Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (2. Senat für Familiensachen) - 9 WF 262/21
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts -
Familiengericht - Betzdorf vom 11.02.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenpflichtig, eine Erstattung außergerichtlicher
Kosten findet nicht statt.
Gründe
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Die nach §§ 113 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht (§§ 569 Abs. 1, 2 ZPO) erhobene sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 05.03.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Betzdorf vom 11.02.2021, mit dem die der Antragstellerin mit Beschluss vom 23.09.2019 bewilligte Verfahrenskostenhilfe aufgehoben wurde, ist nicht begründet.
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Die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe rechtfertigt sich aus §§ 113 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. ZPO. Danach soll das Gericht die Verfahrenskostenhilfe aufheben, wenn der Beteiligte absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat.
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Die Aufhebung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nach dieser Vorschrift knüpft an die Verpflichtung der Verfahrenskostenhilfepartei nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 117 Abs. 2 ZPO an, ihrem Antrag eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beizufügen, so dass das Gericht feststellen kann, ob die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 115 ZPO erfüllt sind (BeckOK ZPO/Kratz, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 124 Rn. 17). Unrichtig sind die Angaben, wenn sie objektiv falsch oder unvollständig sind. Nicht angegeben werden müssen Vermögenswerte, von denen die Verfahrenskostenhilfepartei ohne jeden vernünftigen Zweifel annehmen darf, dass es auf sie für die Entscheidung nicht ankommt (BGH FamRZ 2004, 177), etwa auf längere Sicht noch nicht fällige oder mit Sicherheit auf Dauer nicht realisierbare Ansprüche. Zur Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben führen jedoch das Verschweigen des Bezugs von Unterhaltsleistungen (LAG RhPf BeckRS 2008, 58122) oder eines Sparguthabens (OLG Zweibrücken OLGR 2007, 958; vgl. insgesamt BeckOK ZPO/Kratz, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 124 Rn. 17, 17.1). Unerheblich ist es insoweit, wenn die Partei meint, sie brauche die Einkünfte nicht anzugeben, weil diese ohnehin aufgezehrt würden (Musielak/Voit/Fischer, 18. Aufl. 2021 Rn. 5, ZPO § 124 Rn. 5).
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Die Aufhebung der Bewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO setzt weiterhin voraus, dass die Verfahrenskostenhilfepartei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit falsche Angaben gemacht hat. Grob nachlässig handelt der Beteiligte, wenn er bei der Zusammenstellung und Überprüfung seiner selbst oder durch einen Dritten (OLG Bamberg JurBüro 1989, 510) gefertigten Angaben die sich jedermann aufdrängende Sorgfalt vermissen lässt. Leichte oder einfache Fahrlässigkeit ist nicht ausreichend. Wer zum laufenden Einkommen, zum vorhandenen Kapital und seinem Grundvermögen unzutreffende Angaben macht, handelt in der Regel mindestens grob fahrlässig (OLG München OLGR 1993, 271; BeckOK ZPO/Kratz, 40. Ed. 1.3.2021 Rn. 18, ZPO § 124 Rn. 18).
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Danach liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung vor.
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Die Antragstellerin machte in ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unvollständige und damit unrichtige Angaben über ihre Vermögensverhältnisse. Denn sie verfügte bereits zum Zeitpunkt der Beantragung der Verfahrenskostenhilfe über Vermögen in Form eines Sparversicherungsvertrages mit einem Wert von rund 20.000 Euro, über das die Antragstellerin in ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 04.09.2019 keinerlei Angaben machte. Der Antragsgegner hatte bereits in der Antragserwiderung vom 14.10.2019 auf den Sparbetrag von 20.000 Euro, welcher der Antragstellerin spätestens seit ihrer Volljährigkeit - mithin seit Februar 2018 - zur Verfügung gestanden habe, hingewiesen. Der Bestand dieses Vermögensbetrages wurde von der Antragstellerin auch nicht in Abrede gestellt.
