I. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 15. Februar 2018, Az. 3 O 11/17, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
II. Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung wegen Unterlassung Sicherheit in gleicher Höhe und vor der Vollstreckung wegen der Kosten des Rechtsstreits Sicherheit iHv. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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| Die Parteien streiten – im Nachgang zu einem einstweiligen Verfügungsverfahren (Az. 3 O 5/17) – über wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung wegen des Vertriebs von Fertigarzneimitteln unter Verwendung eines Arzneimittel-Abgabeautomaten. |
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| Der Kläger ist Apotheker. Er betreibt – ca. 15 km von [Ort im OLG-Bezirk Karlsruhe A.] entfernt – eine Apotheke in [...]. |
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| Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft nach [Mitgliedsstaat der Europäischen Union X.]en Recht und hat ihren Sitz in [B.] ([X.]). Sie betreibt eine Versandapotheke. Im Rahmen ihrer Vertriebstätigkeit nutzte sie in den Erdgeschossräumen des Gebäudes in der [...]Straße [Hausnummer] in [Postleitzahl] [A.] im Zeitraum vom 19.04.2017 bis 14.06.2017 zur Ausgabe von apothekenpflichtigen Fertigarzneimitteln einen Arzneimittel-Abgabeautomaten, wobei dort bis zum 21.04.2017 auch verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx-Produkte) erworben werden konnten. Mieter der bezeichneten Räume war die – ebenfalls in [B.] ([X.]) ansässige – Gesellschaft [Y.] Die Beklagte besitzt für diese Räumlichkeiten in [A.] keine Apothekenbetriebserlaubnis nach §§ 1, 2 ApoG. |
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| Kunden, die Arzneimittel erwerben wollten, wurden zunächst im Hauptraum durch eine natürliche Person, den die Beklagte als „Welcome Manager“ bezeichnet, empfangen. Dieser erläuterte den technischen Prozess und war gegebenenfalls behilflich beim Ausfüllen einer Erklärung des Kunden, mit der dessen Kundenkonto beantragt wurde und mit der dieser zustimmte, dass seine Daten erhoben und gespeichert werden. Die audiovisuelle Beratung des Kunden durch einen Videoberater und eine etwaige Bestellung des Kunden erfolgte anschließend mittels eines Videoterminals über das Internet, wobei der „Welcome Manager“ nicht anwesend war. Dieser Terminal war in einem durch eine Tür vom Hauptraum abgetrennten Beratungszimmer untergebracht. Der Kunde konnte dem Videoberater – nach dem Vorbringen der Beklagten ein sich in den Räumen der Beklagten in [B.] aufhaltender Apotheker oder pharmazeutisch-technischer Angestellter – mitteilen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel (OTC-Produkte) er benötigte oder dass er pharmazeutische Beratung wünschte. Nach einer etwaigen Beratung gab der Videoberater den benötigten Artikel in sein System ein und prüfte die Verfügbarkeit in dem Arzneimittellager in [A.]. Dieses Arzneimittellager umfasste 8.000 Lagerplätze und ein Kühlmodul mit einem Fassungsvermögen von bis zu 500 Packungen. Eine stichprobenweise Überprüfung der eingelagerten Arzneimittel iSd. § 12 ApBetrO fand vor Ort in [A.] nicht statt. Im Falle der Verfügbarkeit des Artikels wurde nach Freigabe im Wege eines automatisierten Vorgangs ein Artikel aus dem Arzneimittellager entnommen und auf ein Laufband verbracht, welches den Artikel zu dem angeschlossenen Abgabeautomaten beförderte. Inwieweit im Anschluss weitere Prüf- und Freigabevorgänge erfolgten, steht zwischen den Parteien im Streit. Anschließend und nachdem der Kunde das Arzneimittel an einem Bezahlterminal per EC-Karte oder in bar bezahlt hatte, erfolgte die Abgabe des Arzneimittels an den Kunden über einen Ausgabeschacht des Abgabeautomaten. Soweit ein Kunde (bis zum 21.04.2017) hätte verschreibungspflichtige Arzneimittel erwerben wollen, wäre im Beratungsraum die ärztliche Verordnung einscannt worden. Das eingescannte Originalrezept wäre in einen Tresor gefallen und täglich zum Sitz der Beklagten befördert worden. Bei gesetzlich krankenversicherten Kunden hätte dann der Abrechnungsweg begonnen; Privatpatienten hätten einen abgezeichneten Scan des Rezepts zurückgesandt erhalten und wären so in die Lage versetzt worden, Ansprüche gegenüber der Versicherung geltend zu machen. |
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| Bereits am 21.04.2017 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe der Beklagten, Arzneimittel, die nicht für den Verkehr außerhalb von Apotheken freigegeben sind, mittels des Arzneimittel-Abgabeautomaten in [A.] in den Verkehr zu bringen, und ordnete in Bezug auf die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung an. Hiergegen hat die Beklagte Anfechtungsklage im Verwaltungsrechtsweg erhoben. |
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| Der Kläger und die in den Verfahren 6 U 35/18 und 6 U 37/18 klagenden, Apotheken in einer Entfernung von ca. 7 bzw. 16 km zu [A.] betreibenden Apothekerinnen ließen die Beklagte vorgerichtlich einheitlich und gemeinsam durch ihren sie jeweils vertretenden Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 02.05.2017 abmahnen. Diese klagenden Parteien haben zeitgleich Unterlassungsklagen mit denselben Anträgen und mit der identischen Begründung – mit Ausnahme des konkreten Vorbringens zur jeweiligen Mitbewerberstellung – durch denselben Prozessvertreter erhoben. Die jeweiligen Prozesse werden einheitlich von der Apothekergenossenschaft [Z.], einem Arzneimittelgroßhandel, finanziert. |
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| Der Kläger hat die Auffassung vertreten, eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Unterlassungsansprüche liege nicht vor. Es könne nicht beanstandet werden, dass drei getrennte Klagen erhoben worden seien. Die Tatsache, dass ein Unternehmen aus dem Bereich des Arzneimittelgroßhandels den Kläger finanziell und logistisch unterstütze, begründe keinen Rechtsmissbrauch. |
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| Die Beklagte habe in mehrfacher Hinsicht wettbewerbswidrig gehandelt. Die Abgabe von Medikamenten in den Räumlichkeiten in [A.] verstoße insbesondere gegen § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG (Antrag Ziff. 1). Arzneimittel würden dort in den Verkehr gebracht, ohne dass diese Räumlichkeiten von einer Apothekenbetriebserlaubnis umfasst seien. Die Abgabe unter Verwendung des Abgabeautomaten stelle keinen Versandhandel dar. Auf eine [x.]e Versandhandelserlaubnis könne sich die Beklagte daher nicht berufen. Zudem werde mit dem Vertrieb über den Arzneimittel-Abgabeautomaten gegen § 17 Abs. 5 ApBetrO verstoßen (Antrag Ziff. 2). Bei dem Videoterminal in [A.] sei es nicht möglich, Änderungen vor der Herausgabe der verordneten Arzneimittel auf der Verschreibung zu vermerken. |
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| Der Kläger hat beantragt: |
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| Der Beklagten wird es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten, |
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| 1. apothekenpflichtige und/oder verschreibungspflichtige Arzneimittel in Räumlichkeiten, die nicht in eine rechtsgültige Apothekenbetriebserlaubnis einbezogen sind, an Endverbraucher abzugeben, |
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| 2. ärztlich verordnete apothekenpflichtige und/oder verschreibungspflichtige Arzneimittel an Patienten abzugeben, soweit kein Apotheker bzw. keine Apothekerin anwesend ist, [welcher bzw. welche] die Änderungen bzgl. der ärztlichen Verordnung vor der Herausgabe der verordneten Arzneimittel vermerken kann. |
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| Die Beklagte hat beantragt, |
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| Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es fehle die Klagebefugnis. Der Rechtsstreit sei Teil einer rechtsmissbräuchlichen Mehrfachverfolgung. Insoweit hat die Beklagte behauptet, der Apothekengroßhändler [Z.] instrumentalisiere die Kläger und führe und lenke die Prozesse im Hintergrund. Es wäre möglich gewesen, die geltend gemachten Unterlassungsansprüche im Rahmen eines einheitlichen Verfahrens im Wege der subjektiven Klagehäufung zu verfolgen. |
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| Die Beklagte hat behauptet, sie betreibe eine Präsenzapotheke in den [X.], zu der die Öffentlichkeit ungehinderten Zugang habe. Das [x.]e Unternehmen [Y.] habe der Beklagten die gesamte zur Auslieferung von Medikamenten in [A.] notwendige technologische Infrastruktur, wie Soft- und Hardware (Ausgabeautomat, Video, Bestell- und Bezahlterminal) zur Verfügung gestellt. Dieses Unternehmen habe die Lagerung der Arzneimittel beim Regierungspräsidium Karlsruhe angezeigt. Die Medikamente, die in dem Arzneimittellager vorrätig gehalten worden seien, seien von einem Arzneimittelgroßhändler an den Sitz der Beklagten und von dort, nach Durchführung einer stichprobenartigen und den Vorgaben des § 12 ApBetrO gleichwertigen (Sinnes-)Prüfung, nach [A.] geliefert worden. Nach Entnahme eines Artikels aus dem Arzneimittellager in [A.] und dessen Verbringung auf ein Laufband sei vor der Abgabe per Scanner zunächst die Übereinstimmung der Pharmazentralnummer (PZN) auf dem durch den Videoberater freigegebenen Auftrag mit der PZN auf der Packung des entnommenen Artikels geprüft worden. Noch während sich der Artikel auf dem Förderband befunden habe, sei eine weitere – zweite – Kontrolle in Form einer Sichtkontrolle über ein Video-Livebild durch den Videoberater erfolgt. Dieser habe kontrolliert, ob die auf dem Band liegende Packung der Packung des Auftrages entsprach (richtiges Medikament in der richtigen Stärke und Packungsgröße). Dann habe der Videoberater die Bestellung endgültig freigegeben und den Bezahlvorgang eingeleitet. Nach Zahlung sei der Artikel zum Label-Drucker befördert worden. Hier sei die Packung mit einem Etikett versehen worden, das neben dem Namen des Kunden auch die Dosieranweisung getragen habe. Im Falle verschreibungspflichtiger Arzneimittel hätte der Videoberater die Verordnung anhand der in Deutschland und zusätzlich gemäß der in den [X.] geltenden Beratungsstandards überprüft. Insbesondere hätte der Videoberater die Verordnung auf Plausibilität und Gültigkeit hin überprüft und weitere Medikationen abgefragt, um eine Wechselwirkungsprüfung vornehmen zu können. |
