Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 U 39/03

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Vorsitzenden der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Heilbronn vom 06.02.2003 abgeändert.

2. a) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.656,95 EUR nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 06.09.2002 zu bezahlen.

b) Im Übrigen wird unter gleichzeitiger Zurückweisung der weitergehenden Berufung die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Beklagte 3/25, der Kläger 22/25.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.700,00 EUR abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.800,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Berufung ist zulässig, der Sache nach überwiegend von Erfolg.
A.
Zum einen wird auf die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Ergänzend:
Zwischen dem Beklagten und der späteren Insolvenzschuldnerin, der Firma S. GmbH, einer Bauträgerin [im Folgenden kurz: IS], bestand seit 1994 eine Geschäftsbeziehung dergestalt, dass der Beklagte ihr als Makler Kunden vermittelte, Finanzierungsfragen regelte und von der IS jeweils 6 % Provision erhielt, fällig, sobald der vermittelte Erwerber die vereinbarte Vergütung an die IS zu entrichten hatte. 1999 erteilte der Beklagte der IS den Auftrag, für ihn einen Rohbau zu erstellen, der im Mai/Juni 1999 vollständig errichtet war. Danach erwuchs der IS ein Werklohnanspruch von 176.000,00 DM (vgl. BI. 32). Der Beklagte hatte seinerseits aus Rechnungen vom 18.05.1999 bis 22.11.1999 („Provision 1" [K 3 = B 1]) Provisionsforderungen gegen die IS über 94.788,36 DM. Der Beklagte hafte der IS auch ein Ehepaar K. vermittelt, welches von der IS durch notariellen Kaufvertrag vom 29.12.1999 erworben hatte (K 4). Die Zahlung des Kaufpreises war von Bedingungen abhängig und, da die IS erst noch die Fälligkeit der Raten mitzuteilen versprach (Kaufvertrag S. 4) und die erste Rate erst bis 4.2.2000 zu bezahlen war, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht fällig. Im Kaufvertrag (K 4 S. 4 unten) wurde zugleich „ein Teilbetrag von DM 95.000,00 ... von der ersten Rate ...” an den Beklagten abgetreten. Diese Forderungsabtretung ist Gegenstand des vorliegenden Anfechtungsprozesses. Mit Rechnung vom 31.12.1999 und 02.03.2000 („Provision 1 und 2" = B 2 und B 3) forderte der Beklagte weitere Provisionen über 92.064,64 DM ein. Die Eheleute K. hatten an den Beklagten am 18.02.2000 jene 95.000,00 DM bezahlt. Der Beklagte seinerseits überwies an die IS am 06.03.2000 45.000,00 DM und am 16.3.2000 38.935,96 DM. Damit waren die wechselseitigen Forderungen (einerseits Werklohnforderung der IS über 176.000,00 DM und andererseits zeitweilige Provisionsgegenforderungen des Beklagten über 186.852,40 DM) erloschen. Am 17.07.2000 stellte der Geschäftsführer der IS, der Zeuge G., den Insolvenzantrag. Am 01.09.2000 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser sah in der Abtretung ein anfechtbares Geschäft.
Dem folgte das Landgericht im Hauptbetrag, indem es den Beklagten zur Zahlung von (95.000,00 DM =) 48.572,73 EUR nebst - gegenüber dem Antrag ermäßigten - Zinsen verurteilte.
Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten,
der in der Abtretung und Befriedigung aus ihr einem Bargeschäft ähnlich keine gläubigerbenachteiligende Handlung sieht, da zu jenem Zeitpunkt eine unanfechtbare Aufrechnungslage (Werklohn gegen gar überschießende Provisionsforderungen) bestanden habe. Er habe nur auf die Aufrechnung verzichtet, die Forderung der IS bedient und seinen Gegenanspruch zum Teil durch die abgetretene Forderung sichern lassen. Ähnlich einem Austausch gleichwertiger Sicherheiten sei im Hinblick auf die Aufrechnungslage keine Gläubigerbenachteiligung ausgelöst worden.
