Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 7 U 92/11

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 21.04.2011 - 1 O 265/10 - wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

III. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt als Sozialversicherungsträger aus übergegangenem Recht Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Sturz ihres Versicherungsnehmers in einen im Bereich eines Regenrückhaltebeckens gelegenen Schachtes. Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Anspruch in vollem Umfang weiter verfolgt. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, wegen der Antragstellung auf die Sitzungsniederschrift vom 08.02.2012 (II 121).
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht aus übergegangenem Recht gem. 116 SGB X ihres Geschädigten Versicherungsnehmers nicht gem. § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht oder gem. § 823 Abs. 2 i. V. m. § 229 StGB bzw. den einschlägigen Unfallverhütungsregeln wegen Verletzung eines Schutzgesetzes der geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu. Die Beklagte haftet auch nicht gem. § 836 BGB. Dies hat das Landgericht geprüft und zutreffend verneint. Auch die Voraussetzungen für einen vom Landgericht nicht geprüften Anspruch der Beklagten gem. § 2 Abs. 1 S. 1 HpflG unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung liegen nicht vor.
1. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte hat das Landgericht zutreffend verneint. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es der Beklagten grundsätzlich oblag, im Hinblick auf die Möglichkeit, dass das Grundstück jederzeit von Personen ungehindert betreten werden konnte, für einen verkehrssicheren Zustand des Schachtes Sorge zu tragen. Sie hat der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht jedoch durch das Vorhandensein der Schachtabdeckung hinreichend genügt.
a) Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst jene Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier eine Gemeinde als Eigentümerin des Grundstückes - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier Personen, die das Grundstück betreten - vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen. Er hat ein „Unglück“ erlitten und kann dem Schädiger kein „Unrecht“ vorhalten (vergl. nur: BGH, VersR 2011, 546 f.; Tz. 8-10 m.w.N.; VersR 2010, 544 f., Tz. 5-7 m. w. N.). Sicherheitsvorkehrungen sind umso mehr erforderlich, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung ist (BGH NJW 2007, 762). Unter diesen Voraussetzungen umfasst die Pflicht eines Eigentümers, wie hier der Beklagten, die von seinem Grundstück oder einem darauf befindlichen Gebäude ausgehenden Gefahren abzuwenden, prinzipiell auch solche Gefährdungen, die sich erst aus dem vorsätzlichen Eingreifen eines Dritten ergeben (BGH, VersR 1990, 498 f., juris Tz. 11).
bb) Zu beachten ist, dass der Umfang der Verkehrssicherungspflicht nicht alleine durch gesetzliche Vorgaben bestimmt wird. Der zur Verkehrssicherung Verpflichtete hat vielmehr grundsätzlich selbständig zu prüfen, ob und welche Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen notwendig sind; er hat die erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen, auch wenn gesetzliche oder andere Anordnungen, Unfallverhütungsvorschriften oder technische Regeln wie DIN-Normen seine Sorgfaltspflichten durch Bestimmungen über Sicherheitsmaßnahmen konkretisieren. Solche Bestimmungen enthalten im Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber den Schutzgütern. Sie können aber regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden und sind deshalb für die Bestimmung des Umfangs der Verkehrssicherungspflichten durchaus von Bedeutung. Welche Maßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht erforderlich sind, hängt von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab (BGH, NJW 2008, 3778 f., Tz. 16 m.w.N.).
