger Grund vorliege. Auch die ohne einen wichtigen Grund zur Unzeit erfolgte Kündigung sei wirksam und verpflichte den Beauftragten gemäß § 671 Abs. 2 S. 2 BGB lediglich zum Schadensersatz.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze und Anlagen verwiesen.
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II. Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
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Die Pflicht des Beklagten, die Grundschuld abzulösen, ergibt sich aus dem Testament. Das Landgericht hat die im Testament enthaltene Verfügung zu Recht als Auflage im Sinne der §§ 1940, 2192 ff. BGB ausgelegt. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut: Der Beklagte ist "verpflichtet" und nicht etwa nur gebeten worden, das Grundstück von der Grundpfandrechtsbelastung zu befreien. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Erblasserin - entgegen dem Wortlaut - nur einen unverbindlichen Wunsch äußern wollte. Die als Zeugen vernommenen Geschwister der Parteien haben ausgesagt, daß ihre Mutter den Beklagten schon seit Jahren zur Tilgung des gesicherten Darlehens gedrängt habe. Der Notar, zu dessen Niederschrift das Testament errichtet worden ist, hat ausgesagt, die Erblasserin habe gewünscht, daß die eingesetzte Erbin das Haus ohne Belastung durch Grundpfandrechte erhalten solle. Diesem Wunsch entsprechend hat die Erblasserin den Beklagten in dem Testament verpflichtet, das Grundstück spätestens im Fall ihres Todes von der Grundpfandrechtsbelastung zu befreien.
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Daß den vier nicht erbenden Kindern zum Ausgleich für die Erbeinsetzung der Klägerin gleich hohe Vermächtnisse ausgesetzt worden sind, spricht auch nicht gegen, sondern für die Auslegung als Auflage. Der Sohn R. K., dessen Verbindlichkeiten ebenfalls durch eine auf dem Grundstück der Erblasserin lastende Grundschuld gesichert waren, wurde in gleicher Weise wie der Beklagte verpflichtet, das Grundstück von der ihn betreffenden Grundschuld zu befreien. Dagegen ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß die Erblasserin auch Verbindlichkeiten der anderen beiden mit einem Vermächtnis bedachten Kinder gesichert hatte.
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Der Annahme einer Auflage steht auch nicht entgegen, daß die Mutter vor ihrem Tod noch keinen Anspruch darauf hatte, daß der Beklagte sie von der dinglichen Haftung befreit. Eine Auflage setzt gerade nicht voraus, daß der beschwerte Vermächtnisnehmer schon zu Lebzeiten des Erblassers zur Vornahme der ihm im Testament auferlegten Handlung verpflichtet war.
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Im übrigen ist die Auflage weder auf eine unmögliche Leistung gerichtet noch hängt ihre Vollziehung von der Großzügigkeit der Sparkasse O. ab. Sobald die Sparkasse wegen der gesicherten Darlehensverbindlichkeit befriedigt ist, ist sie nach der Zweckerklärung vom 08.05.1988 zur Freigabe ihrer Rechte aus der Grundschuld verpflichtet. Die Darlehensverbindlichkeit ist auch erfüllbar: Die Sparkasse selbst hat dem Beklagten in dem Schreiben vom 30.03.2001 empfohlen, das Darlehen vollständig zurückzubezahlen. Der Beklagte kann die Freigabe also dadurch bewirken, daß er seine Darlehensverbindlichkeit tilgt. Ob er über die erforderlichen Mittel verfügt, ist insoweit ohne Belang; dies stünde seiner Verurteilung nicht entgegen.