Der Beklagte beantragt:
Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 06. Februar 2003 (AZ: 23 0 109/02 KfH) wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
10 
Der Kläger beantragt:
11 
Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 06.02.2003 (AZ: 23 0 109/02 KfH) wird aufrechterhalten.
12 
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.
13 
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen.
B.
14 
Das Rechtsmittel hat zum überwiegenden Teil Erfolg.
15 
Da die beanstandete Handlung nicht in die Zeitschranken der §§ 131, 132 InsO gefallen ist, bestimmt sich die Anfechtbarkeit - wie vom Landgericht auch nur zu Grunde gelegt - vorliegend nach § 133 Abs. 1 InsO. Dessen Voraussetzungen sind im Ergebnis zum Teil erfüllt.
1.
16 
a) Dass die Abtretung als Besicherung eines Teils der Provisionsforderung eine inkongruente Deckung darstellte, da nicht ersichtlich ist, dass diese Art der Erfüllung vom Beklagten von der IS hätte gefordert werden können oder diese sie wenigstens ihrerseits aus Rechtsgründen nicht hätte ablehnen dürfen (vgl. BGHZ 123, 320 = ZIP 1993, 1653 [II 3 a]), stellen die Parteien nicht in Abrede, vielmehr (vgl. Beklagter selbst: BI. 86) ausdrücklich fest. Und dies zu Recht. Denn die Abtretung war nicht von vornherein vereinbart. Danach hatte der Beklagte durch die Abtretung der Forderung eine Befriedigung erlangt, die er in dieser Weise nicht zu beanspruchen hatte. Dies stellt eine inkongruente Deckung dar (vgl. OLG Zweibrücken ZIP 1982, 82, 83; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 131, 7; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO [2003], § 131, 18).
17 
b) Damit scheidet aber auch zugleich das Bargeschäft-Argument (vgl. hierzu allgemein Pape/Uhlenbruck, InsolvenzR [2002], Rdn. 676) des Beklagten aus, wodurch der streitbetroffene Vorgang der Anfechtung entzogen sei. Denn eine inkongruente Deckung steht der Annahme eines Bargeschäftes entgegen (Kirchhof in MüKo/InsO [2001], § 142, 7; Nerlich a.a.O. § 142, 10; Riggert in Braun, InsO [2002], § 142, 12; so zum bisherigen Recht: BGHZ 123, 320 [II 2]; a.A. zum neuen Recht Paulus in Kübler/Prütting, InsO, § 142, 1 und 3).
2.
18 
Der ursächliche Zusammenhang zwischen angefochtener Handlung und behaupteter Verkürzung des IS-Vermögens kann ebenso wenig fraglich sein.
19 
a) § 129 Abs. 1 InsO bestätigt den Grundsatz des insolvenzrechtlichen Anfechtungsrechts, der auch schon unter der KO galt, dass zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Verkürzung des Vermögens für den Gläubigerzugriff ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss (BGHZ 143, 246 f = NJW 00, 1259, 1261; Kirchhof in MüKo/InsO [2001], § 129, 169; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. [2003], § 129, 123; de Bra in Braun, InsO [2002], § 129, 34; Paulus in Kübler/Prütting, InsO [2001], § 129, 35; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO [2003], § 129, 70; Breutigam in Breutigam/Blersch/ Goetsch, InsolvenzR, § 129, 25). Das ist der Fall, wenn die Befriedungsmöglichkeit des Gläubigers ohne die angefochtene Rechtshandlung günstiger wäre (BGH a.a.O. 1261). Zu berücksichtigen sind grundsätzlich alle realen Umstände, die - ausgelöst durch die anzufechtende Handlung - im weiteren Verlauf die Gläubigerbefriedigung verkürzen (Kirchhof a.a.O. 170).
b)
20 
aa) Reale, gegenläufig wirkende Umstände können den Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung im Rechtssinn aber von vornherein verhindern (Kirchhof a.a.O. 171). Eine zunächst eingetretene Benachteiligung kann nachträglich etwa dadurch wieder beseitigt werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführt (Kirchhof a.a.O. 178).