cc) Schächte, in deren Bereich ein Verkehr eröffnet ist, bedürfen grundsätzlich einer besonderen Absicherung, wenn sie von ihren Maßen geeignet sind, dass Personen ganz oder teilweise in sie stürzen und sich verletzen. Derartige Schachtöffnungen sind einzuzäunen oder anderweitig durch zumutbare Maßnahmen zuverlässig zur Vermeidung von Unfällen abzusichern (OLG Hamm, VersR 1997, 124; OLG Düsseldorf, VersR 1973, 374; Staudinger/Hager, BGB, 2009, § 823 Rn. E 208/229). Schachtabdeckungen, die nicht schon versehentlich, sondern nur bewusst aus ihrer Auflage gelöst werden können, müssen jedoch nur dann durch besondere Vorkehrungen gegen ein Abheben gesichert werden, wenn aufgrund besonderer Umstände ein solches Abheben durch Unbefugte naheliegt und deshalb für die Rechtsgüter anderer Personen eine konkrete erhebliche Gefahrenlage besteht und wenn dem Verkehrssicherungspflichtigen eine Beseitigung dieser Gefahrenlage durch zumutbare Maßnahmen möglich ist (BGH, a.a.O., juris Tz. 12, Senat, NJW-RR 2005, 1264 ff., juris Tz.9, vgl. BGH, VersR 1976, 149; jeweils zu Licht- bzw. Luftschachtabdeckungen).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Beklagte hier zu solchen zusätzlichen Maßnahmen zum Schutz gegen ein Abheben des Gitterrostes nicht verpflichtet, auch, wenn die Tiefe von ca. 3 m des Drosselschachtes für den Fall eines Sturzes ein erhebliches Verletzungsrisiko darstellte. Nach den konkreten Umständen im Streitfall konnte jedoch die Gefahr, dass Unbefugte den Gitterrost abheben und Dritte, sofern sich diese Gefahr doch einmal verwirklicht, in den Schacht stürzen, nicht als naheliegend angesehen werden.
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aa) Die Klägerin kann sich im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht nicht auf einen Verstoß der Beklagten gegen Unfallverhütungsvorschriften der zuständigen Berufsgenossenschaft berufen. Zwar konkretisieren diese nach dem o. G. die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (BGH, NJW 2008, 3778 f., Tz. 16; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2012, 94 ff., juris Tz. 22; OLG Stuttgart, NJW-RR 2010, 451 ff., juris Tz. 57; NJW-RR 2000, 752 ff., juris Tz. 48). Aber, anders als die Klägerin meint, hat die Beklagte nicht gegen die im angefochtenen Urteil näher dargelegten Unfallverhütungsvorschriften verstoßen. Nach § 2 Ziff. 1 VSG 2.8 (I 27) der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift müssen Gruben, Kanäle und Brunnen, die tiefer als ein Meter sind, durch Umwehrungen oder Abdeckungen gegen Hineinstürzen von Personen gesichert sein. Ob es sich bei dem Drosselschacht um ein derartiges Objekt handelt, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls verlangt die Vorschrift lediglich eine - hier unstreitig vorhandene - Abdeckung. Dass diese auch gegen unbefugtes Abheben gesichert sein muss, ergibt sich daraus nicht, auch nicht im Wege der Auslegung. Auch aus § 3 Ziff. 1 der VSG 2.8 (I 29) folgt nichts anderes, wie sich schon aus der Durchführungsanweisung dazu ergibt.
12 
bb) Eine Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ergibt sich, anders als die Berufung meint, auch nicht aus einem Verstoß der Beklagten gegen die in der bau- und wasserrechtlichen Genehmigung für die Errichtung des Rückhaltebeckens vom 27.07.1995 (I 31 ff., K1) enthaltenen Auflagen. Eine andere Beurteilung wäre insoweit zwar insbesondere gerechtfertigt, wenn der Beklagten in deren Rahmen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aufgegeben worden wäre, den Gitterrost über dem Drosselschacht abschließbar auszuführen. Denn dann läge kraft behördlichen Gebots ein Mindeststandard vor, der nicht unterschritten werden dürfte und bei dessen Verletzung die Beklagte grundsätzlich haften würde, wobei das Selbstverschulden des Klägers nur im Rahmen des § 254 BGB zu berücksichtigen wäre (BayObLG, NJW-RR 2002, 1249 ff., juris Tz. 22 m.w.N.; VersR 1979, 743 f., juris Tz. 28).