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Vielmehr räumt die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung ein, ihr sei eine Ausbildungsversicherung, die ihre Eltern abgeschlossen hätten, ausbezahlt worden. Hiervon habe sie während ihrer Ausbildung den Lebensunterhalt bestreiten wollen. Schriftliche Unterlagen über ihr Vermögen legte sie hingegen entgegen der Aufforderung des Senats vom 27.04.2021 indes nicht vor.
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Die Antragstellerin handelte jedenfalls grob fahrlässig. Bei den von der Antragstellerin verschwiegenen 20.000 Euro handelt es sich um einen erheblichen Vermögenswert, von dem sie auch ihren Lebensunterhalt bestreiten wollte, sodass ohne Weiteres erkennbar war, dass dieser für die Bewertung ihrer Bedürftigkeit im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe von Relevanz sein würde.
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Soweit die Antragstellerin angibt, der Sparvertrag sei von ihren Eltern zur Finanzierung ihrer Ausbildung nach Erreichen des Abiturs abgeschlossen worden, steht dies dem Verschulden nicht entgegen. Insbesondere kann sich die Antragstellerin nicht darauf berufen, sie sei davon ausgegangen, den Sparbetrag im Verlaufe ihrer Ausbildung aufzuzehren. Vielmehr verbleibt es dabei, dass für sie erkennbar war, dass es sich bei dem Sparbetrag um einen zu beauskunftenden Vermögenswert handelte.
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Offen bleiben kann, ob es neben den oben genannten Voraussetzungen erforderlich ist, dass die unvollständigen Angaben kausal für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe waren (vgl. hierzu BeckOK ZPO/Kratz, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 124 Rn. 19; Musielak/Voit/Fischer, 18. Aufl. 2021, ZPO § 124 Rn. 2, jeweils m.w.N.).
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Denn die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe beruhte im vorliegenden Fall auf den unvollständigen Angaben der Antragstellerin.
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Verfahrenskostenhilfe kann nur bewilligt werden, wenn ein Beteiligter nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Verfahrensführung nicht aufbringen kann, weil dazu weder sein Einkommen (§ 115 Abs. 1 ZPO) noch sein Vermögen (§ 115 Abs. 3 ZPO) ausreicht (MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020 Rn. 51, ZPO § 114 Rn. 51). Zu berücksichtigen ist das gesamte Vermögen, soweit es der Antragstellerin zumutbar ist, dieses zur Bestreitung der Verfahrenskosten im Wege der Veräußerung oder Beleihung oder auf sonstige Weise in flüssige Mittel umzusetzen (MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020, ZPO § 115 Rn. 70).
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Bargeld, Sparguthaben und andere Geldanlagen sind grundsätzlich Vermögenswerte, die zur Bestreitung der Verfahrenskosten einzusetzen sind. Soweit dies zumutbar ist, kann Verfahrenskostenhilfe daher nicht bewilligt werden (MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020, ZPO § 115 Rn. 77). Auch sonstiges Kapitalvermögen ist grundsätzlich zum Zweck der Prozessfinanzierung einzusetzen, soweit das Vermögen nicht gemäß § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII als staatlich gefördertes Altersvorsorgevermögen geschützt ist und soweit ihr durch Kündigung, Verkauf oder Beleihung erzielbarer Wert das Schonvermögen im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII in Höhe von derzeit 5.000,- Euro (vgl. BeckOK ZPO/Reichling, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 115 Rn. 80, 83) überschreitet. Dies gilt auch dann, wenn das Vermögen der Altersvorsorge zu dienen bestimmt ist (BeckOK ZPO/Reichling, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 115 Rn. 83.2). Denn die Zweckbestimmung einer Geldanlage besagt noch nichts über die Zumutbarkeit ihres Einsatzes, die jedoch allein maßgeblich ist. Außerdem werden größere Vermögenswerte häufig zweckbestimmt angelegt, so dass sie schon dadurch einer Anrechnung entzogen wären, wenn es ganz allgemein auf die Zweckbestimmung ankäme. Richtigerweise ist daher darauf abzustellen, ob dem Antragsteller die Verwertung von Geldanlagen nach der besonderen Art ihrer anderweitigen Zweckbestimmung im Einzelfall zugemutet werden kann (MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020 Rn. 80, ZPO § 115 Rn. 80).
