Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (12. Zivilsenat) - 12 Wx 62/12

Tenor

Die angefochtene Zwischenverfügung des Grundbuchamtes des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 16. August 2012 wird aufgehoben.

Das Amtsgericht – Grundbuchamt – Dessau-Roßlau wird angewiesen, die Grundbuchberichtigung nicht von der Vorlage eines Erbscheins abhängig zu machen.

Gründe

I.

1

Die am 17. September 2011 verstorbene Erblasserin ist als Eigentümerin bzw. als Miteigentümerin zu einem 2/3-Anteil der im Beschlussrubrum eingangs bezeichneten Grundstücke eingetragen.

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Sie hatte mit ihrem Ehemann am 12. November 1976 ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Eheleute wechselseitig als Alleinerben einsetzten und im Hinblick auf den Schlusserben ferner verfügten: „Nach dem Tode des Letztlebenden fällt unser ganzer Nachlass unserer Tochter E. Z., geboren am 08. Januar 1952 (Beteiligte zu 1) zu.“

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Die Erblasserin hinterließ darüber hinaus zwei weitere – inzwischen eröffnete – notarielle Einzeltestamente. Mit dem vor der Notarin S. H. am 24. April 1996 zur Urkundenrollen-Nr. 405/1996 errichteten Testament setzte sie ihre Enkeltochter, die Beteiligte zu 2), zu ihrer alleinigen Erbin ein. Dieser letztwilligen Verfügung der Erblasserin war ein Zuwendungsverzicht der Beteiligten zu 1), ihrer Tochter, vorausgegangen. Diese hatte mit notarieller Urkunde vom gleichen Tage (Urkundenrollen-Nr. 404/1996 der Notarin S. H.) gegenüber der Erblasserin erklärt, dass sie auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament ihrer Eltern vom 12. November 1976 zugewandte Erbrecht verzichte. Die Erblasserin nahm die Verzichtserklärung mit gleicher Urkunde an.

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Mit der vor der Notarin S. H. am 29. Januar 2001 zur Urkundenrollen-Nr. 38/ 2001 des weiteren beurkundeten Erklärung nahm die Erblasserin eine Änderung ihrer letztwilligen Verfügung vom 24. April 1996 vor und ordnete ergänzend das nachfolgende Vermächtnis zugunsten der Beteiligten zu 1) an:

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„Meine Erbin, die Enkeltochter M. Zk. (Beteiligte zu 2), ist verpflichtet, meiner Tochter E. Z., wohnhaft in D., K. Straße 55 (Beteiligte zu 1) meinen ½ ideellen Miteigentumsanteil an dem Wohnungsgrundbuch von T. Blatt 23214 bezüglich des Sondereigentums an der Wohnung Nr. 1 und dem Sondernutzungsrecht am PKW-Stellplatz Nr. 1 vermächtnishalber zu übertragen.

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Im übrigen bleiben die Bestimmungen des Testamentes vom 24. April 1996 bestehen.“

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Die Beteiligte zu 1) hat am 07. August 2012 beim Grundbuchamt unter Bezugnahme auf die Nachlassakte 8 VI 352/96 des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Dessau-Roßlau und die hierin eröffneten Testamente die Berichtigung des Grundbuchs beantragt.

8

Mit Zwischenverfügung vom 16. August 2012 hat das Grundbuchamt der Beteiligten zu 1) aufgegeben, zum Nachweis der Erbfolge nach der Erblasserin einen Erbschein vorzulegen, und hierfür eine Frist von zwei Monaten gesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass aufgrund der vorliegenden Testamente die Erbfolge nicht zweifelsfrei durch das Grundbuchamt bestimmt werden könne. Es sei nicht eindeutig, ob die späteren letztwilligen Verfügungen vom 24. April 1996 und vom 29. Januar 2001 angesichts des vorausgegangenen gemeinschaftlichen Testamentes der Eheleute überhaupt Wirksamkeit entfalten könnten.

