Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht - 11 U 131/17

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 20.10.2017 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Abhängigkeit der vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils von einer Sicherheitsleistung entfällt. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht dem Beklagten verboten, den Zugang des Fahrradunterstandes von der G-straße aus zu sperren oder einzufrieden. Das Landgericht hat gemeint, die Klägerin habe ein dinglich gesichertes Nutzungsrecht an dem Fahrradunterstand, so dass der Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 1027, 1090 BGB begründet sei. Die Grunddienstbarkeit erfasse auch die eigentliche Nutzung des Fahrradunterstandes und nicht nur dessen Instandhaltung und Wartung. Durch die Sperrung des Zugangs von der G-straße werde die Nutzung erheblich erschwert. Entgegen dem Standpunkt des Beklagten sei die Sperrung auch nicht zur Sicherung des Bahnhofsgebäudes notwendig.

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Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er meint, das dingliche Recht berechtige die Klägerin nur dazu, den Fahrradunterstand in Ordnung zu halten, enthalte aber nicht das Recht auf Zugang zu dem Unterstand und schon gar nicht das Recht auf Zugang gerade von der G-straße aus. Die Bürger und Bahnkunden könnten den Fahrradunterstand nutzen. Er sei über den Bahnsteig problemlos erreichbar. Die Klägerin habe ihr dingliches Nutzungsrecht schonend auszuüben. Er - der Beklagte - habe die Absperrung zur G-straße hergestellt, um das Gelände zu schützen.

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In seiner persönlichen Anhörung durch den Senat hat der Beklagte erklärt, die Fläche zwischen Fahrradunterstand und Bahnhofsgebäude diene zudem als notwendiger Stellplatz für drei Autos seiner Mieter. Auch deshalb könne der Zugang von der G-straße aus nicht genutzt werden.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Landgerichts Kiel vom 20.10. 2017 abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

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Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Die Klägerin kann verlangen, dass der Beklagte es unterlässt, den straßenseitigen Zugang des Fahrradunterstandes zu versperren.

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1. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gemäß §§ 1090 Abs. 1 und 2, 1027, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Dienstbarkeit ist so auszulegen, dass die Klägerin und die von ihr ermächtigten Nutzer das Grundstück zum Unterstellen von Fahrrädern nutzen dürfen. Diese Nutzung wird durch die von dem Beklagten errichteten Zäune beeinträchtigt.

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1.1. Zutreffend hat das Landgericht die Nutzung des Fahrradunterstandes zum Abstellen von Fahrrädern als von der Dienstbarkeit umfasst angesehen. Der konkrete Inhalt einer Dienstbarkeit ist durch die Auslegung von Einigung und Eintragung zu ermitteln. Dabei kann auch eine längere Zeit geduldete tatsächliche Ausübung Anhalt für den ursprünglichen Rechtsinhalt geben (vgl. Palandt/Herrler, 77. Aufl., § 1018 Rn. 8). Schon nach dem Wortlaut ihrer Bewilligung kann die Dienstbarkeit auch das Unterstellen von Fahrrädern umfassen, obwohl diese nur für „das Unterhaltungs- und Wartungsrecht“ eingetragen werden sollte, die Benutzung zum Unterstellen von Fahrrädern also nicht ausdrücklich aufgeführt ist. Denn schon der Begriff der „Unterhaltung“ umfasst auch die Nutzung. In der Alltagssprache wird die Formulierung, einen Betrieb oder eine Einrichtung zu „unterhalten“, auch so gebraucht, dass diese Einrichtung genutzt wird, bezeichnet also nicht nur die bauliche Unterhaltung, sondern auch die bestimmungsgemäße Nutzung. Wer beispielsweise sagt, er „unterhalte“ eine Zweitwohnung, wird nicht so verstanden, dass er dort nur tapeziert oder streicht, sondern eher so, dass er diese Wohnung auch bewohnt, also einfach benutzt. Folgerichtig definiert auch der Duden die Bedeutung von „unterhalten“ als „etwas halten, einrichten, betreiben und dafür aufkommen“.