13 
Auch diese Voraussetzung liegt jedoch nicht vor. Der Senat verkennt nicht, dass hier nach Nr. II 1.5 (I 43) der Speziellen Nebenbestimmungen zur bau- und wasserrechtlichen Genehmigung für die Errichtung des Rückhaltebeckens vom 27.07.1995 (I 31 ff., K1) der Grundabschluss gegen unbefugtes Einsteigen in den Grundablass- bzw. Drosselschacht durch ein Gitter zu sichern und der Gitterrost über dem Drosselschacht abschließbar auszuführen ist. Ein Gitter war jedoch unstreitig über dem Drosselschacht vorhanden. Dieses war allerdings nicht abschließbar und verstieß damit, anders als das Landgericht im angefochtenen Urteil S. 9 ausführt, gegen diese Bestimmung. Die Verletzung dieses Gebots war rechtswidrig. Das Gebot ist jedoch nicht geeignet, die Verkehrssicherungspflicht gegenüber der Klägerin bzw. ihrem Versicherungsnehmer zu konkretisieren, denn die Nebenbestimmung entfaltet insoweit keine drittschützende Wirkung zu deren Gunsten. In welchem Umfang die Klägerin bzw. ihr Versicherungsnehmer konkret geschützt sind, ergibt erst der Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes. Er muss deshalb entsprechend § 133 BGB ausgelegt werden (BGH, NJW 1995, 132 ff., juris Tz. 26 m.w.N.). Der Regelungsinhalt der Genehmigung soll insoweit ausdrücklich ein unbefugtes Einsteigen verhindern und dient damit dem Schutz der Anlage. Dies umfasst, wie im Übrigen auch die Nr. II.1.4 und II.1.7 (I 41/43) der Speziellen Nebenbestimmungen, nach dem Schutzzweck nicht die Verhinderung von Stürzen Dritter, die durch ein unbefugtes Entfernen der Abdeckung verursacht werden. Diese sollen vielmehr durch die in Nr. I.3.7 (I 37) der Allgemeinen Bestandteile der Genehmigung sowie in Nr. IV 1 (I 53) der Auflagen des Gewerbeamtes angeführten o. G. Unfallverhütungsvorschrift VSG 2.8 vermieden werden, die sich in den o.G. Ziffern ausdrücklich auf den Schutz gegen Hineinstürzen von Personen bezieht, hier jedoch nach dem o. g. nicht verletzt ist. Die Durchführung der Kontrollen und die dabei gemachten Beobachtungen wurden entsprechend Nr. II.2.10 (I 45) der Speziellen Nebenbestimmungen schriftlich festgehalten (vgl. Inspektionsprotokolle vom 26.06.2007 und 04.10.2007, I 227/229, B 3 und 4). Auch der Umstand, dass unstreitig zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht ein Schild aufgestellt war, das Unbefugten den Zutritt zur Anlage untersagte, vermag eine Haftung der Beklagten entgegen der Auffassung der Berufung nicht zu begründen. Aus der Auflage in Nr. II.1.4 (I 41) ergibt sich schon nicht, dass die Untersagung vorbeugend durch ein derartiges Schild auszusprechen war. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass das Aufstellen eines solchen Schildes hier das Abheben der Abdeckung verhindert hätte. Dafür spricht auch nicht die Lebenserfahrung, zumal der oder die unbekannten Dritte(n) nach dem Betreten des Geländes mit dem Abheben des Gitterrostes ersichtlich verbotswidrig handelten. Auch hinsichtlich des Versicherungsnehmers der Klägerin spricht nicht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass er sich durch ein derartiges Schild von einem Betreten des Grundstücks hätte abhalten lassen. Die Auflage fordert ferner nicht, den Zutritt zum Grundstück der Beklagten zu untersagen, sondern zu den einzelnen Abwasseranlagen. Schon deshalb ist ein Verstoß gegen sie im Hinblick auf das Betreten des Grundstücks durch den Versicherungsnehmer der Klägerin nicht kausal geworden. Nr. I.4.1 (I 41) der Allgemeinen Bestandteile der Genehmigung, wonach Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen so herzustellen sind, dass Gefahren sowie erhebliche Nachteile oder Belästigungen nicht entstehen, enthält ersichtlich keine über die allgemeine Verkehrssicherungspflicht hinausgehenden Anforderungen.