21 
bb) Wenn der Empfänger aber noch über den Gegenstand selbst oder den an dessen Stelle getretenen Wert verfügen kann, steht die Berücksichtigung von Reserveursachen in Frage, die anfänglich dem Insolvenzschuldner denselben Gegenstand unabhängig von der aufgetretenen Rechtshandlung ebenfalls ganz oder teilweise entzogen hätten. Derartige hypothetische Ursachen sind aber grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (BGH ZIP 00, 1550, 1551; Z 123, 320 = ZIP 93, 1653 [II 3 b]; Kirchhof a.a.O. § 129, 181; Hirte a.a.O. § 129, 123; de Bra a.a.O. § 129, 36; Nerlich a.a.O. § 129, 70; Breutigam a.a.O. § 129, 25; Gerhardt/Kreft a.a.O. S. 18/19).
22 
Das Anfechtungsrecht knüpft bei Vorliegen genau umschriebener Tatumstände - auch aus Gründen der Rechtsklarheit - allein an die tatsächlich eingetretene Gläubigerbenachteiligung an (Kirchhof a.a.O. 181).
23 
cc) Eine Reserveursache soll dann und nur dann beachtlich sein, wenn sie erstens real (also nicht nur gedacht) ist, und wenn sie zweitens bei Fortfall gerade und nur der anfechtbaren Rechtshandlung den gleichen Nachteil wie diese herbeigeführt hätte (Paulus a.a.O. § 129, 26; zweifelnd hierzu Hirte a.a.O. 123; unklar de Bra a.a.O. § 129, 36). Von Olshausen (KTS 2001, 45, 52) will die Formel über die Unbeachtlichkeit nur gedachter Geschehensabläufe nur erstreckt wissen auf den Einwand, andere Gläubiger hätten auf diesen Vermögenswert in unanfechtbarer Weise ohnehin zugegriffen oder der Insolvenzschuldner hätte zu Gunsten anderer Personen in anfechtungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verfügt. Im Fall, dass der nachmalige Insolvenzschuldner gegen eine noch nicht fällige, aber erfüllbare Forderung des (späteren) Insolvenzgläubigers in bürgerlich-rechtlich wirksamer, aber nach § 131 InsO anfechtbarer Weise aufgerechnet hatte und die Forderung des Insolvenzgläubigers aber noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden wäre, sodass ohne die vorangegangene Aufrechnungslage des Insolvenzschuldners jetzt eine Aufrechnungslage für den Insolvenzgläubiger entstanden wäre, verneint von Olshausen eine relevante Benachteiligung.
24 
dd) Die herrschende Meinung geht aber davon aus, dass der Schutzzweck der Regeln über die Gläubigeranfechtung es erfordern, dass allein der von den Beteiligten tatsächlich gewählte Weg zu beurteilen ist. Deshalb könne eine Gläubigerbenachteiligung nicht mit der Erwägung verneint werden, bei Unterbleiben der angefochtenen Handlung hätte der Gläubiger auf den Gegenstand ebenfalls nicht zurückgreifen können, weil dann über ihn in nicht anfechtbarer Weise verfügt worden wäre. Ebenso wenig könne der Anspruchsgegner dem Gläubiger entgegenhalten, ohne die anfechtbare Handlung wäre der Schuldner in Konkurs gefallen. Demnach kann es für den erhobenen Anspruch grundsätzlich nicht erheblich sein, ob der eingetretene Rechtserfolg auch ohne Zwischenschaltung der Schuldnerin hätte bewirkt werden können (so BGH ZIP 2000, 1550, 1551 [dort zum AnfG] m.N.; vgl. auch BGH NJW 99, 2669, 2670).
25 
c) Deshalb ist unerheblich, ob der Schuldner über den fraglichen Gegenstand auch unanfechtbar hätte verfügen können, ob andere Gläubiger durch unanfechtbare Aufrechnung auf die Forderung zugegriffen und sie so allemal der Gläubigergemeinschaft in nicht zu beanstandender Weise entzogen hätten (BGHZ 123, 320, 325 = NJW 93, 3267, 3268) und ob der begünstigte Gläubiger gar hätte vollstrecken können statt - wie geschehen und beanstandet- gegen Sicherheit Stundung zu gewähren (Kirchhof a.a.O. 182).
