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| Der vielfach und erheblich vorbestrafte Untergebrachte wurde durch Urteil des Landgerichts K vom 29.04.2014 (4 KLs 33 Js 13315/13), rechtskräftig seit dem 30.06.2014, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Daneben wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. |
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| Der Untergebrachte war in vorliegender Sache am 03.07.2013 in Untersuchungshaft genommen worden, die mit Unterbrechung durch den Vollzug von 15 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe durchgängig bis zum Eintritt der Rechtskraft am 30.06.2014 vollzogen wurde. Am 14.07.2014 wurde nach vorangegangener Organisationshaft mit dem Vollzug der Unterbringung nach § 63 StGB begonnen, zunächst im Zentrum für Psychiatrie (im Folgenden ZfP) R, seit dem 13.06.2016 im ZfP N und seit dem 21.11.2018 im ZfP S, wo sich der Untergebrachte auch derzeit noch befindet. |
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| Seit Dezember 2017 ist bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Heidelberg (erneut) ein Verfahren zur Prüfung der Fortdauer der Unterbringung (§ 67e StGB) anhängig. Die Strafvollstreckungskammer ordnete nach Einholung eines durch den Sachverständigen Dr. S erstatteten Gutachtens mit Beschluss vom 05.09.2018 die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten hob der Senat diese Fortdauerentscheidung mit Beschluss vom 05.11.2018 (2 Ws 292/18) auf und verwies die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurück. |
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| Noch bevor die Strafvollstreckungskammer über die Fortdauer der Unterbringung erneut entschieden hatte, hat die Staatsanwaltschaft K in einem unter dem 18.04.2019 an die Strafvollstreckungskammer gerichteten Schreiben beantragt, gegen den Untergebrachten gemäß § 66b StGB die nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen und gemäß § 275a Abs. 6 Satz 1 StPO einen Unterbringungsbefehl zu erlassen. Den beantragten Unterbringungsbefehl hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 17.06.2019 erlassen. Die vom Untergebrachten hiergegen eingelegte Beschwerde liegt dem Senat vor (2 Ws 257/19). |
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| Mit Beschluss vom 11.07.2019 hat die Strafvollstreckungskammer die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt erklärt und angeordnet, dass die „Restfreiheitsstrafe (...) unter den Bedingungen des Maßregelvollzuges in einem psychiatrischen Krankenhaus, hier im PZN W, vollzogen (wird).“ |
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| Gegen diese seinem Verteidiger am 17.07.2019 zugestellte Entscheidung hat der Untergebrachte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 18.07.2019 sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, dass die Begleitstrafe vollständig vollstreckt sei; im Übrigen wendet er sich gegen eine Verlegung in das ZfP N. |
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| Das unbeschränkt eingelegte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen den im Tenor genannten Beschluss ist statthaft (§ 463 Abs. 6 Satz 1, § 462 Abs. 3 Satz 1, § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO) und auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, hat in der Sache aber lediglich den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. |