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| Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Arzneimittelvertrieb über den Abgabeautomaten in [A.] sei zulässig. Denn es handele sich um einen Versandhandel gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG. Der weite Wortsinn von „Versand“ / „Versandhandel“ erfasse auch die vorliegende Arzneimittelabgabe über einen Automaten nach vorangegangener Videoberatung. Versandhandel sei lediglich negativ vom stationären Einzelhandel abzugrenzen. Sobald ein Bestellvorgang insbesondere über das Internet erfolge, liege kein Einzelhandel mehr vor, sondern eine Form des Versandhandels. Der im Streitfall zu beurteilende Vorgang habe seinen Schwerpunkt in der elektronischen Bestellung über das Internet, die im Anschluss nach mehreren Sicherheitskontrollen zu einer Art der direkten Zusendung an den Kunden freigegeben werde. Die Veranlassung der Übergabe an den Kunden erfolge durch den Apotheker in den [x.]en Apothekenräumen, der den gesamten pharmazeutischen – und damit relevanten – Prozess steuere. Dass sich währenddessen das Arzneimittel nicht in den Apothekenräumlichkeiten befinde, sondern in dem Arzneimittellager in [A.], stelle den Charakter als Versandhandel nicht in Frage. Das in § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG geregelte Verbot der Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken gelte nur für solche Formen des Versandhandels, für die eine deutsche Erlaubnis nach § 11a ApoG erforderlich sei. Dies sei beim Versandhandel durch die Beklagte nicht der Fall. Mit dem klassischen Einzelhandel in einer Präsenzapotheke habe die Arzneimittelabgabe in [A.] nichts mehr zu tun. Ob der Versand und die Zustellung durch einen Postdienstleister oder durch einen technischen Vorgang ausgelöst und durchgeführt werde, könne dabei keine Rolle spielen. Der nachfolgende Versand des Produkts werde hier lediglich – räumlich wie zeitlich – so weit wie möglich abgekürzt. Eine enge Auslegung des Versandbegriffs würde die Versandapotheke in der Warenverkehrsfreiheit unangemessen beschränken und sei nicht unionsrechtskonform. |
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| Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 5 Satz 3 ApBetrO liege nicht vor. Die Vorschrift finde schon keine Anwendung auf ausländische Versandapotheken und sehe auch nicht vor, dass der Apotheker bei Unklarheiten die Verschreibung vor der Abgabe des Arzneimittels schriftlich zu ändern und diese zu unterschreiben habe. |
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| Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der Feststellungen und aller weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben. |
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| Ein Rechtsmissbrauch iSd. § 8 Abs. 4 UWG sei nicht festzustellen. Ausreichende Hinweise dafür, dass die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche im Wesentlichen dazu diene, dem Prozessbevollmächtigten eine Einnahmequelle zu verschaffen, lägen nicht vor. Es fehle im Streitfall an einer konzernmäßigen Verbundenheit und damit an einer zuverlässigen Abstimmungsmöglichkeit zwischen den verschiedenen Klägern. Auch stelle das Vorgehen der getrennten Klageerhebung den prozessual sichersten Weg dar, um das Rechtsschutzbegehren umfassend durchzusetzen. Die Kläger befänden sich nicht in derselben Situation, weil die jeweiligen Apotheken unterschiedlich weit von der Medikamentenausgabestelle in [A.] entfernt seien, was für die Frage eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses relevant sein könnte. Auch die etwaige Prozessfinanzierung durch [Y.] lasse keinen Schluss auf einen Rechtsmissbrauch zu. Erforderlich wäre ein kollusives Zusammenwirken, welches weder vorgetragen noch ersichtlich sei. |
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| Bei den Bestimmungen handele es sich um produktbezogene Vertriebsverbote und Beschränkungen und damit um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG. Die von der Beklagten in [A.] praktizierte Abgabe von apothekenpflichtigen Arzneimitteln und die dort von der Beklagten beabsichtigte Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sei mangels Apothekenbetriebserlaubnis für die Räume in [A.] als unerlaubtes Inverkehrbringen von Arzneimitteln im Sinne von § 43 AMG zu qualifizieren. Die Beklagte könne sich insoweit nicht darauf berufen, dass die beanstandete Arzneimittelabgabe als Versandhandel nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG zulässig sei. Unter den weit auszulegenden Begriff des Versandhandels falle nicht die Abholung von Arzneimitteln von einem Ort, wo diese gelagert sind und von dem aus der Kunden sie wenige Augenblicke zuvor angefordert hat. Die Arzneimittelabgabestelle in [A.] unterscheide sich schon deshalb von einer reinen Abholstation, weil der Kunde, bevor er sich zur Abholstation begebe, wisse, dass er dort nur solche Produkte abholen könne, die er zuvor beim Versandhändler gekauft und die dieser aufgrund des abgeschlossenen Kaufvertrags an die Abholstation gesandt habe, zwecks Zustellung an den Kunden. Demgegenüber wisse der Kunde, der sich zur Medikamentenabgabestelle in [A.] begebe, dass er dort Arzneimittel erwerben könne, über die zuvor kein Kaufvertrag zustande gekommen sei und die nicht konkret für ihn nach [A.] verbracht worden seien. Ein im konkreten Fall nicht vorliegendes wesentliches Merkmal des Versandhandels sei, dass der Kunde bestimme, wohin die Ware geliefert werden solle. Ein weiteres Merkmal des Versandhandels sei, dass sich der Kunde bewusst sei, einige Zeit auf den Erhalt der bestellten Ware warten zu müssen, während der Kunde, der die Medikamentenausgabestelle in [A.] aufsuche, beabsichtige, das Medikament, wie bei einer zugelassenen Präsenzapotheke, unmittelbar nach dem Bestellvorgang direkt zu erhalten, weil er davon ausgehe, dass es dort bereitgehalten werde. Allein der Umstand, dass die Bestellung eines Produktes über ein Videoterminal erfolge, lasse nicht den zwingenden Schluss zu, dass es sich hierbei um ein Inverkehrbringen durch Versandhandel handele. Eine weite Auslegung des Versandhandelsbegriffs bedeute schließlich nicht, dass das Gesetz jede beliebige Form des Arzneimittelvertriebs zulasse. Der Versand habe vielmehr aus einer öffentlichen Apotheke nach den dafür geltenden Vorschriften zu erfolgen. Ein grenzüberschreitender Sachverhalt liege nicht vor. |
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| Dem Schutz gesundheitlicher Interessen der Marktteilnehmer unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit diene auch die Vorschrift nach § 17 Abs. 5 Satz 3 ApBetrO, der nicht entsprochen werde. Eine erst nachträglich – frühestens am Folgetag der Abgabe – auf der Verschreibung vermerkte Änderung und Unterschrift dokumentiere im Streitfall nicht den Verantwortlichen für die Rezeptänderung, sondern allein den Verantwortlichen für die Übertragung der gespeicherten Daten auf das Rezept. |
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| Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. |
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| Sie macht – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – geltend, das Landgericht habe bei der Beurteilung des Rechtsmissbrauchs die tatsächlichen Umstände nicht vollständig in seine Prüfung einbezogen und im Übrigen die für die Beurteilung relevanten rechtlichen Kriterien nur unvollständig herangezogen. Es gehe den klagenden Apothekern und ihrem Prozessfinanzierer auch darum, die Beklagte mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Prozessaufwand zu überziehen. Es gebe zwischen diesen Personen sehr zuverlässige Abstimmungsmöglichkeiten, wie nicht zuletzt die vorgerichtliche Abmahnung zeige. Es sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb die identischen Klagebegehren nicht im Wege einer weniger belastenden Verfahrenskonzentration im Wege einer Klage in Streitgenossenschaft verfolgt worden seien. |
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| Die Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht habe den grenzüberschreitenden Charakter der Tätigkeit der Beklagten in [A.] verkannt. Der deutsche Erlaubnisvorbehalt nach § 43 Abs. 1 AMG iVm. § 1 Abs. 2, § 11a ApoG sei nicht anwendbar, weil die Apothekenräume in denen die audiovisuellen Bestellungen im Streitfalle eingingen, nicht in Deutschland lägen. Vielmehr sei die Tätigkeit der Beklagten ausschließlich nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG zu beurteilen und danach zulässig, weil allein die [x.]e Erlaubnis zum Versandhandel maßgeblich sei. Nach [x.]em Recht, welches von einem funktionalen Verständnis des Apothekenbegriffs ausgehe, sei ein enger räumlicher Zusammenhang der Ausgabe von Medikamenten mit dem Raum der Apotheke nicht erforderlich. Entgegen der Auffassung des Landgerichts müsse die Tätigkeit in [A.] als Versandhandel angesehen werden. Für die Einordnung einer Arzneimittelabgabe als Versandhandel seien die vom Landgericht herangezogenen Abgrenzungskriterien unmaßgeblich, namentlich die Kriterien eines örtlich eingeschränkten Kundenkreises, einer Erwartungshaltung des Kunden, das Arzneimittel erst einige Zeit nach der Bestellung erhalten zu können, der tatsächlichen Zeitspanne zwischen Bestellung und Auslieferung, des verwendeten Transportmittels sowie des Aufenthaltsorts der Ware bei Initiierung des Versandvorgangs. Relevant sei bei der Einordnung als Versandhandel allein, dass die Bestellung (grenzüberschreitend) mithilfe von Fernkommunikationsmitteln erfolge und kein Eindruck einer Präsenzapotheke beim Kunden hervorgerufen werde. Dieses weite Begriffsverständnis sei unionsrechtlich geboten. Denn die Einengung des grenzüberschreitenden Versandhandels auf die seit jeher klassische Form des Versandhandels, dass der Kunde im Internet bestellt und sein Produkt wenige Tage später oder einen Tag später per Versanddienstleister erhalte, stelle eine ungerechtfertigte Beschränkung der Waren- und Dienstleistungsfreiheit der Beklagten dar. Die außerhalb Deutschlands ansässige Apotheke sei insoweit stärker beeinträchtigt als Apotheken in Deutschland. Rechtfertigungsgründe habe die hierfür darlegungsbelastete Klägerseite nicht dargetan. Die Sicherheit des Gesundheitssystems, die ohnehin durch die Gleichwertigkeitsprüfung des ausländischen Apothekenrechts gewährleistet sei, könne die Beschränkung nicht rechtfertigen. Vielmehr zeige der Streitfall, dass gerade die Arzneimittelversorgung nicht gefährdet, sondern verbessert werde. |
