Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (2. Strafsenat) - 2 Ws 682/21

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Einziehungsbeteiligten …[A] wird der Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Trier vom 21. Juli 2021 mit den Feststellungen, auch mit Wirkung für die weitere Einziehungsbeteiligte ...[B], aufgehoben.

2. Das selbständige Einziehungsverfahren gegen die Einziehungsbeteiligten ...[A] und ...[B] wird eingestellt.

3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Einziehungsbeteiligten ...[A].

Gründe

I.

1

Die Staatsanwaltschaft Trier hat mit Verfügung vom 25. Januar 2021 aus dem Verfahren 8031 Js 8550/20 gegen die beiden Einziehungsbeteiligten ...[A] und ...[B] ein selbständiges Einziehungsverfahren eingeleitet (Bl. 1 d.A.). Mit Antragsschrift vom 12. Februar 2021 hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Trier die selbständige Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen die Einziehungsbeteiligten in einer Gesamthöhe von 119.587,42 Euro beantragt (Bl. 363 ff. d.A.). In der Antragsschrift wird hinsichtlich der tatsächlichen Umstände der den Einziehungsbeteiligten angelasteten Straftaten auf die gegen sie ergangenen Haftbefehle Bezug genommen. Eine weitere Bezugnahme erfolgt ohne erkennbare nähere Verknüpfung auf die Anklageschrift im Verfahren 8031 Js 9574/19 gegen die gesondert verfolgten ...[C] und ...[D] sowie ...[E]. Außerdem verweist die Antragsschrift hinsichtlich der Einzelheiten zu den nicht näher beschriebenen Tathandlungen in den ebenfalls nicht näher dargestellten Fällen 1 bis 26 und den daraus erzielten Taterträgen sowie zu einer nicht weiter ausgeführten Schätzgrundlage von Taterträgen auf einen Bericht des EPHK ...[F] vom 20. Januar 2021.

2

Auf Verfügung der Vorsitzenden vom 17. Februar 2021 (Bl. 369 Rs. d.A.) wurde den Verteidigern, für die sich eine Vollmacht für das selbständige Einziehungsverfahren nicht bei den Akten befand, die Antragsschrift gegen Empfangsbekenntnis mit dem Hinweis zugestellt, dass Gelegenheit zur Stellungnahme binnen eines Monats bestehe. Der Verteidiger des Einziehungsbeteiligten ...[A] zeigte dem Landgericht seine Bevollmächtigung in einem Schriftsatz am 23. Februar 2021 und den Empfang der Antragsschrift unter Bestätigung seiner diesbezüglichen Legitimation mit Bekenntnis vom 24. Februar 2021 (Bl. 373 d.A.) an. Ein entsprechendes Empfangsbekenntnis des Verteidigers der Einziehungsbeteiligten ...[B] belegt den Empfang der Antragsschrift für den gleichen Tag (Bl 372 d.A.).

3

Mit Beschluss vom 21. Juli 2021 ordnete das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in das Vermögen der Einziehungsbeteiligten in Höhe von 119.587,42 Euro an und erklärte insoweit deren gesamtschuldnerische Haftung.

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Der Beschluss wurde auf Verfügung der Vorsitzenden vom 21. August 2021 (Bl. 411 d.A.) dem am 8. März 2021 antragsgemäß zum Pflichtverteidiger bestellten Verteidiger des Einziehungsbeteiligten ...[A] am 28. Juli 2021 (Bl. 432 d.A.) und dem Verteidiger der Einziehungsbeteiligten ...[B] am 11. August 2021 (Bl. 435 d.A.) jeweils gegen Empfangsbekenntnisse zugestellt, in denen beide Verteidiger ihre Legitimation zum Empfang erklärten.

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Der Einziehungsbeteiligte ...[A] hat mit am 4. August 2021 beim Landgericht Trier eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers (Bl. 434 d.A.) gegen den Beschluss des Landgerichts Trier vom 21. Juli 2021 sofortige Beschwerde eingelegt. Entgegen seiner Ankündigung ist eine Begründung unterblieben.

6

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer dem Verteidiger des Einziehungsbeteiligten ...[A] bekanntgemachten Stellungnahme vom 3. November 2021 beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

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1. Die sofortige Beschwerde des Einziehungsbeteiligten ...[A] ist gemäß §§ 436 Abs. 2, 434 Abs. 2 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden. Die Zustellungen an die Verteidiger war aufgrund ihrer erklärten Legitimation zum Empfang wirksam. Die Einlegung erfolgte innerhalb der einwöchigen Beschwerdefrist gemäß §§ 436 Abs. 1, 434 Abs. 2, 311 Abs. 2 StPO.

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2. Die sofortige Beschwerde ist begründet und führt für die beiden von der Entscheidung betroffenen Einziehungsbeteiligten zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Einstellung des Verfahrens wegen nicht behebbarer Verfahrenshindernisse.