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| 1. Die Strafvollstreckungskammer hat unter Berücksichtigung des vom Senat in vorliegender Sache im Beschluss vom 05.11.2018 (2 Ws 292/18) aufgezeigten rechtlichen Maßstabes - auf die dortigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen - und nach hinreichender Sachaufklärung zu Recht die Erledigung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB festgestellt. Der Senat teilt insoweit die sinngemäße eindeutige Einschätzung der Strafvollstreckungskammer, dass der psychische Zustand des Untergebrachten und dessen Auswirkungen auf die Tatbegehungen vom Tatgericht falsch eingeschätzt worden waren und es sich insoweit von vornherein um einen Fall der aus tatsächlichen Gründen erfolgten sogenannten Fehleinweisung handelte. Dies wird vom Untergebrachten - soweit ersichtlich - auch nicht in Zweifel gezogen. |
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| 2. Die im Urteil des Landgerichts K vom 29.09.2014 verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren ist durch Anrechnung von Untersuchungshaft, Organisationshaft und der Zeit des Maßregelvollzuges vollständig vollstreckt. Eine Entscheidung nach § 57 StGB ist daher nicht veranlasst. |
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| a) Die Strafvollstreckungskammer ist ohne weiteres davon ausgegangen, dass die Zeiten der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB in Anwendung der in § 67 Abs. 4 StGB vorgesehenen Anrechnungsregelung lediglich bis zu zwei Drittel der Freiheitsstrafe angerechnet werden dürften und - insoweit folgerichtig - auch unter Berücksichtigung weiter anrechnungsfähiger Haft ein noch zur Vollstreckung anstehender Strafrest verbleibe. Wenngleich nicht aus dem Tenor der Entscheidung, so doch aus den Beschlussgründen ergibt sich jedenfalls konkludent weiter, dass die Strafvollstreckungskammer die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Strafrestes nach § 57 StGB mangels günstiger Prognose als nicht gegeben erachtet hat, weswegen die Restfreiheitsstrafe auch tatsächlich zu vollstrecken sei. |
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| Der Annahme der Strafvollstreckungskammer, § 67 Abs. 4 StGB komme vorliegend zur Anwendung, folgt der Senat nicht. Die Zeiten des in vorliegender Sache erfolgten Maßregelvollzuges waren ausnahmsweise umfassend anzurechnen. Infolge dieser Anrechnung ist die Strafe mittlerweile bereits vollständig vollstreckt. |
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| 1) Es trifft zwar zu, dass § 67 Abs. 4 StGB die Anrechnung der Zeit der Unterbringung auf die Strafe auf zwei Drittel der Strafe begrenzt. Der Senat schließt sich aber der im Vordringen befindlichen obergerichtlichen Rechtsprechung an (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.12.2018 - 1 Ws 266/17, juris Rn. 23; OLG Bamberg, Beschluss vom 18.05.2018 - 1 Ws 183/18, juris Rn. 6; Beschluss vom 20.12.2017 - 1 Ws 735/17, juris Rn. 32 ff.; OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2017 - 4 Ws 305/16, juris Rn. 24; KG Berlin, Beschluss vom 27.01.2015 - 2 Ws 3/15, juris Rn. 29; Pollähne in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl. 2017, § 67 Rn. 19 a.E.; m.w.N. dezidiert a.A. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 05.02.2018 - 2 Ws 10/18, BeckRS 2018, 1055 Rn. 8 ff.; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 67 Rn. 22), nach der in entsprechender Anwendung von § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB ein bereits verbüßter Maßregelvollzug dann vollständig auf eine im selben Urteil verhängte Strafe anzurechnen ist, wenn - wie hier - die Unterbringung für erledigt erklärt wird, weil sie auf einer retrospektiv unrichtigen Einschätzung des psychopathologischen Zustandes beruhte. Die in den vorgenannten Entscheidungen des KG Berlin und vom Oberlandesgericht Bamberg zur Begründung des Bestehens einer durch entsprechende Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB zu schließenden Regelungslücke angestellten Erwägungen (KG a.a.O., juris Rn. 31 ff.; OLG Bamberg, Beschluss vom 18.05.2018 a.a.O, juris. Rn. 6, dort ausdrücklich in Widerspruch zur Rechtsprechung des OLG Hamburg a.a.O.; Beschluss vom 20.12.2017 a.a.O., juris Rn. 32 ff.) hält auch der Senat für beachtlich. |