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| Entgegen der Annahme des Landgerichts werde nicht gegen § 17 Abs. 5 Satz 3 ApBetrO verstoßen. Im grenzüberschreitenden EU-Versandhandel seien die Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung nicht anzuwenden. Die Einhaltung der deutschen Sicherheitsstandards werde durch Anerkennung der Gleichwertigkeit des Rechts [in X.] verbürgt. Eine Verpflichtung, dass der Apotheker bei Unklarheiten die Verschreibung vor der Abgabe schriftlich zu ändern und diese zu unterschreiben habe, bestehe aber auch nicht. Vor der Abgabe müsse nur sichergestellt sein, dass die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen entsprächen. Dies sei durch die mehrfachen Kontrollen beim Arzneimittel-Abgabeautomaten in [A.] aber gewährleistet. |
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| Die Beklagte beantragt sinngemäß, |
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| das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
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| die Berufung zurückzuweisen. |
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| Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. |
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| Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. |
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| Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. |
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| Der Rechtsstreit fällt in die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und unterliegt der Beurteilung nach deutschem Lauterkeitsrecht. |
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| Die internationale Zuständigkeit ist in jedem Verfahrensabschnitt, auch im Berufungsverfahren trotz Geltung des § 513 Abs. 2 ZPO, von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2007 – I ZR 35/04, GRUR 2007, 708 Rn. 16 – Internet-Versteigerung II). Der Streitfall betrifft den Vorwurf wettbewerbswidriger Handlungen der Beklagten in [A.], womit der deliktische Gerichtsstand gemäß Art. 7 Nr. 2 VO (EU) Nr. 1215/2012 (vormals Art. 5 Nr. 3 VO (EG) Nr. 44/2001) im Inland liegt. Soweit die Handlungen auch durch ein Tätigwerden der Beklagten von ihrem [x.]en Sitz aus geprägt sein mögen, insbesondere durch die internetbasierte Beratung, liegt jedenfalls der Handlungserfolgsort in [A.] und damit im Inland. Denn das gesamte Handeln der Beklagten ist insoweit bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt ausgerichtet, beeinträchtigt hier und für die Beklagte vorhersehbar die Interessen von Mitbewerbern ebenso wie die kollektiven Interessen der Verbraucher. Aufgrund dieser im Inland beeinträchtigten Interessen, richtet sich die Beurteilung des Streitfalls gemäß Art. 6 Abs. 1 VO (EG) 864/2007 zugleich nach deutschem Sachrecht. |
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| Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der klagenden Partei nicht wegen des Vorwurfs der missbräuchlichen Geltendmachung von Abwehransprüchen die Prozessführungsbefugnis abgesprochen werden könne (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 – I ZR 241/99, GRUR 2002, 357 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Der Rechtsmissbrauchsvorwurf ist vielmehr letztlich unbegründet. Die Klage erweist sich hiernach als zulässig. |
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| 1. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist die Geltendmachung der Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. |
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| Von einem Missbrauch ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auszugehen, wenn Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs überwiegend sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgen und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende – wenngleich nicht alleinige – Motiv der Anspruchsverfolgung erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2018 – I ZR 26/17, GRUR 2018, 1166 Rn. 40 – Prozessfinanzierer). Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs, durch die die im Interesse eines möglichst lückenlosen Rechtsschutzes in Kauf genommene Möglichkeit einer Mehrfachverfolgung eingeschränkt wird, erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2000 – I ZR 76/98, GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Hierzu zählen zwar auch die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes sowie das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß. Vor allem ist aber auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße abzustellen; auch das Verhalten sonstiger Anspruchsberechtigter ist in die Betrachtung einzubeziehen. Erfüllt die vorgerichtliche Abmahnung selbst (noch) nicht die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs, ist die Frage, ob die nachfolgende gerichtliche Anspruchsdurchsetzung als rechtsmissbräuchlich zu bewerten ist, unter Berücksichtigung sämtlicher, auch im Verfahrensverlauf auftretender Umstände zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2016 – I ZR 110/15, GRUR 2016, 961 Rn. 15, 18 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon, mwN.). |
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| 2. Nach den vorstehenden Grundsätzen ist im Streitfall ein Rechtsmissbrauch zu verneinen, weil unter Würdigung aller Umstände noch nicht festgestellt werden kann, dass sachfremde Ziele das beherrschende Motiv der (getrennten) Rechtsverfolgung durch die klagende Partei sind. |
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| a) Eine missbräuchliche Mehrfachverfolgung hat das Landgericht zu Recht nicht erkannt. |
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| Eine Mehrfachverfolgung desselben Wettbewerbsverstoßes ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als missbräuchlich im vorgenannten Sinne anzusehen, wenn sie auf einem abgestimmten Vorgehen der Unterlassungsgläubiger beruht und wenn – ohne dass hierfür ein vernünftiger Grund ersichtlich wäre – die Vervielfachung des mit der Rechtsverteidigung verbundenen Kostenrisikos sowie die Bindung personeller und finanzieller Kräfte eine unangemessene Belastung des Anspruchsgegners zur Folge hat. So kann es sich als missbräuchlich erweisen, dass konzernmäßig verbundene Unternehmen, die von demselben Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigtem vertreten werden, nicht gemeinsam als Streitgenossen klagen, sondern getrennte Verfügungs- oder Klageverfahren anstrengen, obwohl eine subjektive Klagehäufung mit keinerlei Nachteilen – etwa bei der Wahl des Gerichtsstandes – verbunden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2000 – I ZR 76/98, GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Die mangelnde Eignung einer höheren Kostenbelastung durch getrennte Verfahren zur Behinderung im Wettbewerb schließt eine missbräuchliche Geltendmachung durch den Gläubiger nicht aus. Ansonsten würden allein die Größe und finanzielle Leistungsfähigkeit des Schuldners den Gläubiger von jedem Missbrauchsvorwurf entlasten (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2005 – I ZR 300/02, GRUR 2006, 243 Rn. 19 – MEGA SALE). |
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| Den drei Klageverfahren liegt zwar eine Mehrfachverfolgung desselben Wettbewerbsverstoßes – mit identischen Klageanträgen sowie mit Ausnahme des Vorbringens zur Mitbewerberstellung identischem Sach- und Rechtsvortrag – zugrunde. Mit der getrennten Mehrfachverfolgung geht bei einem jeweiligen Streitwert von 10.000 EUR – kumuliert also 30.000 EUR – auch nahezu eine Verdoppelung der Anwalts- und Gesamtprozesskosten sowie des hiermit verknüpften Kostenrisikos einher; für zwei Instanzen belaufen sich letztere auf 3 x 7.681,80 EUR = 23.045,40 EUR bzw. 1 x 12.069,80 EUR. Anders als das Landgericht meint, wäre auch ein die Beklagte schonenderes Vorgehen prozessual möglich und nicht unzumutbar gewesen. Angesichts der vollkommenen Parallelität der Klagesachverhalte hätte eine gemeinsame Klage in Streitgenossenschaft erhoben werden können. Da dem Streitgenossen eine selbständige Reaktion auf die Entwicklung des Rechtsstreits in seinem jeweiligen Prozessrechtsverhältnis unbenommen bleibt (§ 61 ZPO), stellt sich die getrennte Rechtsdurchsetzung gegenüber der gemeinsamen Klage auch nicht als prozessual sichererer Weg zur Durchsetzung der Rechtsschutzinteressen dar. Abgesehen davon war – anders als das Landgericht ausführt – in Anbetracht der nur geringfügigen Unterschiede in den Ortsentfernungen der im Wettbewerb betroffenen Apotheken von vornherein nicht zu befürchten gewesen, dass die jeweilige Klagebefugnis der klagenden Parteien als Mitbewerber vor dem Hintergrund eines in räumlicher Hinsicht konkreten Wettbewerbsverhältnisses unterschiedlich beurteilt werden würde. |
