Urteil vom Oberlandesgericht Koblenz (10. Zivilsenat) - 10 U 1394/10

Dem Kläger wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist gewährt.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 11. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Zahlung, weil der Beklagte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer fortgeführten selbstständigen Tätigkeit als Versicherungsvertreter Provisionen kassiert hat, die seiner Auffassung nach an sich Bestandteil der Insolvenzmasse waren.

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Durch Beschluss des Amtsgerichts O. vom 28.7.2005 wurde über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte war seit dem 21.12.2004 als selbstständiger Handelsvertreter tätig. Sein Einkommen setzte sich aus der Förderung des Arbeitsamtes und den Provisionen, die er für die Vermittlung von Versicherungsverträgen erhielt, zusammen. Dies hatte der Beklagte bereits im Insolvenzantragsverfahren in einer nicht-öffentlichen Sitzung vom 31.5.2005 mitgeteilt. Der Kläger hatte in einem ersten Bericht an das Insolvenzgericht vom 12.9.2005 ausgeführt, dass der Beklagte Provisionen von der A. Versicherung AG für den Vertrieb von Versicherungen erhalte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte der Beklagte seine Tätigkeit als Handelsvertreter weitergeführt. Er beschäftigte mehrere Mitarbeiter und bestritt die Bürokosten sowie die Personalkosten und Ähnliches aus den eingenommenen Provisionen.

3

Mit Schreiben vom 14. September 2007 hatte der Kläger die selbstständige Tätigkeit des Beklagten freigegeben. Die Parteien hatten sich darauf geeinigt, dass der Beklagte ab September 2007 monatlich 500 € aus seinen Einnahmen an die Insolvenzmasse zahlt.

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Der Kläger hat vorgetragen:

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In den Abrechnungsmonaten September 2005 bis März 2007 habe der Beklagte aus der vorbezeichneten selbstständigen Tätigkeit Einkünfte von 48.458,53 € und 64.649,63 €, mithin insgesamt 113.008,16 €, erzielt. Diese Beträge gehörten zur Insolvenzmasse. Der Kläger meint, der Beklagte müsse deshalb Geldbeträge in gleicher Höhe an ihn abführen.

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Der Kläger hat beantragt,

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1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 48.358,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.8.2006 zu zahlen;

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2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 64.649,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2007 zu zahlen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat die Klage für unzulässig gehalten und vorsorglich die Einrede der Verjährung erhoben. Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, nichts an den Kläger zahlen zu müssen, weil auch die Rückstände aus der Zeit vor September 2007 von der Vereinbarung der Parteien vom September 2007 erfasst seien.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Wegen der Einzelheiten der Begründung der landgerichtlichen Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

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Der Kläger ist der Auffassung, dass sich der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 148 InsO in Verbindung mit § 35 InsO ergebe. Die Meinung des Landgerichts Koblenz, dass § 148 InsO nur bewegliche Sachen betreffe, sei fehlerhaft. Nach dieser Vorschrift könne der Kläger vielmehr auch die Zahlung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit verlangen. Die streitgegenständlichen Forderungen seien von der A. an den Beklagten geleistet worden. Diese sei gemäß § 82 InsO von ihrer Leistungspflicht an den Kläger befreit, da sie zur Zeit der Leistung der streitgegenständlichen Forderung an den Beklagten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gekannt habe. Als Rechtsfolge könne der Kläger die Forderung von dem Beklagten als Insolvenzschuldner verlangen.

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Der Kläger beantragt,

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unter Abänderung des angefochtenen Urteils, den Beklagten zu verurteilen an den Kläger 48.358,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.8.2006 sowie weitere 64.649,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2007 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Der Beklagte trägt vor:

