Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Strafsenat) - 1 VAs 6/12, 1 VAs 6/2012

Tenor

Der Antrag des Verurteilten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt D. Sch. aus H. für beabsichtigte Anträge auf gerichtliche Entscheidungen nach § 23 EGGVG wird verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller verbüßt derzeit eine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt B. . Mit zahlreichen Schreiben an das Oberlandesgericht Naumburg beantragte er für ein von ihm beabsichtigtes Verfahren nach § 23 EGGVG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sch. aus H. . Da die zahlreichen Schreiben des Antragstellers nahezu identisch waren und er nahezu immer den gleichen Sachverhalt mitteilt, hat der Senat die zahlreichen Anträge zu einem Verfahren verbunden.

2

Der Antragsteller trägt u. a. vor, dass er Insasse der Justizvollzugsanstalt B. sei. Am 04. April 2012 seien ihm u. a. hunderte Briefe ausgehändigt worden, die er während der Zeit des gegen ihn geführten Strafverfahrens mit dem Aktenzeichen 23 KLs 24/07 vor dem Landgericht Halle an verschiedene Bundes – und Landtagsabgeordnete geschrieben und adressiert habe. Die jahrelange Einlagerung seiner Briefe durch die Justiz sei nicht rechtmäßig. Er bewerte dies als eine Straftat. Er habe deshalb u. a. am 06. April 2012 Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Halle u. a. gegen die Staatsanwälte H., L. und W. und die Richterin S. gestellt. Er habe weder eine Eingangsbestätigung noch ein Aktenzeichen erhalten. Die Staatsanwaltschaft Halle reagiere nicht auf seine zahlreichen – hunderte - Strafanzeigen. Der Antragsteller begehrt deshalb Prozesskostenhilfe für ein Verfahren nach § 23 EGGVG.

3

Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg führt zu den Anträgen des Antragstellers aus, dass der Antragsteller wider besseres Wissen vorgetragen habe. Die von ihm bezeichneten Briefe habe er mit einem Anschreiben vom 17. November 2009 im damaligen Strafverfahren (23 KLs 24/07) dem Gericht als Beweismittel übergeben. Die Briefe hätten zuvor drei Jahre in dem Haftraum des Antragstellers gelegen, wie sich aus seinem Schreiben vom 17. November 2009 ergebe. Die Strafkammer habe die Briefe nicht als Beweismittel in das Strafverfahren eingeführt und zu den Asservaten genommen. Die Briefe seien nicht zur Weiterbeförderung an die Adressaten bestimmt gewesen.

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Die Briefe seien dann vom Landgericht Halle nach dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens am 07. Mai 2010 an die Staatsanwaltschaft Halle gesandt worden. Bei der Asservatenabwicklung seien die Briefe dem Antragsteller dann am 14. März 2012 übersandt und ausgehändigt worden. Der Antragsteller habe erst danach behauptet, dass die Briefe entgegen seiner Absicht nicht an die jeweiligen Absender weitergeleitete worden seien und zahlreiche Anzeigen erstattet.

5

Die zahlreichen Anzeigen des Antragstellers seien bei der Staatsanwaltschaft Halle eingegangen und die Verfahren nach § 170 StPO eingestellt worden. Der Antragsteller habe nur keinen Einstellungsbescheid erhalten. Es liege ein Fall hartnäckiger und uneinsichtiger Querulanz vor. Daher habe eine Bescheidungspflicht hier nicht bestanden.

6

Der Senat hat Akten des Verfahrens 23 KLs 24/07 beigezogen.

II.

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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zulässig (§§ 29 Abs. 4 EGGVG; 117 Abs. 1 ZPO), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

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Für ein Verfahren nach §§ 23ff. EGGVG kann einem Antragsteller Prozesskostenhilfe nur dann bewilligt werden, wenn er bedürftig ist, sein Begehren Aussicht auf Erfolg bietet und es nicht mutwillig erscheint (§§ § 29 Abs. 4 EGGVG i. V. m. 114 Satz 1 ZPO).

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Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich keine hinreichende Erfolgsaussicht für das vom Antragsteller verfolgte Justizverwaltungsverfahren.

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1. Der Rechtsweg gemäß §§ 23 EGGVG ff. wäre hier zwar eröffnet. Anträge nach diesen Vorschriften können auf die Beseitigung, die Vornahme oder die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Justizverwaltungsaktes im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG gerichtet werden. Zwar stellen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, die sich auf die Einleitung, Durchführung, Gestaltung oder Beendigung eines Strafverfahrens beziehen, keine den Einzelfall regelnde Verwaltungsakte, sondern Prozesshandlungen dar, die der richterlichen Kontrolle nur nach Maßgabe der abschließenden Regelungen der Strafprozessordnung unterliegen und damit einer Überprüfung nach den §§ 23 ff. EGGVG entzogen sind. Hier greift der Antragsteller aber nicht eine derartige Maßnahme der Staatsanwaltschaft an, sondern er begehrt die Unterrichtung über eine solche Maßnahme, nämlich die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, durch einen Einstellungsbescheid. Die Rechtmäßigkeit einer staatsanwaltschaftlichen Maßnahme, z. B. die Einstellung eines Verfahrens auf seine Anzeige hin, will der Antragsteller in diesem Verfahren nicht überprüfen lassen.