9

Hiergegen hat sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer Eingabe vom 21. August 2012 gewandt. Sie ist der Meinung, dass das Vorliegen einer notariell beurkundeten letztwilligen Verfügung die kostenpflichtige Beantragung eines Erbscheins erübrigen würde. Das Grundbuchamt hat daraufhin mit Schreiben vom 28. August 2012 ergänzend ausgeführt, dass es auf die Nachreichung eines Erbscheins bestehen müsse, denn es sei für das Grundbuchamt nicht zweifelsfrei feststellbar, wer als Erbe nach der Erblasserin in Betracht komme. Das gemeinschaftliche Testament enthalte keinen Änderungsvorbehalt für den überlebenden Ehegatten, so dass die Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügung des gemeinschaftlichen Testamentes der Wirksamkeit des nachfolgenden notariellen Einzeltestamentes entgegen stehen dürfte. Die Beurteilung dieser Frage müsse aber letztlich dem Nachlassgericht vorbehalten bleiben.

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Mit Schreiben vom 17. September 2012 hat die Beteiligte zu 1) gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes vom 16. August 2012 den zulässigen Rechtsbehelf eingelegt und erneut beantragt, das Grundbuch dahingehend zu berichtigen, dass ihre Tochter, die Beteiligte zu 2), als Erbin ihrer Mutter im Grundbuch eingetragen werde.

11

Das Grundbuchamt hat die Eingabe der Beteiligten zu 1) als Grundbuchbeschwerde ausgelegt und am 21. September 2012 beschlossen, dieser nicht abzuhelfen und das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) dem Oberlandesgericht zur Entscheidung in der Sache vorzulegen. Zur Begründung hat es angeführt, dass es Sache des Nachlassgerichts sei, im Erbscheinsverfahren zu prüfen, ob die Erblasserin berechtigt gewesen sei, nach dem Tode ihres Ehemannes neu zu testieren und die Schlusserbeneinsetzung zu ändern. Im Falle der Unwirksamkeit der Verfügungen aus den späteren notariellen Einzeltestamenten läge aber keine öffentliche Urkunde vor, auf die der Eintragungsantrag zu stützen wäre. In diesem Fall wäre ohnehin ein Erbschein für die Berichtigung der Grundbücher erforderlich.

II.

12

Die gemäß §§ 71 Abs. 1, 72, 73 GBO statthafte und im übrigen zulässige Grundbuchbeschwerde der Beteiligten zu 1) hat auch in der Sache Erfolg und führt zu der beantragten Aufhebung der angefochtenen Zwischenverfügung des Grundbuchamtes.

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Die Zwischenverfügung hält einer inhaltlichen Prüfung nicht stand. Denn das darin aufgezeigte Eintragungshindernis hat tatsächlich nicht bestanden. Für die im Wege der Grundbuchberichtigung vorzunehmende Eintragung hat es der Vorlage eines Erbscheins nach § 2353 BGB hier nicht bedurft.

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1. Ist das Grundbuch durch den Tod des eingetragenen dinglich Berechtigten unrichtig geworden, ist es nach § 22 GBO zu berichtigen. Gemäß § 35 Abs. 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt dabei grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Beruht die Erbfolge jedoch auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, wie hier in dem notariellen Einzeltestament vom 24. April 1996, so genügt es, wenn anstelle des Erbscheins die letztwillige Verfügung und die Niederschrift über deren Eröffnung vorgelegt werden (§ 35 Abs. 1 S. 2 1. HS GBO). Das Grundbuchamt kann allerdings gleichwohl die Vorlegung eines Erbscheins verlangen, wenn die Erbfolge durch diese Urkunden nicht als nachgewiesen erachtet wird (§ 35 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 GBO). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass nach erschöpfender rechtlicher Würdigung konkrete Zweifel hinsichtlich des behaupteten Erbrechts verbleiben, die nur durch weitere Ermittlungen geklärt werden können (vgl. OLG Stuttgart Rpfleger 1992, 154; OLG Schleswig Rpfleger 2006, 369; OLG Zweibrücken FGPrax 2011, 176; OLG Düsseldorf FGPrax 2012, 240; OLG München DNOtZ 2012, 461; OLG München FamRZ 2012, 1092; OLG Frankfurt FamRZ 2012, 1591; KG Berlin FamRZ 2012, 1517; Meikel, GBO, 10.Aufl., Rdn.109 ff zu § 35 GBO; Demharter, Grundbuchordnung, 28.Aufl., Rdn.39 zu § 35 GBO).