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| Indes beruht die getrennte prozessuale Mehrfachverfolgung – wovon das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeht – nicht auf einem abgestimmten Vorgehen der klagenden Parteien, welches die Mehrfachverfolgung für sich als Indiz eines Rechtsmissbrauchs qualifizieren könnte. Für das Vorgehen der klagenden Parteien als Mitbewerber (vgl. hierzu nachstehend III.1) streitet vielmehr die Vermutung, dass deren Rechtsverfolgung von einem berechtigten Interesse getragen wird. Dementsprechend ist die Klage nicht schon deshalb rechtsmissbräuchlich, weil ein anderer Anspruchsberechtigter vorher oder gleichzeitig Klage bei dem gleichen oder einem anderen zuständigen Gericht erhoben hat (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage 2019, § 8 Rn. 4.15a); im Interesse eines möglichst lückenlosen Rechtsschutzes wird die Möglichkeit einer Mehrfachverfolgung grundsätzlich in Kauf genommen. Daran ändert es auch nichts, wenn dieselben oder geschäftlich verbundenen Anwälte eingeschaltet wurden (vgl. OLG Hamm, GRUR 1999, 361). Dass die klagenden Parteien zunächst einheitlich durch denselben Prozessbevollmächtigten abmahnen ließen und später getrennt, aber zeit- und inhaltsgleich haben Klage erheben lassen, kann danach indiziell noch nicht für einen Rechtsmissbrauch durch eine höhere Kostenrisiken verursachende Mehrfachverfolgung sprechen. Erforderlich ist vielmehr – worauf der Bundesgerichtshof verweist (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2000 – I ZR 76/98, GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung) –, dass die Mehrfachverfolgung auf einem abgestimmten Vorgehen beruht. Hinzukommen müsste im Streitfall folglich eine gemeinsame Abstimmung der klagenden Parteien auch nach Auflösung der ursprünglichen „Abmahngemeinschaft“. Der Klägervertreter hat in der Sitzung auf Vorhalt des Senats zur ursprünglich bestehenden „Abmahngemeinschaft“ der klagenden Parteien aber (nochmals) klargestellt, dass die klagenden Parteien, die als Apotheker und damit selbständige Kaufleute rechtlich wie wirtschaftlich voneinander unabhängige Mitbewerber seien, nach erfolgloser Abmahnung jeweils darauf bestanden hätten, selbständig ihre Rechte wahrzunehmen. Dies widerlegende und eine gemeinsame Abstimmung der klagenden Parteien als Mitbewerber bei der Prozesseinleitung/-führung hinreichend belegende Umstände sind von der Beklagten weder dargetan noch sonst ersichtlich. |
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| b) Der Streitfall ist auch nicht durch eine den Rechtsmissbrauch indizierende Fremdbestimmung bei der Rechtsdurchsetzung geprägt. Soweit die Beklagte auf den Umstand abhebt, dass ein Arzneimittelgroßhändler als jeweiliger Prozessfinanzierer hinter den klagenden Parteien steht, hat das Landgericht dies ebenso zutreffend als nicht durchgreifend erachtet. |
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| Ein Missbrauch kann im Einzelfall zwar vorliegen, wenn der Anspruchsberechtigte nicht mehr im eigenen Interesse, sondern als „Handlanger“ oder „Werkzeug“ eines Dritten tätig wird (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage 2019, § 8 Rn. 4.22). Das ist aber nicht schon dann der Fall, wenn der Anspruchsberechtigte mit Unterstützung eines Dritten und auf dessen Prozesskostenzusage hin tätig wird; hinzukommen müssen vielmehr weitere Umstände, die dafürsprechen, dass die Rechtsverfolgung nicht im Eigeninteresse, sondern (vorwiegend) im Fremdinteresse liegt (vgl. zum klagebefugten Verband: BGH, Urteil vom 6. April 2000 – I ZR 294/97, GRUR 2001, 178 – Impfstoffversand an Ärzte). |
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| Auch wenn der als Prozessfinanzierer auftretende Arzneimittelgroßhändler mit der Unterstützung der klagenden Parteien zugleich eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen wird, sind keine weiteren, hinreichenden Umstände feststellbar, die die Rechtsdurchsetzung im Streitfall als vorwiegend im Interesse des Arzneimittelgroßhändlers liegend erscheinen lassen. Auf die schlichte Behauptung der Beklagten allein, dass dieser Prozessfinanzierer die Kläger instrumentalisiere und die Prozesse im Hintergrund führe und lenke, vermag sich der Senat keine Überzeugung davon zu verschaffen, dass die prozessführenden Apotheker nicht im maßgeblichen Eigeninteresse als betroffene Mitbewerber handeln, sondern dass die Rechtsdurchsetzung vom Arzneimittelgroßhändler nach seinen Interessen gesteuert wird. |
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| c) Zu Recht hat das Landgericht schließlich bei der gebotenen Gesamtwürdigung auch keinen Anhaltspunkt für einen Rechtsmissbrauch im Hinblick auf ein die Rechtsdurchsetzung tragendes, überwiegendes Gebührenerzielungs- oder Kostenbelastungsinteresse erkannt. |
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| Für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann zwar sprechen, dass der Anspruchsberechtigte an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein sachfremden Interessen dient, bspw. wenn die Rechtsverfolgung selbst in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, der Anspruchsberechtigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt oder der Berechtigte zur Schaffung einer Einnahmequelle systematisch überhöhte (Abmahn-)Gebühren oder Vertragsstrafen erstrebt (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2016 – I ZR 110/15, GRUR 2016, 961 Rn. 15 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon; BGH, Urteil vom 26. April 2018 – GRUR 2019, 199 Rn. 21 – Abmahnaktion II). |
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| Derartige Umstände sind im Streitfall nicht feststellbar. Hierbei ist eingangs zu berücksichtigen, dass die im Wege der privaten Rechtsdurchsetzung geltend gemachten Wettbewerbsverstöße gravierend sind und ein Einschreiten der klagenden Parteien in deren offensichtlichem Interesse als betroffene Mitbewerber liegt, auch wenn die zuständige Behörde längst im Wege der öffentlich-rechtlichen Untersagungsverfügung reagiert hat. Darüber hinaus lassen weder der vorgerichtlich im Rahmen der gemeinsamen Abmahnung zunächst angesetzte, kumulierte Gegenstandswert von 100.000 EUR noch die Streitwertangabe von 10.000 EUR in der jeweiligen Klage einen sachwidrigen Gebührenansatz erkennen, der auf ein dominierendes Gebührenerzielungs- oder Kostenbelastungsinteresse deutet. Vielmehr wurden bzw. sind die wirtschaftlichen Interessen der drei klagenden Parteien als Mitbewerber innerhalb der möglichen Schätzungsbreite – wie der Senat insbesondere aus dem Vergleich mit den parallelen Berufungsverfahren zwischen der Beklagten und Dritten (vgl. 6 U 38/18 und 6 U 39/18) ableiten kann, und wogegen die Beklagte nichts erinnert – nachvollziehbar bewertet. Gerade die gegenüber der ursprünglichen Annahme zum Gegenstandswert in der Abmahnung deutlich reduzierte Streitwertangabe der klagenden Partei trotz Prozesskostenzusage spricht dagegen, dass treibendes Motiv der Rechtsverfolgung im Streitfall die Gebührenerzielung bzw. korrespondierend dazu die Prozesskostenbelastung ist. Soweit aus der getrennten Mehrfachverfolgung statt gemeinsamer Klage höhere Prozesskosten folgen, genügt dies – wie vorstehend ausgeführt – nicht, um im Streitfall einen Rechtsmissbrauch im Sinne des Überwiegens sachfremder Motive zur Überzeugung des Senats zu begründen. |
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| Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Der Kläger kann gemäß § 8 Abs. 1 UWG Unterlassung im beantragten und zuerkannten Umfang verlangen. |
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| 1. Der Kläger ist als Mitbewerber aktivlegitimiert, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Zu Recht steht zwischen den Parteien außer Streit, dass sie in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis als Anbieter von apothekenpflichtigen Fertigarzneimitteln stehen. |
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| 2. Die Abgabe von apotheken- und/oder rezeptpflichtigen Arzneimitteln zum Endverbrauch über den Arzneimittel-Abgabeautomaten in [A.] verstößt gegen § 43 Abs. 1 AMG (Klageantrag Ziff. 1) und gegen § 17 Abs. 5 ApBetrO (Klageantrag Ziff. 2) und ist danach jeweils eine unlautere geschäftliche Handlung gemäß § 3 Abs. 1, § 3a UWG. |
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| a) Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen apothekenpflichtige Arzneimittel – mit Ausnahme des im Streitfall nicht betroffenen Vertriebswegs nach § 47 AMG – berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versands in den Verkehr gebracht werden; auf Verschreibung dürfen Arzneimittel nur von Apotheken abgegeben werden (§ 43 Abs. 3 Satz 1 AMG). |
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| Neben das durch die Apothekenpflicht in § 43 AMG aufgestellte Vertriebsverbot mit Erlaubnisvorbehalt tritt nach § 73 Abs. 1 AMG ein grundsätzliches Verbot, zulassungs- oder registrierungspflichtige Arzneimittel ins Inland zu verbringen. Ausgenommen vom Verbringungsverbot sind nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG entsprechend zugelassene Arzneimittel, die im Falle des Versands an den Endverbraucher von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel versandt wird, soweit die Apotheke nach ihrem nationalen, dem deutschen Apothekenrecht insoweit gleichwertigen Recht oder nach dem Apothekengesetz zum Versandhandel befugt ist. |
