Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (1. Strafsenat) - I Ws 404/11

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Schwerin vom 10.03.2011 - 161 Js 17338/07 - wird zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Landgericht Schwerin - Große Strafkammer 1 als Wirtschaftsstrafkammer - eröffnet.

Gründe

I.

1

Die Staatsanwaltschaft Schwerin wirft dem Angeschuldigten in ihrer Anklageschrift vom 10.03.2011 - 161 Js 17338/07 - vor, durch zwei selbständige Handlungen einer in ein Subventionsverfahren eingeschalteten Stelle über subventionserhebliche Tatsachen für sich unrichtige Angaben gemacht zu haben, die für ihn vorteilhaft waren (Vergehen, strafbar gem. § 264 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 1 und Abs. 8, § 53 StGB).

2

Dem liegt ausweislich der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Schwerin im wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

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Der Angeschuldigte erwarb mit notariellen Kaufvertrag vom 10.03.1998 auf der Grundlage des EALG v. 27.09.1994 (BGBl. 1995 I S. 2624) i.V.m. dem AusglLeistG und der FlErwV v. 20.12.1995 (BGBl. I S. 2072) nach entsprechender Ausschreibung durch die BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) kaufpreisgünstig ehemals volkseigene Forstflächen (den in den Gemeinden J. und K. gelegenen Forst "B.") zur künftigen Bewirtschaftung als Forstflächen. Am 03.12.1998 erwarb der Angeschuldigte in gleicher Weise eine Waldfläche in der Gemeinde K.. Der tatsächliche Wert der erworbenen Waldflächen überstieg den Kaufpreis dabei jeweils deutlich. Auf Veranlassung des Angeschuldigten reichte die von ihm bevollmächtigte Notarin beim zuständigen Grundbuchamt die Anträge auf Eigentumsumschreibung am am 24.02.1999 und am 02.08.1999 ein. Die Eintragungen im Grundbuch erfolgten am 14.08.2002 und 20.08.2002.

4

Die Kaufverträge sehen neben einem langjährigen Veräußerungs- und Verfügungsverbot eine Verpflichtungserklärung mit wirtschaftlicher Zweckbindung im Sinne des Bundes- und Landeswaldgesetzes und eingereichter Betriebskonzepte vor. Wie bereits bei Abschluss der Kaufverträge beabsichtigt, nutzte der Angeschuldigte in der Folgezeit die vergünstigt erworbenen Waldflächen jedoch nicht im Sinne der Verpflichtungserklärungen und der Betriebskonzepte, sondern überließ die Flächen einem selbst vom vergünstigten Erwerb ausgeschlossenen Dritten zur intensiven jagdlichen Nutzung.

5

Die Große Strafkammer 1 als Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Schwerin hat mit Beschluss vom 21.11.2011 die Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 204 Abs. 1 StPO aus Rechtsgründen abgelehnt. Der Eröffnung stünde die absolute Verjährung der vorgeworfenen Taten gemäß § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB entgegen.

6

Der angefochtene Beschluss ist der Staatsanwaltschaft am 28.11.2011 förmlich zugestellt worden. Das Rechtsmittel ist am 30.11.2011 bei dem Landgericht Schwerin eingegangen.

II.

7

Das gemäß § 210 Abs. 2 StPO statthafte Rechtsmittel ist form- und fristgerecht angebracht worden (§§ 306, 311 Abs. 2 StPO), mithin zulässig.

8

Die sofortige Beschwerde erweist sich auch als begründet. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind die dem Angeschuldigten vorgeworfenen Taten nicht verjährt.

1.

