Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 14 U 205/02

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 15.10.2002 - 2 O 370/01 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, daß

a) der Beklagte Nr. 1 - B.-R. B. - im Verhältnis zum Kläger nicht als Miterbe am Nachlaß des am 15.10.1995 verstorbenen Erblassers O. B. anzusehen ist und

b) zwischen dem Kläger und der Beklagten Nr. 2 - S. P.-B. - nicht ein Rechtsverhältnis besteht, wie es zwischen dem Testamentsvollstrecker und der Erwerberin eines Erbteils entsteht.

2. Die beiden Beklagten tragen

a) von den erstinstanzlichen Gerichtskosten: jeweils 1/3,

b) von den erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten des Klägers: jeweils 1/3,

c) ihre eigenen außergerichtlichen Kosten erster Instanz und

d) die Kosten der Berufung.

Der Kläger trägt 1/3 der erstinstanzlichen Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen der Beklagten Nr. 3 ganz.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der den Beruf eines Rechtsanwalts ausübende Kläger ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 15.10.1995 im Alter von 83 Jahren verstorbenen Erblassers O. B., der bis zu seiner Pensionierung Notariatsdirektor gewesen war. Der Erblasser hatte seine beiden aus der Ehe mit der nach ihm verstorbenen Frau H. B. hervorgegangenen Kinder - den Beklagten Nr. 1 und die Beklagte Nr. 3 - testamentarisch zu Erben eingesetzt. Der Beklagte Nr. 1 hat - ohne dem Testamentsvollstrecker hiervon Mitteilung zu machen - seinen Erbteil mit Vertrag vom 04.04.1997 auf seine Ehefrau, die Beklagte Nr. 2, übertragen.
Zum Nachlass gehören mehrere Hausgrundstücke. Dabei handelt es sich zum einen um das frühere Wohnhaus des Erblassers in O., Z-Str. 21, und zum anderen um mehrere vermietete Objekte in O. und H.
Das unter dem Datum 19.12.1994 errichtete eigenhändige Testament hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:
„Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass meine Ehefrau die Xyz- Krankheit im zweiten bis dritten Stadium hat und im Anwesen Z-Str. 21 seit über einem Jahr Pflege, Haushaltsführung, u.a.m. trotz Betreuung durch die U-Altenhilfe von Frau K. K. ohne Vergütung erfolgt ist, verfüge ich letztwillig wie folgt:
1. Die gesetzliche Erbfolge wird ausgeschlossen.
2. Für die höchstzulässige Dauer ordne ich Testamentsvollstreckung mit Verwaltungsbefugnis an.
3. Den Kindern
a) B.-R. B., Rechtsanwalt
b) G. B., Lehrerin, die je zu 1/2 erben,
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habe ich seit ihrer Schulzeit schon vor Jahren Zuwendungen u.a. Studium, Anwesen, Wohnungsnutzung, Scheidungsausgleich u.a.m. zuteil kommen lassen, die lt. gesonderter Vereinbarung als Vorausempfang ausgeglichen sind.
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4. Zu gemeinschaftlichen Testamentsvollstreckern mit Verwaltungsbefugnis ernenne ich:
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a) Steuerberater K. N. in O.
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b) Steuerberaterin H. S. in O.
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wobei jeder berechtigt ist, seinen Ersatzvollstrecker selbst zu bestimmen, und wenn er dies nicht tut, dieses Recht dem Nachlaßgericht zusteht.
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Jedem Testamentsvollstrecker steht als jährliche Vergütung 2 % der jährlichen Mieteinnahmen und Auslagenersatz zu
5. ...
6. ...
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7. Der Ehefrau steht am gesamten Grundbesitz-Nachlaß auf Lebenszeit die Nutznießung zu, die zunächst für deren Unterbringung und pflegerische, sowie ärztliche Versorgung zu verwenden ist
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8. Wer das Testament anficht, sich der Durchführung widersetzt oder sonstige erhebliche Schwierigkeiten bereitet, wird unter Widerruf aller für ihn getroffenen Verfügungen auf den Pflichtteil gesetzt, worauf er sich seinen gesamten Vorempfang anrechnen zu lassen hat. Dieser ist höher als der Pflichtteil.
18 
