Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (4a. Zivilsenat) - 4a) 4 U 100/16

Tenor

I. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten werden der Beklagten ein Anerkenntnis bezüglich des Berufungs- bzw. Klageantrages zu 1) und der Klägerin eine Klagerücknahme im Hinblick auf den Berufungs- bzw. Klageantrag zu 2) anheimgestellt.

II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird vorläufig auf bis zu 6.000,00 € festgesetzt.

Gründe

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Die zulässige Berufung erscheint weitestgehend begründet.

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I. Die Klägerin dürfte einen Anspruch gegen die Beklagte auf die Zahlung von 5.136,98 € gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag haben.

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1. Unstreitig besteht zwischen den Parteien ein Privathaftpflichtversicherungsvertrag, der eine Forderungsausfalldeckung mit Gewaltopferschutz einschließt. Ebenso unbestritten ist die Klägerin am 11.09.2011 Opfer einer Gewalttat als Schadensereignis mit der Folge von Personenschäden geworden, wobei sie daraus entstandene Schadensersatzansprüche wegen Zahlungsunfähigkeit des Schadensverursachers gegen diesen nicht durchsetzen konnte. Nach den Ziffern 13.1 bis 13.3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten liegt damit ein Versicherungsfall vor, der von der Forderungsausfalldeckung erfasst wird, wobei die Klägerin ohne Vorsatzausschluss so zu stellen ist, als wenn für den Schädiger eine Privathaftpflichtversicherung bei der Beklagten bestünde.

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2. Die Leistungspflicht der Beklagten ist wohl nicht nach Ziffer 13.4, letzter Spiegelstrich ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen ausgeschlossen, soweit danach kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, die darauf beruhen, dass ein berechtigter Einwand oder ein begründetes Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig vorgebracht oder eingelegt wurde.

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a. Denn dass dies allein auf eine Obliegenheit des Versicherungsnehmer abzielt, im Sinne einer Schadensabwendungs- oder -minderungspflicht die Entstehung von Ansprüchen (nur) zu seinen Lasten zu verhindern, folgt nicht zuletzt aus der von der Beklagten selbst mit Schriftsatz vom 11.05.2016 vorgelegten Fassung ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen KT2011HP, die von der seitens der Klägerin eingereichten leicht abweicht. Dort lautet Ziffer 13.4, letzter Spiegelstrich dahingehend, dass kein Versicherungsschutz bestehe für „Ansprüche, soweit sie darauf beruhen, dass Sie einen berechtigten Einwand oder ein begründetes Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig vorgebracht oder eingelegt haben“ (Hervorhebung durch den Senat). Die betreffende Anrede kann sich zwangsläufig nur an den Versicherungsnehmer der Beklagten, nicht aber an den dritten Schädiger richten, der die Versicherungsbedingungen nicht zu Gesicht bekommt.

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b. Spätestens ergäbe sich dieses Ergebnis ansonsten aufgrund einer Anwendung der Unklarheitenregelung nach § 305c Abs. 2 BGB, nach welcher Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen. Selbst wenn man nämlich die Klausel gegebenenfalls auch im Sinne der Beklagten verstehen könnte, beziehen sich doch zum einen die übrigen Fallgruppen der Ziffer 13.4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für einen Ausschluss des Versicherungsschutzes durchweg (ebenfalls) auf Umstände aus bzw. in der Sphäre des Versicherungsnehmers; zum anderen dürfte bei einer Gesamtschau des Regelungsgefüges vornehmlich Ziffer 13.5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen bezüglich des Erfordernisses der Erwirkung eines Vollstreckungstitels auf eine Absicherung des Versicherers gegen die von der Beklagten angesprochene Besorgnis zielen, der Versicherungsnehmer könne unberechtigte Forderungen im Säumnisverfahren durchsetzen.

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3. Die Voraussetzung für eine Leistung der Beklagten nach der letztgenannten Klausel wiederum ist mit der Erwirkung eines Versäumnisurteils gegen den Schädiger wohl erfüllt.