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| 2) Ergänzend sei lediglich das Folgende bemerkt: Das Bundesverfassungsgericht hat in einer jüngeren Entscheidung, in der es § 67 Abs. 4 StGB, soweit er ausnahmslos die Anrechnung des Vollzuges einer Maßregel auf „verfahrensfremde Strafen“ ausschloss, für verfassungswidrig erklärt hat (BVerfG, Beschluss vom 27.03.2012 - 2 BvR 2258/09, BVerfGE 130, 372), betont, dass bei dem Nebeneinander von Freiheitsstrafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung bei der Kumulation der Maßnahmen die Freiheitsentziehung nicht übermäßig wirken darf und Anrechnungsausschlüsse nicht ohne Beziehung zu Grund und Ziel der Maßregel der Unterbringung erfolgen dürfen (BVerfG a.a.O., juris Rn. 60). Dabei hat es zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der zeitlichen Begrenzung der Anrechnung unter anderem den Umstand herangezogen, dass die zeitliche Begrenzung dazu beitragen könne, den Untergebrachten zur Mitwirkung an einer Therapie zu motivieren (BVerfG a.a.O., juris Rn. 63). Ist aber, wie hier, die Anordnung der Maßregel aufgrund einer Fehleinweisung erfolgt, kann demnach dieser Gesichtspunkt im Grundsatz nicht in gleicher Weise zum Tragen kommen (in diesem Sinne auch Peglau, jurisPR-StrafR 10/2018 Anm. 2, zum Beschluss des OLG Hamburg vom 10.02.2018 [2 Ws 10/18]). Auch vor diesem Hintergrund erscheint es dem Senat im Sinne der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts aus Art 2 Abs. 2 Satz 2 GG umso mehr geboten, hier eine uneingeschränkte Anrechnung vorzunehmen (vgl. auch nunmehr § 67 Abs. 6 StGB). |
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| b) Ist demnach die Zeit des Vollzugs der Unterbringung ebenso wie die verbüßte Untersuchungshaft und die Organisationshaft (siehe hierzu näher Fischer, StGB a.a.O. § 67 Rn. 23a) vollständig auf die sechsjährige Freiheitsstrafe anzurechnen, bedeutet dies, dass angesichts des mit Ausnahme eines 15-tägigen Vollzuges einer Ersatzfreiheitsstrafe aufgrund von durchgängig anrechnungsfähigem Freiheitsentzuges seit dem 03.07.2013 mittlerweile die Freiheitsstrafe durch Anrechnung vollständig vollstreckt ist. Die Frage, inwieweit der Vollzug der Restfreiheitsstrafe im ZfP S fortzusetzen ist, ist ebenso wie die Frage der vorzeitigen bewährungsweisen Entlassung (§ 57 StGB) damit obsolet. |
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| 3. Mit der Entlassung des Untergebrachten aus dem Maßregelvollzug tritt Führungsaufsicht ein. |
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| a) Zwar kommt Führungsaufsicht auf der Grundlage von § 67d Abs. 6 Satz 4 StGB nach der in der Rechtsprechung herrschenden und vom Senat geteilten Auffassung in Fällen der Erledigung wegen anfänglicher Fehleinweisung nicht in Betracht (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.12.2018 - 1 Ws 266/17, juris Rn. 23; OLG Bamberg, Beschluss vom 18.05.2018 - 1 Ws 183/18, juris Rn. 6, das zutreffend darauf hinweist, dass in den vorliegenden Fallgestaltungen die fehlerhafte Einweisung nicht zu einer zusätzlichen Grundrechtsbeeinträchtigung des fehlerhaft Untergebrachten in Gestalt der Führungsaufsicht nach § 67d Abs. 6 Satz 4 StGB führen darf; OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2017 - 4 Ws 305/16, juris Rn. 26; siehe insoweit auch OLG Rostock, Beschluss vom 16.01.2017 - 20 Ws 173/16, juris Rn. 28). |
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| Entgegen der insoweit abweichenden Auffassung des OLG Rostock (Beschluss vom 16.01.2017 - 20 Ws 173/16, juris Rn. 29) ergeben sich die Anordnungsvoraussetzungen der Führungsaufsicht jedoch aus § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2017 a.a.O., juris Rn. 26; OLG Bamberg, Beschluss vom 18.05.2018 a.a.O., juris Rn. 6; Beschluss vom 20.12.2017 - 1 Ws 735/17, juris Rn. 37; siehe auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, BeckRS 2017, 108555 Rn. 26). |