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| Nach den das Arzneimittelgesetz gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AMG ausfüllenden Regelungen des Apothekengesetzes bedarf der Betrieb einer Apotheke der Erlaubnis (§ 1 Abs. 2 ApoG), gilt die Apothekenbetriebserlaubnis nur für den Apotheker, dem sie erteilt ist, und für die in der Erlaubnisurkunde bezeichneten Räume (§ 1 Abs. 3 ApoG), und hat der von einer Versanderlaubnis umfasste Versand von Arzneimitteln aus einer öffentlichen Apotheke zusätzlich zu dem üblichen Apothekenbetrieb zu erfolgen (§ 11a Satz 1 Nr. 1 ApoG). Die nach § 21 ApoG erlassene Rechtsverordnung (Apothekenbetriebsordnung) stellt insbesondere weitere Anforderungen an die Prüfung, Lagerung und Abgabe der Arzneimittel durch die Apotheke. So müssen die Apothekenbetriebsräume insoweit geeignet sein, einen ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb zu gewährleisten (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO). Fertigarzneimittel sind stichprobenweise zu prüfen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO). Die Lagerung der Arzneimittel ist so zu gestalten, dass ihre Qualität nicht nachteilig beeinflusst wird und Verwechslungen vermieden werden (§ 16 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO). Die Aushändigung der Arzneimittel erfolgt – soweit kein erlaubter Versand vorliegt – nur durch pharmazeutisches Personal (§ 17 Abs. 1a Satz 1 ApBetrO). Bei einem Versand ist namentlich sicherzustellen, dass das Arzneimittel so verpackt, transportiert und ausgeliefert wird, dass seine Qualität und Wirksamkeit erhalten bleibt (§ 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 ApBetrO). Schließlich sind bei der Abgabe Prüf- und Dokumentationspflichten nach § 17 Abs. 5 und 6 ApBetrO zu erfüllen. Abgegebene Arzneimittel müssen insbesondere den Verschreibungen entsprechen (§ 17 Abs. 5 Satz 1 ApBetrO). Ergeben sich Bedenken – enthält die Verschreibung bspw. einen erkennbaren Irrtum oder ist unleserlich – darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden, bevor die Unklarheit beseitigt ist (§ 17 Abs. 5 Satz 2 ApBetrO). Jede Änderung ist vom Apotheker auf der Verschreibung zu vermerken und zu unterschreiben (§ 17 Abs. 5 Satz 3 ApBetrO). Eine Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Verschreibung ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 AMG verboten. |
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| b) Die bezeichneten Bestimmungen sind Marktverhaltensregelungen iSd. § 3a UWG, deren Missachtung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern und Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Denn sie bezwecken den Gesundheitsschutz der Verbraucher und wirken sich unmittelbar auf den Wettbewerb zwischen Apotheken aus (vgl. zu § 48 AMG: BGH, Urteil vom 8. Januar 2015 – I ZR 123/13, GRUR 2015, 916 Rn. 14, 16 – Abgabe ohne Rezept; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage 2019, § 3a Rn. 1.134, 1.275, 1.277). |
|
| Das durch die Apothekenpflicht (§ 43 AMG) und das Verbringungsverbot (§ 73 AMG) im Arzneimittelgesetz umrissene präventive Arzneimittelvertriebsverbot im Inland und die aufgezeigten absatz- und berufsbezogenen Regelungen im Apothekengesetz und in der Apothekenbetriebsordnung dienen der Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln (§ 1 AMG) und Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung (§ 1 Abs. 1 ApoG, § 1 Abs. 1 Satz 2 ApBetrO). Wegen der besonderen Anforderungen, namentlich der Arzneimittelsicherheit, des Verbraucherschutzes, der Versorgungssicherheit und des fairen Wettbewerbs, darf der Arzneimittelhandel nur von Apotheken betrieben werden, und zwar nur von solchen, die diesen Erfordernissen entsprechen (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 165). Mit diesen Regelungen zur kontrollierten Abgabe von Arzneimitteln soll gewährleistet werden, dass mittels sachverständiger Prüfung und Beratung durch einen pharmazeutisch und pharmakologisch ausgebildeten Apotheker dem Arzneimittelfehlgebrauch oder -missbrauch vorgebeugt und die Qualität des abzugebenden bzw. verschriebenen Arzneimittels sichergestellt wird. |
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| c) Die in [A.] praktizierte Abgabe von apotheken- und/oder rezeptpflichtigen Arzneimitteln zum Endverbrauch über den Arzneimittel-Abgabeautomaten in Räumen, die nicht von einer Apothekenbetriebserlaubnis des Betreibers erfasst werden (Klageantrag Ziff. 1), verstößt gegen § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG. |
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| aa) Das angegriffene Verhalten verstößt objektiv gegen das präventive Arzneimittelvertriebsverbot nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG und die hiernach statuierte Apothekenpflicht. |
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| Die Regelung verbietet das Inverkehrbringen apothekenpflichtiger Arzneimittel im Inland außerhalb von Apotheken. Inverkehrbringen ist nach § 4 Abs. 17 AMG gesetzlich definiert als das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere. Abgabe ist die körperliche Übergabe an einen anderen durch den Inhaber der Verfügungsgewalt in einer Weise, dass der Empfänger tatsächlich in die Lage versetzt wird, sich des Arzneimittels zu bemächtigen und mit ihm nach seinem Belieben umzugehen, insbesondere es zu konsumieren oder weiterzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 2 StR 124/14, NStZ 2015, 591), meint also die Einräumung der Verfügungsgewalt an einen anderen durch körperliche Übergabe des Arzneimittels (vgl. Rehmann, AMG, 4. Aufl. 2014, § 4 Rn. 19). Die hiervon abzugrenzende und der Abgabe ggf. vorangehende selbständige Handlung des Vorrätighaltens umfasst jede auf Lager- oder Vorratshaltung ausgerichtete Art von Besitz an Arzneimitteln zum Zwecke deren Abgabe (vgl. Pfohl in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand 223. EL Januar 2019, § 4 AMG Rn. 29). |
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| Die Lagerung der Arzneimittel in den Räumen in [A.] zum Zwecke ihrer späteren Überlassung an Endverbraucher sowie die eigentliche Überlassung der dort gelagerten Arzneimittel an Endverbraucher vor Ort sind mithin jeweils als Inverkehrbringen von apothekenpflichtigen Arzneimitteln zu qualifizieren. Die Räume in [A.] sind indes keine Apotheke, weil für diese keine Apothekenbetriebserlaubnis nach § 1 Abs. 2, Abs. 3 ApoG besteht, womit ein Verstoß gegen § 43 AMG objektiv vorliegt. |
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| bb) Anders als die Beklagte meint, unterliegt die Beurteilung der Handlungen in [A.] ausschließlich der Regelung nach § 43 AMG. Lagerung und Überlassung der Arzneimittel in [A.] sind nicht einem nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG zulässigen innereuropäischen Versandhandel aus [X.] zuzuordnen. |
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| (1) Der nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG zulässige innereuropäische Versandhandel ist eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot, zulassungs- oder registrierungspflichtige Arzneimittel in den Geltungsbereich des Gesetzes zu verbringen, also ins Inland zu befördern (§ 4 Abs. 32 Satz 1 AMG). Das Gesetz setzt hierfür voraus, |
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| - dass es sich um einen Fall eines Versandes zugelassener Arzneimittel an den Endverbraucher von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum handelt, |
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| - dass die Apotheke nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel gleichwertig ist, oder nach dem Apothekengesetz zum Versandhandel befugt ist und |
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| - dass entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel versandt wird. |
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| Diese Voraussetzungen werden im Streitfall nicht erfüllt. Denn ein Versand an Endverbraucher erfolgt zumindest nicht „von“ der [x.]en Apotheke in [B.] aus. |
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| (2) Dabei kann insbesondere dahinstehen, wie weit der arzneimittelrechtliche Begriff des „Versands“ / des „Versandhandels“ überhaupt im Einzelnen reicht, namentlich welche objektiven Umstände in Bezug auf Absatzgebiet und Transport sowie in Abgrenzung zum gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 AMG verbotenen Automatenvertrieb zu erfüllen sind, und ob diese Umstände subjektiven Vorstellungen der Abnehmer – und wenn ja, welchen – entsprechen müssen. Es bedarf im Streitfall auch keiner Feststellung, ob am Sitz der Beklagten in den [X.], wie nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a, Satz 3 AMG iVm. der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit (zuletzt vom 5. Juli 2011) zur Verbürgung gleichwertiger Sicherheitsstandards durch das Recht am Sitz der Beklagten in den [X.] erforderlich, tatsächlich „gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhalten wird“ (vgl. zum Erfordernis: BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – I ZR 205/04, GRUR 2008, 275 – Versandhandel mit Arzneimitteln). Ob der Betrieb des Arzneimittel-Abgabeautomaten in [A.] den Eindruck einer Präsenzapotheke vermittelt, und ob dies der Anwendung von § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG von vornherein entgegensteht, kann ebenso dahinstehen. |
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| (3) Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen im Streitfall jedenfalls keine Handlungen in [B.]/[X.], welche die Lagerung und Überlassung der Arzneimittel in [A.] als unselbständigen Teil eines Versands von der [x.]en Apotheke in [B.] qualifizieren könnten. |
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| Von vornherein unerheblich ist dabei der Umstand, dass nach dem Vorbringen der Beklagten mittels Fernkommunikationsmitteln Personal in den [X.] bei der Bearbeitung einer Kundenanforderung/-bestellung und damit in die Abgabe an den Endverbraucher in [A.] involviert sei. Denn zu diesem Zeitpunkt sind die Arzneimittel bereits ins Inland befördert. Soweit die Beklagte auf ein sog. „antizipiertes Verbringen“ der Fertigarzneimittel ins Inland im Wege des – von ihr behaupteten – Transports von [B.]/[X.] aus nach [A.] als Teil eines Versands an die Endverbraucher abstellen will, kann auch dieser Ansatz nicht durchdringen. Denn zu einem „Versand an den Endverbraucher von einer Apotheke“ zählt jedenfalls nicht ein von einer konkreten Kundenanforderung/-bestellung unabhängiger, einen etwaigen Bedarf in der Zukunft deckender „antizipierter Transport“ von Arzneimitteln zu einem inländischen (Zwischen-)Lager außerhalb von Apothekenräumen und eine anschließende (Zwischen-)Lagerung dieser Arzneimittel bis zum Zeitpunkt der eigentlichen – aber ungewissen – Kundenanforderung/-bestellung. |