9

Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist (§ 78 a Satz 1 StGB). Ein Subventionsbetrug im Sinne des § 264 Abs. 1 StGB ist beendet, wenn der Subventionsempfänger auf der Grundlage des Zuwendungsbescheids die letzte (Teil-) Auszahlung erhält (BGH Beschl. v. 21.05.2008-5 StR 93/08, NStZ-RR 2008, 240; Fischer StGB, 59. Aufl. 2012, § 264 Rdz. 38 m.w.N.;Schönke/Schröder-Perron StGB, 28. Aufl. 2010, § 264 Rdz. 66 m.w.N; Müller-Gugenberger-Bender, Wirtschaftsstrafrecht 5. Aufl. 2011, § 52 Rdz. 37; Graf/Jäger/Wittig-Straßer, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 264 StGB Rdz. 144; so auch schon Heinz, GA 1977, 213; a.A. OLG München Urteil v. 22.02.2006-5 St RR 012/06; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Bosch StGB, 28. Aufl. 2010, § 78 a Rdz. 11 § 264 Rdz. 66 m.w.N. unter Bezug auf OLG München aaO.; offen gelassen: Thür. OLG, Beschl. v. 01.11.2006-1 Ws 290/06).

10

Auch soweit die letzte Subventionsleistung nicht in einer (Teil-)Zahlung besteht, kommt es danach maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten auf den unrichtigen Angaben beruhenden anderweitigen Subventionsleistung und nicht auf den Zeitpunkt der letzten vom Täter vorgenommenen Handlung an.

11

Bei Subventionsleistungen, die nicht (wie etwa im Falle der (Teil-)Zahlung durch die Entgegennahme) von einer Ausführungshandlung des Täters mitbestimmt werden, sondern - dem unmittelbaren Einfluss des Täters entzogen - allein von behördlichen Abläufen abhängig sind, ist die Tat in dem Zeitpunkt beendet, in dem die letzte behördliche Handlung, die für die Erlangung der Subvention von Bedeutung ist, vorgenommen wird.

12

Denn der dauernde Taterfolg als maßgebliches Kriterium für die Beendigung der Tat (vgl. nur BGH 5 StR 395/01 v. 07.11.2001 zur Beendigung einer Tat im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO mit Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten des Finanzamtes) ist in solchen Fällen eben gerade nicht von einer (letzten) Handlung des Täters, sondern von der eines Dritten abhängig.

13

Für die Bestimmung des letzten Subventionsaktes als dem für den Beginn der absoluten Verjährung maßgeblichen Zeitpunkt spricht auch, dass auch der Strafaufhebungsgrund des § 264 Abs. 5 StGB an diesen Gewährungsakt des Subventionsgebers anknüpft und damit Straffreiheit im Interesse des Angeschuldigten bis zu dem Zeitpunkt ermöglicht, bis zu dem die letzte Subventionsleistung erfolgt ist (dazu Fischer, aaO. § 264 Rdz. 38). Es widerspräche dem Gedanken materieller Gerechtigkeit als deren Ausfluss sich sowohl § 264 Abs. 5 StGB als auch §§ 78 a, 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB darstellen, wenn die Verjährung bereits früher, nämlich zu einem Zeitpunkt einsetzen würde, zu dem der Täter noch tätige Reue ausüben könnte.

14

Ferner spricht auch der für die Beendigung des Betruges maßgebliche Zeitpunkt des Erlangens der von der Absicht umfassten letzten Leistung (Fischer, aaO, § 263 Rdz. 201) für eine Anknüpfung an den Zeitpunkt der letzten Subventionsleistung bei § 264 StGB. Denn angesichts des zwischen § 264 und § 263 StGB bestehenden Konkurrenzverhältnisses - wonach § 264 StGB als lex specialis zwar zunächst eine abschließende Sonderregelung darstellt, bei Unanwendbarkeit dieser Norm und dem Vorliegen der Voraussetzungen des versuchten oder vollendeten Betruges, die Strafbarkeit nach § 263 StGB wieder auflebt (BGHSt 44, 233, 243) - wäre es sinnwidrig, für das vorrangige Delikt für die Beendigung auf einen früheren Zeitpunkt als beim Auffangdelikt abzustellen.