26 
d) Die Richtigkeit dieses Ansatzes wird im Übrigen gleich gerichtet auch durch eine Parallelwertung bestätigt.
27 
aa) Zwar soll, wird eine Masseschuld - etwa nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO [ungerechtfertigte Bereicherung der Masse] - beglichen, dieser Vorgang mangels Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar sein (Paulus a.a.O. § 129, 22).
28 
bb) Wirtschaftlich kann die Alternativbetrachtung des Beklagten auch dahin aufgelöst werden, dass er die Bezahlung auf den Werklohn wieder zurückfordert, da er hätte aufrechnen können, und nun eine nach § 94 InsO anfechtungsrechtlich geschützte Aufrechnung vornimmt. Dieses (gedankliche) Umschichten ist aber schon deshalb nicht möglich, weil es auch rechtlich nicht eröffnet ist. Es entspricht nämlich völlig herrschender Auffassung, dass, wird trotz bestehender Aufrechnungsmöglichkeit vom Gläubiger bezahlt, die Gegenforderung nach § 362 BGB erlischt. Die Aufrechnungsbefugnis stellt keine dauernde Einrede gemäß § 813 BGB dar, sondern ein Gestaltungsrecht. Der Gläubiger kann das Geleistete, mit welchem die Erfüllung bewirkt worden ist, nicht mehr etwa als Massebereicherung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 zurückfordern und nachträglich noch aufrechnen (Lüke in Kübler/Prütting a.a.O. § 94, 112; MüKo/Brandes a.a.O. § 94, 34; Wittkowski in Nerlich/Römermann a.a.O. § 94, 36; Uhlenbruck a.a.O. § 94, 42 [der sogar seine gegenläufige Meinung in der Vorauflage nun als gleich gerichtet wiedergibt]). Der BGH hat diese Wertung jedenfalls für den Fall bestätigt, dass der Schuldner bei Zahlung wusste, dass er aufrechnen konnte (BGH WM 63, 964, 965).
29 
cc) Diese rechtliche Sperre, die Geschehenes geschehen sein lässt, steht einer Gegenbetrachtung entgegen, die bewusst Vollzogenes nachträglich umschichten und in neue, angeblich anfechtungsrechtlich unverfängliche Bezüge stellen möchte. So hat denn auch der BGH in Z 123, 320 = ZIP 93, 1653 [IV 2 a] entschieden, dass, wird die Vereinbarung geändert, nachdem ein Partner schon vorgeleistet hat, sich der Abänderungsvertrag im Ergebnis nur noch auf die Art, wie die (vom Umfang her unveränderte) Gegenleistung zu erbringen ist. Die Art der veränderten Gegenleistung macht aber gerade das anfechtungsrechtlich Anstößige aus.
30 
Auch diese Parallelwertung belegt, dass das tatsächlich Geschehene zu beurteilen ist. Das Anfechtungsrecht knüpft bei Vorliegen genau umschriebener Tatumstände - auch aus Gründen der Rechtsklarheit - allein an die tatsächlich eingetretene Gläubigerbenachteiligung an (Kirchhof a.a.O. § 129, 181).
3.
31 
Die Kausalitätsfrage befasst sich auf der Grundlage einer Gläubigerbenachteiligung damit, inwieweit denkbare Geschehensentwicklungen Wertungsrelevanz erlangen. Wie jeder anfechtungsrechtliche Tatbestand in diesem Bereich erfordert § 133 Abs. 1 InsO aber, dass eine tatsächliche Gläubigerbenachteiligung festzustellen ist. Daran fehlt es vorliegend jedoch zum überwiegenden Teil.
