Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 7 U 73/06

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 14.03.2006 - 2 O 488/05 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Anschlussberufungen der Klägerinnen werden zurückgewiesen.

III. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin zu 1 90 % und die Klägerin zu 2 10 %. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten behalten die Klägerinnen auf sich.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin zu 2 buchte bei der Beklagten eine Pauschalreise in die Türkei für die Zeit vom 13.05. bis 24.05.2005. Reiseteilnehmer waren außer ihr selbst ihr Ehemann sowie die zum Reisezeitpunkt 7 Jahre und 4 Monate alte Tochter C., die Klägerin zu 1, sowie eine weitere zum damaligen Zeitpunkt 11 Jahre alte Tochter der Klägerin zu 2. Die Klägerin zu 1 bezog in dem zugeteilten Zimmer das obere Etagenbett, ihre 11 Jahre alte Schwester das untere. In der zweiten Nacht, der Nacht vom 14. auf den 15.05.2005, fiel die Klägerin zu 1 aus dem Bett, verletzte sich im Bereich des rechten Ohres und zog sich eine Gehirnerschütterung zu. Aus diesem Unfall leitet die Klägerin zu 1 Ansprüche auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht, die Klägerin zu 2 begehrt die teilweise Rückzahlung des Reisepreises.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und der dort getroffenen Feststellungen verwiesen wird, hat beiden Klagen zum Teil stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klagen weiter verfolgt. Mit den Anschlussberufungen verfolgen die Klägerinnen den ihnen durch das Landgericht aberkannten Teil ihrer Ansprüche weiter.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Anschlussberufungen der Klägerinnen haben keinen Erfolg.
1. Einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, auf den sich die Klägerin zu 1 alleine stützt (vgl. den Schriftsatz vom 15.05.2006, Seite 3, II 23) steht der Klägerin nicht zu. Die Beklagte hat die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt.
a) Nach erkannten Rechtsgrundsätzen hat jeder, der eine Gefahrenlage schafft, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Haftungs-begründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die nach der herrschenden Verkehrsauffassung ausreichend sind, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Damit ist Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass andere Rechtsgüter verletzt werden können (zusammenfassend BGH NJW 2006, 610, 611 = VersR 2006, 233 = MDR 2006, 569; NJW 2006, 2324 = VersR 2006, 1083 = MDR 2006, 1405).
b) Ausgehend hiervon hat die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Es ist nicht ersichtlich (und wird von der Klägerin zu 1 wohl auch nicht behauptet), dass das Etagenbett in dem der Familie der Klägerin zu 1 zugewiesenen Zimmer in jedem Fall und unabhängig von den konkreten Umständen ungeeignet war, um von Kindern benutzt zu werden. Denn es war jedenfalls mit einer gewissen Absturzsicherung versehen, die erwarten ließ, dass jedenfalls bei älteren Kindern und/oder bei Kindern mit ruhigem Schlaf eine Gefährdung durch Herausfallen nicht bestand. Im Übrigen konnte der Reiseveranstalter davon ausgehen, dass kleine Kinder oder Kinder, die unruhig schlafen, das Bett nicht benutzten, da die verbleibende Restgefahr angesichts der nicht über die ganze Länge des Bettes reichenden Absturzsicherung offenkundig war und deshalb nicht verborgen bleiben konnte. Deshalb durfte sowohl der Hotelier als auch der Reiseveranstalter darauf vertrauen, dass diese Umstände bei der Verteilung der Schlafplätze in dem Zimmer berücksichtigt und eine Gefährdung vermieden wird. Dass dies hier nicht geschehen ist und ausgerechnet der Klägerin zu 1 dieses Bett zum Schlafen zugewiesen wurde, ist nicht der Beklagten zuzurechnen und kann deren Verantwortlichkeit für den Unfall nicht begründen. Auch der Sturz der Klägerin zu 1 belegt eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten nicht hinreichend. Dies zeigt nur, dass eine Gefährdung nicht völlig ausgeschlossen war. Da sie aber unter normalen Umständen nicht zu befürchten war, muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall auch sein mag - den Schaden selbst tragen, wenn es ausnahmsweise doch einmal zu einem Unfall kommt (BGH NJW 2006, 610, 611 Rn. 11 = VersR 2006, 233). Dies gilt umso mehr, wenn die Klägerin zu 1 dazu neigte, nachts heftig zu träumen und sich im Schlaf zu bewegen (Klage Seite 4, I 7), was ihren Eltern bekannt sein musste und was diese dazu hätte bewegen müssen, ihr das ungefährlichere untere Bett zuzuweisen.
c) Auf vertragliche Ansprüche stützt sich die Klägerin zu 1 nicht, diese könnten zudem allenfalls aus § 651f BGB folgen und wären hier ausgeschlossen, da dafür Voraussetzung wäre, dass der Reisemangel, den die Klägerinnen in der unzureichenden Absturzsicherung des oberen Etagenbetts sehen, dem Reiseveranstalter angezeigt und Abhilfe (erfolglos) verlangt wurde (BGH NJW 1985, 132 = BGHZ 92, 177). Obwohl der nach der Darstellung der Klägerin gegebene Verstoß gegen Sicherheitsstandards augenfällig war (Klage Seite 4, I 7) ist dies nicht geschehen. Der Vorfall wurde der örtlichen Reiseleitung der Beklagten vielmehr erst nachträglich gemeldet (Klage Seite 3, I 5), so dass die Beklagte keine Möglichkeit hatte, für Abhilfe zu sorgen.
2. Ansprüche der Klägerin zu 1 auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises bestehen ebenfalls nicht. Solche aus § 651f Abs. 1 BGB scheiden aus den bereits dargelegten Gründen aus. Offen bleiben kann, ob die vom Landgericht angenommene Minderung nach § 651d Abs. 1 BGB in Betracht kommt, denn der behauptete Mangel wurde nicht angezeigt, obwohl er augenfällig war, sodass von Verschulden im Sinne von § 651d Abs. 2 BGB mit der Folge des Ausschlusses der Minderung auszugehen ist. Im Übrigen war die Reise nicht mangelhaft im Sinne von § 651c Abs. 1 BGB, denn das den Klägerinnen zur Verfügung gestellte Zimmer war nicht mit Fehlern behaftet, die den Wert oder die Tauglichkeit zu den gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Es war vielmehr bei sachgerechter Verteilung der Schlafplätze zur Aufnahme der Familie der Klägerinnen geeignet. Eine Zusicherung besonderer Eigenschaften ist weder ersichtlich noch behauptet.
III.
Da es somit an einer Verletzung der Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte fehlt und da vertragliche Ansprüche nach § 651f Abs. 1 BGB oder § 651d Abs. 1 BGB ausscheiden, bleiben sowohl die Anschlussberufung der Klägerin zu 1, mit der dieser eine Erhöhung ihres Schmerzensgeldes anstrebt, als auch die Anschlussberufung der Klägerin zu 2, mit der diese die Erhöhung des Minderungsbetrages begehrt, ohne Erfolg.
IV.
10 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
11 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
12 
Die Revision wird nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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