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der vorliegende Rechtsstreit resultiere daraus, dass der Kläger sich nicht zeitnah um das Verfahren gekümmert habe. Er habe seine sich aus der Insolvenzordnung ergebenden Verpflichtungen nachhaltig verletzt. Seine, des Beklagten, Tätigkeit sei bereits im Insolvenzantragsverfahren bekannt gewesen. Die Anschrift der A. sei dem Kläger bekannt gewesen, zumindest hätte er sie problemlos mit einem Blick ins Internet erfahren können. Da er dies nicht getan und offensichtlich auch die A. nicht über das Verfahren informiert habe, habe er den Geschäftsbetrieb des Beklagten offensichtlich bewusst laufen lassen, um später - gestützt auf welche Anspruchsgrundlage auch immer - Ansprüche gegenüber dem Beklagten geltend machen zu können. Nach § 148 InsO sei der Kläger verpflichtet gewesen, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Wenn er aber dieser Verpflichtung nicht nachkomme, mithin das Vermögen nicht zur Masse ziehe, könne dies notwendigerweise auch nicht Massebestandteil werden. Er könne nicht die Einnahmen verlangen, den Schuldner aber andererseits die mit der Fortführung des Betriebes verbundenen Kosten tragen lassen. Die weitere Tätigkeit des Beklagten habe im Interesse aller Insolvenzgläubiger gelegen. Aufgrund seiner Tätigkeit seien erhebliche Zahlungen an den Beklagten erfolgt, die dieser bisher aber nicht offen gelegt habe. Soweit es den streitgegenständlichen Zeitraum anbelange, sei davon auszugehen, dass der Kläger zumindest konkludent den Geschäftsbetrieb freigegeben habe. Eine Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers gebe es nicht.

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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

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Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

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Dem Kläger ist wegen der Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er aufgrund der unzureichenden Insolvenzmasse vor Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne sein Verschulden an der Einhaltung der genannten Fristen verhindert war.

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Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu.

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Die Klage ist zulässig. Insbesondere kann im vorliegenden Fall das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht verneint werden. Zwar benötigt der Insolvenzverwalter grundsätzlich kein in einem Rechtsstreit gegen den Insolvenzschuldner ergangenes Urteil, um die zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände, d.h. unbewegliche und bewegliche Sachen sowie Forderungen gegen Dritte, auch soweit sie in einem auf den Namen des Schuldners lautenden Bankkonto bestehen, gemäß seiner Verpflichtung nach § 148 InsO in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Soweit vom Schuldner die Herausgabe beweglicher Sachen - dazu gehören auch in seinem Besitz befindliche Geldmittel - verweigert wird, kann der Insolvenzverwalter mittels einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses die Zwangsvollstreckung nach §§ 803 ff. ZPO betreiben. Soweit Forderungen gegen Dritte in Rede stehen hat der Insolvenzverwalter die einfache Möglichkeit, die Drittschuldner von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu informieren und Leistung an sich selbst zu verlangen. Einen gesonderten Titel gegen den Insolvenzschuldner benötigt er hierzu nicht. Sofern es darum geht, dass der Insolvenzverwalter Gegenstände der Insolvenzmasse in seinen Besitz und seine Verwaltung bringen will, fehlt damit einer Klage gegen den Insolvenzschuldner das Rechtsschutzbedürfnis, da das erstrebte Ziel mit den Mitteln des Insolvenzrechts ohne gesonderten Titel gegen den Insolvenzschuldner erreicht werden kann.

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Zwar gehören die Provisionseinnahmen, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind, nach § 35 InsO als Neuerwerb des Insolvenzschuldners ebenfalls zur Insolvenzmasse, da sie angefallen sind, bevor der Kläger die selbstständige Handelsvertretertätigkeit des Insolvenzschuldners freigegeben hat. Gleichwohl kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass es dem Kläger möglich sein könnte, diese Einnahmen in seine Verwaltung zu bringen. Es ist nicht ersichtlich, dass die in Rede stehenden Beträge noch isoliert dem Zugriff des Klägers offen stünden. Weder kann festgestellt werden, dass der Beklagte diese Gelder als Bargeld aufbewahrt, so dass sie einer Pfändung durch den Gerichtsvollzieher zugänglich wären, noch ist ersichtlich, dass sie auf einem Bankkonto, auf welches der Kläger Zugriff nehmen könnte, aussonderbar vorhanden sind. Nach dem Vortrag des Beklagten, dass er die Kosten seiner Geschäftstätigkeit damit bestritten hat, ist davon auszugehen, dass die Provisionseinnahmen, die der Kläger in der Zeit von September 2005 bis März 2007 erhalten hat, nicht mehr vorhanden sind, im Übrigen jedenfalls mangels gegenteiliger Anhaltspunkte verbraucht sind.