15

Letztlich spricht auch der Vergleich mit § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB, wonach die Handlungspflicht auch nach Tatvollendung andauert und die Beendigung deshalb bei nachträglicher Handlungspflicht erst eintritt, wenn die Subvention endgültig belassen wird (Fischer aaO. Rdz. 38 m.w.N.), für eine parallele Handhabung des Beendigungszeitpunkts im vorliegenden Fall, da sachliche Unterschiede, die eine Vorverlagerung und damit ein früheres Einsetzen der Verjährung rechtfertigen, nicht erkennbar sind.

16

Kommt es danach für die Beurteilung des Zeitpunkts der Beendigung der Tat auf den Zeitpunkt des endgültigen Eintritts des Vermögensvorteils durch Vornahme der letzten Subventionsleistung an, bedeutet dies für den vorliegenden Fall, dass es allein auf die erst den Eigentümerwechsel vollziehende Eintragung im Grundbuch am 14.08.2002 und 20.08.2002 ankommt. Denn erst mit diesem Akt ist der dauernde Taterfolg eingetreten. Unerheblich dagegen sind der Zeitpunkt der Einreichung der Anträge auf Eigentumsumschreibung beim zuständigen Grundbuchamt am 24.02.1999 und am 02.08.1999, wie das Landgericht meint, oder der Zeitpunkt der Kaufpreisfälligkeit, wie es die Verteidigung vertritt. Denn zu diesen Zeitpunkten ist der Taterfolg allenfalls schuldrechtlicher Natur. Ziel des (verbilligten) Erwerbs von Grundstücken ist aber die Erlangung der sachenrechtlich gesicherten Eigentumsposition. Die absolute Verjährung tritt damit erst am 14. bzw. 20.08.2012 ein.

17

Mithin war bei Erlass des Eröffnungsbeschlusses am 21.11.2011 für keine der beiden vorgeworfenen Taten die absolute Verjährungsfrist nach § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB von zehn Jahren verstrichen.

2.

18

Der Angeschuldigte ist der ihm vorgeworfenen Taten entgegen der von der Verteidigung geäußerten Rechtsauffassung auch im Sinne des § 203 StPO hinreichend verdächtig.

19

Nach § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn der Angeschuldigte nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. Hinreichender Tatverdacht ist anzunehmen, wenn die nach Maßgabe des Akteninhaltes, nicht lediglich aufgrund der Anklageschrift vorzunehmende vorläufige Tatbewertung ergibt, dass die Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlich ist. Eine solche Wahrscheinlichkeit besteht, wenn unter Zugrundelegung des Ergebnisses der Ermittlungen und der daran anknüpfenden rechtlichen Erwägungen zum objektiven und subjektiven Tatbestand bei Einschätzung des mutmaßlichen Ausgangs der Hauptverhandlung mehr für eine Verurteilung als für einen Freispruch spricht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u. a. Beschluss vom 03.08.2000 - I Ws 456/99 - m. w. N.).

20

Dabei wird eine an Sicherheit grenzende Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht gefordert. Auch wird nicht die gleiche Wahrscheinlichkeit verlangt wie beim dringenden Tatverdacht nach § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Angeschuldigten muss aber so groß sein, dass es einer Entscheidung durch das erkennende Gericht in der Hauptverhandlung bedarf, um festzustellen, ob noch bestehende Zweifel gerechtfertigt sind (vgl. KK- Schneider, StPO, 6. Aufl. § 203 Rdz. 4 f. m. w. N.).