32 
a) Voraussetzung jedes anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs ist das Vorliegen einer objektiven Gläubigerbenachteiligung (Gerhardt/Kreft, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 8. Aufl., Rdn. 78 m.N.). Im Rahmen des § 133 InsO genügt eine nur mittelbare Gläubigerbenachteiligung (Gerhardt/Kreft a.a.O. 85; Nerlich a.a.O. § 133, 14; Breutigam, InsO, § 133, 4; vgl. auch BGH WM 87, 881). Bei dieser kann sich der Nachteil erst nach Abschluss der Rechtshandlung durch das Hinzutreten weiterer Umstände bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung verwirklichen (Gerhardt/Kreft a.a.O. 85).
33 
b) Die Insolvenzgläubiger werden benachteiligt, wenn die Insolvenzmasse durch die anfechtbare Handlung verkürzt worden ist, wenn sich also die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die fragliche Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtung günstiger gestaltet hätten (Gerhardt/Kreft a.a.O. 80). Eine Gläubigerbenachteiligung ist zu verneinen, wenn durch die Zahlung eines Schuldners des (Gemein-)Schuldners an einen Dritten, die nicht zum Erlöschen der Verbindlichkeit des Schuldners geführt hat, nur die tatsächliche Durchsetzung der Forderung des (Gemein-)Schuldners erschwert wird (Gerhardt/Kreft a.a.O. 82). Nach Sinn und Zweck der Anfechtungsvorschriften muss für die Frage, ob die Gläubiger durch einen Vertragsschluss benachteiligt werden, die Vermögensverschiebung in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung erfasst und deshalb eine mehrteilige Rechtsübertragung als ein einheitliches Ganzes betrachtet werden; durch den Abschluss des Vertrages werden die Gläubiger benachteiligt, wenn der gesamte rechtsgeschäftliche Vorgang die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger verschlechtert (vgl. Gerhardt/Kreft a.a.O. 96). Selbst bei absichtlicher Benachteiligungshandlung scheidet daher eine Anfechtung dann aus, wenn die Gläubiger im wirtschaftlichen Ergebnis (ex post betrachtet) ohnehin keine Befriedigung erlangt hätten (Breutigam a.a.O. § 133, 4) oder die Benachteiligung auch ohne die Rechtshandlung eingetreten wäre (Nerlich a.a.O. § 133, 14; vgl. auch jüngst BGH NJW 03, 1865, 1866 zur - dort - unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung; vorgesehen zur Veröffentlichung in BGHZ).
34 
c) Die Gläubigerbenachteiligung setzt danach die in der Krise des gewährenden Vertragspartners geschehene Zuweisung eines Sondervorteils voraus, wie er sich insbesondere in der inkongruenten Deckung zeigt, dem nach der konkreten, objektiven wirtschaftlichen Lage kein wirtschaftlicher Gegenwert gegenübersteht und der auch später nicht eintritt. Dabei bleibt zu beachten, dass auch bei einer inkongruenten Deckung dem solchermaßen wirtschaftlich Privilegierten der Anspruch dem Vertragsverhältnis nach an sich zugestanden hat, die Nähe des wirtschaftlichen Geschehens zur Insolvenz aber nur die Teilhabe am wirtschaftlichen Schicksal in der Gläubigergemeinschaft eröffnet, nicht aber das Festhalten an der Befriedigung durch eine Sonderzuwendung. Kommt es später in Bezug auf diese besondere Vermögensverschiebung aber zu einem wirtschaftlichen Ausgleich, so ist die Anfechtbarkeit aufgehoben, soweit nach dem Ausgleich das Befriedigungsprivileg nicht fortbesteht. Dies mögen vereinfachende Beispiele veranschaulichen: Verfügt die IS über Forderungen von 100.000,00 DM und tritt sie zusätzlich eine Forderung über 50.000,00 DM ab, so findet im Ergebnis kein Befriedigungsprivileg statt, wenn der Gegner seinerseits mit einer fälligen Forderung über 100.000,00 DM aufrechnet und etwa bar 50.000,00 DM zurückbezahlt. Liegt die Forderung des Gegners aber bei 120.000,00 DM, zahlt er auf die Abtretung der 50.000,00 DM 30.000,00 DM und rechnet er mit seiner Gegenforderung gegen den Hauptanspruch des Insolvenzschuldners und dem Rest von 20.000,00 DM aus dem Abtretungsgeschäft auf, so nimmt er für die Tilgung seiner Gegenforderung von 120.000,00 DM 20.000,00 DM aus der Abtretung und damit dem inkongruenten Geschäft in Anspruch. In diesem Umfang bleibt bei dieser Art der Verrechnung seine Befriedigung privilegiert und damit anfechtungsrechtlich angreifbar.