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a. Dabei kann erneut auf die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB abgestellt werden. Für deren Anwendung genügt es zwar nicht, dass Streit zwischen den Parteien über die Auslegung besteht; vielmehr müssen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel bleiben und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sein (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 77. Aufl., 2018, § 305c Rn. 15 m. w. N.). Ein ausschließliches Verständnis von Ziffer 13.5 Satz 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu Gunsten der Beklagten dahingehend, dass mit der Bezugnahme auf die Erwirkung eines Titels „im streitigen Verfahren vor einem Gericht“ ein Versäumnisurteil jedenfalls nicht gemeint sein kann, dürfte sich jedoch nicht begründen lassen. Nur klarstellend ist dabei noch vorauszuschicken, dass entgegen dem Argument der Klägerin von einem streitigen Anspruch nicht bereits deshalb auszugehen sein dürfte, weil der dritte Schädiger sich mit einem Rechtsmittel gegen seine strafrechtliche Verurteilung zur Wehr setzte; abgesehen davon, dass jenes nicht den Schuldspruch, sondern nur den Strafausspruch betraf, ließe sich daraus nichts dafür ablesen, wie sich der Schädiger in dem nachgelagerten Zivilverfahren zu der Forderung der Klägerin stellte.

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aa. Dass die Erwirkung eines Versäumnisurteils durch den Versicherungsnehmer der Beklagten als Leistungsvoraussetzung nicht ausreichend wäre, ergibt sich zunächst nicht aus dem Wortlaut der Regelung. So wird der Begriff des „streitigen Verfahrens“ beispielsweise in §§ 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, 688 ff. ZPO allein zur Abgrenzung von dem alternativ möglichen bzw. jenem vorgeschalteten gerichtlichen Mahnverfahren verwendet. In dem so verstandenen streitigen Verfahren vor dem Prozessgericht kann dann aber eben auch ein Versäumnisurteil als so genanntes nichtstreitiges Urteil in der Unterscheidung von kontradiktorischen Entscheidungen ergehen (vgl. Zöller-Feskorn, ZPO, 32. Aufl., 2018, vor § 300 Rn. 6).

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bb. Nachdem Anhaltspunkte für auslegungsrelevante Begleitumstände des Vertragsschlusses nicht erkennbar sind, die Rückschlüsse auf das von den Parteien Gewollte zuließen, spricht im Weiteren auch eine an dem (möglichen) Zweck der Klausel und der Interessenlage orientierte Auslegung nicht zwingend für die Auffassung der Beklagten.

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(1) Wie bereits zuvor zu Ziffer 13.4, letzter Spiegelstrich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen angesprochen, wird man davon ausgehen können, dass mit der hier relevanten Regelung die Erwirkung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels oder eines notariellen Schuldanerkenntnisses durch den Versicherungsnehmer die Beklagte davor schützen soll, dass ersterer ohne gerichtliche Prüfung oder Beteiligung des dritten Schädigers unberechtigte Forderungen bestätigt bekommt. Auf dieser Grundlage kann es nicht erheblich sein, ob der Versicherungsnehmer ein notarielles Schuldanerkenntnis des Schädigers beibringt oder ein gerichtliches Anerkenntnisurteil gegen diesen erwirkt; denn einziger Unterschied zwischen den beiden Fällen ist die Art der Beurkundung der Erklärung des Schädigers bzw. ihre Umsetzung in eine gerichtliche Entscheidung. Entspricht damit aber zumindest ein Anerkenntnisurteil als ebenfalls nichtstreitige Entscheidung (vgl. Zöller-Feskon a. a. O.) dem notariellen Schuldanerkenntnis, das in Ziffer 13.5 Satz 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen einem „im streitigen Verfahren vor einem Gericht“ erwirkten Vollstreckungstitel gleichgesetzt wird, erschließt sich nicht, warum für ein Versäumnisurteil etwas anderes gelten sollte. Der Versicherer ist hier gegen eine Titulierung unberechtigter Ansprüche jedenfalls insoweit geschützt, als aufgrund der Schlüssigkeitsprüfung gemäß § 331 Abs. 2 ZPO nach dem Klageantrag zu erkennen ist, soweit das Vorbringen des Klägers diesen rechtfertigt, und die Klage abzuweisen, soweit es daran fehlt; in einem von dem „streitigen Verfahren“ abzugrenzenden gerichtlichen Mahnverfahren wird dagegen als Preis für die mit einem solchen einhergehende Vereinfachung auf eine auch nur oberflächliche Schlüssigkeitsprüfung verzichtet (vgl. Musielak/Voit-Voit, ZPO, 14. Aufl., 2017, § 688 Rn. 1 m. w. N.). Wenn die Beklagte demgegenüber meint, ein Anerkenntnis beruhe wenigstens auf einer ausdrücklichen Erklärung des dritten Schädigers, welcher sich davor mit dem gegen ihn gerichteten Anspruch befasst haben müsse, während einem Versäumnisurteil des Beklagten schlichte Untätigkeit zugrunde liege, muss dies keine abweichende Bewertung rechtfertigen. Anders als in einem gerichtlichen Mahnverfahren bekommt der Schädiger in einem Verfahren vor dem Streitgericht eine Klage- oder Anspruchsbegründung zugestellt, an Hand derer er die Berechtigung des gegen ihn erhobenen Anspruches prüfen und anschließend entscheiden kann, ob er sich (überhaupt) zur Wehr setzt. Fragen eines Rechtsmissbrauchs des Versicherungsnehmers oder einer Kollusion mit dem Schädiger dürften dann erst im Hinblick auf die im Folgenden noch zu erörternde Bindungswirkung der im Haftpflichtprozess erwirkten Entscheidung für den Deckungsprozess eine Rolle spielen.