9. ...“
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Die Testamentsvollstrecker K. N. und H. S. legten ihr Amt am 08.01.1997 nieder und bestimmten den Kläger zu ihrem Nachfolger.
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Der Kläger vertritt die Auffassung, der Beklagte Nr. 1 habe sich nachhaltig der Durchführung der im Testament enthaltenen Vorschriften widersetzt und sonstige erhebliche Schwierigkeiten bereitet im Sinne von Nr. 8 des Testaments; die Beklagte Nr. 2 habe dem Kläger gegenüber eine Zermürbungsstrategie verfolgt. Der Kläger meint daher, er habe den Beklagten Nr. 1 nicht als Miterben und die Beklagte Nr. 2 nicht als aus dem mit dem Beklagten Nr. 1 geschlossenen Erbteilsübertragungsvertrag vom 04.04.1997 berechtigt anzusehen.
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Wegen des vom Beklagten verfolgten Klageziels und des zugrunde liegenden Sachverhalts im einzelnen, wegen des Parteivorbringens sowie wegen der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
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Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage gegen die Beklagten Nr. 1 und Nr. 2 als unbegründet und gegen die Beklagte Nr. 3 als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es in Bezug auf die Beklagten Nr. 1 und Nr. 2 ausgeführt, ein Verstoß des Beklagten Nr. 1 gegen die Regelung gemäß Nr. 8 des Testaments vom 19.12.1994 liege nicht vor, weshalb es ihm möglich gewesen sei, durch den Erbteilsübertragungsvertrag vom 04.04.1997 seine vermögensrechtliche Stellung als Miterbe auf die Beklagte Nr. 2 zu übertragen.
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Mit seiner lediglich in Bezug auf den Beklagten Nr. 1 und die Beklagte Nr. 2 eingelegte Berufung verfolgt der Kläger seine diesbezüglichen Feststellungsanträge weiter. Dabei wiederholt er im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag.
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Der Kläger beantragt,
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a) das landgerichtliche Urteil abzuändern und festzustellen, daß der Beklagte Nr. 1 nicht Erbe bzw. Miterbe an dem Nachlass des Herrn O. B. ist und
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b) zwischen dem Testamentsvollstrecker und der Beklagten Nr. 2 nicht ein Rechtsverhältnis besteht, wie es zwischen dem Testamentsvollstrecker und einer Erwerberin eines Erbteils entsteht.
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Die Beklagten Nr. 1 und Nr. 2 halten das angefochtene Urteil für richtig und beantragen
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die Zurückweisung der Berufung.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg: Bezüglich der Beklagten Nr. 1 und Nr. 2 ist die Klage nicht nur - wie das Landgericht richtig ausgeführt hat - zulässig, sie ist vielmehr auch begründet.
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1. Wegen der Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine Bedenken.
32 
Streitgegenstand der Feststellungsklage kann der Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein (§ 256 Abs. 1 ZPO). Dies ist bei der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage der Fall. Bei dieser geht es nicht etwa darum, ob der Kläger im Verhältnis zur Miterbin (der früheren Beklagten Nr. 3, G. B.) seine Erbenstellung verloren hatte und ob die Beklagte Nr. 2 deshalb seinen Erbteil nicht erwerben konnte. Es geht damit nicht um das Erbrecht als solches - daß der Testamentsvollstrecker um dieses keine Prozesse führen kann, steht in der Tat außer Zweifel. Das Feststellungsbegehren des Klägers geht vielmehr dahin, daß der Kläger als Testamentsvollstrecker den Beklagten Nr. 1 nicht als Miterben und die Beklagte Nr. 2 nicht als aufgrund des Erbteilsübertragungsvertrags an den Nachlaßgegenständen Berechtigte anzusehen hat. Dahin hat das Landgericht den freilich nicht ganz eindeutig formulierten Klageantrag mit Recht ausgelegt und dies hat der Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich nochmals klargestellt.