35 
So liegt es hier. Zum Zeitpunkt der Abtretung stand der IS eine Werklohnforderung von 176.000,00 DM zu, daneben hatte sie durch Abtretung eine Vermögensverschiebung zu Gunsten des Beklagten über 95.000,00 DM vorgenommen, was diesem eine privilegierte Erfüllungsmöglichkeit über 95.000,00 DM verschaffte.
36 
Zum Zeitpunkt der Abtretung standen dem Beklagten aus der Aufstellung „Provision 1” (K 3 = B 1) einerseits 94.788,36 DM zu. Bezogen auf diesen Zeitpunkt kann allerdings nicht die Beklagtenforderung aus „Position 2” (B 2) mit 92.275,68 DM Provisionsguthaben zu Grunde gelegt werden. Denn bereits das Landgericht hat unangefochten festgestellt, dass die Provision H. noch nicht anzusetzen sei, da erst am 02.03.2000 entstanden; aber auch die Provision K. konnte keinen Ansatz finden, da deren Fälligkeit noch aufgeschoben und erst mit Zahlung im Februar 2000 fällig geworden war. Dies ergibt zum Zeitpunkt der Abtretung einen Beklagtenanspruch aus „Provision 2” von nur (36.948,00 DM x 16 % [= 5.911,68 DM] =) 42.859,68 DM. Der Gesamtprovisionsanspruch des Beklagten belief sich damit zum Zeitpunkt der Abtretung auf 137.648,04 DM. Nur in diesem Umfang standen sich die Forderungen aufrechenbar gegenüber. Auch wenn die IS ihre Werklohnforderung eingefordert hätte, wäre bei Aufrechnung durch den Beklagten zum damaligen Zeitpunkt ein Restwerklohn von 38.351,96 DM übrig geblieben. Erst Anfang März 2000 waren dem Beklagten die in den Provisionsaufstellungen 1 und 2 ausgewiesenen Forderungen von insgesamt 186.852,40 DM erwachsen. Bei seiner nachträglichen Tilgungsdarstellung (BI. 47) ließ sich der Beklagte jene 95.000,00 DM auf seine Provisionsforderung von 187.064,00 DM anrechnen und nahm insoweit eine privilegierende Befriedigung in Anspruch. Mit seiner verbliebenen Restforderung von 92.064,00 DM rechnete er gegen die Werklohnforderung auf (Werklohnrest dann 83.936,00 DM) und tilgte diesen Anspruch -fast vollständig- durch Zahlung von 83.935,96 DM (06.03.2000: 45.000,00 DM; 16.03.2000: 38.935,96 DM). Diese Tilgungsdarstellung stellt jedoch nur ein nachträgliches Bilanzmodell des Beklagten dar. Eine Tilgungs- und Verrechnungsbestimmung war seiner Zahlung selbst nicht zu entnehmen. Die wirtschaftliche Gegenrechnung lässt sich auch so darstellen: Aufrechnung gegen die Werklohnforderung der IS (176.000,00 DM) mit eigenen Provisionsforderungen (letztlich 187.064,00 DM), weshalb ein Provisionsrestanspruch von 11.064,00 DM verblieb. Mit diesem Anspruch rechnete der Beklagte gegen die ihm aus der Abtretung entgegenzuhaltende Forderung von 95.000,00 DM auf und zahlte auf den dann noch insoweit verbleibenden Rest 83.935,96 DM. Danach ist im Umfang dieser Zahlung der privilegierende Vermögenseinsatz der IS wettgemacht. Nur soweit der Beklagte für den gegenüber der Werklohnforderung der IS überschießenden eigenen Provisionsforderungsrest von 11.064,00 DM verrechnend auf die ihm abgetretene Forderung zurückgegriffen hat, hat er sich die in ihr liegende Befriedigungsprivilegierung endgültig zu Nutze gemacht. Angesichts der Darlegungs- und Beweislast des Klägers kann vorliegend nur von diesem Tilgungs- und Bilanzierungsmodell ausgegangen werden. Nur in diesem genannten Umfang kann deshalb eine Gläubigerbenachteiligung angenommen werden und der Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 1 InsO weiter ansetzen.
