Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 U 101/11

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Oktober 2011 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht Halle zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf 8.057,40 EUR festgesetzt.

Gerichtskosten der Berufung werden nicht erhoben.

Gründe

1

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 543 Abs. 1, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.

I.

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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Sie führt auf den dahingehenden Hilfsantrag unter Einschluss des zugrunde liegenden Verfahrens zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Landgericht (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das Urteil der Zivilkammer beruht auf schwerwiegenden Verfahrensfehlern, die es dem Senat unmöglich machen, ohne umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme selbst in der Sache zu entscheiden, was den Parteien quasi die erste Tatsacheninstanz nähme, weil keine verwertbaren Grundlagen einer instanzbeendenden Entscheidung geschaffen sind (§§ 513 Abs. 1, 546, 139 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1, 286 ZPO; Art. 103 Abs. 1 GG).

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1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagte einen fälligen Restwerklohnanspruch in beantragter Höhe. Zwar sei die Billigung des Werkes als im Wesentlichen vertragsgerecht durch die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Die Beklagte habe aber nicht substantiiert bestritten, dass es zwischen ihr und ihrer Auftraggeberin zur Abnahme gekommen sei. Außerdem habe die Beklagte jedenfalls teilweise Zahlung ihrer Auftraggeberin erhalten. Deshalb könne sie sich im Verhältnis zum Kläger nicht mehr auf die fehlende Abnahme berufen. Die Leistung des Klägers sei vollständig erbracht. Das gelte auch in Bezug auf die Nebenpflicht zur Übergabe von Unterlagen. Dem substantiierten Vortrag des Klägers sei die Beklagte nicht mehr in erheblicher Weise entgegen getreten. Es werde nicht dargelegt, was die Beklagte an Unterlagen vermisse oder was konkret mit den Unterlagen nicht stimme. Den Ausführungen des Privatsachverständigen, wonach es sich um laienhafte Striche handele, sei eine substantiierte Mängelrüge nicht zu entnehmen. Gewährleistungsansprüche wegen der von ihr behaupteten Mängel habe die Beklagte nicht. Den Auftraggeber treffe die Darlegungs- und Beweislast für die Mangelhaftigkeit des Werkes immer dann, wenn der Werklohn fällig geworden sei. Da die Beklagte den von ihr geforderten Vorschuss für das Sachverständigengutachten nicht gezahlt habe, erbringe sie den notwendigen Beweis nicht. Auf ihren in der mündlichen Verhandlung bekundeten Zahlungswillen komme es nicht an, da das Einholen des Gutachtens nunmehr das Verfahren verzögern würde. Ohne Beweisaufnahme sei die Sache zur Entscheidung reif.

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Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

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2. Das Landgericht gelangt nur unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, Nichterfüllung seiner Hinweispflichten und Übergehen von Beweisanträgen zur vermeintlichen, zu Lasten der Beklagten gehenden Entscheidungsreife, sodass einer instanzbeendenden Entscheidung die Grundlage fehlte (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1048, 1049).

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a) Der Senat muss nicht klären, ob der Einzelrichter §§ 402, 379 Satz 2, 356 ZPO den zutreffenden Verzögerungsbegriff zugrunde gelegt hat. Das Einholen des schriftlichen Sachverständigengutachtens war bereits deshalb nicht geeignet, zu einer Verzögerung zu führen, weil noch weitere Beweise zu erheben sind. Das Gericht darf die beweisbelastete Partei nicht allein wegen einer nach Nichtzahlung des Auslagenvorschusses oder nach Versäumung einer Ausschlussfrist fehlenden Möglichkeit des Sachverständigenbeweises als beweisfällig ansehen, sondern muss versuchen, vor Erlass einer Entscheidung zunächst die beweiserheblichen Fragen in anderer Weise auf Grund des Parteivortrags und der verfügbaren Beweismittel zu klären (BGH NJW 2007, 2122, 2123 m.w.N.). Die Beklagte hat nicht nur den Sachverständigenbeweis angetreten, sondern sich auch auf die Zeugen K. und H. bezogen. Diesen Beweisangeboten musste das Landgericht nachgehen und versuchen, sich unter Einbeziehung der Beweisantritte des Klägers eine Überzeugung von der Mangelhaftigkeit der Elektroinstallation zu verschaffen. Jedes andere Vorgehen verletzt § 286 ZPO und den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

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b) Verfahrensfehler offenbart auch die Auffassung des Landgerichts, die Beklagte habe die Mangelhaftigkeit der Dokumentation nicht substantiiert vorgetragen. Abgesehen davon, dass die Beklagte konkret und ausreichend dargelegt hat, welche Anforderungen ihrer Meinung nach an die geschuldete Dokumentation zu stellen sind (Bd. I Bl. 88/89 d.A.), musste sie ohne Hinweis nach § 139 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO ihr Vorbringen für schlüssig halten, solange das Landgericht mit Beschluss vom 17. März 2009 hierzu eine Beweisanordnung getroffen hat (vgl. dort Bst. B Ziff. I.11. - vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 538 Rdn. 20 m.w.N.).