15

Das Grundbuchamt hat die in der öffentlichen Urkunde enthaltene Verfügung von Todes wegen sowohl nach ihrer äußeren Form als auch nach ihrem Inhalt zu prüfen (vgl. OLG Düsseldorf FGPrax 2012, 240; OLG München DNOtZ 2012, 461; OLG München FamRZ 2012, 1092; OLG Frankfurt FamRZ 2012, 1591; KG Berlin FamRZ 2012, 1517; Meikel, GBO, 10. Aufl., Rdn. 109 ff zu § 35 GBO; Demharter, Grundbuchordnung, 28. Aufl., Rdn.39 zu § 35 GBO). In diesem Zusammenhang hat es die letztwillige Verfügung selbständig auszulegen, wobei auch außerhalb der Verfügung liegende Umstände Berücksichtigung finden können, wenn sich diese aus öffentlichen, dem Grundbuchamt vorliegenden Urkunden ergeben und auch dann, wenn bei der Auslegung rechtlich schwierige Fragen zu beurteilen sind (vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 2011, 176). Es steht insofern nicht im Belieben des Grundbuchamtes, ob es einen Erbschein verlangen oder die in § 35 Abs. 1 S. 2 GBO genannten Beweismittel genügen lassen will. Das Grundbuchamt hat vielmehr eigenverantwortlich zur Frage der Erbfolge Stellung zu nehmen, gegebenenfalls auch den Willen des Erblassers auszulegen und Zweifel durch Anwendung des Gesetzes auf die Verfügung zu lösen. In diesem Rahmen hat es auch gesetzliche Auslegungsregeln zu beachten, wenn das Nachlassgericht voraussichtlich hierauf zurückgreifen müsste. Seine Pflicht zur eigenen Auslegung entfällt nur dann, wenn für die Auslegung weitere tatsächliche Umstände wesentlich sind, die erst aufgeklärt werden müssten. Dazu ist im Grundbucheintragungsverfahren nämlich kein Raum (vgl. OLG Schleswig Rpfleger 2006, 643; OLG München NotBZ 2012, 179; OLG München FamRZ 2012, 1092; OLG Düsseldorf FGPrax 2012, 240; OLG Zweibrücken FGPrax 2011, 176; Meikel, GBO, 10. Aufl., Rdn. 109 ff zu § 35 GBO; Demharter, Grundbuchordnung, 28. Aufl., Rdn. 39 zu § 35 GBO). Eine eigene Auslegung scheidet mithin nur dann aus, wenn diese nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt (vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 2011, 176; OLG Celle ZfIR 2010, 83; OLG Düsseldorf FGPrax 2012, 240; OLG Schleswig Rpfleger 2006, 643). Nur in diesem Fall kann die Vorlage eines Erbscheins verlangt werden.

16

2. Die von dem Grundbuchamt hier geäußerten Zweifel an der Wirksamkeit der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) aufgrund des notariellen Einzeltestament vom 24. April 1996 wegen der Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügung des früheren gemeinschaftlichen Testamentes vom 12. November 1976 bestehen - bei sachgerechter Auslegung der notariellen letztwilligen Verfügung - jedoch nicht. Soweit das Grundbuchamt weitere, durch das Nachlassgericht zu veranlassende Ermittlungen für geboten gehalten hat, überzeugt dies nicht, zumal aus seiner Entscheidung auch schon nicht hervorgeht, welche konkreten Ermittlungsansätze noch weiter verfolgt werden müssten. Eine entsprechende Darlegung wäre aber erforderlich gewesen, weil bloß abstrakte Zweifel den Verweis auf das Erbscheinsverfahren des Nachlassgerichts nicht rechtfertigen können (vgl. OLG Schleswig Rpfleger 2006, 643).

17

Von dem Grundbuchamt war im vorliegenden Fall zu erwarten, dass es die Nachlassakte heranzieht und dabei das später errichtete notarielle Einzeltestament vom 24. April 1996 und den darin in Bezug genommenen notariellen Zuwendungsverzicht einer gründlichen Prüfung unterzieht. Denn nicht schon jede Nachforschungstätigkeit ist dem Grundbuchamt verwehrt. Insbesondere die Auslegung weiterer vorhandener Testamente und die Auswertung der Nachlassakten sind dem Grundbuchamt ohne weiteres zumutbar und hier überdies geboten gewesen (vgl. OLG Schleswig RPfleger 2006, 643). Dies hätte hier aber ergeben, dass der Wirksamkeit des notariellen Einzeltestamentes vom 24. April 1996 die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testamentes der Eheleute vom 12. November 1976 nicht entgegen steht. Ein Ansatzpunkt für konkrete, darüber hinausgehende Aufklärungsmaßnahmen hat dagegen nicht bestanden.