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Danach war das Vermögen der Antragstellerin für die Verfahrenskosten einzusetzen. Der Vermögenswert übersteigt das Schonvermögen von 5.000 Euro erheblich. Der beabsichtigte Verwendungszweck der Finanzierung der Ausbildungskosten hindert die Verpflichtung zum Einsatz des Vermögens für die Verfahrenskosten nicht, sodass die Antragstellerin insgesamt nicht bedürftig war und Verfahrenskostenhilfe nicht hätte bewilligt werden dürfen.
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Gleichfalls liegt der Aufhebungsgrund des §§ 113 Abs. 1 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor, wonach die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aufgehoben werden soll, wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Verfahrenskostenhilfe zum Bewilligungszeitpunkt nicht vorgelegen haben. Ebenso wie § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO setzt der Tatbestand die falsche oder die unvollständige Angabe der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Verfahrenskostenhilfepartei voraus, hier allerdings, ohne dass diese daran ein Verschulden oder jedenfalls nur ein solches unterhalb der groben Nachlässigkeit trifft (BeckOK ZPO/Kratz, 40. Ed. 1.3.2021 Rn. 22, ZPO § 124 Rn. 22).
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Auch dies ist vorliegend der Fall. Aus den oben dargelegten Gründen war die Antragstellerin gehalten, ihr Vermögen, welches sie im Rahmen des Bewilligungsverfahrens nicht offenbarte, für die Verfahrenskosten einzusetzen, sodass sie nicht bedürftig war und die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe nicht gegeben waren.
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Da das Unterhaltsverfahren erst im Jahr 2020 beendet wurde, ist die Aufhebung nach dieser Vorschrift auch nicht nach § 124 Abs. 1 Nr. 3, 2. HS ZPO ausgeschlossen.
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Liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 ZPO vor, so soll die Bewilligung aufgehoben werden.
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Die Entscheidung hierüber steht im gebundenen Ermessen des Richters. Im Regelfall ist die Bewilligung aufzuheben. Ausnahmen können in Betracht kommen mit Blick auf das (geringe) Maß an Verschulden, soweit dies erforderlich ist, die ggf. unverhältnismäßigen Auswirkungen der Aufhebung für die weitere Prozessführung und ein ggf. weit höherwertiges schutzwürdiges Vertrauen der Partei in den Bestand der einmal ergangenen Verfahrenskostenhilfebewilligung (BeckOK ZPO/Kratz, 40. Ed. 1.3.2021 Rn. 6, ZPO § 124 Rn. 6).
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Danach ist die Entscheidung des Amtsgerichts über die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung nicht zu beanstanden. Nachteile für das Unterhaltsverfahren entstehen nicht, nachdem dieses bereits im Jahr 2020 beendet wurde. Auch im Übrigen ist weder von der Antragstellerin vorgetragen noch erkennbar, dass mit der Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung für sie Nachteile verbunden sind, die einer Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung entgegenstehen.
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Insgesamt erfolgte die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe aus diesen Gründen zu Recht, so dass die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen war.
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Referenzen
- ZPO § 569 Frist und Form 1x
- ZPO § 115 Einsatz von Einkommen und Vermögen 4x
- ZPO § 127 Entscheidungen 1x
- ZPO § 117 Antrag 1x
- ZPO § 113 Fristbestimmung für Prozesskostensicherheit 6x
- § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 2 Bedeutung des Wertes 1x
- ZPO § 1 Sachliche Zuständigkeit 1x
- § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 124 Aufhebung der Bewilligung 5x