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(2) Umgekehrt würde die Ausklammerung eines Versäumnisurteils aus den in Ziffer 13.5 Satz 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten gemeinten gerichtlichen Vollstreckungstiteln den Interessen von deren Versicherungsnehmern nicht gerecht. Denn diese könnten im Einzelfall ohne eigene Einflussmöglichkeiten daran gehindert sein, die entsprechende Voraussetzung eines Leistungsanspruches aus der Forderungsausfallversicherung herbeizuführen. So kann der Beklagte eines Zivilprozesses ebenso wenig zu der Abgabe eines Anerkenntnisses wie zu einer streitigen Verhandlung zur Sache, aufgrund derer allein ein streitiges Urteil ergehen könnte, gezwungen werden; selbst wenn im Falle einer Anordnung des persönlichen Erscheinens dieses gegebenenfalls noch zwangsweise durchgesetzt werden könnte, müsste der Beklagte im Termin doch weiterhin keinen Sachantrag stellen.

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cc. Bereits wenn (vorrangig gegenüber Unwirksamkeitsgründen, vgl. Erman-Roloff, BGB, 15. Aufl., 2017, § 305c Rn. 6) auf die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB abzustellen wäre, gingen nach all dem nicht behebbare Auslegungszweifel solchermaßen zu Lasten der Beklagten, dass eben die Erwirkung eines Versäumnisurteils durch die Klägerin als Voraussetzung eines Leistungsanspruches gegen die Beklagte genügt.

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b. Anderenfalls könnten die zuvor unter lit. a bb(2) angesprochenen Gesichtspunkte die Klausel bei einem Verständnis entsprechend demjenigen der Beklagten möglicherweise immer noch überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB erscheinen lassen oder zu der Annahme einer (teilweisen) Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB führen, wenn wegen der fehlenden Erfüllung der Voraussetzung der Ziffer 13.5 Satz 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch die Erwirkung eines Versäumnisurteils wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt wären, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist: So ist eine Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders etwa unangemessen, wenn letzterer durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. Palandt-Grüneberg, a. a. O., § 307 Rn. 12 m. w. N.). Nach der so genannten blue-pencil-Methode beschränkte sich die jeweilige Unwirksamkeit dabei wohl auf das Wort „streitigen“, weil nach dessen Wegstreichen ein für sich verständlicher Rest der Regelung verbliebe (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger-Lapp/Salamon, jurisPK BGB, 8. Aufl., 2017, § 306 Rn. 26 m. w. N.).

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4. Letztlich dürfte sich die Anspruchshöhe aufgrund von dessen Bindungswirkung für den vorliegenden Deckungsprozess entgegen der Ansicht des Landgerichtes nach dem von der Klägerin erwirkten Versäumnisurteil bestimmen.