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| Dies entspricht einer an Wortlaut und Gesetzessystematik orientierten Auslegung der Regelung von § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG, wie sie durch die Intention des historischen Gesetzgebers bestätigt wird und im Einklang mit dem objektiven Gesetzeszweck steht. |
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| (a) Der im Arzneimittel- und Apothekenrecht einheitlich verwendete Begriff „Versand“ wird vom Gesetz als Unterfall des Inverkehrbringens durch „Abgabe“, wie der Wortlaut von § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG – „... in Apotheken und ... im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht“ – belegt und die Bezeichnung der Versandanforderungen iSd. § 21 Abs. 2 Nr. 1a ApoG als Regelungen der Apothekenbetriebsordnung zur Sicherstellung der Qualität der abzugebenden Arzneimittel nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ApoG bestätigt, angesehen. |
|
| Der Begriff stellt damit – unabhängig von den sonstigen Modalitäten des Fernabsatzes – auf einen der unmittelbaren Übergabe an den Endverbraucher gleichgestellten mehrteiligen Akt der Verschaffung der Verfügungsgewalt ab. Wie der vom Gesetz bspw. in § 11a Satz 1 Nr. 2 lit. a und b, § 21 Abs. 2 Nr. 1a ApoG, § 17 Abs. 2a Nr. 1 und 2 ApBetrO erkannte Regelungsbedarf zeigt, umfasst dieser mehrteilige Akt die Bereitstellung einschließlich Verpackung, die Absendung iS. der Übergabe an eine Transportperson, den Transport / die Beförderung und die Auslieferung / Aushändigung / Ablieferung iS. der eigentlichen Übergabe an den Endverbraucher. |
|
| Der im Arzneimittel- und Apothekenrecht verwendete Begriff „Versand“ setzt dabei einerseits – dem allgemeinen Sprachgebrauch von „Versandhandel“ entsprechend – voraus, dass der Bereitstellung und Verpackung des Arzneimittels vor Absendung eine Anforderung des Arzneimittels durch den Endverbraucher vorangeht, vom Gesetz als „Eingang der Bestellung“ bezeichnet (vgl. § 11a Satz 1 Nr. 3 lit. a ApoG). Andererseits ist der Begriff als Unterfall der „Abgabe“ vom „Vorrätighalten“ abzugrenzen (vgl. § 4 Abs. 17 AMG), so dass der Transport eines Arzneimittels zwischen Apotheke und Endverbraucher keine (unspezifische) Lagerung von Arzneimitteln außerhalb von Apothekenräumen umfassen kann. |
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| Ein sog. „antizipierter Transport“ – ohne Bestellung zu einem (Zwischen-)Lager außerhalb von Apothekenräumen mit anschließender (Zwischen-)Lagerung – widerspricht demnach einem „Versand“, wie er begrifflich durch Wortlaut und Systematik des Gesetzes nahegelegt ist. |
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| (b) Das so nahegelegte Normverständnis findet sich bestätigt in der Forderung des Gesetzes, dass Ausgangspunkt des „Versands“ als Ort der Absendung, an dem das Arzneimittel körperlich bereitgestellt wird, eine Apotheke sein muss. |
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| Sowohl der (rein) inländische als auch der innereuropäische Versandhandel knüpfen ausweislich des Wortlauts der gesetzlichen Bestimmungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 AMG iVm. § 11a Satz 1 Nr. 1 ApoG: „Versand ... aus einer ... Apotheke“; § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG: „an den Endverbraucher ... von einer Apotheke ...versandt“) den Ausgangspunkt des Versands an die „Apotheke“ an. Der Apothekenbegriff des auf die Abgabe an den inländischen Endverbraucher allein anwendbaren deutschen Arzneimittel- und Apothekenrechts ist dabei kein funktioneller Begriff, der synonym für den Apotheker als Erlaubnisinhaber steht, der die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, sondern stellt – entsprechend seiner Begriffsherkunft (griech.: „Ablage“, „Aufbewahrungsort“) – auf den der Leitung durch den Erlaubnisinhaber und der behördlichen Überwachung unterliegenden Raum ab (vgl. § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 4, Abs. 5 ApoG). |
|
| Mit dem seit 2004 zulässigen – und auf den innereuropäischen Versandhandel zugleich erstreckten – Direktvertrieb im Wege des „geregelten, kontrollierten und überwachten Versandhandels“ (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 165, 166) verzichtet das Gesetz zwar auf die räumliche Bindung der Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel an die Apotheke im Sinne einer Abgabe in den Apothekenbetriebsräumen, hält aber am Erfordernis fest, dass die Abgabe solcher Arzneimittel institutionell allein durch eine Apotheke erfolgen darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – I ZR 211/10, GRUR 2012, 954 Rn. 15 – Europa-Apotheke Budapest; BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 – 3 C 27/07, BVerwGE 131, 1 Rn. 25). Das Arzneimittel muss danach weiterhin aus einer Apotheke heraus abgegeben werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 30/09, PharmR 2010, 462 Rn. 14); an Stelle der unmittelbaren Übergabe an den Patienten ist lediglich die Versendung – also die Auslagerung der Transportfunktion als solche, auch an Dritte – gestattet. Wie bei der persönlichen Aushändigung wird beim Versandhandel nach der gesetzgeberischen Intention des GKV-Modernisierungsgesetzes das Arzneimittel dem Verbraucher von einer „staatlich zugelassenen und überwachten Apotheke“ zugänglich gemacht (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 165). |
|
| Durch die Verknüpfung des Arzneimittelversands mit der Apotheke soll objektiv sichergestellt werden, dass die versendeten Arzneimittel von pharmazeutischem Personal (vgl. § 1a Abs. 3 Nr. 2 und 3, § 3 Abs. 5 Satz 1 ApBetrO) aus einer vom Apotheker kontrollierten Sphäre (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 1 ApoG, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 Satz 1, § 16 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO) entsprechend den konkreten Anforderungen (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 1 ApoG, § 17 Abs. 5 Satz 1 ApBetrO) bereitgestellt, verpackt und zum Transport gegeben werden (vgl. § 11a Satz 1 Nr. 2 lit. a, § 21 Abs. 2 Nr. 1a ApoG, § 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 und 2 ApBetrO), so dass die Arzneimittelsicherheit, namentlich die Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel, in gleicher Weise gewährleistet ist wie bei persönlicher Übergabe durch die Apotheke an den Endverbraucher. Ziel ist es, Gesundheitsschäden durch abgegebene Arzneimittel zu verhindern, wie sie bspw. aufgrund von Verwechslung, fehlerhafter Lagerung und Aufbewahrung der Arzneimittel oder Arzneimittelfälschung oder Wirkstoffverlust oder infolge des Zugriffs Unberechtigter auf Arzneimittel verursacht werden können. |
|
| Die vom Gesetz verfolgte Arzneimittelsicherheit wird dabei maßgeblich durch Apothekenzulassung und -überwachung gewährleistet. Die inländische Apotheke unterliegt hinsichtlich des Inverkehrbringens von Arzneimitteln einschließlich des Versands aus dieser heraus (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AMG iVm. § 1 Abs. 2, § 11a Satz 1 Nr. 1 ApoG) der Apothekenüberwachung (vgl. §§ 2, 4, 5 ApoG, § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG), welche von den inländischen, nach Landesrecht zu bestimmenden, zuständigen Behörden – in Baden-Württemberg gem. § 4 Abs. 1 MedZuVO die Regierungspräsidien – durchgeführt wird. Die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Apotheke, die zum innereuropäischen Versandhandel ins Inland befugt ist, kann hingegen nur den – den Sicherheitsstandards im deutschen Apothekenrecht als gleichwertig anzusehenden (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a, Satz 3 AMG) – Überprüfungen des betreffenden Mitgliedstaats unterliegen. |
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| Ein – insbesondere grenzüberschreitender – „Versand“, der nach Meinung der Beklagten mit einem „antizipierten Transport“ von Arzneimitteln zu einem inländischen (Zwischen-)Lager außerhalb von Apothekenräumen samt anschließender (Zwischen-)Lagerung dieser Arzneimittel bis zum Zeitpunkt der eigentlichen – aber ungewissen – Kundenanforderung/-bestellung begänne, stellte entgegen der Intention des Gesetzes nicht sicher, dass die nach Bestellungseingang aus dem (Zwischen-)Lager überlassenen Arzneimittel aus einer vom Apotheker bis zur „Absendung“ an den konkreten Patienten kontrollierten, namentlich eine arzneimittelsichere Lagerung gewährleistenden Sphäre stammen, und unterliefe die angestrebte staatliche Überwachung. |
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| d) Die in [A.] praktizierte Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln zum Endverbrauch über den Arzneimittel-Abgabeautomaten, ohne Änderungen auf der Verschreibung zu vermerken und diese bei Abgabe des Arzneimittels zu unterschreiben (Klageantrag Ziff. 2), verstößt gegen die Dokumentationspflicht nach § 17 Abs. 5 Satz 3 AMG. |
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| aa) Auf den beanstandeten Arzneimittelvertrieb finden die Prüf- und Dokumentationspflichten nach der Apothekenbetriebsordnung (§ 17 Abs. 5 und 6 ApBetrO) sowie das Verbot der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Verschreibung (§ 48 Abs. 1 Satz 1 AMG) Anwendung. Insoweit ist die Qualifikation des Betriebs des Arzneimittel-Abgabeautomaten in [A.] als Präsenz- oder Versandhandel unerheblich. Diesen Regelungen unterliegen sowohl inländische – im Präsenz- oder Versandhandel tätige – Apotheken als auch die im Wege des innereuropäischen Versandhandels nach Deutschland tätigen Versandhandelsapotheken. |