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Es geht damit im vorliegenden Rechtsstreit nicht darum, dass der Kläger als Insolvenzverwalter Teile der Insolvenzmasse vom Schuldner herausverlangt, sondern darum, dass der Kläger auf nachträglich erworbenes und insolvenzfreies Vermögen des Schuldners Zugriff nehmen will, um damit Verluste auszugleichen, welche zum Nachteil der Insolvenzmasse dadurch entstanden sind, dass der Schuldner Ansprüche, die zur Insolvenzmasse gehörten, eingezogen und für sich verbraucht hat. Um auf das neu entstandene insolvenzfreie Vermögen des Schuldners Zugriff nehmen zu können, benötigt der Insolvenzverwalter jedoch einen eigenständigen Titel. Damit besteht für die vorliegende Klage ein Rechtsschutzbedürfnis. Sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit sind nicht ersichtlich.

27

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu.

28

Eine Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ergibt sich entgegen dessen Auffassung nicht aus § 148 InsO. Nach dieser Vorschrift hat der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts werden hiervon nicht nur bewegliche Sachen erfasst, sondern das gesamte Vermögen, also auch Forderungen. Es ist jedoch nicht vorgesehen, dass der Insolvenzverwalter, um die ihm durch § 148 Abs. 1 InsO auferlegte Pflicht erfüllen zu können, Klage gegen den Insolvenzschuldner auf Herausgabe der zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände erheben müsste. Vielmehr ist gemäß § 148 Abs. 2 InsO der Eröffnungsbeschluss selbst Titel und mit einer vollstreckbaren Ausfertigung desselben kann die Herausgabe der Sachen, die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden, im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Soweit Forderungen betroffen sind, enthält der Eröffnungsbeschluss das an die Drittschuldner gerichtete Verbot, an den Schuldner keine Befreiung von der Schuld eintritt und gegebenenfalls an den Insolvenzverwalter erneut geleistet werden muss. In Bezug auf Forderungen bedarf es damit lediglich der Mitteilung an die Drittschuldner von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nebst Aufforderung, Leistungen nur noch an den Insolvenzverwalter zu erbringen.

29

Damit hätte es der Kläger in der Hand gehabt, die von der A. an den Beklagten ausgezahlten Provisionen zeitnah mit ihrem Entstehen zur Insolvenzmasse zu ziehen, indem er der A. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mitgeteilt hätte. Er kann sich nicht darauf berufen, dass der Beklagte ihm insoweit keine Auskunft erteilt hätte. Wie sich aus dem von ihm selbst erstellten Bericht an das Insolvenzgericht vom 12.9.2005 ergibt, war ihm bekannt, dass der Beklagte als selbstständiger Handelsvertreter Provisionseinnahmen von der A. Versicherung AG hatte. Eine Kenntnis der genauen Höhe der Provisionen war nicht erforderlich, um die A. Versicherung AG zur Leistung an den Kläger aufzufordern.

30

Weiterhin rechtfertigt § 148 InsO lediglich den Zugriff des Insolvenzverwalters auf die Insolvenzmasse. Ein Zahlungsanspruch, mithilfe dessen ein Zugriff auf neu erworbenes insolvenzfreies Vermögen möglich wird, lässt sich dieser Bestimmung nicht entnehmen.

31

Der geltend gemachte Zahlungsanspruch des Klägers ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht gemäß § 816 Abs. 2 BGB. Zwar wurden an den Beklagten mit den Provisionszahlungen der A. Versicherung AG Leistungen erbracht, die Bestandteile der Konkursmasse waren und damit an den Kläger hätten erbracht werden müssen. Diese Zahlungen sind auch nicht dadurch zur Konkursmasse gelangt, dass der Beklagte sie an den Kläger herausgegeben hätte. Unter Berücksichtigung des beiderseitigen Sachvortrages ist auch davon auszugehen, dass diese Leistungen an den Beklagten dem Kläger gegenüber wirksam waren, da nicht ersichtlich ist, dass eine der Parteien die A. Versicherung AG als Drittschuldnerin darauf hingewiesen hätte, dass über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Damit wurde die Drittschuldnerin gemäß § 82 InsO von ihrer Pflicht zur Leistung frei und der Kläger konnte von ihr nicht erneut Zahlung verlangen.

