Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 U 11/17

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 20.12.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (4 O 387/16) wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil und dieses Berufungsurteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 39.081,60 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Beklagte verpflichtete sich gegenüber dem Landkreis M. gemäß einer Leistungsvereinbarung vom 16.11.2015 (Bl. 90 ff.) zur Unterbringung und Betreuung von Personen gemäß § 1 Aufnahmegesetz (AufNG) LSA (vom 21.1.1998). In Durchführung dieser Vereinbarung schloss der Beklagte mit der Klägerin einen Mietvertrag über ein Objekt S. Weg in E. . Mietbeginn war der 1.12.2015 bei einer Festlaufzeit von 5 Jahren (§§ 3 Nr. 1, 20 Nr. 2 Mietvertrag - Bl. 3/6 -). Als Mietzins wurde zunächst vereinbart:

2

- Netto-Kaltmiete:

7.858,80 Euro,

- Betriebskostenvorschuss             

2.250, -- Euro,

- Betriebskostenpauschale

2.340, -- Euro.

3

In der Folgezeit kam es zu einer Änderung des Vertrages (teilweise wie Bl. 19) vom 26.2.2016, mit der der Mietzins wie folgt geändert wurde:

4

- Miete (ab 1.12.2015)

6.726, -- Euro

- NK-Voraus. neu ab 1.3.2016     

3.150,60 Euro

- (+ Heizko.-Voraus)

  3.150,60 Euro

Gesamt

13.027,20 Euro

5

Zu den Nebenkosten heißt es in § 3 Nr. 2 des Mietvertrages:

6

Die Abrechnung mit dem Mieter erfolgt jährlich.

7

In erster Instanz haben die Parteien darüber gestritten, ob die Änderungsvereinbarung der Form des § 550 S. 1 BGB entspricht, oder der Vertrag nunmehr als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. Weiter haben die Parteien darüber gestritten, ob es sich um ein Mietverhältnis über Wohnraum handelt (unter Hinweis auf § 575 Abs. 1 S. 2 BGB).

8

Mit Schreiben vom 3.6.2016 (Bl. 20) kündigte der Beklagte den Vertrag zum 31.8.2016, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin.

9

Die Klägerin trat der Kündigung entgegen. Sie macht mit der vorliegenden Klage den Gesamtmietzins (3 x 13.027,20 Euro) für die Monate September bis November 2016 (= 39.081,60 Euro) geltend.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.

11

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt:

12

(1) Die Kündigung des Beklagten habe das Mietverhältnis nicht vor dem streitgegenständlichen Zeitraum beenden können:

13

(a) Bei dem Mietvertrag handele es sich nicht um ein Mietverhältnis über Wohnraum, weil der Vertragszweck von Anfang an darauf gerichtet gewesen sei, dass der Beklagte die Mieträume an dritte Personen habe überlassen wollen. Dieser Sachverhalt sei auch dann nicht unter § 575 Abs. 1 S. 2 BGB zu fassen, wenn diese dritten Personen die Räumlichkeiten zu Wohnzwecken nutzen wollten.

14

(b) Ob die Schriftform aus § 550 S. 1 BGB eingehalten worden sei, könne im Hinblick auf § 550 S. 2 BGB dahinstehen, weil auch dann eine Kündigung vor Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums nicht möglich gewesen sei.

15

(2) Die Klägerin könne auch die Nebenkostenvorauszahlungen verlangen, weil diese - jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung - nicht abschließend abzurechen gewesen seien.

16

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung:

17

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei doch von einem Mietverhältnis über Wohnraum auszugehen, sodass der Vertrag gemäß § 575 Abs. 1 S. 2 BGB als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gegolten habe. Bei Zugrundelegung der Ansicht des Landgerichts werde der Mieterschutz völlig unterlaufen. Der Vertrag habe daher fristgemäß zum 31.8.2016 gekündigt werden können.

18

Die Klägerin habe jedenfalls keinen Anspruch auf die Vorauszahlungen auf die Nebenkosten, weil die Wohnungen weitgehend leer gestanden hätten (unter Hinweis auf die Ablesung der Stromzähler zum 31.8.2016), sodass bereits heute feststehe, dass sich bei einer Abrechnung ein beträchtliches Guthaben zugunsten des Beklagten ergeben werde.

19

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 3.4.2017 (Bl. 86 ff.).

20

Der Beklagte beantragt,

21

das am 20.12.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (4 O 387/16) abzuändern und die Klage abzuweisen.

22

Die Klägerin beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 19.4.2017 (Bl. 97 f.).

II.

25

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Beklagten mit zutreffender Begründung zur Zahlung des Mietzinses nebst Vorauszahlungen auf die Nebenkosten für die Monate September, Oktober und November 2016 verurteilt.

26

1. Mit der Kündigung vom 3.6.2016 (Bl. 20) wurde der Mietvertrag nicht zum 31.8.2016 und auch nicht bis zum 30.11.2016 beendet.

27

Mit dem Landgericht kann dahinstehen, ob dem Formerfordernis aus § 550 S. 1 BGB (i. V. m. § 578 Abs. 2 BGB) bezogen auf den Mietvertrag selbst bzw. bezogen auf die Änderungsvereinbarung genügt wurde. Da die Überlassung der Räume nicht vor dem 1.12.2015 erfolgte, könnte unter Berücksichtigung von § 550 S. 2 BGB eine Kündigung frühestens ab 1.12.2016 greifen und damit erst für die Zeit nach dem streitgegenständlichen Zeitraum.