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Bei dem reinen Erlass eines Einstellungsbescheides, d.h. der Unterrichtung über den Ausgang eines Ermittlungsverfahrens, handelt es sich nicht um eine Prozesshandlung der Staatsanwaltschaft, sondern um einen Justizverwaltungsakt i. S. v. § 23 EGGVG.

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2. Ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe muss eine zusammenhängende, aus sich heraus verständliche Sachdarstellung erhalten (vgl. hierzu Meyer- Goßner, 55. Aufl., § 29 EGGVG Rd. 11; Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 24 EGGVG Rn. 1). Der Vortrag des Antragstellers genügt noch den Anforderungen des § 24 Abs.1 EGGVG.

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Das Begehren des Antragstellers ist dahingehend auszulegen, dass er von der Staatsanwaltschaft die Erteilung eines Einstellungsbescheides begehrt, soweit die Staatsanwaltschaft auf seine Strafanzeigen hin ein etwaiges Ermittlungsverfahren eingestellt hat. Daher handelt es sich hier um eine beabsichtigte Antragstellung nach § 27 EGGVG, da hier eine Untätigkeit der Staatsanwaltschaft Halle behauptet wird. Aus den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft ist ersichtlich, dass die Staatsanwaltschaft nicht beabsichtigt, dem Antragsteller einen Einstellungsbescheid zu erteilen. Damit hat es die Staatsanwaltschaft in dieser Sache unterlassen, einen Justizverwaltungsakt zu erlassen.

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3. Der Antrag des Antragstellers hat jedoch keine Aussicht auf Erfolg.

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Zwar hat ein Anzeigenerstatter – und damit auch der Antragsteller - grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass er auf seine Strafanzeige einen Einstellungsbescheid erhält. Die generelle sog. „Bescheidlosstellung“ einer Person ist unzulässig. Eine sog. „Bescheidlosstellung“ kommt nur in einem bestimmten Verfahren in Betracht.

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Gemäß § 171 Satz 1 StPO hat die Staatsanwaltschaft einen Anzeigenerstatter unter Angabe der Gründe zu bescheiden, wenn sie dem Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage keine Folge leistet oder sie die Einstellung des Verfahrens verfügt. Der Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage ist dabei eine Strafanzeige nach § 158 Abs. 1 StPO (Meyer-Goßner, a.a.O., § 171 StPO, Rd. 1). Der Antragsteller hat zahlreiche Strafanzeigen gestellt, in denen er einen Sachverhalt behauptet, der nach seiner Ansicht möglicherweise eine Straftat darstellt. Der Bescheid ist obligatorisch (Meyer- Goßner, a. a. O, § 171 StPO, Rd. 2). Es besteht für die Staatsanwaltschaft daher grundsätzlich eine Bescheidungspflicht (Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 171 StPO, Rd.1). Die Nichtbescheidung ist nur in Ausnahmefällen zulässig.

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Die Staatsanwaltschaft kann auf einen Einstellungsbescheid nur dann verzichten, wenn der Anzeigende bloß eine Anregung geben wollte, er erkennbar auf Nachricht verzichten wollte oder ein Fall hartnäckiger und uneinsichtiger Querulanz vorliegt (Meyer- Goßner, a. a. O. §171 StPO, Rd. 2, Pfeiffer, a. a. O § 171 StPO, Rd.1; Fahl, Rechtsmissbrauch im Strafprozess, Seite 176). Ein solcher Fall liegt vor, bei Strafanzeigen von amtsbekannten Querulanten, bei denen es sich um Wiederholungen eines bereits in einem früheren Ermittlungsverfahren als haltlos festgestellten Vorwurfs handelt (gleicher Inhalt, gleiche Vorwürfe, gleiche angezeigte Person) oder bei sog. Anzeigenserien, in denen immer neue Personen als Beschuldigte benannt werden, oder wenn erkennbar ist, dass die Strafjustiz lediglich sinnlos beschäftigt werden soll (siehe: Kockel/ Vossen- Kempkens, NStZ 2001, 178 ff.) bzw. Anzeigen in besonders großer Zahl nachweislich nur die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden lahmlegen sollen. Der Anzeigenerstatter hätte dann in diesem Fall seinen Anspruch auf einen Einstellungsbescheid verwirkt (Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 171 StPO, Rd. 7; Franzheim, GA 1978, 146; Fahl., a. a. O., Seite 176).

18

So liegt der Fall hier.