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| Der Untergebrachte hat aus den dargelegten Gründen die gegen ihn wegen zwei vorsätzlicher Straftaten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren infolge der Anrechnung vollständig verbüßt. Im Gegensatz zur Auffassung des OLG Rostock (a.a.O.) bestehen auch in den Fallgestaltungen, in denen die Erledigterklärung nach § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB auf einer Fehleinweisung beruht, keine grundsätzlichen Bedenken gegen die auf der Grundlage von § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB eintretende Führungsaufsicht, wenn der Untergebrachte nach der Erledigterklärung - wie hier - die Voraussetzungen nach § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB erfüllt. Im Anschluss an das OLG Bamberg (Beschluss vom 18.05.2018 a.a.O., juris Rn. 10 a.E.) sieht auch der Senat nicht, dass hier eine andere Beurteilung als in sonstigen Fällen der Anrechnung geboten wäre. Eine abweichende Handhabung in Fällen der Fehleinweisung wie dem vorliegenden ließe sich auch nach Auffassung des Senats mit dem Zweck der gesetzlichen Regelung des § 68f StGB nicht vereinbaren. Denn die Aufgabe der Führungsaufsicht, den Versuch zu unternehmen, zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilten Straftätern nach der Strafverbüßung eine Lebenshilfe für den Übergang in die Freiheitsstrafe zu geben, aber auch zu überwachen, greift im Grundsatz auch hier (näher OLG Bamberg, Beschluss vom 18.05.2018 a.a.O, juris Rn. 10, m.w.N.). |
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| b) Die Voraussetzungen für ein Nichteintreten der Führungsaufsicht gem. § 68 f Abs. 1 Satz 2 StGB liegen nicht vor. Die Strafvollstreckungskammer hat zwar, wie ausgeführt, in dieser Sache gegen den Untergebrachten einen Unterbringungsbefehl gemäß § 275a Abs. 6 StPO erlassen. Bei dem Freiheitsentzug aufgrund eines solchen Unterbringungsbefehls handelt es sich jedoch nicht um eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung. Nur bei Vorliegen einer solchen tritt aber die Führungsaufsicht trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 68 f Abs. 1 Satz 1 StGB nicht von Gesetzes wegen ein (in vergleichbarem Sinne [Auslieferungshaftbefehl] vgl. OLG München, Beschluss vom 19.10.2011 – 1 Ws 858/11, juris Rn. 12). |
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| c) Die Führungsaufsicht kann nicht entfallen (§ 68f Abs. 2 StGB). Denn es ist nicht zu erwarten, dass der Untergebrachte auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten begehen wird. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Schramm liegt eine günstige Legalprognose offenkundig nicht vor. Es handelt sich bei ihm um einen vielfach und erheblich vorbestraften Straftäter, bei dem nach dem Gutachten des Sachverständigen im Falle seiner Freilassung sehr wahrscheinlich mit gravierenden Straftaten wie ehemals bereits begangenen Taten (u.a. Raub, Erpressung) zu rechnen wäre. |
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| d) Weder zur Entscheidung, ob - wofür vorliegend allerdings nichts spricht - das Höchstmaß der zeitlichen Führungsaufsicht von fünf Jahren abzukürzen ist, noch für die Ausgestaltung der Führungsaufsicht ist der Senat berufen, da es sich insoweit um Ermessensentscheidungen der Strafvollstreckungskammer handelt und diese infolge ihrer Annahme, dass noch ein erheblicher Strafrest zum weiteren Vollzug anstünde, weder Anlass noch Raum für entsprechende Regelungen hatte. Die Akten sind daher zu diesem Zwecke an die Strafvollstreckungskammer zurückzugeben. |
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