18

a) Die Auslegung des handschriftlichen gemeinschaftlichen Testamentes vom 12. November 1976 ergibt hier zwar, dass die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1) für den überlebenden Ehegatten bindend im Sinne des § 390 Abs. 2 S. 2 ZGB in Verbindung mit Art. 235 § 2 EGBGB sein sollte. Die Erblasser sind zwar beide nach dem Wirksamwerden des Beitrittes verstorben, so dass auf den Erbfall selbst grundsätzlich das BGB anzuwenden wäre. Hiervon enthält Art. 235 § 2 EGBGB aber eine bedeutsame Ausnahme. Gemäß Art. 235 § 2 S. 2 EGBGB beurteilt sich die Bindungswirkung an ein vor dem Beitritt errichtetes gemeinschaftliches Testament nach dem sog. Errichtungsstatut. Hier gilt mithin §§ 388, 390 ZGB, da das gemeinschaftliche Testament schon am 12. November 1976 errichtet worden war. Gemäß § 390 Abs. 1 ZGB sind die Ehegatten an das gemeinschaftliche Testament gebunden, solange es zu deren Lebzeiten nicht widerrufen oder aufgehoben worden ist. Testamentarische Verfügungen des überlebenden Ehegatten, die dem gemeinschaftlichen Testament widersprechen, sind hingegen nichtig (§ 390 Abs. 2 S. 2 ZGB).

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b) Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Wie sich aus § 393 ZGB ergibt, konnte sich der überlebende Ehegatte vielmehr auch noch nach der Annahme der Erbschaft unter bestimmten dort genannten Voraussetzungen von der Bindungswirkung lösen und seine Testierfreiheit wieder erlangen. Begründet wurde dies in der DDR-Literatur damit, dass der überlebende Ehegatte die Möglichkeit haben müsse, einer wesentlichen Änderung seiner Lebensverhältnisse nach dem Tode des erstverstorbenen Ehegatten Rechnung zu tragen. Das Bestreben des DDR-Gesetzgebers ging mithin eindeutig dahin, den Testierenden möglichst lange vor der endgültigen Bindung zu bewahren (vgl. OLG Dresden OLG - NL 1994, 182; Bosch, FamRZ 1992, 869 ff). Daraus aber geht hervor, dass eine neue Verfügung von Todes wegen des durch das gemeinschaftliche Testament gebundenen Ehegatten nicht stets von vorneherein nichtig sein musste. Insbesondere war hier der Zuwendungsverzicht der bedachten Beteiligten zu 1) vom 24. April 1996 zu beachten, der die Bindungswirkung aus der vorrangigen wechselbezüglichen Verfügung des gemeinschaftlichen Testamentes vom 12. November 1976 entfallen lassen konnte.

20

aa) Für das gemeinschaftliche Testament nach Maßgabe der §§ 2265 ff BGB ist anerkannt, dass sich Umfang und Reichweite bzw. Wirkung der Bindung durch eine analoge Anwendung von § 2289 BGB ergeben. Nach § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB in Verbindung mit Satz 1 BGB ist aber eine nachfolgende Verfügung von Todes wegen nur dann unwirksam, soweit sie das Recht des vertragsgemäß Bedachten tatsächlich beeinträchtigen würde. Übertragen auf das gemeinschaftliche Testament bedeutet dies für eine neue testamentarische Verfügung des durch die wechselbezügliche Verfügung in seiner Testierfreiheit beschränkten Ehegatte, dass diese nur dann rechtsungültig sein würde, soweit sie das Recht des Bedachten einschränken würde. Eine Beeinträchtigung liegt jedoch nicht vor, wenn die vorrangige wechselbezügliche Verfügung zuvor gegenstandslos geworden ist (vgl. BGH FamRZ 1998, 103; BayObLG FamRZ 2001, 319; OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 265; Reymann in jurisPK-BGB, 06. Aufl., Bearbeitung 2012, Rdn. 95 ff; Weidlich in Palandt, BGB, 71. Aufl., Rdn. 14 zu § 2271 BGB).