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cc) Der Umstand, dass kein kausaler Verstoß gegen drittschützende Auflagen der Genehmigung vom 27.07.1995, Unfallverhütungsvorschriften und andere technische Standards vorliegt, rechtfertigt zwar nach dem o. G. nicht die Annahme, dass keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegt (vgl. auch: BGH, NJW 2001, 2019 f., Tz. 10; VersR 1990, 498 f., juris Tz. 15; VersR 1976, 149 f.). Auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalls hat das Landgericht jedoch zu Recht einen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht verneint.
15 
Zu berücksichtigen ist dabei das Gewicht des ca. 1 x 1 m großen Gitterrostes, das unstreitig 95 kg beträgt. Das Entfernen eines derart schweren Gitterrostes ist für einen einzelnen Erwachsenen von vornherein entgegen der Auffassung der Klägerin allenfalls nur mit einer deutlichen Kraftanstrengung möglich, mag die Hebelast auf einer Seite, wie die Berufung ausführt, auch nur bei 42,5 kg liegen. Der Senat verkennt auch nicht, dass sich aus der Sitzungsniederschrift vom 25.03.2011 ergibt (I 197), dass für einen einzelnen Erwachsenen eine Entfernung des Rostes ohne Hilfsmittel möglich ist. In den oben erwähnten vom BGH entschiedenen Fällen, in denen eine Pflicht angenommen wurde, zusätzliche Sicherungen anzubringen, lag das Gewicht der Abdeckung jedoch mit 5,18 kg bzw. 47 kg jeweils ganz erheblich niedriger. Angesichts des hohen Gewichts der Abdeckung kann eine Entfernung durch Unbefugte, etwa auch durch spielende Kinder, nicht als „naheliegend“ im Sinne der angeführten Rechtsprechung angesehen werden. Die abweichende Auffassung der Klägerin führte zu einer übermäßigen Ausweitung der Verkehrssicherungspflicht (vgl. Senat, a.a.O., juris Tz. 11, allerdings zu einem Gewicht von 151 kg, wobei der Senat davon ausging, dass eine derart schwere Abdeckung nur durch mindestens zwei Personen entfernt werden könne).
16 
Auch nach den sonstigen Umständen des Streitfalls musste die beklagte Stadt - unabhängig von dem hohen Gewicht der Abdeckung - ein Abheben derselben durch Unbefugte nicht als naheliegend ansehen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Beklagten die grundsätzliche Möglichkeit schon im Hinblick auf die Auflage in Nr. II.1.5 (I 43) der speziellen Nebenbestimmungen zur bau- und wasserrechtlichen Genehmigung, wonach der Gitterrost gegen Unbefugtes Einsteigen abschließbar auszuführen war, nicht verborgen geblieben sein konnte.