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a. Zutreffenderweise gilt in der Haftpflichtversicherung das so genannte Trennungsprinzip. Danach ist das Haftpflichtverhältnis, das zwischen dem geschädigten Dritten und dem haftpflichtigen Versicherungsnehmer besteht, von dem Deckungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Haftpflichtversicherer zu trennen. Grundsätzlich ist im Haftpflichtprozess zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem Dritten gegenüber haftet; ob der Versicherer dafür eintrittspflichtig ist, wird im Deckungsprozess geklärt. Notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ist die Bindungswirkung des rechtskräftigen Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit. Die Bindungswirkung folgt nicht aus der Rechtskraft des Haftpflichturteils, da der Versicherer am Haftpflichtprozess nicht beteiligt ist. Vielmehr ist sie dem Leistungsversprechen, das der Haftpflichtversicherer dem Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag gegeben hat, zu entnehmen. Sie bedeutet, dass das Ergebnis des vorangegangenen Haftpflichtprozesses für die Deckungsfrage verbindlich ist. Damit wird verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die zugrundeliegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut überprüft werden können (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.2001, Az.: IV ZR 101/00, - zitiert nach juris -, Rn. 16 f. m. w. N.).

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b. Geboten ist die Bindungswirkung allerdings wiederum nur insoweit, als eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage sich auch im Haftpflichtprozess nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweist, also Voraussetzungsidentität vorliegt. Nur dann ist es gerechtfertigt anzunehmen, eine Feststellung sei Grundlage für die Entscheidung im Haftpflichtprozess. Die Begrenzung der Bindungswirkung auf Fälle der Voraussetzungsidentität ist insbesondere deshalb geboten, weil der Versicherungsnehmer und der Versicherer keinen Einfluss darauf haben, dass der Haftpflichtrichter "überschießende", nicht entscheidungserhebliche Feststellungen trifft oder nicht entscheidungserhebliche Rechtsausführungen macht. Allein gegen solche "überschießenden" Begründungsinhalte könnten sie sich auch nicht mit einem Rechtsmittel wehren, weil ein Rechtsmittel, mit dem bei gleichem Ergebnis nur eine andere Entscheidungsbegründung erstrebt wird, mangels Beschwer unzulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2004, Az.: IV ZR 126/02, - zitiert nach juris -, Rn. 10). Greift eine derartige Bindungswirkung ein, bleiben dem Versicherer im Deckungsprozess lediglich etwaige versicherungsrechtliche Einwendungen erhalten. So kann er sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung oder aufgrund eines Risikoausschlusses berufen. Ist eine für den Deckungsanspruch im Hinblick auf eine Risikobegrenzung oder einen Risikoausschluss wesentliche Tat- oder Rechtsfrage offen geblieben, so ist sie im Deckungsprozess zu entscheiden. Ferner bleibt es dem Versicherer unbenommen, sich im Deckungsprozess auf eine Kollusion zwischen Versicherungsnehmer und Drittem zu berufen, wobei ihn hierfür aber die Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. OLG Celle, Urteil vom 30.04.2009, Az.: 8 U 11/09, - zitiert nach juris -, Rn. 31 m. w. N.).

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c. Diese Bindungswirkung gilt auch dann, wenn - wie hier - im Haftpflichtprozess lediglich ein Versäumnisurteil ergangen ist; in diesen Fällen ist dann auf den Inhalt der Klageschrift und der weiteren anspruchsbegründenden Schriftsätze zurückzugreifen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.09.2009, Az.: 12 U 47/09, - zitiert nach juris -, Rn. 21 m. w. N.).

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aa. Zwar soll im Falle einer Forderungsausfallversicherung nach einer Ansicht die zuvor als notwendig erläuterte Voraussetzungsidentität nicht gegeben sein, weil bei der Ausfalldeckung bereits keine Parallelität zwischen dem Haftungs- und dem Deckungsverhältnis vorliege. Der Versicherer habe hier weder tatsächlich noch rechtlich die Möglichkeit, unabhängig von der Frage, ob er von dem Vorprozess Kenntnis habe, auf diesen in irgendeiner Weise Einfluss zu nehmen. Der wesentliche Unterschied bestehe darin, dass in einem Haftpflichtprozess das wesentliche Interesse des Haftpflichtversicherers darin liege, seinen als Schädiger in Anspruch genommenen Versicherungsnehmer zu unterstützen. Demgegenüber seien die Interessen in der Forderungsausfallversicherung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, der seinerseits Ansprüche gegen einen Schädiger geltend mache, gegenläufig (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 19.03.2015, Az.: 10 U 964/14, - zitiert nach juris -, Rn. 35).