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bb) Nichts anderes kann für ein unter der Geltung des ZGB errichtetes gemeinschaftliches Testament nach §§ 388 ff ZGB gelten. Auch hier dient die Bindungswirkung des § 390 ZGB nämlich allein dazu, das Recht des durch das gemeinschaftliche Testament Bedachten zu schützen. Unwirksam sind die von dem überlebenden Ehegatten getroffenen einseitigen letztwilligen Verfügungen dementsprechend aber nur insoweit und so lange, wie sie die Rechte des durch das gemeinschaftliche Testament Bedachten beeinträchtigen könnten.

22

Im vorliegenden Fall ist die Erbenstellung der Beteiligten zu 1) aufgrund des gemeinschaftlichen Testamentes vom 12. November 1976 durch den von dieser am 24. April 1996 formwirksam beurkundeten Zuwendungsverzicht nach § 2352 BGB entfallen.

23

Die Erblasserin als überlebender Ehegatte hat mit der begünstigten Beteiligten zu 1) am 24. April 1996 einen notariell beurkundeten Vertrag abgeschlossen, in dem die Beteiligte zu 1) auf die testamentarisch vorgesehene Zuwendung ausdrücklich verzichtet hat (§ 2352 S. 1 BGB). Der Zuwendungsverzicht hat dabei bewirkt, dass der Anfall der Zuwendung gänzlich unterblieben ist, wie wenn der Bedachte den Erbfall nicht erleben würde (§ 2346 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Überlebende wird von der Bindungswirkung frei (vgl. BGH FamRZ 1998, 103; BayObLG FamRZ 2001, 319; Reymann in jurisPK-BGB, 06. Aufl., Bearbeitung 2012, Rdn. 95 ff zu § 2271 BGB; Weidlich in Palandt, BGB, 71. Aufl., Rdn. 14 zu § 2271 BGB; ders. In Palandt, a.a.O., Rdn. 1 zu § 2352 BGB). Auf die korrespondierende Verfügung des erstverstorbenen Ehegatten hat der Zuwendungsverzicht dagegen keine Auswirkungen. Gleichfalls unberührt lässt der Zuwendungsverzicht das gesetzliche Erb-und Pflichtteilsrecht des Verzichtenden (vgl. Reymann in jurisPK-BGB, 06. Aufl., Bearbeitung 2012, Rdn. 96 zu § 2271 BGB).

24

Die Beteiligte zu 1) hat den Zuwendungsverzicht hier formwirksam nach §§ 2352, 2348 BGB in notarieller Urkunde gegenüber der Erblasserin erklärt, die den Verzicht angenommen hat. Der Zuwendungsverzicht der Beteiligten zu 1) hat damit deren Erbenstellung aufgrund des gemeinschaftlichen Testamentes vom 12. November 1976 beseitigt.

25

An ihrer Stelle ist vielmehr aufgrund des notariellen Einzeltestamentes vom 24. April 1996 die Beteiligte zu 2) gemäß § 1937 BGB Erbin geworden. Dieses notarielle Einzeltestament bleibt dabei auch dann Grundlage für die Erbenfolge der Beteiligten zu 2), wenn diese in Anwendung der Auslegungsregelung in § 2069 BGB als Ersatzerbin der verzichtenden Beteiligten zu 1) aufgrund des gemeinschaftlichen Testamentes vom 12. November 1976 anzusehen ist (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 319). Zumindest würden in diesem Fall beide Testamente übereinstimmend die Alleinerbenfolge der Beteiligten zu 2) vorsehen und nebeneinander begründen (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 319).

26

Die Erbfolge beruht hier mithin auf dem notariellen Einzeltestament vom 24. April 1996, was aber die Vorlage eines Erbscheins nach § 35 Abs. 1 S. 2 GBO entbehrlich werden lässt. Das Grundbuchamt hat sich hiernach zu Unrecht außerstande gesehen, das notarielle Testament eindeutig im Sinne des Berichtigungsantrages der Beteiligten zu 1) auszulegen. Die Zwischenverfügung war dementsprechend aufzuheben.

27

3. Die Entscheidung ergeht nach § 131 Abs. 3 KostO gebühren- und auslagenfrei.

28

Ein Grund, die Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 GBO zuzulassen, besteht nicht.


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