32

Gegenüber diesem Anspruch kann sich der Beklagte auf Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen. Bereits mit der Klageerwiderung mit Schriftsatz vom 6. 9. 2010 hat der Beklagte geltend gemacht, dass er mit den Provisionseinnahmen die laufenden Kosten für seinen Geschäftsbetrieb als Handelsvertreter bestritten habe und sich damit in der Sache auf einen Wegfall der Bereicherung berufen. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten, vielmehr hatte er bereits mit Schreiben vom 21.8.2006, gerichtet an den Beklagten, ausgeführt, dass nach einer im vorliegenden betriebswirtschaftlichen Auswertung im Jahr 2005 der Gesamtbetrag der Erträge 69.022,50 € umfasst habe, die Aufwendungen 66.806,84 € betragen hätten. Dass der Beklagte die Einnahmen in ihrer Gesamtheit verbraucht hat, wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Der Kläger hat sich insoweit lediglich darauf berufen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Einkünfte des Schuldners aus selbstständiger Tätigkeit in vollem Umfang und ohne Abzug zur Insolvenzmasse gehören und nicht nur der sich aus der Verminderung der Einnahmen um die betrieblich veranlassten Ausgaben ergebende Gewinn. Davon ist jedoch nur dann auszugehen, wenn aufgrund von zur Insolvenzmasse gehörenden Ansprüchen Gelder eingezogen werden. Diese stehen in vollem Umfang dem Insolvenzverwalter zu, der seinerseits entscheiden muss, ob und in welchem Umfang ein Betrieb des Schuldners fortgeführt wird, und der die zur Fortführung des Betriebes erforderlichen Geldmittel aus den von ihm realisierten Forderungen und den eingezogenen Geldern zur Verfügung stellen muss. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs betrifft jedoch nicht die Frage, ob der Insolvenzschuldner, der Gelder, die zur Insolvenzmasse gehören, eingezogen und verbraucht hat, sich gegenüber einem bereicherungsrechtlichen Zahlungsanspruch, mit welchem auf sein später erworbenes insolvenzfreies Vermögen zugegriffen werden soll, auf Wegfall der Bereicherung berufen kann.

33

Eine verschärfte Haftung des Beklagten gemäß § 819 BGB greift vorliegend nicht ein. Zwar wusste er, dass über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, und konnte damit auch davon ausgehen, dass seine Provisionseinnahmen aus der Tätigkeit als selbstständiger Handelsvertreter grundsätzlich in die Insolvenzmasse fallen. Andererseits wusste er aber auch, dass dem Kläger als Insolvenzverwalter diese Tätigkeit bekannt war. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten hat der Kläger zu keiner Zeit den Geschäftsbetrieb selbst übernommen oder die Tätlichkeit des Beklagten auch nur überwacht. Er hat sich nicht - wie es seine Pflicht gewesen wäre - an die Drittschuldnerin gewandt und die Zahlung der verdienten Provisionen als zur Insolvenzmasse gehörig an sich selbst verlangt. Erst im September 2007, also mehr als zwei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, hat er mit dem Beklagten eine Vereinbarung über die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit und eine Verpflichtung des Beklagten, monatlich einen bestimmten Betrag zur Insolvenzmasse zu zahlen, getroffen. Dabei ging der Beklagte davon aus, dass ein Teil dieser Zahlung auf die Rückstände angerechnet werden sollte, wie sich aus dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16.10.2006 (Anlage B4 Bl. 109 d. A.) ergibt. Insgesamt konnte der Beklagte das Verhalten des Klägers jedenfalls im Rahmen von § 819 BGB dahin verstehen, dass dieser konkludent die selbstständige Tätigkeit als Handelsvertreter freigegeben hatte und dass er grundsätzlich die Einnahmen für die Aufrechterhaltung seines Betriebes sowie seinen Lebensunterhalt verwenden konnte, so dass er aufgrund des Verhaltens des Klägers davon ausgehen konnte, dass er berechtigt war, die Provisionszahlungen in Empfang zu nehmen und zu verbrauchen. Er konnte weiterhin davon ausgehen, dass es zwischen den Parteien nur um die Frage ging, in welcher Höhe er Beiträge zur Insolvenzmasse aus seinen Einnahmen würde leisten müssen. Er brauchte nicht damit zu rechnen, dass der Kläger, der seine rechtlichen Möglichkeiten, die gesamten Provisionseinnahmen an sich zu ziehen, nicht nutzte, nach mehreren Jahren von ihm die Herausabgabe seiner gesamten Einnahmen verlangen würde, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass er diese zur Aufrechterhaltung des Betriebes ausgegeben hatte.

34

Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 283 ff. StGB. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die dort genannten Insolvenzdelikte sind nicht gegeben.

35

Da somit das Landgericht im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen hat, ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

36

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 238 Abs. 4, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

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Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind.

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Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 113.008,16 € festgesetzt.

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