17 
Das Maß der Sicherungspflicht für Straßen und Wege sowie sonstige öffentlichen Verkehrsflächen bestimmt sich jedoch nach Art und Umfang der zu erwartenden Nutzung. Dem kommt hier entscheidende Bedeutung zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob entgegen den mehr als drei Jahre nach dem Vorfall getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht doch zum Unfallzeitpunkt ein sog. Trampelpfad auf dem Damm im Bereich des Schachtes entlangführte. Dafür spricht jedenfalls der Inhalt der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Mosbach, Az. 24 UJs 2338/07 (vgl. Vermerk des Sachbearbeiters PHM … vom 11.10.2007 sowie die von ihm gefertigten und beschrifteten Lichtbilder). Denn unabhängig davon, dass die Duldung der Benutzung alleine noch keine Widmung zum öffentlichen Verkehr darstellt, war die Beklagte zur Ergreifung der notwendigen Verkehrssicherungsmaßnahmen gegenüber dem von ihr auf dem Grundstück eröffneten Verkehr verpflichtet, auch wenn dieser kein allgemeiner war (OLG Jena, MDR 2006, 514 f., juris Tz. 8; OLG Bamberg, VersR 1969, 85; vergl. auch: OLG Brandenburg, NZV 1997, 77). Aber, selbst das Vorhandensein eines sog. Trampelpfades unterstellt, handelt es sich auch dann um einen Bereich, der ersichtlich nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Wie sich aus den in Kopie in der Ermittlungsalte befindlichen Lichtbildern und den von der Beklagten vorgelegten Lageplänen (Beiakten LG Mosbach, Az. 1 O 89/08, AH II, 1-5) und Lichtbildern (dort AH II, 7/9), den vom Kläger in Kopie vorgelegten Lichtbildern (dort AH I, 1-15) sowie den übrigen, insoweit auch den Senat überzeugenden Feststellungen des Landgerichts zur Unfallörtlichkeit erschließt, liegt der Drosselschacht in einem von allen Seiten stark mit Gräsern und Büschen bewachsenen Bereich. Der Schacht liegt nicht unmittelbar an einer Straße oder einem für den Publikumsverkehr gewidmeten Weg. Die nächsten bebauten Grundstücke liegen in deutlicher Entfernung. Lediglich die Schrebergärten liegen in vergleichsweise geringer Entfernung. Unter diesen Umständen war weder ein Abheben des Gitterrostens durch Unbefugte noch - anders, als in dem vom BGH, VersR 1990, 498 f. entschiedenen Fall (vgl. dort, juris Tz. 14) - eine Gefährdung Dritter durch eine derartige Tat naheliegend. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Abgelegenheit des Schachtes und die fehlende Einsehbarkeit des Bereichs auch bewirkt, dass Personen, die die Abdeckung abheben, nur in geringem Umfang damit rechnen müssen, beobachtet und an ihrem Tun gehindert zu werden (vgl. dazu: BGH, VersR 1990, 498, 499, juris Tz. 14). Anderseits machte es hier die vergleichsweise ausgeprägte Abgelegenheit der Örtlichkeit auch wenig wahrscheinlich, dass der Schacht überhaupt von Personen wahrgenommen wurde, die auf ein solches Tun verfallen mochten. Dass die Besitzer der Schrebergärten bereits zur Zeit des Vorfalls das Grundstück der Beklagten als Zuweg benutzten, war der Beklagten nach dem angefochtenen Urteil unstreitig nicht bekannt.
18 
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte vor dem streitigen Unfall bereits Kenntnis von vorangegangenen vergleichbaren Vorfällen hatte, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Vielmehr führt das Landgericht auch den Senat überzeugend aus, die Zeugen …, … und … hätten dies glaubhaft verneint.