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Als Testamentsvollstrecker hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung, ob der Beklagte Nr. 1 Erbe ist und ob die Beklagte Nr. 2 seinen Erbteil erworben hat. Dies ergibt sich daraus, daß die Erbenstellung auch bei Testamentsvollstreckung mit Rechten und Pflichten verbunden ist. Der Testamentsvollstrecker muß deshalb Gewissheit darüber haben, ob er einen Erbprätendenten, an dessen Berechtigung er zweifelt, als Erben, und denjenigen, der den Erbteil erworben hat, als rechtmäßigen Erwerber des Erbteils zu behandeln hat. Die hierauf gerichtete Prozessführung des Klägers liegt damit im Rahmen seiner Verwaltungsaufgaben als Testamentsvollstrecker, so daß seine gegen die Beklagten Nr. 1 und Nr. 2 gerichtete Feststellungsklage zulässig ist (vgl. hierzu Palandt/Edenhofer, BGB, 63. Auflage 2004, Rdn. 8 vor § 2197, mit weiteren Nachweisen).
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2. Mit der Berufung und anders als das Landgericht ist der Senat der Auffassung, daß der Beklagte Nr. 1 dadurch gegen die in Nr. 8 des Testaments enthaltene Verwirkungsklausel verstoßen hat, daß er von den vom Erblasser ernannten Testamentsvollstreckern K. N. und H. S. in massiver Form die Auseinandersetzung des Nachlasses verlangt hat. Dadurch hat der Beklagte Nr. 1 seine Erbenstellung verloren.
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a) Mit dem Landgericht ist davon auszugehen - und auch die Beklagten stellen dies in der Berufungsinstanz nicht in Abrede -, daß die genannte Verwirkungsklausel wirksam ist. Teilweise (Nachweise bei Leipold, in: Münchener Kommentar BGB, 3. Auflage 1997, Rdn. 20 zu § 2074; Soergel/Loritz, BGB, 13. Auflage 2003, Rdn. 6 zu § 2075) wird zwar die Ansicht vertreten, allzu unbestimmte Klauseln seien unwirksam, weil der Bedachte dann nicht mehr erkennen könne, unter welchen Voraussetzungen er mit dem Verlust der Zuwendung zu rechnen habe, so daß letztlich das gerichtliche Ermessen entscheide. Mit der herrschenden Meinung ist der Senat indessen der Auffassung, daß derartige Klauseln nach dem Grundsatz, dem Willen des Erblassers so weit wie möglich zum Erfolg zu verhelfen, aufrechtzuerhalten und entsprechend ihrer - so auch hier - erkennbaren Zweckrichtung im Wege der (freilich durch Gesetz und gute Sitten begrenzten: vgl. Staudinger/Otte, BGB, 2003, Rdn. 61 zu § 2074) Auslegung dann eingreifen zu lassen, wenn sich der Bedachte gegen den Willen des Erblassers „auflehnt“ (vgl. Leipold, aaO, Rdn. 20 zu § 2074; Soergel/Loritz, aaO, Rdn. 6 zu § 2075; Staudinger/Otte, aaO, Rdn. 52 zu § 2074; Palandt/Edenhofer, aaO, Rdn. 8 zu § 2075).
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b) Eine gegen den Erblasserwillen gerichtete Auflehnung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn Handlungen des Bedachten darauf zielen, die letztwillige Verfügung „ganz oder teilweise für unwirksam erklären zu lassen oder in sonstiger Weise zu Fall zu bringen“ (Soergel/Loritz, aaO, Rdn. 7 zu § 2075 mit weiteren Nachweisen). Hierfür ist „bewußter Ungehorsam“ gegen den letzten Willen des Erblassers zu fordern (Johannsen, in: BGB-RGRK, 12. Auflage 1974, Rdn. 17 zu § 2074; Palandt/Edenhofer, aaO, Rdn. 9 zu § 2075; Leipold, aaO, Rdn. 25 zu § 2074). Ob Verhaltensweisen ihrer Art und ihrem Gewicht nach als zum Verlust des Erbrechts führende „Auflehnung“ anzusehen sind, ist durch Auslegung des Testaments zu ermitteln; maßgeblich ist dabei allein der im Testament zum Ausdruck kommende Erblasserwille.
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c) Im Testament des Erblassers O. B. ist bestimmt, daß zur Verwirkung des Erbenrechts führen
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- die Anfechtung des Testaments,
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- die Widersetzung gegen die Durchführung des Testaments und
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- das Bereiten sonstiger erheblicher Schwierigkeiten.