37 
d) Dass die Aufrechnung im Übrigen ihrerseits anfechtbar gewesen wäre, etwa weil sie einem Aufrechnungsverbot unterlegen hätte (vgl. hierzu etwa Nerlich a.a.O. § 131, 25), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
4.
38 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO sind insoweit erfüllt.
39 
a) Dass der Schuldner insoweit mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat, ist erwiesen.
40 
aa) Eine inkongruente Deckung ist ein starkes Indiz (vgl. BGH NJW 99, 3046, 3047 m.N.; Kirchhof a.a.O. § 133, 29) für den - ausreichenden - bedingten Vorsatz, nämlich das Bewusstsein des Schuldners, seine Handlungsweise könne sich zum Nachteil anderer Gläubiger auswirken und den Willen, diese Folge in Kauf zu nehmen (BGHZ 131, 189, 195; Kirchhof a.a.O. § 133, 13), wobei - wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - die Gläubigerbenachteiligung nicht der alleinige Zweck oder das ausschlaggebende Motiv sein muss (Kirchhof a.a.O. 13).
41 
bb) Die Beweisaufnahme hat in nicht zu beanstandender Weise ergeben, dass die spätere Insolvenzschuldnerin zumindest ab Mai 1999 in erheblichen Finanznöten war. Rechnungen liefen auf, Schecks wurden nicht mehr alle eingelöst. Ein Scheck über 95.000,00 DM zur Begleichung eines Teils der Provisionsforderung des Beklagten wäre nach Einschätzung des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin, des Zeugen G., „voraussichtlich nicht eingelöst worden. Das wollte ich vermeiden. Aus dieser Überlegung heraus wurde dann die Abtretung in den Kaufvertrag mit dem Kunden K. am 29.12.1999 (K 4) aufgenommen” (Bl. 27). Deutlicher kann nicht ausgedrückt werden, dass die nachmalige Insolvenzschuldnerin in einer tiefen Krise steckte, die Erfüllung, auf welche die Beklagte einen Anspruch hatte (Zahlung, ggf. erfüllungshalber), nicht möglich war und dem Beklagten deshalb eine Befriedigungsprivilegierung zugedacht wurde, die anderen Gläubigern vorenthalten blieb und damit, zugleich an den übrigen Gläubigern vorbei, deren Zugriff zu deren Nachteil entzog. Diesen Vorgang hat der Zeuge in seiner wirtschaftlichen Bedeutung erfasst und in ihrer Folge billigend hingenommen.
42 
cc) Dass zu jener Zeit (Mitte 1999) die GmbH mit der Gemeinde Ge. in Verhandlungen über die Erstellung von 29 Eigentumswohnungen und 8 Reihenhäusern stand, mag mit der Beklagten unterstellt werden. Dies steht dem maßgeblichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der nachmaligen Insolvenzschuldnerin nicht entgegen. Denn dieser Vorsatz manifestiert sich bereits in der bewussten Bevorzugung des Beklagten durch die Zuschiebung einer Sonderbefriedigung, welche die Geschäftslage sonst nicht hergab. In die vom Beklagten angestellte Gesamtbilanzierung kann das geplante Geschäft aber nicht schon als Habenposition eingestellt werden. Es war im bloßen Stadium des Projektes und sollte sich nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten (BI. 15) aus sich selbst heraus tragen. So sollten nämlich „die Grundstückskaufpreise ... von der Insolvenzschuldnerin dann sukzessive an die Gemeinde Ge. bezahlt werden”, eben nach Eingang entsprechender (Raten-)Zahlungen gedachter Erwerber. Hinter diesem Modell verbarg sich danach kein ausreichender Besicherungstopf für die Forderungen der übrigen gegenwärtigen Gläubiger, sondern nur ein überwiegend sich selbst versorgendes Überlebensmodell, das kaum freie Mittel versprach.