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Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Abnahme. Wenn das Landgericht meint, die Beklagte habe die Abnahme ihrer Auftraggeberin substantiiert zu bestreiten, muss es hierauf hinweisen. Allerdings spricht hier die Ingebrauchnahme für die schlüssige Abnahme im Verhältnis der Beklagten zur Hauptauftraggeberin.

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c) Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO; vgl. BGH NJOZ 2011, 1817, 1818). Der Senat macht trotz § 538 Abs. 1 ZPO von dieser Möglichkeit Gebrauch, weil keine der entscheidungserheblichen Fragen in erster Instanz geklärt wurde, das Landgericht seine bereits angeordnete Beweisaufnahme nicht fortsetzte und es deshalb der Vernehmung mehrerer Zeugen, ggf. des Augenscheins und unter Umständen des Einholens des Gutachtens des Sachverständigen P. bedarf (vgl. BGH NZBau 2005, 224, 225). Würde der Senat nunmehr die notwendigen Beweise erheben und in der Sache selbst entscheiden, würde ihn dies vom Umfang her zum einen von seiner Hauptaufgabe der Rechtsfehlerkontrolle abhalten und zum anderen in Gänze die Rolle der ersten Instanz übernehmen lassen, was beiden Parteien auf Grund des geringen Streitwertes und des Umfangs der Beweiserhebung ohne ersichtlichen Zeitgewinn die Möglichkeit nähme, eine Überprüfung der ersten Sachentscheidung anzustreben. Hieran kann keiner von ihnen - hier ausnahmsweise vor allem wegen der bisher entstandenen hohen Kosten - gelegen sein (BGH NJW-RR 2006, 1677, 1678; NJOZ 2011, 1817, 1819).

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d) Nach alledem hat der Senat davon abgesehen, dem Kläger einen weiteren Schriftsatz nachzulassen, weil es auf die Entgegnung des Beklagten zur Berufungserwiderung des Klägers nicht ankommt.

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3. Für das weitere Verfahren macht der Senat noch darauf aufmerksam, dass die Annahme des Landgerichts, der Werklohn sei auf Grund einer an die Beklagte geflossenen Teilvergütung im Sinne von § 641 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (vgl. Art. 229 § 19 Abs. 1 EGBGB) fällig, auf Bedenken stößt. Hat der Auftraggeber vom Bauherrn Teile der Vergütung erhalten, so kann der Subunternehmer hieraus nur dann Rechte herleiten, wenn er darlegt und beweist, dass und in welchem Umfang sich die Teilzahlung auch auf sein Werk bezieht (Erman/H.P. Westermann, BGB, 13. Aufl., § 641 Rdn. 15 m.w.N.; Genius, in: jurisPK-BGB, 5. Aufl., § 641 Rdn. 43; Voit, in: BeckOK-BGB, Stand: 1. März 2011, § 641 Rdn. 19; Busche, in: MünchKomm.-BGB, 5. Aufl., § 641 Rdn. 23). Hierfür ist bisher nichts ersichtlich. Das Landgericht wird deshalb nicht umhin kommen, sich entweder mit der Abnahme nach § 12 VOB/B 2006 auseinander zu setzen (vgl. hierzu BGH NJW-RR 1993, 1461 f.; OLG Köln NJW-RR 1997, 756; OLG Naumburg, Urteil vom 22. März 2001, 3 U 77/00 - BeckRS 2001, 30169651) oder dem Beweisantritt des Klägers zur Zahlung des Werklohns (Bd. I Bl. 4 d.A.) nachzugehen. In diesem Zusammenhang könnte auch von Bedeutung sein, inwieweit die Beklagte schon im März 2008 gegenüber dem Kläger nicht beseitigte Mängel rügte (Bd. I Bl. 26 oben d.A.). Erst anschließend lässt sich die Beweislast für die Mängel und die Richtung der Mängelrüge der Beklagten zutreffend beurteilen.

II.

12

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

13

Die Revision lässt der Senat nicht zu. Die Sache wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung fordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO).

14

Der Streitwert ist nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 3 ZPO festgesetzt. Die Niederschlagung der Kosten des Berufungsverfahrens wegen falscher Sachbehandlung beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GKG.


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