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bb. Ein solcher Ansatz erscheint allerdings im Zusammenhang mit dem Kriterium der Voraussetzungsidentität schon an der falschen Stelle verortet, nachdem diese allein die Entscheidungserheblichkeit der im Deckungsprozess maßgeblichen Frage auch im Haftpflichtprozess nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung betrifft; ob eine Übereinstimmung entscheidungserheblicher Feststellungen im Verhältnis von Haftpflicht- zu Deckungsprozess vorliegt, ist von den Einflussmöglichkeiten des Versicherers auf ersteren jedoch gänzlich unabhängig, und eine Parallelität zwischen dem Haftungs- und dem Deckungsverhältnis ist doch insofern gegeben, als der Versicherungsnehmer so gestellt werden soll, als bestünde zu Gunsten des Schädigers eine Haftpflichtversicherung bei seinem Versicherer. Vielmehr soll wohl eher daran angeknüpft werden, dass dieser gegenüber dem Versicherungsnehmer in der (primären) Haftpflichtversicherung durch die ihm eingeräumte umfassende Dispositionsbefugnis über das Haftpflichtverhältnis, durch Anzeige-, Auskunfts-, Vorlage- und Aufklärungsobliegenheiten und vor allem durch sein Weisungs- und Vertretungsrecht geschützt wird; daraus folge aber als Voraussetzung für den Eintritt der Bindungswirkung gegenüber dem Versicherer aus dem Haftpflichtprozess, dass der Versicherer überhaupt eine Chance habe, die ihm eingeräumten Rechte im Haftpflichtprozess wahrzunehmen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 22.10.2009, Az.: 3 U 103/08, - zitiert nach juris -, Rn. 36 m. w. N.). Auf die Forderungsausfallversicherung lässt sich diese Überlegung von vornherein nicht übertragen, weil den hier maßgeblichen Beteiligungsverhältnissen und Anspruchsvoraussetzungen eine nicht vergleichbare Konstellation zugrunde liegt. So scheidet eine Einflussnahme des Versicherers auf den Haftpflichtprozess nach der Natur der Sache bereits deshalb aus, weil der Versicherungsfall erst eintritt, wenn die Vollstreckung aus dem dort erwirkten Titel für den Versicherungsnehmer erfolglos geblieben ist. Übernimmt der Versicherer dennoch das Risiko für einen derartigen Forderungsausfall, wird er sich jedenfalls dann nicht auf eine mangelnde Bindungswirkung des Urteils aus dem Haftpflichtprozess für das Deckungsverhältnis berufen können, wenn er dessen Erwirkung wie in dem vorliegenden Fall in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen gerade zu einer Leistungsvoraussetzung gemacht hat. Soll nämlich nach dem oben unter Ziffer 3a bb(1) Gesagten auf diesem Wege einerseits der (unter den Umständen weitestgehend mögliche) Schutz des Versicherers gegen einen Ausgang des Haftpflichtprozesses zu seinem Nachteil erreicht werden, kann er dem Versicherungsnehmer andererseits nicht eine fehlende Bindungswirkung dieses Vollstreckungstitel entgegenhalten, wenn er letzterem als Anspruchsbedingung doch die Herbeiführung eines solchen auferlegt. Sinn und Zweck dieser Obliegenheit umgekehrt für den Versicherungsnehmer blieben ansonsten offen, wenn der Versicherer trotz ihrer Erfüllung immer noch eine von den gerichtlichen Feststellungen in dem Haftpflichtprozess unabhängige Leistungsprüfung vornehmen könnte. Dabei ist nicht zuletzt zu berücksichtigen, dass ansonsten in der Forderungsausfallversicherung nicht nur einem Versäumnisurteil, sondern auch jedem streitigen Urteil aus dem Haftpflichtprozess die Bindungswirkung für den Deckungsprozess abzusprechen wäre, weil der Versicherer schlichtweg nie in ersteren eingreifen kann (wie hier zu der Bindungswirkung eines Versäumnisurteils aus dem Haftpflichtprozess für eine Forderungsausfallversicherung im Ergebnis, wenn auch ohne erkennbare Reflektion des Problems OLG Celle, a. a. O., Rn. 30).