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a) Die Entscheidung im selbständigen Einziehungsverfahren setzt als Sachurteilsvoraussetzungen eine ausreichende Antragsschrift sowie grundsätzlich eine vorherige Eröffnungsentscheidung voraus, die hier jedoch nicht bzw. nicht in der gebotenen Form vorliegen.

10

aa) Die erhobene Antragsschrift genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

11

Bei dem Antrag handelt es sich damit um eine von Amts wegen zu beachtende Prozessvoraussetzung (MüKoStPO/Scheinfeld/Langlitz, 1. Aufl., StPO § 435 Rn. 9; KK-StPO/Schmidt, 8. Aufl., StPO § 435 Rn. 12). § 435 Abs. 2 Satz 1 StPO bestimmt, dass in dem Antrag auf selbständige Anordnung der einzuziehende Gegenstand oder der Geldbetrag, der dessen Wert entspricht, eindeutig bezeichnet werden muss. Der Antrag muss wegen der Verweisung in § 435 Abs. 2 Satz 3 StPO auf § 200 StPO zudem den an eine Anklageschrift zu stellenden Anforderungen in formaler und inhaltlicher Hinsicht – insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Bezeichnung der Anlasstat – genügen (BeckOK StPO/Temming, 41. Ed., StPO § 435 Rn. 8; MüKoStPO/Scheinfeld/Langlitz, a.a.O., Rn. 9, 26; KK-StPO/Schmidt, a.a.O.). Daher sind zusätzlich die Tatsachen, die die Zulässigkeit des Antrags begründen, sowie das Verfahrensziel anzugeben. Dabei muss insbesondere die Anlasstat tatsächlich und rechtlich so genau wie möglich bezeichnet werden. Auch ist darzulegen, warum gerade nur eine selbständige Anordnung der Einziehung in Betracht kommt. Ferner sind die anzuwendenden Straf- und Einziehungsvorschriften, mögliche Einziehungsinteressenten und Vertreter sowie das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen anzuführen (MüKoStPO/Scheinfeld/Langlitz, a.a.O., Rn. 26; KK-StPO/Schmidt, a.a.O.).

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Wie eine Anklageschrift so muss auch die Antragsschrift hinsichtlich ihrer Umgrenzungs- und Informationsfunktion aus sich heraus verständlich sein. Es fehlt folglich an einem wirksamen Antrag, wenn der maßgebliche Inhalt sich nur aus eine pauschalen Verweisung oder Bezugnahme auf die in den Akten befindlichen Vorgänge ergibt (OLG Düsseldorf, III-2 Ss 215/09 - 148/09 I v. 10.11.2009, juris; OLG Karlsruhe, 3 Ss 41/82 v. 19.08.1982, juris).

13

Diesen inhaltlichen Anforderungen genügt die vorliegende Antragsschrift nicht, indem sie hinsichtlich der tatsächlichen Umstände der den Einziehungsbeteiligten angelasteten Straftaten auf die gegen sie ergangenen Haftbefehle Bezug nimmt. Soweit die Antragsschrift auf die Anklageschrift im Verfahren 8031 Js 9574/19 gegen die gesondert verfolgten ...[C] und ...[D] sowie ...[E] Bezug nimmt, kann ihr bereits nicht entnommen werden, für welchen erheblichen Umstand dies geschehen ist. Eine unzulässige Bezugnahme liegt ferner vor, indem die Antragsschrift wegen der Einzelheiten zu den nicht näher beschriebenen Tathandlungen und den daraus in den Fällen 1 bis 26 erzielten Taterträgen sowie zur nicht weiter ausgeführten Schätzgrundlage von Taterträgen auf einen Bericht des EPHK ...[F] vom 20. Januar 2021 Bezug nimmt. Dass in der Antragsschrift im Übrigen Inhalte des Antragssatzes mit den Inhalten des darzulegenden wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen vermischt wurden, indem sich an die Darstellung maßgeblicher tatsächlicher Umstände die Ausführungen zu den Inhalten der sie belegenden Beweismittel anschließen (vgl. Seite 3 d. Antragsschrift - Bezugnahme auf die Auskunft „SIC Libanon“), ist unüblich, hätte für sich genommen jedoch die Unwirksamkeit der Antragsschrift nicht begründet. Allerdings wäre eine Abgrenzung angebracht gewesen.