19

Der Antragsteller hat einen Sachverhalt vorgetragen, von dem er wusste, dass er nicht den Tatsachen entspricht. Aus den beigezogen Verfahrensakten 23 KLs 24/07 geht eindeutig hervor, dass der oben geschilderte Vortrag der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg den Tatsachen entspricht und dass der Vortrag des Antragstellers bewusst wahrheitswidrig ist. Der Antragsteller hat gewusst, dass er die Briefe nicht zur Weiterleitung an das Gericht in Halle übergeben hatte, sondern lediglich als Beweismittel. Dies ergibt sich ohne Zweifel aus seinem eigenen Schreiben an das Landgericht Halle vom 17. November 2009. Der Antragsteller hat daher auch gewusst, dass seine Briefe nicht unrechtmäßig nicht weitergeleitet wurden, als sie ihm nach der Asservatenabwicklung wieder ausgehändigt wurden. Er wollte keine Beförderung der Briefe an die Adressaten. Er hatte sie dem Gericht nur als Beweismittel übergeben. Er wusste also, dass seine Angaben in den Strafanzeigen nicht der Wahrheit entsprachen und ein Ermittlungsverfahren nicht zu einer Anklageerhebung führen konnte.

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Der Antragsteller hat durch seinen bewusst wahrheitswidrigen Vortrag hier rechtsmißbräuchlich gehandelt, als er die genannten Staatsanwälte und die Richterin bezichtigt, sie hätten die ihm übergebenen Briefe rechtsmißbräuchlich zurückgehalten und nicht durch die Post weitergeleitet, um ihm zu schaden. Aus dem Verhalten des Antragstellers geht ohne Zweifel hervor, dass er mit den zahllosen Strafanzeigen lediglich die Strafverfolgungsbehörden beschäftigen und lahmlegen wollte.

21

Die Absicht des Antragstellers, die Justiz insgesamt zu behindern, ist auch dadurch belegt, dass er innerhalb von zwei Monaten über 300 Einzelanträge beim Oberlandesgericht gestellt hat, die inhaltlich nahezu identisch sind. Lediglich der Adressat des Briefes ist ausgetauscht. Da er nicht alle Briefe in einem einzigen Antrag aufgelistet hat, ist erkennbar, dass er kein berechtigtes Interesse verfolgte, sondern planmäßig versucht hat, die Arbeit des Oberlandesgerichtes und der Staatsanwaltschaft zu behindern. Ferner wird diese Absicht auch dadurch belegt, dass er den unanfechtbaren Verbindungsbeschluss des Senats angefochten hat, und sein Rechtsmittel erst auf Hinweis des Bundesgerichtshofs nicht weiter verfolgte.

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5. Auch im Übrigen ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, da der weitergehende Antrag ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg hat.

23

Soweit ersichtlich, begehrt der Antragsteller von der Staatsanwaltschaft eine Eingangsbestätigung und die Mitteilung eines Aktenzeichens. Diese Begehren können nicht im Verfahren nach § 23 EGGVG durchgesetzt werden.

24

Zwar heißt es in Nr. 9 der Richtlinien für das Straf – und Bußgeldverfahren (RiStBV): “Wird ein Ermittlungsverfahren auf Grund einer Anzeige eingeleitet, so wird der Eingang der Anzeige bestätigt, sofern dies nicht nach den Umständen entbehrlich ist.“ Bei dieser Vorschrift handelt es sich allerdings nur um eine innerbehördliche Vorschrift, aus denen sich ein Anspruch des Anzeigenden nicht ableiten lässt. Dies ergibt sich insbesondere aus der Einführung zu den Richtlinien. Bei den Richtlinien handelt es sich um eine Anleitung für den Staatsanwalt, nach denen er grundsätzlich sein dienstliches Handeln auszurichten hat. Die Richtlinien sind allgemeine Weisungen des Dienstvorgesetzten (Meyer- Goßner, StPO, 55. Aufl., § 146 GVG, Rd. 2) und ergänzen die Weisungsbefugnis des Vorgesetzten. Auf die Erteilung einer bestimmten Weisung besteht allerdings kein Anspruch. Das Weisungsrecht steht dem Vorgesetzten zu. Dies sind nur die Personen, denen nach § 147 StPO die Dienstaufsicht zusteht (Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl., § 146 GVG, Rd.7). Das Oberlandesgericht führt nicht die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaften.

25

6. Letztlich ist der Antrag auch zurückzuweisen, da er mutwillig ist. Mutwillig ist die Rechtsverfolgung, wenn sie sachfremden Zwecken dienen soll (Motzler in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 114 ZPO, Rd. 94) oder wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Person ihre Rechte bzw. vermeintlichen Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Das Gebot weitgehender Angleichung der Lage von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes verlangt keinen sinnlosen Einsatz staatlicher Ressourcen (Völker/Zempel in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl.; § 114 ZPO, Rd. 36).

26

Der Antragsteller verfolgt mit seinen Begehren hier nur sachfremde Zwecke. Er will die Staatsanwaltschaft sinnlos beschäftigen und lahmlegen. Eine verständige, nicht hilfsbedürftige Person hätte hier keinen Strafanzeigen oder einen Antrag nach § 23 EGGVG gestellt und dabei bewusst falsch einen Sachverhalt vorgetragen, der den Tatbestand des § 164 StGB erfüllen könnte. Es ist für eine verständige Person erkennbar, das sie dann auch die Kosten nach § 30 EGGVG zu tragen gehabt hätte.

III.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 1 GKG, 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.


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