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Als Erbin gehört die Klägerin zu den Personen, die gemäß § 2194 BGB die Vollziehung der Auflage verlangen können. Ob eine nach § 2194 BGB vollziehungsberechtigte Person die Vollziehung der Auflage auch dann verlangen kann, wenn sie selbst durch die Auflage begünstigt wird, ist allerdings streitig. Nach Ansicht von Johannsen (BGB-RGRK 12. Aufl. § 2194 Rdn. 4) steht den in § 2194 BGB genannten Personen das Klagerecht insoweit nicht zu, als damit der Vollzug einer zu ihren Gunsten gemachten Auflage verlangt werden soll. Dies wird - unter Berufung auf eine nicht veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.05.1952 (IV ZR 220/51)  - damit begründet, daß der Begünstigte nach § 1940 BGB keinen Anspruch auf die dem Beschwerten auferlegte Leistung habe. Es würde dem Wesen der Auflage widersprechen, wenn er sich diesen Anspruch praktisch auf dem Umweg verschaffen würde, daß er das Klagerecht aus § 2194 BGB ausübe, das einen anderen Zweck habe (ebenso Soergel/Dieckmann, BGB 13. Aufl. § 2194 Rdn. 7; Vorwerk, ZEV 1998, 297 und Wochner, MittRhNotK 1994, 89, 97, die vielfach ebenfalls als Anhänger dieser Ansicht genannt werden, führen dagegen nur aus, daß der Erblasser auch einem in § 2194 BGB nicht genannten Dritten einen klagbaren Anspruch auf Erfüllung der Auflage einräumen könne, nicht jedoch dem Begünstigten selbst, dem sonst entgegen § 1940 BGB ein Vollziehungsanspruch zustünde). Gegen diese Ansicht wird eingewandt, dass sie dem Fehlen der Anspruchsberechtigung des Begünstigten ein größeres Gewicht beilege als der Verpflichtung des Beschwerten und damit in begriffsjuristischer Weise das Unterscheidungsmerkmal zwischen Auflage und Vermächtnis für wichtiger halte als die vom Erblasser gewollte Vollziehung der Auflage (Staudinger/Otte, BGB 13. Bearbeitung § 2194 Rdn. 9). Das Fehlen eines Anspruchs des Auflagenbegünstigten rechtfertige noch nicht die Annahme, die Ausübung eines dem Vollziehungsberechtigten selbst zugute kommenden Vollziehungsrechts stelle eine Umgehung dar (Schlichting in MüKo-BGB, 3. Aufl. § 2194 Rdn. 3; zustimmend Jauernig/Stürner, BGB 10. Aufl. § 2194 Rdn. 2; Hk-BGB/Hoeren, 2. Aufl. § 2194 Rdn. 6; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, BGB 2003 § 2194 Rdn. 2). Der Senat schließt sich dieser Gegenmeinung an. Nach § 1940 BGB kann der Erblasser durch Testament den Erben oder einen Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichten, ohne einem anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden. Da derjenige, an den die Leistung erfolgen soll, keinen Anspruch auf die Leistung hat, stünde die Erfüllung der Verpflichtung im Belieben des Beschwerten. Dies wird durch die Vorschrift des § 2194 BGB verhindert, die dem Erben, dem Miterben und demjenigen, welchem der Wegfall des mit der Auflage zunächst Beschwerten unmittelbar zustatten kommen würde, ein Klagerecht auf die Vollziehung einräumt. Das Gesetz enthält nicht die Einschränkung, daß die genannten Personen die Vollziehung der Auflage dann nicht verlangen können, wenn der Beschwerte zu einer Leistung an sie verpflichtet worden ist oder die Vollziehung der Auflage ihnen in sonstiger Weise zugute kommt. Der Erbe, der durch die Vollziehung der Auflage begünstigt wird, macht auch nicht in zweckwidriger Weise von dem Klagerecht Gebrauch, wenn er die Vollziehung der Auflage verlangt. Zweck des Klagerechts ist es, die Verpflichtung zur Leistung durchzusetzen, auf die kein Anspruch besteht. Dieser Zweck wird erreicht, gleichgültig ob die Auflage einen Dritten oder den Vollziehungsberechtigten selbst begünstigt. Die verlangte Vollziehung kommt demjenigen zugute, dem sie nach dem Willen des Erblassers zugute kommen sollte. Die Ausübung des Vollziehungsrechts verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben. Der Erbe hat das Vollziehungsrecht nicht in unredlicher Weise, durch ein gesetz- oder sittenwidriges Verhalten erworben, sondern der Erblasser hat ihn als Erben eingesetzt oder er ist nach der gesetzlichen Erbfolge berufen.
19 
Die Klägerin kann die Vollziehung der Auflage daher verlangen.
20 
Schließlich ist die Auflage nicht etwa dadurch entfallen, daß der Beklagte das Vermächtnis ausgeschlagen hat. Der Beklagte hat das Vermächtnis vielmehr angenommen und dessen Erfüllung verlangt. Ob der Beklagte die Annahme des Vermächtnisses analog § 2308 BGB hätte anfechten können, kann dahinstehen. Eine solche Anfechtung ist nicht erfolgt und könnte auch nicht mehr fristgerecht erfolgen.
21 
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 BGB. Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Revision zuzulassen.

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