14

bb) Es fehlt ferner an der hier gemäß §§ 435 Abs. 3 Satz 1, 203, 207 StPO gebotenen Eröffnungsentscheidung. § 435 Abs. 3 Satz 1 StPO schreibt grundsätzlich die Durchführung eines dem Zwischenverfahren nach Anklageerhebung entsprechenden Verfahrens vor. Damit findet der hohe Stellenwert des Gebots rechtlichen Gehörs hinreichend Berücksichtigung. Das Zwischenverfahren findet allerdings gemäß § 435 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz StPO nur statt, soweit ein solches Verfahren ausführbar ist. Ist der Einziehungsadressat flüchtig oder unbekannten Aufenthalts, ist es nach Ansicht des Gesetzgebers, der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre entbehrlich (BT-Drs. 18/9525, 92; OLG Bamberg, 1 Ws 165/18 v. 08.02.2019, juris Rn. 3; MüKoStPO/Scheinfeld/Langlitz, a.a.O., Rn. 28; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 64. Aufl., § 435 Rn. 16; KK-StPO/Schmidt, a.a.O., Rn. 14; BeckOK StPO/Temming, a.a.O., Rn. 9; Ullenboom, Praxisleitfaden Vermögensabschöpfung, 2. Aufl., Selbständige Einziehung, § 76a StGB Rn. 261). Als Grund wird hierfür in der Literatur die Unmöglichkeit der Zustellung und damit die Durchführung rechtlichen Gehörs angeführt (MüKoStPO/Scheinfeld/Langlitz, a.a.O., Fn. 100 zu Rn. 28)

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Ob das Zwischenverfahren vorliegend durchführbar war, obwohl die beiden Einziehungsbeteiligten nach den Feststellungen des Landgerichts flüchtig sein sollen, jedoch aus dem parallel geführten Ermittlungsverfahren Verteidiger zur Seite stehen haben, kann dahinstehen. Das Landgericht hat sich jedenfalls zur Durchführung eines Zwischenverfahrens entschieden, indem es die Antragsschrift den aus dem ursprünglichen Ermittlungsverfahren bekannten Verteidigern der beiden Einziehungsbeteiligten mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zugestellt und dem Einziehungsbeteiligten ...[A] anschließend einen Pflichtverteidiger bestellt hat. Wird ein Zwischenverfahren durch das Gericht eingeleitet, hat es dieses gemäß den Vorgaben aus §§ 435 Abs. 3 Satz 1, 203, 207 StPO durch eine Entscheidung über die Eröffnung abzuschließen, bevor es gemäß § 436 StPO die Entscheidung im selbständigen Einziehungsverfahren trifft.

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Ob diese Verfahrensweise sinnvoll ist, da das Gericht gemäß §§ 436 Abs. 2, 434 Abs. 2, Abs. 3 StPO grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheidet, hat der Senat nicht zu entscheiden.

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Eine Eröffnungsentscheidung im selbständigen Einziehungsverfahren ist durch das Landgericht weder ausdrücklich noch konkludent getroffen worden. Eine konkludente Entscheidung kann durch eine verkörperte, schlüssige und eindeutige Willenserklärung ergehen, durch welche die Entscheidung über den Eröffnungsgegenstand zum Ausdruck gebracht wird (BGH, 3 StR 194/20 v. 05.08.2020, juris; 2 StR 199/17 v. 16.08.2017, juris Rn. 6). Auch kann die Eröffnungsentscheidung als Sachurteilsvoraussetzung noch bis zur eigentlichen Entscheidung in der Sache nachgeholt werden. In der hier einzig in Betracht kommenden Einziehungsentscheidung kann eine konkludente Eröffnungsentscheidung jedoch nicht wirksam getroffen worden sein, da eine solche als Sachurteilsvoraussetzung vor der Einziehung ergehen muss und nicht mit ihr zusammenfallen darf (OLG Bamberg, a.a.O., Rn. 4).

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b) Das Fehlen einer ausreichendenden Antragsschrift und eines notwendigen Eröffnungsbeschlusses stellt ein in der sofortigen Beschwerde nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das zur Einstellung des gerichtlichen Verfahrens führt (BGH, 2 StR 199/17 v. 16.08.2017, juris Rn. 10; OLG Bamberg, a.a.O; OLG Oldenburg, 1 Ws 265/20 v. 10.08.2020, juris Rn. 9).

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c) Da die Aufhebung der Entscheidung schon wegen der gesamtschuldnerischen Haftung für alle Verfahrensbeteiligten nur einheitlich erfolgen kann, wirkt die Beschwerdeentscheidung für und gegen alle und war daher entsprechend § 357 StPO auch auf die nicht anfechtende Einziehungsbeteiligte ...[B] zu erstrecken (KK-StPO/Zabeck, 8. Aufl., StPO § 309 Rn. 13; Löwe-Rosenberg/Matt, StPO, 26. Aufl., § 309 Rn. 20).

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3. Die Aufhebung und Einstellung des Einziehungsverfahrens mangels einer ausreichenden Anklageschrift und eines Eröffnungsentscheidung zieht die Kostenfolge gemäß § 467 Abs. 1 StPO nach sich (BGH, 2 StR 199/17 v. 16.08.2017, juris Rn. 10).

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