43 
b) Die weitere Voraussetzung, dass der Beklagte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin erkannte, ist vom Landgericht in nicht in Zweifel zu ziehender Weise (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) festgestellt worden, zumal diese Kenntnis gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO vermutet wird, wenn der Beklagte wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit der GmbH drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
44 
aa) Insofern wird auf die zutreffenden Feststellungen des Landgerichts verwiesen. Danach kann dem Beklagten seine Bevorzugung in der Befriedigung gegenüber anderen Gläubigern nicht verborgen geblieben sein.
45 
bb) Im Übrigen sprachen alle Anzeichen für eine äußerst angespannte Finanzlage der GmbH. Seit Monaten waren in einem seit Jahren währenden Geschäftsverhältnis Rechnungen nicht bezahlt worden. Einige Objekte waren, wie der Beklagte nach der Bekundung des Zeugen G., der das Landgericht folgte, wusste, nicht verkauft worden. Die GmbH saß damit auf Unkosten und Objekten. Der Beklagte wusste zudem, dass Schecks teilweise nicht mehr eingelöst wurden. Hinsichtlich der ihm gewährten Sonderbefriedigung musste zuerst die Hausbank der Beklagten befragt werden. Zudem war dem Beklagten aufgrund seiner eigenen beruflichen Tätigkeit die kritische Lage auf dem Immobilienmarkt zu jener Zeit bekannt. Danach kann mit dem Landgericht davon ausgegangen werden, dass dem Beklagten die dramatische finanzielle Lage der GmbH bekannt war und er danach über den Kenntnisstand verfügte, dass ihr Zahlungsunfähigkeit drohte. Die Berufung zeigt denn auch keine Gründe auf, welche diese Tatsachengrundlage, etwa die Glaubwürdigkeit des Zeugen G., in beachtlicher Weise zu erschüttern vermöchte. Danach sind auch die in der Person des Beklagten erforderlichen subjektiven Merkmale erfüllt, ohne dass es noch der ergänzenden Bewertung bedurfte, dass der Beklagte seine Rolle als bloßer Makler von Kunden von Finanzierungsmöglichkeiten aufgegeben und in Abkehr von dieser Art der Zusammenarbeit eben im Mai/Juni 1999 die GmbH zur bloßen Subunternehmerin gemacht hatte und selbst als Bauträger und Verwerter von Baugrund und Bausubstanz auftrat.
5.
46 
a) Danach ergibt sich ein Rückgewähranspruch des Klägers gemäß §§ 143 Abs. 1 S. 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO gegen den Beklagten, soweit seine Provisionsforderung die Werklohnforderung der IS überstiegen und er zur Erfüllung dieses Forderungsrestes auf die Abtretung zurückgegriffen und sich insoweit das Befriedigungsprivileg zu Nutze gemacht hat.
47 
b) Dass der Senat in der mündlichen Verhandlung in Teilen einer anderen Bewertung zugeneigt hat als jetzt judiziert, gebietet nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung oder eine sonstige Form der Gewährung rechtlichen Gehörs hierzu. Der Sachverhalt ist feststehend. Vorliegend geht es ausschließlich um die Rechtsanwendung. Auf diese Problemlage konnten sich beide Parteien einstellen und haben sich auch mit ihrer ausführlichen rechtlichen Argumentation eingestellt.
II.
48 
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 92, 708 Nr. 10, 711, 713, 542, 543 i.V.m. § 3 ZPO.
49 
Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung liegen nicht vor. Der Senat wendet anerkannte Rechtsgrundsätze an. Der Fall erschöpft sich einzig in der Umsetzung dieser Rechtsregeln auf den vorliegenden Einzelfall.

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