19 
dd) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus einer Verletzung von der Beklagten im Rahmen der Verkehrssicherung obliegenden Kontroll- und Überwachungspflichten. Entgegen der Auffassung der Berufung in der Berufungsbegründung, S. 6 (II 27) ist die Beklagte insoweit ihrer Darlegungspflicht nachgekommen. Die Beklagte behauptet (I 223) unter Vorlage eines Inspektionsprotokolls vom 26.06.2007 (I 227, B3) und Benennung des zuständigen Mitarbeiters, das Regenrückhaltebecken sei an diesem Tag und die Unfallörtlichkeit vor dem Unfall zuletzt am 17.09.2007 inspiziert worden, ohne dass sich Auffälligkeiten ergeben hätten. Damit hätte sie jedenfalls einer etwaigen Kontroll- und Überwachungspflicht genügt. Dass der Vortrag unzutreffend wäre, ist nicht bewiesen. Dass der verkehrsunsichere Zustand schon innerhalb der Zeit vorlag, in der er bei ordnungsgemäßem Verhalten des Verkehrssicherungspflichtigen hätte entdeckt und behoben werden können, steht danach nicht fest. Es ist durchaus möglich, dass die Abdeckung erst kurz vor dem Sturz des Versicherungsnehmers der Klägerin entfernt wurde. Ein Anscheinsbeweis kommt der Klägerin nicht zugute. Nach diesem Grundsatz kann zwar die Kausalität einer objektiven Pflichtverletzung und einem eingetretenen Schaden bejaht werden, wenn jemand in unmittelbarer Nähe einer Gefahrenstelle zu Fall gekommen ist. Dieser Grundsatz kann aber erst dann herangezogen werden, wenn eine objektive Pflichtverletzung - u.U. wiederum nach Anscheinsgrundsätzen - festgestellt worden ist. Dies ist hier indessen nicht möglich (OLGR Celle 1995, 259 f., juris Tz. 6 f., vergl. OLGR München 1994. 86 f., juris Tz. 22).
20 
2. Der Anspruch steht der Klägerin auch nicht aus übergegangenem Recht gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 116 SGB X wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes zu.
21 
a) § 229 StGB, der die fahrlässige Körperverletzung regelt, wurde nach dem oben Gesagten nicht durch einen Verstoß der Bediensteten der Beklagten gegen die Verkehrssicherungspflicht verletzt.
22 
b) Ein Verstoß gegen die Vorschriften der Landesbauordnung (LBO) Baden-Württemberg ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Zwar sind nach den Landesbauordnungen mehrerer Bundesländer wie etwa nach § 39 Abs. 2 LBO Schleswig-Holstein und nach § 38 Abs. 2 LBO Rheinland-Pfalz Kellerlicht- und Betriebsschächte an Verkehrsflächen zu umwehren oder abzudecken, in Verkehrsflächen liegende abzudecken. Abdeckungen an und in öffentlichen Verkehrsflächen müssen gegen unbefugtes Abheben gesichert sein. Eine vergleichbare Regelung findet sich in der LBO Baden-Württemberg jedoch nicht. Im Übrigen lag die Abdeckung gerade unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zur Örtlichkeit nicht an oder in einer Verkehrsfläche.
23 
c) Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Haftung gem. § 823 Abs. 2 BGB wegen Verstoßes gegen Unfallverhütungsvorschriften bereits aus Rechtsgründen ausscheidet, weil es sich bei diesen nach herrschender Rechtsprechung grundsätzlich nicht um Schutzgesetze im Sinne dieser Norm handelt (BGH VersR 1957, 584; 1969, 827, 828; Senat, VersR 2003, 1584 ff., juris Tz. 43 m.w.N.; BayObLG, NJW-RR 2002, 1249 ff., juris Tz. 33; OLG Stuttgart, NJW-RR 2000, 752 ff., juris Tz. 46; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 56a; offen gelassen in: BGH, NJW 1984, 360, 362, juris Tz. 14). Denn ein Verstoß gegen die Unfallverhütungsvorschriften liegt nach dem o. G. nicht vor. Im Übrigen würde selbst dann, wenn man sie als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ansähe, sich ihr Schutzbereich nur auf den Kreis der versicherten Personen, nicht aber auf außenstehende Dritte wie die Klägerin beziehen (BGH, NJW 1984, 360, 362, juris Tz. 14; BayObLG, a.a.O., juris Tz. 34).