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Mangels anderer im Testament enthaltener Anhaltspunkte ergibt sich aus dieser Aufzählung ohne weiteres, daß „Widersetzung gegen die Durchführung“ und „Bereiten sonstiger erheblicher Schwierigkeiten“ nach Bedeutung und Schwere einer „Testamentsanfechtung“ entsprechen müssen. Dies bedeutet einerseits, daß Verhaltensweisen, die dieses Gewicht nicht erreichen, jedenfalls für sich allein die Sanktion nicht auslösen können. Andererseits führt - entgegen der Auffassung des Landgerichts - der überdurchschnittliche Umfang des Nachlasses nicht dazu, daß die Verwirkungsklausel nur bei besonders gravierenden Fällen der Auflehnung gegen den Erblasserwillen eingreift.
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d) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, daß der Kläger den Beklagten Nr. 1 nicht als Erben zu behandeln hat, weil dieser sein Erbrecht verwirkt hat:
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aa) Mit an die beiden damaligen Testamentsvollstrecker N. und S. gerichteten Schreiben vom 28.11.1995 und vom 01.12.1995 hat der Beklagte Nr. 1 von diesen unter Hinweis auf § 2042 Abs. 1 BGB die Auseinandersetzung des Nachlasses verlangt, wobei er unter Hinweis auf „ein ganz erhebliches Haftungsrisiko“ Vorgaben zu deren Durchführung machte.
44 
bb) Dieses Auseinandersetzungsverlangen widersprach der in Nr. 2 des Testaments enthaltenen Anordnung der „Testamentsvollstreckung mit Verwaltungsbefugnis“ „für die höchstzulässige Dauer“, mithin - mangels einer Verlängerungsanordnung nach § 2210 Satz 2 BGB - für die Zeit von 30 Jahren ab Eintritt des Erbfalls (§ 2210 Satz 1 ZPO). Da die Verwaltungsanordnung nicht auf einen der Erben beschränkt war, sondern für beide Erben erfolgt ist, lag darin zugleich - wie es in solchen Fällen die Regel ist (Staudinger/Reimann, BGB, 13. Bearb. 1996, Rdn. 12 zu § 2209 m.w.N.) - die Verfügung nach § 2044 BGB, daß die Auseinandersetzung des Nachlasses für die Dauer der Wirksamkeit der Testamentsvollstreckung unterbleiben soll und nicht verlangt werden kann. Daß der Erblasser, der im Laufe seiner langjährigen Tätigkeit als badischer Amtsnotar - und damit auch als Nachlaßrichter - mit Beurkundung und Auslegung einer Vielzahl von Testamenten befaßt gewesen war, die Rechtslage kannte und daß ihm die Grundsätze der Testamentsauslegung geläufig waren, liegt daher auf der Hand. Hätte er eine abweichende Regelung, nämlich die Möglichkeit der Auseinandersetzung bereits während der Testamentsvollstreckung, gewollt, so hätte er dies im Testament zweifellos in keine Zweifel offen lassender Weise zum Ausdruck gebracht. Dies ist indessen nicht geschehen. Im Testament finden sich auch nicht ansatzweise Anzeichen, die auf einen derartigen vom Regelfall abweichenden Willen deuten könnten. Erst recht gilt dies für eine Auseinandersetzung noch zu Lebzeiten seiner - im März 1999 verstorbenen - Ehefrau, deren wirtschaftliche Absicherung bis zum Tode, wie die Anordnung gemäß Nr. 7 des Testaments zeigt, eines der zentralen Anliegen des Erblassers war. Die in der vom Beklagten Nr. 1 mit Schriftsatz vom 22.07.2004 vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Prof. Dr. Reimann vom 09.07.2004 geäußerte Rechtsansicht, wonach ein Verstoß gegen die Verwirkungsklausel nach Nr. 8 des Testaments nicht in einem Auseinandersetzungsverlangen liegt, „welche(s) auch bei einer Dauertestamentsvollstreckung nicht verboten ist“, ist (nur) dann richtig, wenn sie nicht apodiktisch gemeint ist, sondern eine entsprechende, auf diesbezüglichen Anhaltspunkten im Testament basierende Auslegung der letztwilligen Verfügung voraussetzt. Anderenfalls widerspräche der Gutachter Reimann dem Kommentator Reimann (vgl. Staudinger/Reimann, a.a.O.). Daß das hier in Rede stehende Testament solche Anhaltspunkte nicht enthält, wurde bereits oben zu a) ausgeführt.
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cc) Der Senat ist der Überzeugung, daß dem Beklagten Nr. 1 zum Zeitpunkt des am 28.11.1995 gegenüber den damaligen Testamentsvollstreckern in bestimmtem Ton geäußerten Auseinandersetzungsverlangens bekannt war, daß er damit gegen die Anordnung des Erblassers gemäß Nr. 2 des Testaments verstieß.