28

Das Landgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass vorliegend kein Mietvertrag über Wohnraum in Rede steht. Dabei kann dahinstehen, ob die übrigen Voraussetzungen von § 575 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB überhaupt vorliegen. Im Übrigen gilt:

29

Die Abgrenzung zwischen der Wohnraummiete und der sonstigen Raummiete richtet sich in erster Linie nach der vertraglichen Zweckbestimmung der Räume (dazu: Staudinger/Emmerich BGB, Neubearbeitung 2014, Vorbem. zu § 535, Rn. 24). Um sonstige Raummiete (und gerade nicht um Wohnraummiete) handelt es sich, wenn die Anmietung der Räume zum Zwecke der Weitervermietung erfolgt, und zwar auch dann nicht, wenn die Weitervermietung einen Wohnraummietvertrag zum Gegenstand hat. Denn auch dann wird der Hauptmietvertrag (sprich vorliegend zwischen den Parteien) nicht zu Wohnzwecken (sondern zwecks Weitervermietung) abgeschlossen. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Folgevertrag mit einem Mitarbeiter des Mieters abgeschlossen werden soll, oder wenn der Mieter grundsätzlich gemeinnützige oder karikative Zwecke verfolgt (neben der vom Landgericht zitierten Entscheidung: BGH, Urteil vom 3.7.1996 - VIII ZR 278/95 - [BGHZ 133, 142, 147 unter 1. a)]; Urteil vom 30.10.2013 - XII ZR 113/12 - [NJW 2014, 536, 538; Rn. 25]; Staudinger a.a.O., Rn. 25).

30

Da auch dieser Gesichtspunkt nicht dazu führt, dass der Vertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt, kann er auch insoweit nicht vor dem 30.11.2016 gekündigt werden. Bestand der Mietvertrag in der Zeit von September bis November 2016, kann die Berufung wegen des Hauptmietzinses (3 x 6.726,-- Euro = 20.178,-- Euro) schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben.

31

2. Der Beklagte schuldet auch die Vorauszahlungen auf die Nebenkosten für den vorgenannten Zeitraum. Negativ formuliert können Vorauszahlungen auf die Nebenkosten nach Eintritt der Abrechnungsreife nicht mehr verlangt werden (BGH, Urteil vom 27.11.2002 - VIII ZR 108/02 - [NZM 2003, 196, li.Sp.]; Bub/Treier/v. Brunn/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., III A, Rn. 237).

32

Nach dem unter I. genannten Passus hat die Klägerin die Nebenkosten jährlich gegenüber dem Beklagten abzurechnen. Dass der Regelung ein grundsätzlich anderer Erklärungsinhalt beizumessen ist als dem § 556 Abs. 3 S. 2 BGB (der in § 578 BGB zudem nicht erwähnt wird), ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zum Beginn der Abrechnungsfrist ist dem Vertrag nichts zu entnehmen. Aber selbst wenn man nicht auf das Kalenderjahr abstellt, sondern auf den Beginn des Mietvertrages (1.12.2015), wären die Vorauszahlungen für die Zeit vom 1.12.2015 bis 30.11.2016 (= Abrechnungsperiode) erst zum 30.11.2017 abzurechnen. Abrechnungsreife war damit im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung auch in der Berufungsinstanz nicht eingetreten, sodass die Klägerin grundsätzlich auch die Vorauszahlungen verlangen kann.

33

Zwar bleibt es bei vorgenanntem Grundsatz auch dann, wenn der Mieter vor Beendigung des Mietverhältnisses auszieht. In diesem Zusammenhang wird die Frage diskutiert, ob davon eine Ausnahme gerechtfertigt ist (§ 242 BGB i. V. m. dem Rechtsgedanken aus § 537 Abs. 1 S. 2 BGB), weil nach dem Auszug des Mieters verbrauchsabhängige Kosten nicht mehr entstehen können (dazu: Staudinger/Weitemeyer BGB, Neubearbeitung 2014, § 556, Rn. 77). Diesem Ansatz kann jedenfalls für den Bereich, der nicht die Wohnraummiete betrifft, nicht gefolgt werden. Soziale Gesichtspunkts sind dem Gewerberaummietrecht eher fremd. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass auch der Vermieter Vorauszahlungen an Versorgungsunternehmen leisten muss, die von einem Verbrauch bei Vermietung ausgehen, und er seinerseits ebenfalls erst eine Reduzierung nach Ablauf der dortigen Abrechnungsperiode erreichen kann. Muss er sich z. B. im Hinblick auf Brennmaterial bevorraten, müsste er hinsichtlich der Kosten auch dann in Vorlage gehen, wenn der Mieter - wie vorliegend -, ohne dass ein Kündigungsgrund vorliegt, aus dem Objekt auszieht. Im Rahmen der gewerblichen Miete ist es daher gerechtfertigt, auch im Fall eines vorzeitigen Auszuges des Mieters eventuelle Ersparnisse bei den Verbrauchskosten erst im Rahmen der Endabrechnung der Nebenkosten auszugleichen und nicht bereits bei den vertraglich vereinbarten Vorauszahlungen zu berücksichtigen. Die Berufung kann daher auch insoweit keinen Erfolg haben.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

35

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO,

36

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.

37

gez. Dr. Holthaus              gez. Lanza-Blasig              gez. Dr. Tiemann


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