21

Bei der Prüfung des hinreichenden Tatverdachts gem. § 203 StPO sind auch die Grundsätze des Indizienbeweises zu berücksichtigen. Der Indizien- oder Anzeichenbeweis ist ein Beweis, bei dem von einer mittelbar bedeutsamen Tatsache auf eine unmittelbar entscheidungserhebliche Tatsache geschlossen wird. Ein Indiz kann aus persönlichen, z. B. aus dem Verhalten eines Verfahrensbeteiligten, oder sachlichen Beweismitteln geschlossen werden. Grundsätzlich ist eine Gesamtwürdigung aller nicht ausschließbar entscheidungserheblichen Beweisanzeichen notwendig. Die Indizien selbst allerdings müssen unzweifelhaft oder doch mindestens hoch wahrscheinlich feststehen, bevor Rückschlüsse, die nicht lediglich Spekulation sein dürfen, aus ihnen gezogen werden können (vgl. zu Vorstehendem Nack MDR 1986, S. 366; Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl. 2011 § 261 Rdz. 25, jeweils m. w. N.). Diese Voraussetzung korrespondiert zwangslos mit dem Umstand, dass die Wahrscheinlichkeit der Begehung einer Straftat durch einen Beschuldigten nur aus bestimmten Tatsachen, nicht jedoch aus Vermutungen hergeleitet werden darf (Senatsbeschluss a.a.O.; vgl. auch Meyer-Goßner a. a. O. § 112 Rdz. 7).

22

An Vorstehendem gemessen erweist sich der Angeschuldigte der ihm vorgeworfenen Taten des Subventionsbetruges gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB hinreichend verdächtig i.S.d. § 203 StPO.

23

Insbesondere ist er hinreichend verdächtig, über subventionserhebliche Tatsachen getäuscht zu haben. Subventionserheblich i.S.d. § 264 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 8 StGB sind solche Tatsachen, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind oder von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich abhängig ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 11.11.1998-3 StR 101/98). Erforderlich ist also, dass ein Gesetz in formellem oder materiellem Sinne, d.h. ein Bundes- oder Landesgesetz oder eine Rechtsverordnung, mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringt, dass die Subventionierung nur unter einer bestimmten, konkret bezeichneten Voraussetzung erfolgt. Das ist vorliegend der Fall. Die Voraussetzungen für einen möglichen preisvergünstigten Erwerb der in Rede stehenden Forstflächen durch ortsansässige Interessenten, die einen forstwirtschaftlichen Betrieb neu einrichten und diesen allein oder als unbeschränkt haftender Gesellschafter selber bewirtschaften wollen - sind als subventionserhebliche Tatsachen gesetzlich durch § 4 Ziff. 3 EALG i. V. m. § 7 Satz 2 und 3 FlErwV geregelt.

24

Soweit der Angeschuldigte bestreitet, unrichtige Angaben gemacht zu haben, wird er durch die in der Anklageschrift aufgeführten Beweismittel widerlegt.

25

Ob der Angeschuldigte vorsätzlich gehandelt hat, was der Inhalt der Anklageschrift nahelegt, oder ob er die Umstände nicht kannte, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, muss dem Ergebnis der Hauptverhandlung überlassen bleiben. Selbst wenn er im Falle eines Irrtums nicht nur einem unbeachtlichen Subsumtionsirrtum, sondern, wie die Verteidigung meint, einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum i.S. des § 16 Abs. 1 StGB unterlegen wäre, würde dies dem für die Eröffnung des Hauptverfahrens notwendigen hinreichenden Tatverdacht zumindest leichtfertiger Begehungsweise gemäß § 264 Abs. 4 StGB nicht entgegenstehen.

26

Die von der Verteidigung im Schriftsatz vom 05.01.2012 aufgeführte Entscheidung des BGH vom 09.01.2009 - 5 StR 136/09 - erscheint dem Senat vorliegend nicht einschlägig, weil der Angeschuldigte seine vorgefasste Absicht, die Waldflächen quasi als "Strohmann" für einen nicht berechtigten Dritten zu erwerben und anschließend bis zum Ablauf der vertraglichen Bindungsfrist an diesen zu verpachten, eben gerade nicht aufgedeckt hat.

III.

27

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben, die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Schwerin zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren vor dem Landgericht Schwerin - Große Strafkammer 1 als Wirtschaftsstrafkammer - zu eröffnen.

28

Von der Möglichkeit einer Verweisung an eine andere Kammer des Gerichts gemäß § 210 Abs. 3 Satz 1 StPO Gebrauch zu machen, sah der Senat keine Veranlassung.

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