|
| Denn der innereuropäische Arzneimittel-Versandhandel nach Deutschland hat – anders als die Beklagte meint – gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG die inländischen Vertriebsvorschriften für Arzneimittel zu beachten. Der vom Gesetzgeber „an den in Deutschland geltenden Anforderungen“ ausgerichtete innereuropäische Versandhandel (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 166) und das damit einhergehende Verbringen eines Arzneimittels ins Inland sind nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG nur zulässig, wenn „entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel ... versandt wird“. So ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch nicht in Zweifel gezogen worden, dass der innereuropäische Versandhandel wie der innerdeutsche Versandhandel den – insbesondere durch das Apothekengesetz und die Apothekenbetriebsordnung aufgestellten – inländischen Vertriebsvorschriften für Arzneimittel unterliegt (vgl. zu §§ 17, 20 ApBetrO: BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 40/11, GRUR 2013, 421 Rn. 17 ff. – Pharmazeutische Beratung über Call-Center; zur AMPreisV: GemS-OGB, Beschluss vom 22. August 2012 – GemS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 Rn. 32 – Medikamentenkauf im Versandhandel). Wenngleich der grundsätzliche Marktzugang im Arzneimittelversandhandel bei Verbürgung mit dem deutschen Apothekenrecht gleichwertiger Sicherheitsstandards (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a, Satz 3 AMG) nach dem Herkunftslandprinzip dem Recht des Herkunftsmitgliedstaats folgt, wird das Marktverhalten im Arzneimittelversandhandel im Sinne des Grundsatzes der Inländer(gleich)behandlung dem deutschen Recht als dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats unterstellt. |
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| bb) Die Dokumentationspflicht, Änderungen auf der Verschreibung zu vermerken und zu unterschreiben (§ 17 Abs. 5 Satz 3 ApBetrO) ist vor bzw. bei Abgabe des Arzneimittels zu erfüllen. Eine nachträgliche Dokumentation – wie im Streitfall nach Abgabe, sobald die Original-Verschreibung am Sitz der [Beklagten] vorliegt – genügt den Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung, die insoweit der Arzneimittelsicherheit dienen, nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 20/09, PharmR 2010, 462 Rn. 16 f.). Es wird hierdurch nicht sichergestellt, dass die Abzeichnung durch denjenigen erfolgt, der die Änderung veranlasst hat. Auch liegt zum Zeitpunkt der Herausgabe des Arzneimittels keine Verschreibung vor, die die Abgabe deckt und eine jederzeitige Rückverfolgung zulässt. |
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| 3. Der Anwendung der vorstehend diskutierten Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes, des Apothekengesetzes sowie der Apothekenbetriebsordnung steht höherrangiges Recht nicht entgegen. |
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| a) Die nach den Bestimmungen bestehenden Beschränkungen beim Betrieb einer Apotheke oder Versandapotheke begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche werden von der Berufung auch nicht mit Substanz geltend gemacht. |
|
| Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit der Regelungen bestehen nicht. Die Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung selbst halten sich innerhalb der durch § 21 ApoG erteilten Verordnungsermächtigung (Art. 80 GG). Die aufgezeigten Beschränkungen stehen als Berufsausübungsregelungen insbesondere im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG, weil sie durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls getragen werden und nicht außer Verhältnis zu dem mit den gesetzlichen Regelungen verfolgten Zweck der Gewährleistung einer sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung als Gemeinschaftsgut von hohem Rang stehen (vgl. im Einzelnen mwN.: BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 30/09, PharmR 2010, 462 Rn. 28 ff.). |
|
| Soweit die Beklagte auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. November 2018 – 1 BvR 442/18 – hinweist, wonach eine Auslegung von § 11a ApoG im Lichte der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG dahin geboten sei, dass eine Versandhandelserlaubnis die Sammlung von Rezepten und die Auslieferung bestellter Arzneimittel im Wege der Botenzustellung umfasse, sind daraus keine Gesichtspunkte erkennbar, die abweichend von der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu verfassungsrechtlichen Bedenken veranlassen hinsichtlich der im Streitfall betroffenen Auslegungsfragen. Anders als in dem von der Beklagten in Bezug genommenen Nichtannahmebeschluss beruht die hier maßgebliche Auslegung auf dem Aspekt der durch den Apothekenzwang und die diesen flankierenden Vorschriften zu gewährleistenden Arzneimittelsicherheit und nicht auf dem Gesichtspunkt der durch eine zu schützende Dichte von Präsenzapotheken als solche zu sichernden Arzneimittelversorgung in der Fläche. |
|
| b) Die Anwendung der im Streitfall in Rede stehenden Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes, des Apothekengesetzes sowie der Apothekenbetriebsordnung steht, anders als die Berufung unter Verweis auf die Auffassung von Kühling/Weck (NVwZ 2017, 1725) geltend macht, mit dem Unionsrecht im Einklang. |
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| aa) Die Vorschriften sind einer unionsrechtsgemäßen Auslegung anhand eines Sekundärrechtsakts nicht zugänglich. Denn sie beruhen nicht auf einer Umsetzung von europäischem Sekundärrecht. |
|
| Insbesondere sind die Vorschriften betreffend das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, namentlich deren Abgabe an Endverbraucher, nicht Gegenstand einer vollständigen gemeinschaftlichen Harmonisierung. Soweit der Gemeinschaftskodex Humanarzneimittel (RL 2001/83/EG) in Art. 85c den Fernabsatz von Arzneimitteln betrifft, erstrecken sich dessen Vorgaben allein auf das „Angebot von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft“ und umfassen damit nicht die der Apothekenpflicht unterworfenen Handlungen des Vorrätighaltens durch Lagerung und die Abgabe der Arzneimittel. Soweit die Vorschriften die Möglichkeiten der Erbringung von Dienstleistungen einer Apotheke tangieren, sind die hinsichtlich des Markverhaltens über den Grundsatz der Inländer(gleich)behandlung hinausreichenden Gewährleistungen der Dienstleistungsrichtlinie (vgl. Art. 16 RL 2006/123/EG) nach Art. 17 Nr. 6 RL 2006/123/EG auf Anforderungen im Mitgliedstaat der Dienstleistungserbringung, die eine Tätigkeit – wie die Bestimmungen des deutschen Apothekenrechts für pharmazeutische Tätigkeiten – den Angehörigen eines bestimmten Berufs vorbehalten, nicht anzuwenden, sondern hat es sekundärrechtlich nach der Berufsanerkennungsrichtlinie (vgl. Art. 4 Abs. 1, Art. 5 RL 2005/36/EG) bei der Beachtung des Grundsatzes der Inländer(gleich)behandlung sein Bewenden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 40/11, GRUR 2013, 421 Rn. 28 – Pharmazeutische Beratung über Call-Center). |
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| bb) Die hier in Rede stehende Anwendung der Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Apothekengesetzes sowie der Apothekenbetriebsordnung steht nicht in Widerspruch zum primären Unionsrecht. |
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| (1) Ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV liegt nicht vor. |
|
| Insoweit kann dahinstehen, ob der beanstandete Vertrieb im Streitfall – wovon das Landgericht ausgeht – unter dem Aspekt der Warenverkehrsfreiheit keinen grenzüberschreitenden Sachverhalt betrifft, sondern ein reiner Binnensachverhalt ist. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob dieser Vertrieb überhaupt nach dem Recht [ in X.] als zulässig anzusehen ist. |
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| Denn ein ungerechtfertigter Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit durch eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung ist nicht gegeben. |
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| (a) Die aufgezeigten, im Streitfall diskutierten Beschränkungen beim Betrieb von Versandapotheken greifen nicht in die Warenverkehrsfreiheit ein, weil sie nicht geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern. |