46 
Zwar hat er mit Schriftsatz vom 22.07.2004 vorgetragen, sein Auseinandersetzungsverlangen habe auf einer Erbenbesprechung vom 27.11.1995 beruht, bei der die Testamentsvollstrecker N. und S. die Auseinandersetzung des Nachlassvermögens und hälftige Verteilung der Erlöse an die Erben vorgeschlagen gehabt hätten; erst danach, als die Testamentsvollstrecker von ihrem Rechtsberater, Rechtsanwalt Dr. M., mit Schreiben vom 29.11.1995 darauf hingewiesen worden seien, daß die geplante Auseinandersetzung unzulässig sein könne, sei das Vorhaben der Auseinandersetzung von allen Beteiligten aufgegeben worden; das genannte Schreiben des Rechtsanwalts Dr. M. vom 29.11.1995 sei aber am 01.12.1995 noch nicht zugegangen gewesen. Indessen kommt es darauf nicht an. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, daß dem Beklagten Nr. 1 als - was dieser auch selbst nicht in Zweifel zieht - bereits damals erfahrenem, beim Oberlandesgericht zugelassenem Rechtsanwalt das Rechtsinstitut der Verwaltungsvollstreckung und deren Funktion bekannt war und er sich bei etwaigen Zweifelsfragen anhand Rechtsprechung und Fachliteratur über seine Erbenstellung zu informieren in der Lage war und auch informiert hat, so daß er auf diesbezügliche Belehrung durch den Anwalt der Testamentsvollstrecker nicht angewiesen war.
47 
dd) Der somit objektiv und subjektiv vorliegende Verstoß gegen die Anordnung nach Nr. 2 des Testaments stellt eine Widersetzung hiergegen dar, der das für eine Verwirkung gemäß Anordnung Nr. 8 erforderliche Gewicht (hierzu oben zu c) zukommt. Sie ist auf eine dem klar zum Ausdruck gekommenen Willen des Erblassers widersprechende vorzeitige Beendigung der Testamentsvollstreckung gerichtet und damit in ihrer Bedeutung einer Testamentsanfechtung vergleichbar. Daß die damaligen Testamentsvollstrecker - wie die Beklagten vortragen - am 27.11.1995 ihrerseits eine Auseinandersetzung vorgeschlagen hatten, ändert daran nichts. Denn die Verwirkungsklausel stellt nicht auf ein Widersetzen gegen den Willen der Testamentsvollstrecker, sondern auf ein solches gegen den des Erblassers ab.
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ee) Damit hat der Beklagte Nr. 1 sein Erbrecht verwirkt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ändert daran nichts der Umstand, daß er später von seinem Auflösungsverlangen Abstand genommen hat. Durch die Verwirkung ist die in der Verwirkungsklausel liegende auflösende Bedingung der Erbeinsetzung (§ 2075 BGB) eingetreten. Die Zuwendung ist damit entfallen (§ 158 Abs. 2 BGB, vgl. Palandt/Edenhofer, a.a.O., Rdn. 10 zu § 2075). Den Eintritt der Bedingung als aufgrund späteren Verhaltens desjenigen, der sie herbeigeführt hat, nicht eingetreten anzusehen, ist schon begrifflich ausgeschlossen.
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3. Aus den Ausführungen zu oben 2. ergibt sich zugleich, daß die Klage auch in Bezug auf die Beteiligte Nr. 2 begründet ist. Da der Kläger davon auszugehen hat, daß der Beklagte Nr. 1 seine Erbenstellung durch sein mit Schreiben vom 28.11.1995 gegenüber den Testamentsvollstreckern artikuliertes Auseinandersetzungsverlangen verwirkt hatte, hat er nach dem Grundsatz „nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet“ weiter davon auszugehen, daß der Beklagte Nr. 1 durch den Erbteilsübertragungsvertrag vom 04.04.1997 auch nicht die vermögensrechtliche Stellung als Miterbe an die Beklagte Nr. 2 übertragen konnte.
III.
50 
Nach alledem ist die Feststellungsklage begründet. Das landgerichtliche Urteil war daher entsprechend abzuändern.
51 
Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 91, 92, 100 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
52 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die vorliegende Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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