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Allenfalls der Zusammenhang der Regelung, in der zunächst unter Ziffer 1 von der Unterhaltung und unentgeltlichen Benutzung die Rede ist, dann aber unter der Ziffer 2 ein Nutzungsrecht nicht erwähnt wird, kann dafür sprechen, dass im Vertrag zwischen Nutzung und Unterhaltung unterschieden werden sollte, Nutzung also keine Unterhaltung sein soll.

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Entscheidend für die Auslegung, dass auch die Nutzung der Anlage von der Dienstbarkeit erfasst ist, ist aber der Sinn und Zweck des Vertrages. Die bauliche Unterhaltung eines Fahrradunterstandes, den niemand nutzen darf, wäre sinnlos und ist erkennbar von den Vertragsparteien nicht gewollt. Vor dem Kauf und zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wurde der Fahrradunterstand langfristig als solcher benutzt. Dies wollten die Vertragsparteien nicht ändern.

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1.2. Die ursprünglich vom Beklagten angebrachten Absperrungen eines Eingangs durch einen Zaun beeinträchtigten die Dienstbarkeit. Eine Beeinträchtigung der Dienstbarkeit ist jede Störung oder Behinderung der rechtmäßigen Ausübung (vgl. Palandt/Herrler, 77. Aufl.,§ 1027 BGB Rn. 1). Eine von zwei baulich vorgesehenen Zugangsmöglichkeiten war versperrt. Schon dadurch wurde die Nutzungsmöglichkeit erheblich beschränkt, nicht anders, als wenn eine von zwei Eingangstüren eines Hauses versperrt ist. Die Nutzer mussten ihre Fahrräder über den Bahnsteig schieben. Ein zügiger Zugang von der Straße war dagegen nicht möglich, die Nutzer wurden also in ihrer Rechtsausübung behindert.

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Auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Klägerin aus §§ 1090 Abs. 2, 1020 BGB zur schonenden Ausübung ihres Rechtes ergibt sich nicht, dass der Zugang zur Straße gesperrt werden darf. Nach dieser Vorschrift ist das Interesse des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Ein Interesse des Beklagten, den straßenseitigen Zugang zu sperren, ist nicht erkennbar. Dieses ergibt sich auch nicht aus der Gefahr von Vandalismusschäden, die eine Einzäunung des Grundstücksteils erforderlich machen sollen. Unter diesem Gesichtspunkt ist jedenfalls nicht verständlich, warum der straßenseitige Zugang des Fahrradunterstandes mit einem Zaun versperrt werden musste. Der Beklagte kann sein Gebäude und die davor liegende Terrasse einzäunen, ohne die Zugangsmöglichkeit zum Fahrradunterstand zu beschränken. Er muss nur den Zugang zum Fahrradunterstand von der Einzäunung ausnehmen und einen Teil des Weges davor freigegeben.

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Auf die Frage ob er wegen der Wegerechte Dritter überhaupt Zäune errichten darf, kommt es mithin gar nicht an.

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Ein Interesse an der Absperrung ergibt sich auch nicht aus dem vom Beklagten erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Umstand, dass die Fläche vor dem Eingang als notwendiger PKW-Stellplatz für seine Mieter zu nutzen sei. Dabei kann offen bleiben, ob dieses Vorbringen als neue Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO überhaupt zuzulassen ist. Jedenfalls überwiegt das Interesse des Beklagten daran, einen gebäudenahen Stellplatz für Autos zu schaffen, nicht das Interesse der Klägerin, Fahrradstellplätze leicht zugänglich verfügbar zu halten.

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1.3. Der Umstand, dass der Beklagte den Zugang zum Fahrradunterstand nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils freigegeben hat, ändert nichts an dem Unterlassungsanspruch. Die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen ergibt sich aus der Rechtsverletzung durch den Beklagten in der Vergangenheit.

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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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