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d. Nach all dem ergibt sich eine Bindungswirkung des Versäumnisurteils des Landgerichtes Stralsund vom 03.09.2013 zu dem dortigen Aktenzeichen 4 O 168/134 dahin, dass der Klägerin gegen den dort beklagten dritten Schädiger ein Anspruch über einen Haushaltsschaden in Höhe von 6.396,98 € sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € zusteht. Zum Umfang der Bindungswirkung kann insoweit auf den Inhalt der Klageschrift der Klägerin zurückgegriffen werden, nach der nur eine privatrechtliche (deliktische) Haftung des Schädigers im Sinne von Ziffern 13.1 bis 13.3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten in Betracht kommt; einer näheren Prüfung der Voraussetzungsidentität bedarf es daher nicht (vgl. anders bei OLG Celle a. a. O. zu dem Verhältnis eines für die Verurteilung im Haftpflichtprozess ausreichenden vertraglichen Anspruches auf Darlehensrückzahlung gegenüber einer für das Deckungsverhältnis notwendigen Forderung aufgrund eines Eingehungsbetruges bei Abschluss des Kreditvertrages). Anhaltspunkte für eine Kollusion der Klägerin mit dem dritten Schädiger oder einen (sonstigen) Rechtsmissbrauch bei der Erwirkung des Versäumnisurteils sind im Übrigen nicht ersichtlich. Letzteres ergäbe sich noch nicht daraus, dass die in dem Haftpflichtprozess anwaltlich vertretene Klägerin eventuell eine rechtlich nicht vollständig begründete Forderung durchgesetzt hätte. Dafür, dass diese ansonsten bereits auf (bewusst) unrichtigen tatsächlichen Angaben beruhte, dürfte die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig sein, nachdem eine Partei regelmäßig die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen derjenigen Rechtsnorm trägt, auf deren Rechtsfolgen sie sich beruft; über ein Bestreiten des betreffenden Vorbringens der Klägerin mit Nichtwissen hinaus fehlte es jedoch schon an entsprechenden Darlegungen der Beklagten.

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II. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf die Zahlung von 455,41 € im Hinblick auf vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 249 Abs. 1 BGB ist dagegen wohl nicht gegeben.

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1. Die Klägerin hat zum einen nicht dargelegt, ob sie ihre erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zunächst nur mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt bzw. wann sie Klageauftrag erteilt hat; den vorgelegten anwaltlichen Schriftsätzen lässt sich hierzu ebenfalls nicht dahingehend etwas entnehmen, dass der Klägerin beispielsweise im Falle eines fruchtlosen Fristablaufes eine Klageerhebung (erst) empfohlen würde. Sollte die Klägerin von Anfang an unbedingten Klageauftrag erteilt haben, so fallen auch die (Vorbereitungs)Tätigkeiten vor Erhebung der Klage nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVG allein unter die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2011, Az.: IV ZR 34/11, Rn. 21; OLG Hamm, Urteil vom 31.10.2005, Az.: 24 W 23/05, Rn. 36 ff. m. w. N., - jeweils zitiert nach juris -).

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2. Sollte sich der zuvor erörterte Punkt gegebenenfalls noch durch ergänzenden Vortrag beheben lassen, fehlte es aber jedenfalls an einem zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme anwaltlichen Beistandes durch die Klägerin schon eingetretenen Verzug der Beklagten, sodass die damit verbundenen Kosten nicht verzugsbedingt entstanden wären. Die Klägerin hat sich mit der Beklagten bereits erstmalig unter Vertretung durch ihre anwaltlichen Bevollmächtigten in Verbindung gesetzt; dass stattdessen vorangegangene eigene Zahlungsaufforderungen der Klägerin fruchtlos geblieben wären, ist nicht ersichtlich. Ebenso fehlt es an Anhaltspunkten für eine andere als verzugsbedingte Haftung der Beklagten hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Klägerin.

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