24 
d) Anders, als die Klägerin meint, kann sie sich auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung eines Schutzgesetzes nicht darauf berufen, dass die Beklagte gegen sie oder ihren Versicherungsnehmer schützende Bestandteile der bau- und wasserrechtlichen Genehmigung für die Errichtung des Rückhaltebeckens bzw. Auflagen des Gewerbeaufsichtsamtes verstoßen hat. Zwar können auch behördliche Einzelfallregelungen i.V.m. der ihnen zu Grunde liegenden Ermächtigungsnorm Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB darstellen, wie etwa Auflagen in einer Baugenehmigung (BGH, NJW 1997, 55, Tz. 9; NJW 1995, 132 ff, juris Tz. 24; NJW 1993, 1580 ff., juris Tz. 11; BayObLG, NJW-RR 2002, 1249 ff., juris Tz. 34; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Abs. 1 Rn. 56a; ). Der Anspruch setzt voraus, dass der Verwaltungsakt aufgrund einer (auch) drittschützenden Norm des öffentlichen Rechts konkrete, dem Schutz des Dritten dienende Verhaltensanordnungen trifft und der Dritte zum geschützten Personenkreis zählt. Als Schutzgesetz betrachtet wird dabei nicht der Verwaltungsakt als solcher, sondern die jeweilige Eingriffsnorm, auf der er beruht (BGH, NJW 1995, 132 ff, juris Tz. 24). Eine entsprechende Verhaltensanordnung auf Grund einer bestandskräftigen Auflage können die Zivilgerichte dann - abgesehen vom Fall der Nichtigkeit des Verwaltungsakts - nicht in Frage stellen (BGH, NJW 1993, 1580 ff., juris Tz. 17).
25 
aa) Gegen die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften der zuständigen Berufsgenossenschaft, die als Auflage Inhalt der Genehmigung geworden sind, hat die Beklagten jedoch nach dem o. G. nicht verstoßen. Im Übrigen bliebe bei der Einbeziehung der Unfallverhütungsvorschriften auf diesem Wege der durch sie definierte Schutzbereich der Eingriffsnorm unverändert, so dass nur versicherte Personen, nicht aber außenstehende Dritte erfasst wären (BayObLG, a.a.O.).
26 
bb) Auch gegen Nebenbestimmungen der Genehmigung hat die Beklagte nach dem o. G. allenfalls insoweit kausal verstoßen, als diese keine drittschützende Wirkung zu Gunsten des Klägers haben.
27 
3. Die Beklagte haftet auch nicht gem. der vom Landgericht nicht geprüften Haftungsnorm des § 2 Abs. 1 S. 2 HpflG.
28 
a) Die hier allein in Betracht kommende sog. Zustandshaftung der Beklagten setzt insoweit voraus, dass der Schaden, ohne auf den Wirkungen der Flüssigkeiten zu beruhen, auf das Vorhandensein einer Anlage im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 HPflG zurückzuführen ist. Daran fehlt es hier.
29 
aa) Die gemeindliche Abwasserkanalisation gehört allerdings zu den in § 2 Abs. 1 S. 1 HPflG genannten Rohrleitungsanlagen (BGH, NVwZ 2008, 1157, 1158, Tz. 7; NVwZ 2004, 1018f., juris Tz. 8 m.w.N.; NJW 1989, 104; OLG Karlsruhe, MDR 2010, 747 f., juris Tz. 41; OLG Celle, VersR 1991, 1382). Dazu zählen auch Bestandteile dieser Anlagen (vgl. Staudinger/Kohler, BGB, 2010, § 2 HPflG, Rn. 10; Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Aufl., § 2 HPflG, Rn 66) wie z. B. ein Hydrant (OLG Düsseldorf, VersR 1999, 967), der Revisionsschacht einer Kanalisation und der ihn abschließende Kanaldeckel (BGH, NJW-RR 1995, 1302; OLG Jena, DAR 2008, 705; OLG Karlsruhe, a.a.O.) oder der Blindschacht einer Kanalisation (OLG Düsseldorf, VersR 2002, 1557). Dagegen zählt ein offenes Rückhaltebecken nicht zu den Anlagen in diesem Sinne (BGH, NVwZ 2004, 1018, 1019; Geigel, a.a.O.). Ist eine Anlage teils verrohrt, teils offen, so ist - ungeachtet dessen, dass es in beiden Fallgestaltungen um vergleichbare Gefahrenpotentiale aus dem konzentrierten Transport von Flüssigkeiten geht - nach der bindenden gesetzgeberischen Wertung für die Wirkungshaftung nach § 2 Abs. 1 S. 1 HPflG grundsätzlich maßgebend, an welcher Stelle die schadensstiftenden Flüssigkeiten ausgetreten sind (BGH, a.a.O.).