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| Unterschiedslos anwendbare Regelungen in Ansehung bestimmter Verkaufsmodalitäten – wie vorliegend die Beschränkung der Formen des Fernabsatzes auf die Abgabe von Arzneimitteln aus einer Apotheke heraus unter den für den inländischen Präsenz- wie auch Versandhandel geltenden Anforderungen – sind nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs nur dann geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, wenn sie Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich oder tatsächlich stärker beeinträchtigen als solche im Inland und somit faktisch diskriminieren (vgl. EuGH, Urteil vom 24. November 1993 – C-267/91, Slg. 1993, 6097 Rn. 16 – Keck und Mithouard; Urteil vom 11. Dezember 2003 – C-322/01, GRUR 2004, 174 Rn. 68 – Deutscher Apothekerverband). Die aufgezeigten Beschränkungen beeinträchtigen die im EU-Ausland ansässigen Apotheken nicht stärker als die im Inland ansässigen. Ein für die im EU-Ausland ansässigen Apotheken insoweit spezifisch wirkendes Marktzugangshindernis besteht nicht. Anders als bei der Preisbindung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (hierzu EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 – C-148/15, NVwZ 2016, 1793 – Deutsche Parkinson Vereinigung) kann ein wesentlich erschwerter Marktzutritt für die von der im EU-Ausland ansässigen Apotheke vertriebenen Arzneimittel vorliegend gerade nicht erkannt werden. Zum einheitlichen Verkaufspreis hat der Unionsgerichtshof hervorgehoben, dass dieser den Internetvertrieb in besonderer Weise beeinträchtige, als mit dem Preiswettbewerb für ausländische Versandapotheken im Vergleich zur im Inland ansässigen traditionellen Apotheke ein ungleich wichtigerer Wettbewerbsfaktor betroffen sei, weil es von ihm abhänge, ob die ausländischen Versandapotheken überhaupt einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt fänden und konkurrenzfähig blieben. Dass speziell die im EU-Ausland ansässige Apotheke für den Marktzugang im Versandhandel und den Erhalt der Konkurrenzfähigkeit elementar auf einen Vertrieb mittels eines Arzneimittel-Abgabeautomaten wie im Streitfall angewiesen wäre, zeigt die Berufung nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der natürliche Wettbewerbsnachteil des Arzneimittel-Versandhandels gegenüber dem Arzneimittel-Präsenzhandel, Patienten nicht durch Personal vor Ort individuell beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln nicht sicherstellen zu können, vermag ein solch elementares Bedürfnis nicht zu begründen. Vielmehr wirken die durch Vorgabe des Vertriebsorts und der Vertriebsart von Präsenz- und Versandapotheken gleichermaßen einzuhaltenden Sicherheitsgewährleistungen im Rahmen des Apothekenzwangs in Bezug auf die Absatzmöglichkeiten inländischer und ausländischer Apotheken unterschiedslos. Die Unzulässigkeit der im Streitfall beanstandeten Vertriebsform lässt es den inländischen wie ausländischen Versandapotheken unbenommen, vom Standort ihrer Apothekenräume aus Versandhandel durch Absendung aus der Apotheke und anschließende Auslieferung durch Individualzustellung oder über eine Abholstation zu betreiben. Der mit den Vorschriften des nationalen Rechts einhergehende Ausschluss der beanstandeten Vertriebsform kann als Ausprägung des Verkaufsvorbehalts für Apotheken verstanden werden, welcher als solcher vom Unionsgerichtshof bislang nicht als spezifisches Marktzugangshindernis angesehen worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Juni 1995 – C-391/92, Slg 1995, 1621, 1646 ff. – Kommission/Griechenland). |
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| (b) Im Übrigen wäre ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit zumindest nach Art. 36 AEUV zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt. |
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| Dies setzt voraus, dass die Beschränkungen geeignet sind, die Verwirklichung des verfolgten legitimen Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. |
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| Nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs ist bei der Prüfung, ob die Mitgliedstaaten die Bestimmungen des Unionsrechts über die Warenverkehrsfreiheit im Rahmen ihrer Verantwortung für die Festlegung der Gesundheitspolitik und die Organisation ihres Gesundheitswesens – wie des Apotheken- und Arzneimittelwesens – (Art. 168 Abs. 7 AEUV) beachtet haben, zu berücksichtigen, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen und die Mitgliedstaaten zu bestimmen haben, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dies erreicht werden soll. Da sich das Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, steht den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zu (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 – C-148/15, NVwZ 2016, 1793 Rn. 30 – Deutsche Parkinson Vereinigung; Urteil vom 19. Mai 2009 – C-171/07, NJW 2009, 2112 Rn. 19 – Apothekerkammer des Saarlandes). Zwar müssen die vom Mitgliedstaat vorgebrachten Rechtfertigungsgründe grundsätzlich den Nachweis einer tatsächlichen Gefahr für die Gesundheit erkennen lassen und muss das Vorbringen grundsätzlich von einer Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Maßnahme begleitet sein (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 – C-148/15, NVwZ 2016, 1793 Rn. 30 – Deutsche Parkinson Vereinigung). Der Unionsgerichtshof hat aber in seiner Entscheidung zum Fremdbesitzverbot ebenso entschieden, ohne diese Rechtsprechung in der Entscheidung zur Preisbindung aufzugeben (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 – C-148/15, NVwZ 2016, 1793 Rn. 44 – Deutsche Parkinson Vereinigung), dass die Mitgliedstaaten, wenn eine Ungewissheit wegen des Vorliegens oder der Bedeutung der Gefahren für die menschliche Gesundheit verbleibt, nicht zu warten brauchen, bis der Beweis für das Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht ist; vielmehr können sie dann Schutzmaßnahmen treffen. Außerdem können die Mitgliedstaaten diejenigen Maßnahmen ergreifen, die eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung einschließlich einer Gefahr für die sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung weitestgehend verringern (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Mai 2009 – C-171/07, NJW 2009, 2112 Rn. 30 – Apothekerkammer des Saarlandes). |
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| Die in Rede stehenden Beschränkungen als Modalitäten der Abgabe von Arzneimittel an Endverbraucher sichern – im Interesse der sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung – die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung zur Zwischenschaltung des Apothekers bei der Abgabe von Arzneimitteln ab. Der dem Gesetzgeber zustehende Wertungsspielraum ist hierdurch nicht überschritten. In der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten den Verkauf von Arzneimitteln im Einzelhandel grundsätzlich Apothekern vorbehalten können, wegen der Garantien, die diese bieten müssen, und der Informationen, die sie den Verbrauchern geben können müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Mai 2009 – C-171/07, NJW 2009, 2112 Rn. 34 – Apothekerkammer des Saarlandes). Die Verpflichtungen zur Abgabe von Arzneimitteln aus einer der staatlichen Zulassung und Überwachung unterliegenden Apotheke heraus, zur Prüfung und Kontrolle von Arzneimitteln vor Ort durch pharmazeutisches Personal und zur Dokumentation bei der Abgabe der Arzneimittel sind offensichtlich geeignet, ein hohes Schutzniveau für den Endverbraucher im Zusammenhang mit der Apothekenpflichtigkeit der Arzneimittel zu erzielen. Die Maßnahmen entsprechen auch der Einschätzung des Unionsgesetzgebers, wonach das gesamte Vertriebsnetz im Arzneimittelbereich von der Herstellung bis hin zur Abgabe an die Öffentlichkeit einer Kontrolle unterliegen muss, damit gewährleistet ist, dass Aufbewahrung, Transport und Handhabung von Arzneimitteln unter angemessenen Bedingungen erfolgen (vgl. RL 2001/83/EG, Erwägungsgrund 35). Es ist nicht ersichtlich, welches konkrete System bei geringeren Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit ebenso wirksam den Gefahren eines Arzneimittelfehlgebrauchs oder -missbrauchs oder der mangelnden Qualität des abzugebenden bzw. verschriebenen Arzneimittels entgegenwirken könnte. Die Arzneimittelabgabe im Wege des Arzneimittel-Abgabeautomaten wie im Streitfall setzt den Gefahren vielmehr keinerlei gleich wirksame Maßnahmen entgegen. Einer statistischen oder empirischen Beweisführung zur Rechtfertigung der in Rede stehenden Beschränkungen bedarf es vorliegend danach nicht, zumal sich die Argumentation der Beklagten darin erschöpft darauf abzustellen, dass das von ihr praktizierte Vertriebssystem eines Arzneimittel-Abgabeautomaten gerade die flächendeckende Versorgung verbessere, ohne auf die hierdurch primär betroffenen Aspekte der Arzneimittelsicherheit einzugehen. |
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| Erweisen sich die gesetzlichen Beschränkungen nach dem Vorstehenden zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen als geeignet und erforderlich, stehen sie zugleich im Einklang mit dem als Schranken-Schranke zu beachtenden, die wirtschaftliche Tätigkeit der (Versand-)Apotheken schützenden Grundrecht der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 GRCh iVm. Art. 51 Abs. 1 Satz 1, Art. 52 Abs. 1 GRCh). |
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| (2) Auch ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV liegt nicht vor. |
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| Der sachliche Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit ist neben der Warenverkehrsfreiheit allenfalls in Bezug auf die Beratungsleistung der Versandapotheke eröffnet. Diese Beratung – beim Arzneimittel-Abgabeautomaten in [A.] mittels eines Videoterminals – wird durch die im Streitfall in Rede stehenden Vorschriften des deutschen Rechts nicht behindert. |
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| cc) Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 – C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 1. Oktober 2015 – C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 – Doc Generici, mwN). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. |
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| 4. Das Landgericht hat die Beklagte – zutreffend und von der Berufung unbeanstandet – als Täter und mithin passivlegitimiert angesehen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen steuerte die Beklagte den Arzneimittelvertrieb mittels des Arzneimittel-Abgabeautomaten in [A.] eigenverantwortlich, setzte diesen ins Werk und wirkte zudem bewusst und gewollt mit der – nach der Behauptung der Beklagten das Arzneimittellager führenden – Gesellschaft [Y.] zusammen. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. § 713 ZPO, wonach Schuldnerschutzanordnungen zu unterbleiben haben, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen, ist im Streitfall – auch in Ansehung des Streitwerts von 10.000 EUR – nicht anzuwenden, weil eine die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO übersteigende Beschwer der Beklagten und damit eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht ausgeschlossen scheint. Gründe, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. |
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