30 
bb) Die Klägerin hat jedoch auch auf den Hinweis des Senats vom 25.10.2011 (II 85) nicht näher dargelegt, dass es sich bei dem Drosselschacht um einen Bereich der Anlage handelt, der nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem - auch hier - offenen Rückhaltebecken steht und diesem zuzuordnen ist, sondern einem verrohrten Anlagebereich. Dies erschließt sich auch nicht hinreichend aus dem Akteninhalt bzw. den Beiakten. Daraus ergibt sich lediglich, dass man durch den Einstiegsschacht an den Wasserschieber gelangt. Die Klägerin hat in der Klageschrift vom 13.12.2010, S. 7 (I 13) vielmehr selbst ausgeführt, der Drosselschacht sei ein Bestandteil des Regenrückhaltebeckens.
31 
b) Im Übrigen würde eine etwaige Gefährdungshaftung der Beklagten hinter dem weit überwiegenden Verschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin gegen sich selbst selbst, das sich diese zurechnen lassen muss, vollständig zurücktreten, §§ 4 HPflG, 254 Abs. 1 BGB.
32 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass auf Seiten der Beklagten nach dem o. G. kein Verschulden zu berücksichtigen ist. Der Versicherungsnehmer der Klägerin dagegen benutzte eine ersichtlich von der Beklagten nicht zum Publikumsverkehr freigegebene Abkürzung. Ihm war nach seinen eigenen Angaben bei seiner Geschädigten-Vernehmung durch die Polizei (Beiakten), aufgrund eines 3-4 Monate zurückliegenden Vorfalls bekannt, dass das Metallgitter herausgehoben werden konnte. Auch am Unfalltag fiel ihm auf, dass der Rost, wie er angab, komisch aussah, als ob er schräg stehen würde. Ebenfalls bemerkt hatte er die neben dem Schacht nebeneinander aufgereiht auf dem Boden liegenden Äste. Dem Versicherungsnehmer war nach seinen Angaben ferner bekannt, dass sich dort öfters seiner Einschätzung nach offensichtlich suspekte Leute aufhielten. Unter diesen Umständen war er gewarnt. Es war naheliegend, dass der Rost nicht auf dem Schacht lag. Er musste deshalb der Schachtöffnung außerordentliche Aufmerksamkeit widmen und genau darauf achten, wo sich diese befand. Dabei musste er die naheliegende Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Öffnung sich unter den aufgereihten Ästen verbarg. Dieser besonderen Sorgfalt ist er in grob fahrlässiger Weise nicht nachgekommen, als er dennoch ohne Weiteres auf die aufgereihten Äste trat und in den Schacht stürzte.
33 
4. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht eine Haftung der Beklagten gem. § 836 BGB verneint. Bewusste menschliche Einwirkungen, wie Abbau- oder Abrissarbeiten, Vandalismus Dritter, etwa das Herausheben von Gullydeckeln, fallen aus dem Abwendungsbereich von § 836 BGB heraus (OLG Celle, VersR 1991, 1382, 1383, MünchKomm/Wagner, BGB, § 836 Rn. 12). Dies gilt auch hier.
III.
34 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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